BGH Beschluss v. - I ZB 103/22

Instanzenzug: LG Limburg Az: 7 T 125/22vorgehend AG Limburg Az: 8 M 1680/22nachgehend Az: I ZB 103/22 Beschluss

Gründe

1A. Die für den Gläubiger, das Land H.  , tätige Gerichtskasse G.   betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen fälliger Gerichtskostenforderungen.

2Die Gerichtskasse beantragte im Juni 2022 die Abnahme der Vermögensauskunft und bei unentschuldigtem Fernbleiben des Schuldners den Erlass eines Haftbefehls gegen diesen. Der nicht qualifiziert elektronisch signierte Antrag schließt mit der Angabe "gez. O.  Sachbearbeiter/in" und einem maschinell aufgedruckten Siegel der Gerichtskasse. Er wurde über das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (nachfolgend auch: EGVP) der Gerichtskasse an das EGVP des Amtsgerichts zur Weiterleitung an den zuständigen Gerichtsvollzieher übermittelt.

3Der Schuldner gab die Vermögensauskunft nicht ab. Der Gerichtsvollzieher übersandte den Vorgang an das Vollstreckungsgericht zur Entscheidung über den Haftbefehlsantrag.

4Das Amtsgericht hat den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Gläubigers ist erfolglos geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen Vollstreckungsantrag weiter.

5B. Das Beschwerdegericht hat angenommen, es genüge nicht, dass der Vollstreckungsantrag auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a Abs. 4 ZPO eingereicht werde. Dass eine Person erkennbar die Verantwortung für das elektronische Dokument übernehme, sei nur gewährleistet, wenn die Anforderungen an ein gerichtliches elektronisches Dokument gemäß § 130b ZPO erfüllt seien; eine zusätzliche Übermittlung in Papierform sei dann entbehrlich.

6C. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch ansonsten zulässig (§ 575 ZPO). Sie hat auch in der Sache Erfolg.

7I. Gerichtskosten werden gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, § 2 Abs. 1 Justizbeitreibungsgesetz (JBeitrG) von den Gerichtskassen vollstreckt, soweit - wie im Land H.   - die Landesregierungen keine anderen Behörden bestimmen. Die Abnahme der Vermögensauskunft beantragen die Gerichtskassen nach § 7 Satz 1 JBeitrG bei dem zuständigen Gerichtsvollzieher; dieser Antrag ersetzt nach § 7 Satz 2 JBeitrG den vollstreckbaren Schuldtitel. Gleiches gilt für den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft (vgl. , DGVZ 2015, 146 [juris Rn. 15]).

8Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 JBeitrG, § 753 Abs. 4 Satz 1 und 2 ZPO können schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Parteien als elektronisches Dokument beim Gerichtsvollzieher eingereicht werden. Für das elektronische Dokument gelten § 130a ZPO, auf dieser Grundlage erlassene Rechtsverordnungen sowie § 298 ZPO entsprechend. § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO bestimmt, dass das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden muss. Zu den sicheren Übermittlungswegen gehört nach § 130a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ZPO der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde und der elektronischen Poststelle des Gerichts. Gemäß § 753 Abs. 5 ZPO in Verbindung mit § 130d Satz 1 ZPO sind Behörden verpflichtet, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln.

9Der Senat hat - allerdings vor Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs - entschieden, dass der Vollstreckungsantrag zur Beitreibung von Gerichtskosten nach der Justizbeitreibungsordnung (inzwischen: Justizbeitreibungsgesetz) schriftlich gestellt werden muss, weil er den schriftlichen Schuldtitel ersetzt. Da dieser Antrag die alleinige Voraussetzung für die Anordnung von staatlichem Zwang und damit die einzige Urkunde ist, die der Gerichtsvollzieher oder die Gerichtsvollzieherin und das Vollstreckungsgericht von der Gerichtskasse erhalten, dürfen keine Zweifel an seiner Echtheit bestehen. Deshalb ist ein unterschriebener und mit einem Dienstsiegel versehener Vollstreckungsantrag erforderlich. Dadurch wird gewährleistet, dass aus dem Schriftstück die Person erkennbar wird, die für seinen Inhalt die Verantwortung übernimmt. Dabei genügt die Wiedergabe des Namens des Verfassers in Maschinenschrift, wenn er mit einem Beglaubigungsvermerk versehen ist (vgl. , DGVZ 2015, 146 [juris Rn. 16]). Hierbei handelt es sich nicht um ein materiell-rechtliches Formerfordernis, sondern um Anforderungen, die sich aus den Besonderheiten des Justizbeitreibungsverfahrens und somit aus dem Verfahrensrecht ergeben.

10II. Die Gerichtskasse ist im Streitfall befugt, die Anträge auf Abnahme der Vermögensauskunft (§ 802c Abs. 1 Satz 1 ZPO) und auf Erlass eines Haftbefehls (§ 802g Abs. 1 Satz 1 ZPO) zu stellen. Partei des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist dessen ungeachtet das Land H.   als Gläubiger der beizutreibenden Forderung. Soweit § 6 Abs. 2 Satz 1 JBeitrG bestimmt, dass an die Stelle des Gläubigers die Vollstreckungsbehörde tritt, betrifft dies die Vertretungsbefugnis und nicht die Gläubigerstellung (vgl. BeckOK.Kostenrecht/Berendt, 41. Edition [Stand ], § 6 JBeitrG Rn. 119 mwN).

11III. Der Vollstreckungsantrag entspricht den im elektronischen Rechtsverkehr geltenden Formanforderungen, wenn er entweder von der ihn verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert worden ist oder von der ihn verantwortenden Person (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden ist (§ 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO). Weitere Formerfordernisse bestehen nicht. Insbesondere können die nach der Senatsrechtsprechung geltenden Anforderungen an einen in Papierform eingereichten Vollstreckungsantrag zur Beitreibung von Gerichtskosten nach § 7 Satz 1 und 2 JBeitrG (vgl. Rn. 9 auf einen elektronisch eingereichten Vollstreckungsantrag nicht übertragen werden. Gleiches gilt für die vom Beschwerdegericht herangezogene Vorschrift des § 130b ZPO, die die Errichtung elektronischer Dokumente durch Richter, Rechtspfleger, Urkundsbeamte der Geschäftsstelle oder Gerichtsvollzieher regelt, soweit die Zivilprozessordnung eine handschriftliche Unterzeichnung vorschreibt.

121. Für eine (einfache) Signatur genügt die maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens der verantwortenden Person (vgl. , NJW 2022, 3512 [juris Rn. 10]; Anders in Anders/Gehle, ZPO, 81. Aufl., § 130a Rn. 22; BeckOK.ZPO/von Selle, 48. Edition [Stand ], § 130a Rn. 16; jurisPK.ERV/H. Müller, Stand , § 130a ZPO Rn. 207; H. Müller, RDi 2022, 92, 94). Diesem Erfordernis ist durch die Angabe "gez. O.  Sachbearbeiter/in" genügt.

132. Bislang fehlen hinreichende Feststellungen dazu, ob die Übermittlung auf einem sicheren Übermittlungsweg nach § 130a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ZPO erfolgt ist.

14a) Nach § 6 Abs. 1 der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) können Behörden zur Übermittlung elektronischer Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg bei Einhaltung bestimmter Anforderungen ein besonderes elektronisches Behördenpostfach nutzen. Unter anderem muss nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 ERVV feststellbar sein, dass das elektronische Dokument vom Postfachinhaber versandt wurde. Gemäß § 6 Abs. 3 Halbsatz 1 ERVV steht das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach eines Gerichts einem besonderen elektronischen Behördenpostfach gleich, soweit diese Stelle Aufgaben einer Behörde nach Absatz 1 wahrnimmt.

15Die Nutzung eines sicheren Übermittlungswegs durch eine berechtigte Person wird durch den vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis (VHN) bestätigt. Dabei handelt es sich um eine elektronische Signatur, die an eine Nachricht angebracht wird, wenn das Versandpostfach nach Authentifizierung und Identifizierung des Postfachinhabers in einem sicheren Verzeichnisdienst geführt wird und der Postfachinhaber zum Zeitpunkt der Erstellung der Nachricht sicher an dem Postfach angemeldet ist. Ob das eingegangene Dokument über einen sicheren Übermittlungsweg versandt worden ist, lässt sich (allein) anhand eines Prüfvermerks, Transfervermerks oder Prüfprotokolls zuverlässig erkennen, nicht aber aus dem Dokument selbst (vgl. jurisPK.ERV/H. Müller aaO § 130a ZPO Rn. 197 bis 203 mwN; Bayerischer 21 ZB 19.33891, juris Rn. 5 bis 7; bei Übersendung aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach vgl. BAGE 171, 28 [juris Rn. 25 bis 32]).

16b) Der Gläubiger hat im Beschwerdeverfahren zwar vorgebracht, der Vollstreckungsantrag sei auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden. Das Beschwerdegericht hat das Vorliegen eines vertrauenswürdigen Herkunftsnachweises für den Vollstreckungsantrag bislang jedoch nicht festgestellt.

173. Die von § 753 Abs. 4 Satz 2 ZPO in Bezug genommenen Voraussetzungen des § 130a ZPO legen die formellen Anforderungen an den Schuldtitel ersetzende Vollstreckungsanträge nach dem Justizbeitreibungsgesetz abschließend fest.

18a) Entgegen einer in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht (vgl. LG Berlin, DGVZ 2022, 218 [juris Rn. 2]; AG Berlin-Wedding, Beschluss vom - 33 M 1616/22, BeckRS 2022, 28383 Rn. 5 und 7) bedarf es im elektronischen Rechtsverkehr keiner zusätzlichen Einreichung des Vollstreckungsantrags in Papierform mit Unterschrift und Dienstsiegel (vgl. LG Arnsberg, Beschluss vom - 5 T 139/22, juris Rn. 9; LG München I, Beschluss vom - 16 T 2080/23, BeckRS 2023, 5786 Rn. 7; AG Berlin-Schöneberg, Beschluss vom - 33 M 1112/22, BeckRS 2022, 28342 Rn. 2 und 14 f.; AG Berlin-Lichtenberg, DGVZ 2022, 269 [juris Rn. 4]; BeckOK.Kostenrecht/Berendt aaO § 7 JBeitrG Rn. 9a; BeckOK.ZPO/Ulrici aaO § 753 Rn. 8.2).

19aa) Einem solchen Erfordernis steht bereits die nach § 753 Abs. 5, § 130d ZPO bestehende Pflicht zur elektronischen Einreichung des Vollstreckungsantrags entgegen, die sonst ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt würde (vgl. AG Dorsten, Beschluss vom - 16 M 361/22, juris Rn. 15; , juris Rn. 50 bis 52; Kegel, Zwangsvollstreckungsverfahren nach dem Justizbeitreibungsgesetz: Anlaufschwierigkeiten und eine Gesetzeslücke (?) im elektronischen Rechtsverkehr, https://ervjustiz.de/gastbeitrag-zwangsvollstreckungsverfahren-nach-dem-justizbeitreibungsgesetz-anlaufschwierigkeiten-und-eine-gesetzesluecke-im-elektronischen-rechtsverkehr - zuletzt abgerufen am ; zu § 5 Abs. 4 VwVG NW vgl. , juris Rn. 56 bis 58).

20bb) Erklärtes Ziel des Gesetzgebers war es, den elektronischen Rechtsverkehr auch auf das Justizbeitreibungsverfahren zu erstrecken (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zu dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer Vorschriften, BTDrucks. 18/9698, S. 2). Es sollte sichergestellt werden, dass die neu eingeführten Regeln über den elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichtsvollziehern auch insoweit greifen, als diese Vollstreckungsanträge nach der Justizbeitreibungsordnung unmittelbar entgegennehmen. Eine Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs im Justizbeitreibungswesen sei in der Sache von erheblicher praktischer Bedeutung, weil ein Großteil der nach der Justizbeitreibungsordnung abzuwickelnden Verfahren Massenverfahren seien, bei denen die entsprechenden Vollstreckungsbehörden durch elektronische Einreichung ihrer Vollstreckungsanträge eine Verwaltungsvereinfachung erzielen könnten (BT-Drucks. 18/9698, S. 25).

21Diesem erklärten Willen des Gesetzgebers widerspräche es, wenn an Vollstreckungsanträge nach dem Justizbeitreibungsgesetz strengere Anforderungen gestellt würden als an sonstige Vollstreckungsanträge. Dies kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass solchen Vollstreckungsanträgen titelersetzende Funktion zukommt, weil der Gesetzgeber auch für diese den elektronischen Rechtsverkehr einführen wollte, um eine Verwaltungsvereinfachung zu erzielen. Eine zusätzliche Einreichung in Papierform würde hingegen den Aufwand für die Vollstreckungsbehörden erhöhen.

22cc) Aus den Vorschriften der §§ 754a, 829a ZPO, nach denen bei einer Vollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid in bestimmten Fällen die Übermittlung einer Abschrift des Schuldtitels als elektronisches Dokument genügt (vgl. auch , DGVZ 2022, 9 [juris Rn. 16 bis 19]), lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten. Sie enthalten Ausnahmen von dem Grundsatz, dass dem Vollstreckungsorgan die vollstreckbare Ausfertigung des Schuldtitels zu übergeben ist (vgl. hierzu auch § 754 ZPO). Für die Vollstreckung nach dem Justizbeitreibungsgesetz, bei der kein vollstreckbarer Schuldtitel erforderlich ist, sondern dieser nach § 7 Satz 1 und 2 JBeitrG durch den Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft ersetzt wird, treffen sie von vornherein keine Aussage.

23b) Der elektronisch eingereichte Vollstreckungsantrag muss auch nicht qualifiziert elektronisch signiert sein; vielmehr ist die (einfache) Signatur in Verbindung mit einem sicheren Übermittlungsweg der qualifizierten elektronischen Signatur nach § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO gleichgestellt (vgl. LG Osnabrück, Beschluss vom - 2 T 142/22, juris Rn. 16; LG Arnsberg, Beschluss vom - 5 T 139/22, juris Rn. 9; AG Hameln, Beschluss vom - 24 M 45380/22, BeckRS 2022, 14954 Rn. 5; AG Bonn, DGVZ 2022, 219 [juris Rn. 16 und 19 f.]; AG Berlin-Lichtenberg, DGVZ 2022, 269 [juris Rn. 4]; BeckOK.Kostenrecht/Berendt aaO § 7 JBeitrG Rn. 9a; BeckOK.ZPO/Ulrici aaO § 753 Rn. 8.2; aA AG Dorsten, Beschluss vom - 16 M 361/22, juris Rn. 5 bis 13; AG Düsseldorf, ZInsO 2023, 160 [juris Rn. 18]; , juris Rn. 6 bis 57; AG Wuppertal, DGVZ 2022, 220 [juris Rn. 6 bis 13]; zu § 5 Abs. 4 VwVG NW vgl. , juris Rn. 3 bis 47).

24aa) Durch die Einreichung über einen sicheren Übermittlungsweg ist die Authentizität des Vollstreckungsantrags mit Blick auf dessen Herkunft von der dazu befugten Behörde gewährleistet (vgl. BeckOK.ZPO/von Selle aaO § 130a Rn. 17; Kegel aaO). Damit wird der Gefahr begegnet, dass nicht zu der Behörde gehörende Personen einen fingierten Vollstreckungsantrag einreichen.

25bb) Zwar trifft es zu, dass die einfache Signatur in Verbindung mit der Übermittlung über ein besonderes elektronisches Behördenpostfach oder das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach eines Gerichts - anders als die qualifizierte elektronische Signatur - keine Möglichkeit bietet, die Herkunft des Antrags von einem konkreten Sachbearbeiter rechtssicher nachzuweisen (vgl. , juris Rn. 40; AG Dorsten, Beschluss vom - 16 M 361/22, juris Rn. 10; , juris Rn. 38; jurisPK.ERV/H. Müller aaO § 130a ZPO Rn. 214). Dies ist jedoch dem Umstand geschuldet, dass sowohl das besondere elektronische Behördenpostfach als auch das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach nicht für eine natürliche Person eingerichtet werden können (vgl. jurisPK.ERV/H. Müller aaO § 130a ZPO Rn. 293).

26Die damit verbundene Unmöglichkeit der zweifelsfreien Zuordnung einer versandten Nachricht zu einer handelnden Person ist hinzunehmen (vgl. , juris Rn. 5; VGH Baden-Württemberg, NJW 2019, 1543 [juris Rn. 4 f.]; Anders in Anders/Gehle aaO § 130a Rn. 23; H. Müller, RDi 2022, 92, 95). Der Postfachinhaber bestimmt nach § 8 Abs. 1 ERVV die natürlichen Personen, die Zugang zum besonderen elektronischen Behördenpostfach erhalten sollen, und stellt ihnen das Zertifikat und das Zertifikats-Passwort zur Verfügung. Die Zugangsberechtigten dürfen das Zertifikat nach § 8 Abs. 2 Satz 2 ERVV nicht an Unbefugte weitergeben und haben das Zertifikats-Passwort geheim zu halten. Der Postfachinhaber hat gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 ERVV zu dokumentieren, wer zugangsberechtigt ist, wann das Zertifikat und das Zertifikats-Passwort zur Verfügung gestellt wurden und wann die Zugangsberechtigung aufgehoben wurde; er stellt gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 ERVV zugleich sicher, dass der Zugang zu seinem besonderen elektronischen Behördenpostfach nur den von ihm bestimmten Zugangsberechtigten möglich ist. Durch diese Regelungen ist sowohl die Verantwortlichkeit der Behörde im Außenverhältnis als auch die Zuordnung zu einer im Innenverhältnis legitimierten Person hinreichend gewährleistet (vgl. BeckOK.ZPO/Ulrici aaO § 753 Rn. 8.2). Sollte der Gerichtsvollzieher gleichwohl Zweifel an der Urheberschaft des aus der einfachen Signatur hervorgehenden Sachbearbeiters hegen, steht es ihm frei, sich dieser Urheberschaft zum Beispiel durch Nachfrage bei der Vollstreckungsbehörde zu vergewissern.

27cc) Auch aus der Vorschrift des § 802d Abs. 2 ZPO, die die Übermittlung eines vorhandenen Vermögensverzeichnisses an einen Gläubiger regelt, ergibt sich nichts anderes. Im Fall der elektronischen Übermittlung muss der Gerichtsvollzieher danach unter anderem eine qualifizierte elektronische Signatur anbringen. Daraus folgt jedoch nicht im Umkehrschluss, dass der Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft im Justizbeitreibungsverfahren ebenfalls einer solchen qualifizierten elektronischen Signatur bedürfte.

28c) Sind die Voraussetzungen des § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO eingehalten, ist auch die Anbringung eines aufgedruckten Dienstsiegels nicht erforderlich; erst recht bedarf es keines Stempel- oder Prägesiegels auf dem Vollstreckungsantrag (aA LG Hagen, FamRZ 2023, 381 [juris Rn. 18 bis 22]; vgl. hierzu auch AG Düsseldorf, ZInsO 2023, 160 [juris Rn. 20 bis 42]). Nach §§ 724, 725 ZPO ist zwar die vollstreckbare Ausfertigung eines Urteils mit dem Gerichtssiegel zu versehen. Hierfür reicht ein über die EDV-Anwendung des Gerichts aufgedrucktes Gerichtssiegel nicht aus (zu § 29 Abs. 3 GBO aF vgl. , NJW 2017, 1951 [juris Rn. 20 bis 23]; für das Mahnverfahren vgl. ergänzend § 703b ZPO). Die Verweisung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG erstreckt sich jedoch nicht auf die genannten Vorschriften. Für den Vollstreckungsantrag nach § 7 Satz 1 und 2 JBeitrG, der den Schuldtitel und auch dessen vollstreckbare Ausfertigung ersetzt, hat der Gesetzgeber daher kein solches Formerfordernis vorgesehen. Dies erscheint auch sachgerecht, weil dem Risiko, dass nicht zu der Behörde gehörende Personen einen fingierten Vollstreckungsantrag einreichen, durch das Erfordernis eines sicheren Übermittlungswegs begegnet wird (vgl. Rn. 24).

29D. Danach ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 4 ZPO). Das Beschwerdegericht hat keine hinreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob die Voraussetzungen des § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO vorliegen, insbesondere ob der Vollstreckungsantrag der Gerichtskasse mit einem vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis übermittelt wurde.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:060423BIZB103.22.0

Fundstelle(n):
AAAAJ-42470