SteuerStud Nr. 9 vom Seite 537

Schriftliches Steuerberaterexamen 2023 im Fokus: Aktuelles Recht und seine Relevanz

Michael Schäfer | Steuerberater | Geschäftsführer Neufang Akademie

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

FOMO, dies steht für „Fear of missing out“, die Angst, nicht auf dem Laufenden zu sein oder eine aktuelle Entwicklung zu verpassen. Diese Besorgnis macht auch vor Steuerrechtlern nicht Halt. Gerade in diesem von Wandel geprägten Fachgebiet ist es fast zwangsläufig, dass selbst der versierteste Experte nicht ständig bei allem up to date sein kann.

Je näher das schriftliche Steuerberaterexamen rückt, umso mehr steigt auch unter den Prüfungsanwärter:innen das Gefühl von „FOMO“. Dies spiegelt sich in einer wachsenden Unsicherheit wider: Sollte man das neueste BMF-Schreiben vor dem Examen studieren? Ist es ratsam, das Bundessteuerblatt zu abonnieren, um nicht zu verpassen, wenn die Finanzverwaltung nun doch ein BFH-Urteil durch Veröffentlichung für allgemein anwendbar erklärt?

Sollten Sie eine solche Unsicherheit verspüren und sich durch das nahende schriftliche Examen die Frage stellen, ob wirklich jede rechtliche Neuerung aufmerksam verfolgt werden muss, kann ich Sie beruhigen. Die Erstellung der Klausuren des Steuerberaterexamens ist ein langwieriger Prozess. Diese werden bereits im Jahr vor dem Examenstermin konzipiert und können folglich nicht die aktuellsten Rechtsentwicklungen enthalten. Dies ist u. a. mit ein Grund dafür, warum die Examensklausuren in der Vergangenheit vor allem am zweiten und dritten Prüfungstag regelmäßig auf das abgelaufene Kalenderjahr abgestellt haben.

Die neuesten Rechtsentwicklungen sind also i. d. R. nicht der Knackpunkt des schriftlichen Examens. In seltenen Fällen bringt der Gesetzgeber durch rückwirkende Rechtsnormen eine gewisse Unsicherheit ins Spiel. Ein Beispiel aus diesem Prüfungsjahr ist die Einführung des § 3 Nr. 72 EStG durch das JStG 2022 zur Steuerbefreiung bestimmter Photovoltaikanlagen, rückwirkend zum . Vom Prüfungskandidaten kann erwartet werden, diese Norm in Grundzügen zu kennen. Dennoch: Das jüngste (NWB PAAAJ-44782) hierzu mit einer Vielzahl von Klarstellungen der Verwaltung kann nicht examensrelevant sein. Natürlich ist es aus Sicht der Praxis wissenswert, dass die Verwaltung bspw. die Größenmerkmale von Anlagen je Gebäude und je Steuerpflichtigen getrennt anwendet. Ebenso ist die Interpretation der 100 kW (peak)-Grenze als Freigrenze von Bedeutung. Weitere Anmerkungen, wie jene zum § 7g EStG – wonach in Anspruch genommene Investitionsabzugsbeträge rückgängig gemacht werden müssen, wenn sie nicht bereits vor dem übertragen wurden – sowie die Problematik der Nicht-Verhaftung stiller Reserven bei Übertragungen i. R. des § 6 Abs. 3 und Abs. 5 EStG sind praktisch bedeutsam. Für das schriftliche Examen 2023 sind sie jedoch nebensächlich.

Aktuelle Rechtsentwicklungen werden für Sie als Examensanwärter:in erst im Kontext des mündlichen Steuerberaterexamens im Frühjahr 2024 bedeutsam. Aber bis zu diesem Zeitpunkt bleibt Ihnen noch genug Vorbereitungszeit. Ihre Konzentration sollte sich erst nach dem schriftlichen Examen darauf richten. Die Themen der mündlichen Steuerberaterprüfung 2024 werden dann auch im Fokus der SteuerStud-Ausgaben 11/2023–2/2024 stehen.

Ich drücke Ihnen die Daumen und wünsche Ihnen viel Erfolg!
Ihr

Michael Schäfer

Fundstelle(n):
SteuerStud 9/2023 Seite 537
LAAAJ-42222