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Haftung der Geschäftsführung für unzureichende Compliance-Strukturen
OLG Nürnberg: Vier-Augen-Prinzip unter bestimmten Voraussetzungen erstmals verpflichtend
Das , NWB KAAAJ-18359, Folgendes bestätigt: Aus der allgemeinen Legalitätspflicht für die Geschäftsführung erwächst eine Pflicht zur Einrichtung eines Compliance-Management-Systems (CMS). Verletzt die Geschäftsführung diese Pflicht, kann sie für den hierdurch entstehenden Schaden schadensersatzpflichtig sein. Zudem hat mit dem Vier-Augen-Prinzip erstmals ein deutsches OLG eine konkrete Organisations- bzw. Compliance-Maßnahme, wenn auch unter bestimmten Voraussetzungen, als verpflichtend angesehen.
Das Urteil des OLG Nürnberg bestätigt und konkretisiert die Pflicht zur Einrichtung eines CMS.
Die Pflicht des Geschäftsführers umfasst nach dem OLG Nürnberg auch eine hinreichende Unternehmenskontrolle.
Das OLG Nürnberg sieht hier eine „Meta-Überwachung“, bei welcher die sog. Oberaufsicht und Letztverantwortung stets beim Geschäftsführer verbleibt.
Das OLG Nürnberg erkennt das Vier-Augen-Prinzip ausdrücklich als Organisationsstandard im Rahmen des Geschäftsablaufs an. Ein solcher Organisationsstandard müsse aber auch – anders als in dem dem OLG vorliegenden Fall – nicht nur intern niedergeschrieben, sondern konkret durchgesetzt und überwacht werden.
Das OLG Nürnberg stellt ausdrücklich klar, dass der Geschäftsführer darlegen und ggf. beweisen muss, dass er seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen ist, ihn kein Verschulden trifft, oder dass der Schaden auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre.
I. Compliance-Pflichten nach Siemens/Neubürger
In „Siemens/Neubürger“ (Urteil v. - 5 HK O 1387/10) hat das LG München I im Jahr 2013 festgestellt, dass ein Vorstandsmitglied dafür Sorge zu tragen hat, dass ein Unternehmen so organisiert und beaufsichtigt wird, dass keine Gesetzesverstöße erfolgen.
Hiernach gehöre die Einhaltung des Legalitätsprinzips und daraus folgend die Einrichtung eines funktionierenden Compliance-Systems zur Gesamtverantwortung des Vorstands. Mit der Begründung, dass er seine Organisations- und Kontrollpflichten in diesem Sinne verletzt habe, hatte das LG München I den beklagten ehemaligen Vorstand im Jahr 2013 zum Schadensersatz verurteilt.
II. Das Urteil des OLG Nürnberg
1. Sachverhalt
In dem vom OLG Nürnberg behandelten Fall hatte eine im Mineralölhandel tätige KG den Geschäftsführer ihrer Komplementär-GmbH auf Schadensersatz verklagt. Die Klägerin gab Tankkarten an ihre Großkunden aus, mit denen diese bargeldlos und auf Kredit bei den Tankstellen der Klägerin Kraftstoff tanken konnten. Ein langjähriger Mitarbeiter der KG hatte einigen Großkunden die vertragswidrige Überziehung ihres mit den Tankkarten eingeräumten Kredits ermöglicht. Die Entdeckung dieser Vorgänge verhinderte der Mitarbeiter durch Eingriffe in betriebsinterne Abläufe.