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NWB Nr. 19 vom Seite 1360

Die Inflationsausgleichsprämie nach § 3 Nr. 11c EStG

Zulässiges Gestaltungsmittel im Rahmen von Tarifverhandlungen?

Maik Bergan

In der Tarifrunde für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen haben sich die Tarifparteien u. a. auf die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie geeinigt. Die Inflationsausgleichsprämie wurde hierbei als Gestaltungsmittel gewählt, da diese steuerfrei gewährt werden kann. Die Steuerfreiheit wird hingegen bezweifelt (vgl. FAZ „Webfehler im Schlichterspruch“ v.  S. 16). Mit dem nachfolgenden Beitrag wird untersucht, ob die gewählte Gestaltung steuerliche Risiken birgt.

I. Ausgangslage

1. Die Tarifeinigung

[i]Relativ späte tabellenwirksame ErhöhungIn der Tarifrunde für die rund 2,5 Mio. Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen haben die Tarifparteien Samstagnacht () in Potsdam ein Tarifergebnis erzielt. Danach erhalten die Beschäftigten eine steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichszahlung in Höhe von 3.000 €. Die Auszahlung beginnt mit einem Betrag von 1.240 € netto im Juni 2023. In den Monaten Juli 2023 bis einschließlich Februar 2024 gibt es monatliche Zahlungen in Höhe von je 220 € netto. Die Einkommen der Beschäftigten steigen ab dem tabellenwirksam um einen Sockelbetrag von 200 € plus 5,5 %. Studierende, Auszubildende und Praktikanten erhalten im Juni 2023 ein Inflationsausgleichsgeld von 620 € sowie in der Zeit von Juli 2023 bis einschließlich Februar 2024 monatlich 110 € netto. Die Ausbildungsentgelte werden für sie ab März 2024 um 150 € erhöht. Die Laufzeit des Tarifvertrags beträgt 24 Monate bis zum (vgl. hierzu die Pressemitteilung von verdi, abrufbar unter https://go.nwb.de/xn57g).

Beispiel (aus der Pressemitteilung):

Eine Erzieherin (in Entgeltgruppe S8a/Stufe 6) mit derzeit 3.979,52 € brutto Monatseinkommen erhält beispielsweise ab bis  1.240 € netto Inflationsausgleichsgeld; vom Juli 2023 bis Februar 2024 monatlich 220 € netto mehr. Ab erhält sie 4.409,39 € als monatliches Bruttogehalt; das heißt 429,87 € (10,8 %) mehr.

2. Steuerrechtliche Komponente der Tarifeinigung

[i]InflationsausgleichsprämieEin Baustein der Tarifeinigung – ver.di startet nun eine Mitgliederbefragung zum Tarifergebnis; am entscheidet die Bundestarifkommission für den öffentlichen Dienst final – ist die Gewährung einer sog. Inflationsausgleichsprämie. Hierbei S. 1361handelt es sich um eine Prämie, die Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern zahlen können. Wird diese in der Zeit vom bis zum gewährt, ist diese bis zu einem Betrag von 3.000 € steuer- und sozialabgabenfrei. Dies bestimmt § 3 Nr. 11c EStG bzw. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SvEV. Weitere Voraussetzung für die Steuer- und Sozialabgabenfreiheit ist, dass die Prämie zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn und zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise gewährt wird.

[i]Zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn?Im Zuge der Tarifeinigung wird die Steuer- und Sozialabgabenfreiheit der Prämie bezweifelt (vgl. FAZ „Webfehler im Schlichterspruch“ v.  S. 16), aufgrund des nahtlosen Übergangs von den monatlichen Inflationsausgleichsprämien zur Sockeltariferhöhung um 200 €, auf die dann eine prozentuale Erhöhung aufsetzt. Es sei problematisch, ob bei dieser Gestaltung das Merkmal, dass die Leistung „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ gewährt wird, erfüllt sei.

II. Steuerrechtliche Beurteilung: Steuerfreiheit der Inflationsausgleichsprämie?

Im Hinblick auf die geäußerten Zweifel ist zu untersuchen, ob die von den Tarifparteien gewählte Gestaltung die Voraussetzungen des § 3 Nr. 11c EStG erfüllt.

1. Das Zusätzlichkeitserfordernis

[i]Legaldefinition in § 8 Abs. 4 EStGProblematisch ist, ob das Zusätzlichkeitskriterium in § 3 Nr. 11c EStG erfüllt ist. Dieses Kriterium ist in § 8 Abs. 4 EStG legal definiert, der hier – negativ abgrenzend – vier Fallgruppen nennt.

Die Nummern 1 und 2 des § 8 Abs. 4 Satz 1 EStG sind vorliegend offensichtlich nicht einschlägig, da weder eine Anrechnung (Nr. 1) noch eine Herabsetzung (Nr. 2) erfolgt. Die Frage, ob die Nummern 3 oder 4 erfüllt sind, bedarf hingegen einer näheren Betrachtung.

Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG ist das Zusätzlichkeitskriterium dann nicht erfüllt, wenn die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt wird. Diese Fallkonstellation bezweckt, dass die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht an die Stelle von bereits vereinbarten künftigen Lohnerhöhungen treten darf. Ist zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bereits eine Erhöhung des Arbeitslohns für die Zukunft verbindlich vereinbart, erfüllt eine zeitlich danach getroffene (Änderungs-)Vereinbarung nicht mehr das Tatbestandsmerkmal „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“.

Beispiel:

Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren am eine Erhöhung des Arbeitslohns (= Barlohn) zum um 100 €. Am bittet der Arbeitnehmer den Arbeitgeber anstelle der Erhöhung des Arbeitslohns um die Gewährung eines Zuschusses in Höhe von 100 € zu seinen Aufwendungen für das Jobticket. Ab gewährt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Zuschuss zu dessen Aufwendungen für das Jobticket in Höhe von 100 €.

Lösung: Da der Zuschuss zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für sein Jobticket an die Stelle der bereits vereinbarten Erhöhung des Arbeitslohns von 100 € tritt, erfüllt der Zuschuss nicht das in § 3 Nr. 15 Satz 1 EStG aufgeführte Tatbestandsmerkmal.

Übertragen auf die Tarifeinigung ist § 8 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG nicht einschlägig, da die Inflationsausgleichsprämie gleichzeitig mit der späteren Lohnerhöhung vereinbart wurde. Es liegt gerade keine Umwandlung einer bereits vereinbarten Lohnerhöhung vor.

[i]Ausschluss von Rückfallklausel-FällenLetztlich ist noch § 8 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 EStG zu prüfen. Hiernach ist das Zusätzlichkeitskriterium dann nicht erfüllt, wenn bei Wegfall der Leistung der ArbeitsS. 1362lohn erhöht wird. Diese Fallkonstellation bildet – wie § 8 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG – einen weiteren Sonderfall ab. Im Lichte der Rechtsprechung des , BStBl 2020 II S. 106, Rz. 30) sowie des (BStBl 2020 I S. 222), die der gesetzlichen Änderung vorausgegangen sind, kann § 8 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 EStG nur dahingehend verstanden werden, dass damit Rückfallklausel-Fälle ausgeschlossen werden sollen. Diese hatte bereits der BFH in seinem Urteil VI R 32/18 als unzulässig erachtet. Mit § 8 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 EStG wird diese Fallkonstellation gesetzlich festgeschrieben. Ob es dieser Regelung zwingend bedurft hätte, mag, weil hier mit guten Gründen auch § 8 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG einschlägig sein könnte, letztlich dahinstehen.