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NWB Nr. 10 vom Seite 706

Zweifelsfragen zur steuerlichen Behandlung von Photovoltaikanlagen aufgrund der Änderungen im Zuge des JStG 2022

Problemstellungen und praktische Lösungshinweise

Andreas Fietz und Katharina Mayer

[i]Lindtner/Urban, NWB 5/2023 S. 344Durch das JStG 2022 hat der Gesetzgeber steuerliche Anreize für die Anschaffung und den Betrieb von Photovoltaikanlagen geschaffen. Nach der Neuregelung des § 3 Nr. 72 EStG sind die Einkünfte aus dem Betrieb bestimmter Photovoltaikanlagen gem. § 52 Abs. 4 Satz 27 EStG rückwirkend seit dem steuerfrei. Daneben unterliegen die Lieferung, die Einfuhr, der innergemeinschaftliche Erwerb und die Installation begünstigter Photovoltaikanlagen seit dem gem. § 12 Abs. 3 UStG einem Nullsteuersatz, sodass der Betreiber bei der Anschaffung nicht mehr mit Umsatzsteuer [i] Martz, Fotovoltaik-Anlage, Grundlagen, NWB ZAAAE-28828 belastet ist. Durch diese Maßnahmen sollen insbesondere Betreiber kleiner Photovoltaikanlagen von steuerlichen Pflichten entlastet und damit ein Anreiz zur Beschleunigung der Energiewende geschaffen werden. Der Nullsteuersatz soll es den Betreibern ermöglichen, ohne finanzielle Nachteile die Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG in Anspruch zu nehmen. Monatliche Voranmeldungen entfallen hierdurch. Und durch die Ertragsteuerbefreiung entfällt eine Gewinnermittlung für den Betrieb begünstigter Photovoltaikanlagen. Diese Zielsetzungen des Gesetzgebers sind zu begrüßen. Ungeachtet dessen ergibt sich gerade in der praktischen Umsetzung eine Vielzahl an Zweifelsfragen, was die Auslegung der neuen Regelungen angeht (so auch die BStBK in ihrer Stellungnahme an das BMF v. 19.1.2023). Die Gesetzesbegründung liefert hier nur unzureichende Antworten. Der nachfolgende Beitrag setzt sich daher im Detail mit verschiedenen Problemstellungen zu § 3 Nr. 72 EStG und § 12 Abs. 3 UStG auseinander und gibt praktische Lösungshinweise. Der Beitrag geht sowohl auf die bereits veröffentlichten FAQ „Umsatzsteuerliche Maßnahmen zur Förderung des AusS. 707baus von Photovoltaikanlagen“ ( NWB XAAAJ-34183) als auch auf die Ausführungen des zu § 12 Abs. 3 UStG ( NWB GAAAJ-32171) ein, durch das ein neuer Abschnitt 12.18 in den UStAE aufgenommen wird.

I. Zweifelsfragen und Praxisprobleme im Zusammenhang mit der Ertragsteuerbefreiung gem. § 3 Nr. 72 EStG

[i]Umfassende ErtragsteuerbefreiungUm „steuerliche Hürden bei Anschaffung und Betrieb kleiner Photovoltaik-Anlagen abzubauen“ (BT-Drucks. 20/3879; BT-Drucks. 20/4229 S. 9), hat sich der Gesetzgeber für eine umfassende Ertragsteuerbefreiung entschieden. Nach § 3 Nr. 72 EStG werden alle Einnahmen und Entnahmen im Zusammenhang mit dem Betrieb von Photovoltaikanlagen in der Nähe von Einfamilienhäusern oder nicht Wohnzwecken dienenden Gebäuden mit einer maximalen Leistung von bis zu 30 kW (peak) steuerfrei gestellt (§ 3 Nr. 72 Satz 1 Buchst. a EStG). Das Gleiche gilt für Photovoltaikanlagen auf sonstigen Gebäuden mit einer Leistung von bis zu 15 kW (peak) je Wohn- oder Gewerbeeinheit (§ 3 Nr. 72 Satz 1 Buchst. b EStG). Dabei dürfen die Anlagen pro Steuerpflichtigem 100 kW (peak) nicht überschreiten. Dahingehend befreit der Gesetzgeber diese Anlagen auch von der Gewinnermittlungspflicht (§ 3 Nr. 72 Satz 2 EStG) und nimmt diese von der gewerblichen Abfärbewirkung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG (§ 3 Nr. 72 Satz 3 EStG) aus. Dies führt dazu, dass für Betreiber kleiner Anlagen die Deklarationspflichten diesbezüglich in der Einkommensteuererklärung entfallen.

[i]Wegfall der GewinnermittlungspflichtDa die Ertragsteuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG im deutschen Steuerrecht in dieser Form für gewerbliche Einkünfte neu ist, ergeben sich zahlreiche Fragen, wie insbesondere zu der Zuordnung zum Betriebsvermögen (s. unten I, 1), im Zusammenhang mit der Veräußerung (s. unten I, 2) und dem Abzug von Betriebsausgaben (s. unten I, 3). Auch hinsichtlich der Auswirkungen für durch die Photovoltaikanlage gewerblich gefärbte Personengesellschaften (s. unten I, 4) und des Zusammenspiels mit dem Liebhabereiwahlrecht (s. unten I, 5) sowie mit dem Investitionsabzugsbetrag (s. unten I, 6) bedarf es einer Klarstellung. Nicht zuletzt lässt auch die Gesetzesformulierung noch Spielraum für Interpretation (s. unten I, 7). S. 708

1. Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG führt weiterhin zur Zuordnung zum Betriebsvermögen

[i]Eigenbetriebliche Nutzung?Um die Steuerbefreiung systematisch einzuordnen, stellt sich zunächst die Frage, ob die steuerbefreite Photovoltaikanlage weiterhin der Sphäre des Betriebsvermögens zuzuordnen ist. Die Einordnung in Betriebsvermögen oder Privatvermögen ist elementar, um auf etwaige Folgeproblematiken einzugehen. Entscheidend ist, ob die Photovoltaikanlage trotz Steuerbefreiung der zugehörigen Einnahmen und Entnahmen sowie der Nichtberücksichtigung der mit den steuerfreien Einnahmen im Zusammenhang stehenden Ausgaben (§ 3c Abs. 1 EStG) als eigenbetrieblich genutzt gilt (R 4.2 Abs. 1 Satz 1 EStR; Merkmal der ausschließlich und unmittelbar eigenbetrieblichen Nutzung).

[i]Kolbe, Betriebsvermögen (EStG), infoCenter, NWB BAAAB-14222 Da diese Form der Steuerbefreiung zumindest unter den Gewinneinkunftsarten bisher kaum auftrat, fällt eine analoge Heranziehung bestehender Rechtssystematiken schwer. Zieht man hilfsweise § 3 Nr. 40 EStG (Teileinkünfteverfahren) oder § 3 Nr. 25 EStG (Befreiung von Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz) heran, kommt es bei diesen Befreiungen regelmäßig nicht zu einem Einfluss auf die Eigenschaft als Betriebsvermögen. Zwar sind diese Einnahmen steuerfrei, jedoch bleibt die Betriebsvermögenseigenschaft der damit im Zusammenhang stehenden Wirtschaftsgüter unberührt. Beispielsweise sind beim Teileinkünfteverfahren 40 % der Einnahmen steuerfrei und im Gegenzug können 40 % der Betriebsausgaben nicht abgezogen werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der steuerfreie Teil in die private Sphäre des Steuerpflichtigen übergeht. Es handelt sich in diesem Fall lediglich um nichtabziehbare Betriebsausgaben. Die Beteiligung wird in diesem Fall auch regelmäßig weiterhin zu 100 % in der Bilanz ausgewiesen (§ 246 Abs. 1 HGB i. V. mit § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 EStG; R 6.1 Abs. 1 Satz 1 EStR).

Des Weiteren verweist § 3 Nr. 72 Satz 2 EStG darauf, dass für die steuerfreien Einkünfte kein Gewinn zu ermitteln ist und nach § 3 Nr. 72 Satz 3 EStG entfaltet die gewerbliche Infektion nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG in diesen Fällen keine Wirkung. Auch dies spricht dafür, dass der Gesetzgeber in den Fällen der Steuerfreiheit weiterhin vom Vorliegen von Betriebsvermögen ausgeht.

[i]Steuerbefreiung der EntnahmeZudem deutet auch die in § 3 Nr. 72 EStG genannte Steuerfreiheit der Entnahme von Photovoltaikanlagen darauf hin, dass die Steuerbefreiung keine Auswirkung auf die Sphärenzuordnung hat. Würde die steuerbefreite Photovoltaikanlage pauschal als Privatvermögen gelten, wäre die Steuerbefreiung der Entnahme hinfällig. Entsprechend geht auch das BMF davon aus, dass es sich bei einer mit Gewinnerzielungsabsicht betriebenen, aber steuerbefreiten Photovoltaikanlage weiterhin um Betriebsvermögen handelt (vgl. NWB NAAAJ-33936, Nr. 3).

Folglich bleibt die Zuordnung zum Betriebsvermögen oder Privatvermögen vorerst unberührt.

2. Veräußerung oder Entnahme einer steuerbefreiten Photovoltaikanlage