Besitzen Sie diesen Inhalt bereits,
melden Sie sich an.
oder schalten Sie Ihr Produkt zur digitalen Nutzung frei.
Die Geschäftsunfähigkeit des Unternehmers
Vorsorge für den Notfall
Ein Unternehmen „mit eigenen Händen“ aufzubauen, ein Familienunternehmen auch noch in zweiter, dritter Generation erfolgreich zu führen oder gemeinsam mit Geschäftspartnern nachhaltig auf dem Markt zu bestehen, ist eine große Herausforderung, oftmals auch berufliche Lebensaufgabe. Jeder Unternehmer arbeitet Tag für Tag an seinem eigenen Erfolgsrezept. Das notwendige Know-how, häufig auch großer Zeiteinsatz und eine ordentliche „Portion“ Leidenschaft werden hier sicherlich nicht fehlen. Doch was geschieht, wenn der Unternehmer plötzlich ausfällt? Wenn er durch einen Unfall oder eine Krankheit handlungsunfähig bzw. geschäftsunfähig wird oder gar verstirbt? In der Praxis ist es leider immer noch so, dass viele Unternehmer keinen Notfallplan haben. Für den Fall der Fälle vorzusorgen, betrifft die Unternehmer aber häufig nicht nur als Privatperson und ihre Familien. Sie tragen vielmehr auch Verantwortung für ihr Unternehmen und die Beschäftigten. Da die gesetzlichen Regelungen keine ausreichenden Notfallregelungen für Unternehmen enthalten, liegt es an jedem Unternehmer, selbst Vorsorge zu treffen, um die Handlungsfähigkeit des Unternehmens auch im Notfall zu gewährleisten. Der folgende Beitrag gibt ausgehend von der Situation der Geschäftsunfähigkeit des Unternehmers einen Überblick über die Folgen eines fehlenden Notfallplans und stellt mögliche Vorsorgemaßnahmen zur Sicherung der Handlungsfähigkeit im Unternehmen vor.
In Deutschland besteht in vielen Unternehmen Handlungsbedarf bei der Notfallvorsorge und Nachfolgeplanung. Fällt der Unternehmer wegen Tod, Krankheit oder eines Unfalls aus, geht es neben den Schwierigkeiten im Privat- und Familienleben vor allem auch um die Frage, wie es mit dem Unternehmen weitergeht.
Existieren keine Notfall- und Vorsorgepläne, kann dies das gesamte Unternehmen „lahmlegen” und schlimmstenfalls zur Existenzbedrohung werden. Ggf. übernehmen auch nicht erwünschte oder nicht ausreichend qualifizierte Personen (wie z. B. Betreuer) die unternehmerische Leitung.
Um dies zu verhindern und die Nachfolge sowie Vertretung nach den eigenen Vorstellungen zu steuern, kann und sollte der Unternehmer Notfallmaßnahmen vorsehen. Es empfiehlt sich ein sogenannter ?Notfallkoffer" mit allen wichtigen Informationen und Regelungen rund um das Unternehmen wie z. B. Vorsorge-/Vollmachten, Vertretungspläne, Zugangskarten/-codes, verschlüsselte Dokumentenmappe mit Bankverbindungen und Passwörtern.
Ergänzend sollte auch an weitere Nachfolgeregelungen gedacht werden (z. B. Abfassen eines Unternehmertestaments inkl. Betreuungs-/Patientenverfügung, Abschluss von Ehe- und Erbverträgen, ggf. Errichtung Stiftungslösungen).
Ferner werden die Führung eines „Notfallordners“mit den wichtigsten Informationen rund um das Unternehmen, Vorsorgeregelungen für den Todesfall sowie abrundend auch Regelungen zur privaten Nachfolge empfohlen (u. a. Unternehmertestament, gemeinschaftliches Testament Ehe-/Erbverträge, Betreuungs-/Patientenverfügung).
I. Bedeutung der Geschäftsfähigkeit im Rechtsverkehr
Im Wirtschaftsleben werden täglich eine Vielzahl von Verträgen geschlossen, Erklärungen abgegeben und Entscheidungen getroffen. Dabei können diese Rechtshandlungen wirksam nur von denjenigen Personen vorgenommen werden, die geschäftsfähig sind. Die Geschäftsfähigkeit ist per Definition die Fähigkeit, selbständig wirksame Rechtsgeschäfte erledigen zu können. Die Bestimmungen zur Geschäftsfähigkeit finden sich in den §§ 104 ff. BGB.
Volljährige werden im Rechtsverkehr dem Grundsatz nach als geschäftsfähig angesehen. Nach § 104 Nr. 2 BGB ist ein Volljähriger aber geschäftsunfähig, wenn er sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern dieser Zustand seiner Natur nach nicht ein vorübergehender ist. Hintergrund ist, dass Erklärungen im Rechtsverkehr nur denjenigen Personen wirksam zugerechnet werden, die zur eigenverantwortlichen Willensbildung in der Lage sind sowie ein Mindestmaß an Urteilsvermögen und Einsichtsfähigkeit besitzen, die letztlich die Folgen ihres Verhaltens übersehen können. S. 71
Entscheidend für die Beurteilung der Geschäfts(un)fähigkeit ist, ob der Betroffene eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Widers bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte treffen kann oder ob infolge einer Geistesstörung Einflüsse dritter Personen seinen Willen übermäßig beherrschen. Darüber hinaus muss die Störung von einer gewissen Dauer sein. Liegt lediglich eine vorübergehende Störung vor (z. B. Bewusstlosigkeit, Rauschzustand), ist der Betroffene nicht geschäftsunfähig. Die Willenserklärungen, die in diesem Zustand abgegeben werden, sind nach § 105 Abs. 2 BGB nichtig. Das Merkmal der „Dauerhaftigkeit“ verlangt allerdings nicht, dass der Betroffene auf Dauer geschäftsunfähig ist. Geschäftsunfähige können sogenannte „lichte Augenblicke“ haben und währenddessen wirksam Willenserklärungen abgeben.
Da die Geschäftsfähigkeit bei Volljährigen der Regelfall ist, trägt derjenige, der sich auf die Geschäftsunfähigkeit beruft, die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen (etwa mithilfe eines medizinischen Sachverständigengutachtens). Ist der Beweis erbracht, muss dann umgekehrt der Gegner das Vorliegen sogenannter „lichter Augenblicke“ beweisen. Die Geschäftsunfähigkeit ist allerdings nicht allein eine medizinische Frage. Das Gericht hat im Einzelfall die medizinischen Befunde des Sachverständigen zu würdigen und festzustellen, ob die Voraussetzungen des Rechtsbegriffs erfüllt sind. In der Praxis können z. B. folgende Krankheitsbilder zur Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen führen: Geistige Behinderung, Erkrankung bzw. Verletzungen des Gehirns, Koma, Depressionen, Burn-Out, Wahn und Halluzinationen, fortgeschrittene Demenz, Alzheimer, Schizophrenie.