BGH Beschluss v. - 1 StR 323/22

Steuerhinterziehung: Dritteinziehung einer Steuerersparnis

Gesetze: § 71 Abs 1 StGB, § 73b Abs 2 StGB, § 73c S 1 StGB, § 1 Abs 2 Nr 3 TabStG vom , § 15 Abs 4 S 1 Nr 2 Alt 2 TabStG vom , § 15 Abs 5 TabStG vom

Instanzenzug: Az: 5 KLs 8/20

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten – unter Teileinstellung des Verfahrens im Übrigen mangels insoweit wirksamer Anklagen – jeweils wegen Steuerhinterziehung verurteilt, und zwar den Angeklagten E.      zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten sowie den Angeklagten A.    zu einer solchen von zwei Jahren. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafen hat es zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat das Landgericht jeweils gegen beide Angeklagte in Höhe der ersparten Tabaksteuer die Einziehung des Wertes von Taterträgen mit einem Betrag von 73.019 € angeordnet. Die gegen ihre Verurteilungen gerichteten Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts – der Angeklagte E.     zudem die Verletzung formellen Rechts – beanstanden, haben in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Nach den Feststellungen des Landgerichts mietete der gesondert Verfolgte A.      in einer stillgelegten Zementfabrik in H.        Anfang Februar 2018 mehrere Räume an, um dorthin die mit dem Angeklagten E.     in G.      betriebene Produktionsstätte zu verlegen und ab März 2018 arbeitsteilig mit beiden Angeklagten ohne Erlaubnis Wasserpfeifentabak herzustellen. A.      und der Angeklagte E.    verbrachten daher die Maschinen in die Fabrik. Dem Angeklagten E.    kam vornehmlich die Aufgabe zu, die zur Produktion erforderlichen Materialien zu beschaffen. Der Angeklagte A.    hatte den Rohtabak mittels einer Maschine zu zerschneiden, mittels zweier Betonmischer Glycerin und Aromastoffe beizumengen sowie den derart hergestellten Wasserpfeifentabak in 250 Gramm-Tüten und 1 Kilogramm-Eimern versandfertig zu verpacken. Zudem veräußerte der Angeklagte A.    den Wasserpfeifentabak insbesondere als Sorten „N.    “ sowie „  F.   “ und vereinnahmte daraus Bargelder in Höhe von insgesamt 31.800 € (UA S. 27); in Einzelfällen nahm der Angeklagte E.      die Kaufpreisgelder entgegen, und zwar insgesamt 26.000 €. Insgesamt veräußerten die Angeklagten im Tatzeitraum 3.319,5 Kilogramm Wasserpfeifentabak; die aus dem Handel erzielten Gewinne teilten sie zusammen mit A.      unter sich auf. Entgegen der ihnen bekannten Pflicht verwendeten die Angeklagten weder Steuerzeichen noch gaben sie Tabaksteuererklärungen ab und verkürzten hierdurch Tabaksteuer in Höhe von 73.029 €, die in Höhe von 73.019 € unbeglichen ist. Am wurden weitere 3.339 Kilogramm versandfertiger Wasserpfeifentabak in der Fabrik und in der Garage des Angeklagten E.     sichergestellt; die hierfür festgesetzte Tabaksteuer in Höhe von 73.458 € entrichtete der Angeklagte E.     .

32. Das Urteil hält sachlichrechtlicher Überprüfung nur teilweise stand.

4a) Schuld- und Strafausspruch weisen allerdings keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf. Die die Verurteilung tragenden Vorschriften sind indes § 370 Abs. 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 3, § 15 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alternative 2, Abs. 2 Nr. 2, § 1 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 TabStG aF, § 4 Abs. 3 TabStV aF und nicht – wie vom Landgericht angenommen – § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO (vgl. Rn. 13-18). Die Angeklagten hätten sich hiergegen nicht effektiver als geschehen verteidigen können (§ 265 Abs. 1 StPO). Der Angeklagte E.     war bereits durch die Einrichtung der Produktionsstätte an der unerlaubten Herstellung des Wasserpfeifentabaks beteiligt.

5Auch die Annahme von Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Denn Einzelhandlungen, die bestimmten und voneinander abgrenzbaren Herstellungsvorgängen zuzuordnen wären, sind nicht (mehr) tragfähig feststellbar. Dass das Landgericht bereits deswegen das Regelbeispiel der Bandenmäßigkeit (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO) nicht als erfüllt angesehen hat, beschwert die Angeklagten nicht.

6b) Die Einziehungsanordnung (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) hat keinen Bestand.

7aa) Die Angeklagten hatten sich, was das Landgericht verkannt hat, (konkludent) zu einer offenen Handelsgesellschaft zum gemeinsamen Handel mit unversteuertem Wasserpfeifentabak (§ 105 Abs. 1, 2, § 1 Abs. 2 HGB), jedenfalls zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammengeschlossen. Im Vermögen dieser Gesellschaft, die als „Herstellerin“ Steuerschuldnerin war (§ 15 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 TabStG), schlug sich die Tabaksteuerersparnis nieder. Eine Einziehungsanordnung wäre daher gegen diese Gesellschaft als Dritteinziehungsbeteiligte (§ 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB, § 105 Abs. 1, 3 HGB, § 718 BGB § 424 Abs. 1 StPO) zu richten gewesen (vgl. zur Umsatz- bzw. auch Gewerbesteuer: BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 106/22 Rn. 14 und vom – 1 StR 275/20 Rn. 23; Urteil vom – 1 StR 265/18 Rn. 56; je mwN; vgl. auch Rn. 38: „Verselbständigung“ des Vermögens einer Personen- oder Personenhandelsgesellschaft; vgl. zudem zu einer Einzelfirma: Rn. 16-18, 26); ihre Ladung zum Hauptverhandlungstermin hätte durch Zustellung an einen der Angeklagten als geschäftsführendem Gesellschafter bewirkt werden können (§ 429 Abs. 1 Halbsatz 1, Abs. 2, 3, § 37 Abs. 1 StPO, § 170 ZPO; vgl. zu § 170 ZPO: Rn. 27).

8bb) Dass jeder Angeklagte als „an der Herstellung beteiligte Person“ ebenfalls Schuldner der Tabaksteuer war (§ 15 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alternative 2TabStG; vgl. zum Geschäftsführer eines Unternehmens: Rn. 21), sich damit selbst Tabaksteuer ersparte und Gesamtschuldnerschaft nicht nur untereinander, sondern auch mit der Gesellschaft besteht (§ 15 Abs. 5 TabStG), ändert nichts an der Beschränkung der – durch eine gegenständliche Betrachtungsweise geprägten – Abschöpfung auf das Vermögen der Gesellschaft. Dies liegt an der einziehungsrechtlich gebotenen strikten Trennung von Gesellschaftsvermögen auf der einen und dem Privatvermögen der Gesellschafter auf der anderen Seite sowie an der Besonderheit des Vermögensvorteils in Form der ersparten Aufwendungen: Mit der Inanspruchnahme ist die Steuerersparnis zugleich „verbraucht“ (, BGHR StGB § 73 Erlangtes 29 Rn. 19; Beschluss vom – 1 StR 405/21 Rn. 7); sie kann nicht „vervielfältigt“ werden. Zudem ist § 73b Abs. 2 StGB der Rechtsgedanke zu entnehmen, dass der geldwerte Vorteil in Form einer Ersparnis mangels Gegenständlichkeit einziehungsrechtlich nicht weitergereicht werden kann, auch nicht im Anwendungsbereich der § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB (vgl. Rn. 5 mwN; vgl. auch die deswegen erforderliche Erstreckung der Geldwäschevorschriften des § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB [„Gegenstand“] auf die bei einer gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung ersparten Aufwendungen in § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB aF). Nach alledem ist unerheblich, dass die Angeklagten als geschäftsführende (§ 34 Abs. 1 AO) und am Gewinn beteiligte Gesellschafter – anders als etwa ein an der Veräußerung nicht beteiligter Fahrer eines Lastkraftwagens mit unversteuerten Zigaretten (dazu , BGHSt 64, 146 Rn. 19 f. und vom – 1 StR 344/19 Rn. 23; Beschlüsse vom – 1 StR 679/18 Rn. 8 f. und vom – 1 StR 479/18 Rn. 10) – durchaus wirtschaftlich betrachtet die Ersparnis im Ergebnis jeweils anteilig über die Veräußerungen in ihrem Privatvermögen realisierten. Auch die Tabaksteuerersparnis ist gesamthänderisch gebunden.

9cc) Schließlich steht der Abschöpfung zulasten der Gesellschaft nicht entgegen, dass diese ausschließlich einen strafbaren Geschäftszweck verfolgte; die Illegalität führt nicht dazu, dass die Gesellschaft verbrauchsteuer- und nachfolgend einziehungsrechtlich zu ignorieren wäre (vgl. § 40 AO; vgl. zu Gewinnen aus Betäubungsmittelhandel, die die Mitunternehmer einer „Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ ihrer jeweiligen Einkommensteuer zu unterwerfen haben: , BFHE 192, 64). Denn sie war Inhaberin des – illegalen (vgl. § 6 TabStG) – Gewerbebetriebs und damit taugliches Einziehungssubjekt.

10dd) Die Einziehung kann schließlich – ungeachtet der konkreten Fassung der Anklagesätze – nicht auf die vereinnahmten Bargelder aus dem Abverkauf des Wasserpfeifentabaks gestützt werden.

11(a) Gegenstand der steuerstrafrechtlichen Verurteilung sind die durch das Unterbleiben des gebotenen Festsetzungs- bzw. Entrichtungsverfahrens erzielten Steuerersparnisse, nicht aber die Veräußerungserlöse. Auf solche könnte innerhalb der §§ 370 ff. AO nur aufgrund der – hier nicht einschlägigen – Strafvorschrift der Steuerhehlerei (§ 374 AO) zugegriffen werden (vgl. dazu zuletzt Rn. 20). Die Angeklagten erwarben steuerfrei Rohtabak; erstmals durch ihre Produktion entstand Tabaksteuer.

12(b) Auch mit dem Strafgesetz der (Selbst-)Geldwäsche (§ 261 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 4 Buchst. b) Variante 3, Satz 3 Variante 1: „gewerbsmäßige“ Begehungsweise der Steuerhinterziehung [§ 370 AO] StGB aF) lässt sich die Einziehung nicht rechtfertigen. In materiell-rechtlicher Hinsicht sind weder die Voraussetzungen des § 261 Abs. 9 Satz 3 StGB aF, namentlich die Unkenntnis der Abnehmer von der Illegalität der Herstellung des Wasserpfeifentabaks und damit von der rechtswidrigen Ersparnis der Tabaksteuer, festgestellt (vgl. zur Erstreckung des Anwendungsbereichs des § 261 Abs. 9 Satz 3 StGB aF auf die Fälle des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB aF: , BGHSt 63, 268 Rn. 16 mN) noch greift die Rechtsfolge des § 261 Abs. 7 Satz 1 StGB aF ein, da die vereinnahmten Bargelder nicht mehr gegenständlich vorhanden sind (vgl. auch § 261 Abs. 10 Satz 3 StGB nF). In prozessualer Hinsicht steht dem Umstellen des Einziehungsgrundes das Verbot der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) entgegen, da die Anschlusstat gegenüber der Vortat der Steuerhinterziehung bereits sachlichrechtlich eine andere Tat (§ 53 StGB) wäre (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 403/21 Rn. 7; vom – 3 StR 374/21 Rn. 7; vom – 2 StR 51/21 Rn. 7 und vom – 1 StR 434/19 Rn. 8; je mwN).

13c) Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4, § 465 Abs. 2 StPO analog (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 423/20 Rn. 6 ff. und vom – 1 StR 311/20 Rn. 9 ff.).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:171122B1STR323.22.0

Fundstelle(n):
AO-StB 2023 S. 276 Nr. 9
PStR 2023 S. 269 Nr. 12
PStR 2023 S. 271 Nr. 12
wistra 2023 S. 255 Nr. 6
HAAAJ-30085