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NWB-BB Nr. 1 vom Seite 19

Die Analyse von Kundengruppen eines Unternehmens

Praktische Beratungsansätze für Einsteiger und Profis

Dipl.-Kfm. Carl-Dietrich Sander

Mit welchen Kunden machen Unternehmen ihre besten Geschäfte? Diese Frage bekommt vor dem Hintergrund von digitaler Transformation und Nachhaltigkeit wachsende Bedeutung für die Unternehmenszukunft. Die Ausgangslage ist in den Unternehmen je nach Branche, regionalem Markt und individuellen Besonderheiten sehr unterschiedlich – letztlich ist es eine Frage des Geschäftsmodells in seiner aktuellen Ausprägung und in seiner Marktfähigkeit für die kommenden Jahre. In der Beratung steht dieses Thema damit eigentlich immer im Mittelpunkt – egal, ob wir gemeinsam mit dem Mandanten über Gründung, Wachstum, Krise, Sanierung, Nachfolge oder auch Finanzierung nachdenken. Unternehmen mit einer hohen Anzahl von Kundenverbindungen analysieren dafür ihre Kundengruppen. Nützlich hierfür ist das Berechnungsprogramm „Kundenwertrechnung für KMU“, das Sie in der NWB Datenbank unter NWB NAAAD-33270 abrufen können.

Kundenwertrechnung für KMU – Berechnungsprogramm, NWB NAAAD-33270

Kernaussagen
  • Kundengruppen sind in vielen Unternehmen ein noch nicht genügend genutzter Erfolgsfaktor im Markt.

  • Für die Analyse der Kundengruppen gibt es einen praktikablen und praxiserprobten Beratungsansatz.

  • Das Einbeziehen der Blickwinkel aus den verschiedenen Arbeitsbereichen des Unternehmens erhöht die Qualität der Ergebnisse.

  • Ein klares Rollenverständnis des Beraters ist für den Arbeitsprozess wichtig.

Literatur-Tipp

Alle bereits veröffentlichten Teile der Beitragsreihe „Praktische Beratungsansätze für Einsteiger und Profis“ finden Sie in der NWB Datenbank unter NWB VAAAI-05679.

I. Das Thema „Analyse von Kundengruppen“

Viele Unternehmen verfügen über eine große Anzahl von Kundenverbindungen. In diesen Fällen ist es meistens nicht möglich, alle Kunden individuell zu analysieren und auf dieser Basis die Kundenverbindung für beide Seiten nutzbringend zu gestalten. Stattdessen steht die Aufgabe im Raum, die Gesamtzahl der Kunden in verschiedene Kundengruppen zu unterteilen, diese zu analysieren und im Markt kundengruppenbezogen zu agieren. Damit ist die Analyse eine andere als bei Unternehmen, die mit einer geringen Zahl von Großkunden zusammenarbeiten (vgl. dazu Sander, Abhängigkeiten von Großkunden steuern, NWB-BB 5/2022 S. 148, NWB NAAAI-59996).

II. Bedeutung des Themas „Analyse von Kundengruppen“

1. Bedeutung für die Unternehmensstrategie

Für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens ist es entscheidend, dass seine Kundengruppen auch künftig die Leistungen des Unternehmens gerne und zu angemessenen Preisen abnehmen. Das setzt voraus, dass Unternehmen ihre Kundengruppen immer wieder analysieren – beispielsweise mit Fragestellungen wie:

  • Ändern sich die Bedürfnisse unserer Kundengruppen – wenn ja, bei welchen, warum und in welche Richtung?

  • Passen unsere Angebote noch zu den sich ändernden Bedürfnissen? Wenn nein: Wollen wir unsere Angebote anpassen, neue Angebote für diese Bedürfnisse entwickeln, die Kundengruppe vielleicht nicht mehr so in den Fokus stellen und auslaufen lassen?

  • Welche Kundengruppen, mit denen wir bisher nicht so stark im Geschäft waren, werden für uns attraktiver?

  • Welche unserer Angebote passen vielleicht auch für andere Kundengruppen, die wir bisher noch gar nicht bedienen?S. 20

2. Bedeutung für das Tagesgeschäft

Im Tagesgeschäft geht es darum, die Vertriebsziele pro Kundengruppe zu definieren und zu realisieren. Basis dafür ist eine klare Analyse aller Kundengruppen. Diese wiederum sollte allen im Kundenkontakt stehenden Mitarbeitenden bekannt sein. Nur so kann die Kundenansprache von Telefon über Mail bis zu persönlichen Kontakten virtuell und direkt wirklich kundenorientiert erfolgen. Denn kundenorientiert bedeutet: ausgerichtet an den Bedürfnissen und Nutzenerwartungen des Kunden bzw. seiner Kundengruppe. Dabei hilft es den Mitarbeitenden sehr, wenn im Kundenmanagementsystem (CRM-System) die Kundengruppe bei jeder Kundenverbindung hinterlegt ist.

3. Bedeutung für Rating und Finanzierung

Die Ratingsysteme der Kreditinstitute widmen sich im qualitativen Fragenkatalog auch der Frage nach der Abhängigkeit von Kundenbeziehungen. Solche Fragen lauten z. B.:

  • Hauptumsatz entfällt auf einen/wenige/viele Kunden?

  • Wie beurteilen Sie die Abhängigkeit des Unternehmens von Kunden?

    • Beispiel positive Bewertung: geringe Abhängigkeiten. Verlust Kunden mit bedeutenden Umsatzanteilen könnte problemlos kompensiert werden.

    • Beispiel negative Bewertung: hohe Abhängigkeiten von nur wenigen Kunden mit verlängerten Zahlungszielen. Eine Kompensation wäre nur schwer möglich.

  • Verteilung Umsatz = auf wie viele Kunden entfallen 50 % des Umsatzes: Anzahl? (wenn Zahl nicht vorhanden: Gesamtzahl Kunden / 2; Einzelhandel ggf. Höchstzahl 9.999).

  • Umsatzanteil Hauptkunde: Wie viel Prozent?

Den Ratingsystemen geht es also um die Abhängigkeit des Unternehmens von seinen Kunden. Das Kriterium lautet „Anzahl der Kunden“. Der Begriff „Kundengruppe“ erscheint nicht. Dennoch ist es für Unternehmen in Kreditgesprächen hilfreich, wenn bei der Aussage „Umsatz entfällt auf viele Kunden/keine Abhängigkeit von Großkunden“ eine Erläuterung folgt, wie das Unternehmen seine Kundengruppen definiert und bei der Analyse sowie der Umsetzung der Schlussfolgerungen im Markt vorgeht.

III. Methodischer Ansatz

Zur Analyse der Kundengruppen hat Prof. Dr. Dr. habil. Kurt Nagel eine in der Praxis gut nutzbare Methode entwickelt (Quelle: Kurt Nagel, TOP im Handwerk – Managementwissen für Meisterbetriebe, verlag moderne industrie, 1998, ISBN 3-478-34090-X).

Praxishinweis

Die Arbeit mit dieser Methode erfolgt in neun klaren Schritten. Hierfür bietet es sich an, ein Arbeitsblatt wie in Übersicht 1 abgebildet zu erstellen.