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Die Erbengemeinschaft im Zivilrecht
Verwaltung des Nachlasses, Auseinandersetzung und Haftung
Eine Erbengemeinschaft entsteht immer dann, wenn ein Erblasser mehr als nur einen Erben hinterlassen hat und zwar unabhängig davon, ob eine letztwillige Verfügung von Todes wegen vorliegt oder ob in Ermangelung einer solchen die gesetzliche Erbfolge eintritt. Die Bildung der Erbengemeinschaft erfolgt dabei automatisch kraft Gesetzes, so dass jeder Erbe zunächst Mitglied der Erbengemeinschaft wird, ob er will oder nicht. In der Praxis erweist sich die Erbengemeinschaft oftmals als streitanfällig. Dies ist einerseits auf die sehr enge Verbindung zwischen den Miterben zurückzuführen, da die gesamte Verwaltung des Nachlasses nur durch alle Erben gemeinschaftlich erfolgen kann. Zum anderen ist die Erbengemeinschaft von Gesetzes wegen darauf angelegt, auseinandergesetzt zu werden und stellt insoweit eine nur vorübergehende Verbindung der Miterben dar. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über die zivilrechtlichen Regelungen.
Nachlassforderungen können nach § 2039 BGB von jedem Miterben allein geltend gemacht werden, wobei die Leistung an alle Miterben zu fordern ist.
Der Teilungsanordnung des Erblassers kommt schuldrechtliche Wirkung für die Erbauseinandersetzung zu; sie geht den ? übrigen ? gesetzlichen Regeln der Auseinandersetzung vor und wird Inhalt des erforderlichen Teilungsplans, soweit sie inhaltlich die Erbauseinandersetzung vorgibt. Dem ungeachtet können die Miterben untereinander grundsätzlich eine abweichende Teilung vereinbaren.
Den Gläubigern stehen damit grundsätzlich drei Vermögensmassen für die Haftung zur Verfügung, nämlich einmal der Nachlass als Sondervermögen, daneben der Erbanteil jedes einzelnen Miterben sowie dessen bereits vor dem Erbfall vorhandenes sonstiges Eigenvermögen.
I. Entstehung und Rechtsnatur der Erbengemeinschaft
1. Entstehung, Gesamtrechtsnachfolge, Surrogationsprinzip
Eine Erbengemeinschaft entsteht nach den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 2032 bis 2063 BGB unabhängig vom Willen der Beteiligten, wenn der Erblasser nicht nur von einer, sondern aufgrund gesetzlicher oder gewillkürter Erbfolge von mehreren Personen beerbt wird.
Mit dem Erbfall geht das Vermögen des Erblassers als Ganzes auf den oder die Erben über (vgl. § 1922 BGB). Man spricht insoweit von Gesamtrechtsnachfolge oder Universalsukzession. Das bedeutet, dass die Erbengemeinschaft unmittelbar, ohne besondere Übertragung von einzelnen Vermögensgegenständen, Gesamtrechtsnachfolgerin wird (sogenannter „Von-selbst-Erwerb“).
Ausnahmsweise kann bei einem Erbfall aber neben der Gesamtrechtsnachfolge noch eine Sonderrechtsnachfolge stattfinden, d. h. bestimmte Gegenstände gehen unmittelbar am Nachlass vorbei auf eine oder mehrere Person(en) über, wie z. B. beim Übergang von Anteilen an Personengesellschaften, da hier die Miterben nicht gesamthänderisch gebundene Gesellschafter einer Personengesellschaft sein können.
In § 2041 BGB ist zudem das sogenannte dingliche Surrogationsprinzip verankert bzw. der Surrogationserwerb durch die Erbengemeinschaft geregelt. Infolge der dinglichen Surrogation gehört danach zum Nachlass, was aufgrund eines zum Nachlass gehörenden Rechts (Rechtssurrogation) oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines Nachlassgegenstandes (Ersatzsurrogation) oder durch ein Rechtsgeschäft, das sich auf den Nachlass bezieht (Beziehungssurrogation) erworben wird. Der durch die Surrogation erlangte Vermögensgegenstand fällt somit unmittelbar dinglich – ohne Zwischenerwerb – in den Nachlass.
Der Tatbestand der Rechtssurrogation nach § 2041 Satz 1 Alt. 1 BGB betrifft alle unmittelbaren Erwerbe, die durch Verwirklichung des betreffenden Rechtsanspruchs erfolgen, der bereits zum Zeitpunkt des Erbfalles bestand. Hierunter fallen daher Erwerbe aufgrund von bereits in der Person des Erblassers S. 311bestehenden Rechtsverhältnisse, die einen Leistungsanspruch gewähren, wie z. B. aus Kauf- und Mietverträgen.
Die Ersatzsurrogation nach § 2041 Satz 1 Alt. 2 BGB bezieht sich auf Vermögensgegenstände, die in Erfüllung von Bereicherungs- oder Schadensersatzansprüchen erworben wurden, wie z. B. Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung einer zum Nachlass gehörenden Sache.
Nach der für die Praxis am wichtigsten, in § 2041 Satz 1 Alt. 3 BGB geregelten, Beziehungssurrogation gehört zum Nachlass dasjenige, was durch ein Rechtsgeschäft erworben wird, das sich auf den Nachlass bezieht. Dabei ist nicht abschließend geklärt, unter welchen Voraussetzungen ein Rechtsgeschäft als auf den Nachlass bezogen anzunehmen ist. Unproblematisch sind dabei die Rechtsgeschäfte, bei denen eine objektive Beziehung aufgrund eines Erwerbs mit Mitteln des Nachlasses gegeben ist und der Wille hinzukommt, für den Nachlass erwerben zu wollen. Nach h. M. ist aber auch eine objektive Beziehung aufgrund des Erwerbs mit Mitteln des Nachlasses ausreichend. Danach fallen alle Vermögensgegenstände in den Nachlass, die mit Mitteln des Nachlasses erworben werden, ohne dass es auf den Willen des Miterben oder seines Geschäftspartners ankäme. Als Nachlassmittel kommen dabei Geld (beim Kauf durch die Miterben) aber auch beweglich und unbewegliche Sachen sowie Forderungen und sonstige Rechte (beim Tausch oder Verkauf durch die Miterben) in Betracht.
2. Rechtsnatur
Beim Vorhandensein mehrerer Erben wird der Nachlass gemeinschaftliches Vermögen (Gesamthandsvermögen) der Erben. Da über die Gegenstände des Gesamthandsvermögens der einzelne Erbe gemäß § 2033 Abs. 2 BGB nicht alleine verfügen kann, sondern nur alle Erben gemeinsam (§ 2040 Abs. 1 BGB), handelt es sich um ein vom Vermögen der Erben zu trennendes Sondervermögen.
Nach h. M. besitzt die Erbengemeinschaft keine eigene Rechtspersönlichkeit bzw. ist nicht rechtsfähig.
II. Verwaltung des Nachlasses durch die Erbengemeinschaft
1. Übersicht
Die Verwaltung des Nachlasses ist in § 2038 BGB geregelt. Danach verwaltet die Erbengemeinschaft den Nachlass im Grundsatz gemeinsam, wobei für Nachlassforderungen (§ 2039 BGB) und Verfügungen über Nachlassgegenstände (§ 2040 BGB) ergänzende Vorschriften bestehen.
Auch die Verwaltungsbefugnis steht grundsätzlich den Miterben zu. Ausgeschlossen ist diese allerdings bei Testamentsvollstreckerschaft (§ 2205 BGB), angeordneter Nachlassverwaltung (§ 1984 BGB) und bei Einsetzung eines Nachlassinsolvenzverwalters (§ 80 InsO).
Der Begriff Verwaltung ist dabei weit auszulegen. Erfasst sind alle Maßnahmen, die der Sicherung, Erhaltung, Vermehrung und Nutzung des Nachlasses dienen. Als einzelne Verwaltungshandlungen kommen z. B. in Betracht: Inbesitznahme von Nachlassgegenständen, Verwaltung von Grundbesitz und Unternehmen, Anlage von Nachlasskapital bis zur Auseinandersetzung, Vermietung und Verpachtung von Nachlassgegenständen, Kündigung von Verträgen einschließlich Arbeitsverträgen, Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen, Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten einschließlich Vermächtnis- und Pflichtteilsschulden, Anträge und Bewilligungen im Grundbuchverfahren sowie die Führung von Rechtsstreitigkeiten.
2. Die einzelnen Verwaltungsmaßnahmen
Zu unterscheiden ist zwischen ordnungsgemäßen Verwaltungsmaßnahmen, Notverwaltungsmaßnahmen und außerordentlichen Verwaltungsmaßnahmen.
a) Ordnungsgemäße Verwaltungsmaßnahmen
Die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung folgen gemäß § 2038 Abs. 2 Satz 1 BGB aus § 745 BGB. Danach dienen die zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlichen Maßnahmen der Beschaffenheit der Nachlassgegenstände und entsprechen nach billigem Ermessen den Interessen aller Miterben. Ob eine Maßnahme ordnungsgemäß ist, beurteilt sich aus Sicht eines objektiven Empfängers, wobei der Standpunkt eines vernünftigen und wirtschaftlich denkenden Beurteilers maßgebend ist. Zu nennen sind z. B. die Durchführung von Reparaturmaßnahmen, die Zahlung laufender Kosten für Nachlassgegenstände, die Regulierung von Nachlassverbindlichkeiten, die Einziehung von Nachlassforderungen gemäß § 2039 BGB, deren gerichtliche Durchsetzung sowie der Abschluss von Vergleichen hierüber, der Abschluss von Nutzungsverträgen über den Nachlass, sofern dies der alsbaldigen Auseinandersetzung des Nachlasses nicht entgegensteht, sowie die Ausübung von Gestaltungsrechten, wie bspw. die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen.
Nach § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB sind die Miterben einander verpflichtet, bei ordnungsgemäßen Verwaltungsmaßnahmen mitzuwirken. Dies gilt jedoch nicht für solche Maßnahmen, die zu einer wesentlichen Veränderung des Nachlasses führen (vgl. §§ 2038 Abs. 2 Satz 1, 745 Abs. 3 BGB), wobei auf dem gesamten Nachlass und nicht die einzelnen Nachlassgegenstände abzustellen ist.
Handelt es sich bei der Verwaltungsmaßnahme um eine Verfügung, muss diese zudem auch noch erforderlich sein, d. h. ohne die beabsichtigte Maßnahme muss eine wirtschaftliche Beeinträchtigung des Nachlasswertes zu besorgen sein.
Nach § 2038 Abs. 2 Satz 2 i. V. mit § 745 Abs. 1 BGB kann durch Stimmenmehrheit eine der Beschaffenheit des gemeinschaftS. 312lichen Gegenstands entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung und Nutzung beschlossen werden. Wird dieser Beschluss einstimmig gefasst, handelt es sich um einen von sämtlichen Miterben abgeschlossenen gegenseitigen Vertrag. Der Beschluss kann aber auch durch Stimmenmehrheit wirksam zustande kommen, mit der Folge, dass er der Erbengemeinschaft insgesamt zuzurechnen ist. Bei der Beurteilung von Mehrheitsbeschlüssen bemisst sich die Stimmenmehrheit nach der Größe der Erbanteile und nicht nach „Köpfen“.
Soweit ersichtlich ist nicht abschließend geklärt, ob § 2038 BGB als lex specialis zu § 2040 BGB zu sehen ist, so dass auch Verfügungen über Nachlassgegenstände mit Mehrheitsbeschluss möglich sind. Dies wird in der Literatur zu Recht bejaht. Auch der BGH hat zwar zwischenzeitlich seine bisherige Auffassung aufgegeben, wonach Verfügungen stets der Einstimmigkeit bedürften, dabei aber keine generelle Aussage zum Verhältnis von § 2038 BGB zu § 2040 BGB getroffen.
Kommt bezüglich der ordnungsgemäßen Verwaltung keine Mehrheitsentscheidung zustande, muss der sich aus § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB ergebende Anspruch auf Zustimmung im Wege der Klage gerichtlich durchgesetzt werden, wobei der Klageantrag auf Zustimmung zu einer bestimmten Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung zu richten ist.
Verletzt ein Miterbe seine Mitwirkungspflicht nach § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB, kann er zum Ersatz des sich hieraus ergebenden Schadens verpflichtet sein.