BFH Urteil v. - I R 51/01 BStBl 2005 II S. 49

Leitsatz

Vororganschaftlich verursachte Mehrabführungen einer Organgesellschaft an ihren Organträger stellen keine Gewinnausschüttungen i.S. der §§ 8 Abs. 3, 27 KStG 1996, sondern Gewinnabführungen i.S. der §§ 14 ff. KStG 1996 dar (Abweichung von Abschn. 59 Abs. 4 Satz 3 KStR 1995). Nichts anderes ergibt sich aus § 37 Abs. 2 Satz 2 bzw. § 41 KStG 1996.

Gesetze: KStG 1996 § 8 Abs. 1 und 3KStG 1996 § 14 Satz 1 Nr. 5KStG 1996 § 15KStG 1996 § 16KStG § 17 Satz 2 Nr. 1KStG § 27 Abs. 3KStG § 28 Abs. 2 und 3KStG § 30 Abs. 2 Nr. 4KStG § 36KStG § 37 Abs. 2KStG § 41AktG § 291 Abs. 1AktG §§ 300, 301HGB § 272 Abs. 3

Instanzenzug: (EFG 2001, 917) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob für sog. vororganschaftlich verursachte Mehrabführungen die Ausschüttungsbelastung herzustellen ist.

Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) schloss im September 1991 mit der T-AG einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, der seit dem steuerlich wirksam ist. Die Klägerin war demnach in den Jahren 1995 und 1996 Organgesellschaft der T-AG. Bereits vor dem Wirksamwerden des vorgenannten Vertrages hatte sie handelsbilanziell Rückstellungen für Gnadengehälter und Jubiläumsgelder gebildet. Auf Grund des sog. Nachholverbots für Gnadengehälter bzw. des § 5 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wichen im Hinblick auf diese Rückstellungen die steuerbilanziellen Ansätze und Ergebnisse in der vororganschaftlichen Zeit von denen in der Handelsbilanz ab. Die Differenz betrug beim Eintritt der Klägerin in die Organschaft ... DM bei den Gnadenrückstellungen und ... DM bei den Jubiläumsrückstellungen. In organschaftlicher Zeit verringerte sich die handelsbilanzielle Gnadenrückstellung stetig, so dass es zu handelsbilanziellen Mehrergebnissen und -abführungen kam. Im Streitjahr belief sich die Differenz auf ... DM. Die Jubiläumsrückstellung schwankte demgegenüber der Höhe nach. Im Streitjahr ergab sich ein handelsbilanzielles Mehrergebnis von ... DM.

Der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) behandelte die vorgenannten an die T-AG abgeführten handelsbilanziellen Mehrergebnisse in Höhe von insgesamt ... DM gemäß Abschn. 59 Abs. 4 Satz 3 der Körperschaftsteuer-Richtlinien (KStR) 1995 als andere Ausschüttungen i.S. des § 27 Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1996 und stellte dementsprechend bei der Klägerin die körperschaftsteuerliche Ausschüttungsbelastung gemäß § 27 KStG 1996 her.

Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen gerichteten Klage nur teilweise statt. Entgegen der Auffassung der Klägerin habe die Mehrabführung an die T-AG als ”andere Ausschüttung” i.S. des § 27 Abs. 3 KStG 1996 die Herstellung der Ausschüttungsbelastung zur Folge. Dies gelte aber lediglich, soweit der auf das Wirtschaftsjahr 1994/95 entfallende vororganschaftlich verursachte Mehrabführungsbetrag in Höhe von ... DM im Laufe des Wirtschaftsjahres 1995/96 abgeflossen sei. Im Übrigen sei der Abfluss erst später erfolgt, so dass das FA insoweit zu Unrecht eine andere Ausschüttung für das Streitjahr angenommen habe. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 917 veröffentlicht.

Dagegen wenden sich sowohl die Klägerin als auch das FA mit Revisionen, die sie auf Verletzung materiellen Rechts stützen.

Die Klägerin beantragt, das erstinstanzliche Urteil sowie den Körperschaftsteuerbescheid 1996 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben, die Körperschaftsteuer 1996 mit 0 ( festzusetzen und die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.

Das FA beantragt, das aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet, die des FA hingegen unbegründet.

Das FG ist davon ausgegangen, dass die streitbefangenen handelsrechtlichen Mehrabführungen, die ihre Ursache in vororganschaftlicher Zeit hatten, als andere Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 3 KStG 1996 zu behandeln seien und daher darauf die Ausschüttungsbelastung herzustellen sei. Es hat damit im Ergebnis die von der Finanzverwaltung in Abschn. 59 Abs. 4 Satz 3 KStR 1995 vertretene Rechtsauffassung bestätigt. Dem ist nicht beizupflichten. Die Rechtsauffassung des FG widerspricht den in §§ 14, 27, 37 und 41 KStG 1996 zum Ausdruck kommenden körperschaftsteuerlichen Grundsätzen.

1. Nach § 14 Satz 1 KStG 1996 ist —vorbehaltlich des hier nicht einschlägigen § 16 KStG 1996— bei Bestehen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft das Einkommen der Organgesellschaft dem Organträger zuzurechnen. Das von der Organgesellschaft erwirtschaftete Einkommen wird zwar bei dieser selbst ermittelt, jedoch steuerlich beim Organträger erfasst.

Die Einkommenszurechnung gemäß § 14 KStG 1996 darf allerdings nicht dazu führen, dass das von der Organgesellschaft erzielte und dem Organträger zugerechnete Einkommen beim Organträger doppelt besteuert wird (vgl. , BFHE 181, 53, BStBl II 1996, 614; vom I R 10/93, BFHE 173, 426, BStBl II 1994, 768; vom I R 150/82, BFHE 149, 25, BStBl II 1987, 455; vom I R 240/72, BFHE 114, 70, BStBl II 1975, 126; Streck, Körperschaftsteuergesetz, 5. Aufl., § 14 Anm. 90; Walter in Arthur Andersen, Körperschaftsteuergesetz, § 14 Rz. 891). Daraus folgt, dass weder die Gewinnabführung noch die Zurechnung des Organeinkommens als solche bei der Organgesellschaft eine Ertragsbesteuerung auslöst.

Gewinnabführungen und Ausschüttungen unterfallen unterschiedlichen Regelungskonzepten. Die körperschaftsteuerlichen Organschaftsregeln gehen der Anwendung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens vor. Demgemäß ist weder die Gewinnabführung noch die Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft eine Ausschüttung. Die Ausschüttungsbelastung ist bei organschaftlich bedingten Gewinnabführungen nicht herzustellen. Die Gewinnabführung löst keine Bezüge i.S. des § 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 EStG aus; in diesem Sinne geht § 14 KStG 1996 den §§ 27 ff. KStG 1996 vor (vgl. Gesetzesbegründung BTDrucks 7/1470, S. 347 ff.; , BFHE 177, 429, und vom I R 25/00, BFHE 196, 485, BFH/NV 2001, 461; für § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG auch , BFH/NV 1991, 121, m.w.N.; , F, EFG 2001, 1319; Winter in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 14 KStG Rz. 9; Schneck/ Hirsch, GmbH-Rundschau —GmbHR— 1999, 898, 899; Preißer/ Seeliger, Betriebs-Berater —BB— 1999, 393, 395).

2. Für die vororganschaftlich verursachten Mehrabführungen ist allerdings umstritten, ob sie als Gewinnabführungen den §§ 14 ff. KStG 1996 unterfallen oder aber als Ausschüttungen nach § 27 KStG 1996 zu behandeln sind.

a) Die Finanzverwaltung (Abschn. 59 Abs. 4 Satz 3 KStR 1995; , BStBl I 1996, 695, und vom , BStBl I 1997, 939, anders aber BStBl I 1981, 44, 47) vertritt in Übereinstimmung mit dem erstinstanzlichen Urteil und einem Teil der Literatur (Hübel, Die steuerliche Betriebsprüfung —StBp— 1984, 78, 82; Schröder, StBp 1986, 269, 273; Dötsch, Der Betrieb —DB— 1993, 752, 755; Dötsch/Witt, DB 1996, 1592, 1595; Starke, DB 1996, 1490, 1492; Müller-Gatermann in Festschrift für W. Ritter, 1997, 457, 468; Schmidt/Müller/Stöcker, Die Organschaft, 5. Aufl., Rz. 643; Streck, a.a.O., § 14 Anm. 60; Frotscher in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungsteuergesetz, § 14 KStG Rz. 279; Witt in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, Kommentar, § 14 KStG Rz. 166 f.; Danelsing in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 14 KStG Rz. 190; Schwarz in Mössner/Seeger, Körperschaftsteuergesetz 1977, Kommentar, § 14 Rz. 439) die Auffassung, dass vororganschaftlich verursachte Mehrabführungen als andere Ausschüttung i.S. des § 27 KStG 1996 zu behandeln seien, für die die Ausschüttungsbelastung herzustellen sei. Danach wird § 27 KStG 1996 dann nicht durch die §§ 14 ff. KStG verdrängt, wenn sich der entsprechende Geschäftsvorfall bereits in einem Zeitpunkt ereignet und ausgewirkt hat, in dem noch kein Organschaftsverhältnis bestand.

Die Gegenmeinung (FG Münster, Urteil in EFG 2001, 1319; Knepper in Festschrift für L. Schmidt, 1993, 725, 734; Fuchs, DB 1995, Beilage Nr. 12 S. 1, 8; Jonas, Steuerberater-Jahrbuch —StbJb— 1996/1997, 99, 107 ff.; Wassermeyer, StbJb 1996/1997, 139, 151; Preißer/Seeliger, BB 1999, 393, 398; Schneck/Hirsch, GmbHR 1999, 898, 899 ff.; Romani/Maier, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2000, 1944, 1948; Kroppen, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht —JbFSt— 2000/2001, 673, 675 f.; Winter in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 14 KStG Rz. 31; Walter in Arthur Andersen, a.a.O., § 14 Rz. 894) sieht in vororganschaftlich verursachten Mehrabführungen Gewinnabführungen i.S. der §§ 14 ff. KStG mit der Folge, dass die Ausschüttungsbelastung nicht herzustellen ist.

b) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.

aa) Bei einer Gewinnabführung gemäß § 291 Abs. 1 des Aktiengesetzes (AktG) kann nicht danach differenziert werden, ob Teilbeträge steuerlich gesehen ihre Veranlassung in vororganschaftlicher Zeit haben. Denn was als Gewinnabführung i.S. von § 14 KStG zu verstehen ist, bestimmt sich allein nach Maßgabe des Zivilrechts. § 14 KStG setzt u.a. für die Anerkennung eines körperschaftsteuerlichen Organschaftsverhältnisses den Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages nach § 291 Abs. 1 AktG voraus. Ein solcher Gewinnabführungsvertrag verpflichtet das Unternehmen, seinen ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen. Maßgeblich für den Umfang der Gewinnabführungspflicht ist allein der handelsbilanzielle Jahresüberschuss. Dies ergibt sich zwingend aus § 301 AktG. Danach kann eine Gesellschaft als ihren Gewinn höchstens den —ohne die Gewinnabführung— entstehenden Jahresüberschuss, vermindert um einen Verlustabzug aus dem Vorjahr und den Betrag, der nach § 300 AktG in die gesetzliche Rücklage einzustellen ist, abführen. Die organschaftliche Gewinnabführung hat damit ihre Veranlassung insgesamt ausschließlich in dem abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrag.

Im Streitfall verpflichtete der Gewinnabführungsvertrag die Klägerin zur Abführung der ”ganzen Gewinne” (hier 1995 und 1996). Diese Gewinne sind der organschaftlichen Zeit zuzuordnen, d.h. die Mehrabführungen sind nicht in vororganschaftlicher, sondern in organschaftlicher Zeit entstanden. Die Ergebnisabweichung ist allein durch die Besonderheiten der steuerlichen Gewinnermittlung bedingt. Die abweichende steuerliche Gewinnermittlung darf jedoch nicht mit der für die Gewinnabführung maßgeblichen wirtschaftlichen Veranlassung verwechselt werden. Zwar ist es richtig, dass sich die Organschaft nach ihrem Sinn und Zweck nur auf das innerhalb der organschaftlichen Zeit erwirtschaftete Ergebnis beziehen kann. Dabei kommt es aber allein auf den aus handelsrechtlicher Sicht bestehenden Zeitbezug an.

bb) Handelsrechtlich erstreckt sich die Gewinnabführung auf den bilanziell im jeweiligen Jahr ausgewiesenen Jahresüberschuss vor Gewinnabführung. Von der Gewinnabführung sind nur die vororganschaftlichen Gewinnrücklagen sowie die der Organgesellschaft vor- bzw. innerorganschaftlich zugeführten Kapitalrücklagen ausgeschlossen, während innerorganschaftlich aufgedeckte stille Reserven —unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Entstehung— abgeführt werden dürfen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 196, 485, BFH/NV 2002, 461). Die Behandlung der stillen Reserven in der Steuerbilanz ist für den Umfang der handelsrechtlich zulässigen Gewinnabführung ohne Bedeutung (so auch Jonas, StbJb 1996/1997, 99, 108; Fuchs, DB 1995, Beilage Nr. 12 S. 5; Winter in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 14 KStG, Rz. 31 ”vorvertragliche stille Rücklagen”). Im Interesse einer klaren Abgrenzung erstreckt sich § 301 AktG nur auf die bilanzielle Substanzerhaltung, nicht hingegen auf die Erhaltung stiller Reserven (Knepper in Festschrift für L. Schmidt, a.a.O., S. 734, m.w.N., zur handelsrechtlichen Literatur; Fuchs, DB 1995, Beilage Nr. 12 S. 5; Preißer/Seeliger, BB 1999, 393, 396; Kroppen, JbFStR 2000/2001, 675; Winter in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 14 KStG Rz. 31).

cc) Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber in §§ 14 ff. KStG 1996 einen von § 291 Abs. 1, § 301 AktG abweichenden, originär steuerrechtlichen Umfang der Gewinnabführungsverpflichtung regeln wollte. Den Gesetzesmaterialien (BTDrucks 7/1470) lässt sich eine derartige Intention nicht entnehmen. Vielmehr enthält schon § 14 KStG durch Verweis auf § 291 Abs. 1 AktG eine Anknüpfung an das Zivilrecht, wenn dort von einem Gewinnabführungsvertrag (GAV) i.S. des § 291 Abs. 1 AktG gesprochen wird. Gleiches ergibt sich aus § 17 Satz 2 Nr. 1 KStG 1996, wonach Gewinnabführungen den in § 301 AktG genannten Betrag nicht übersteigen dürfen. Dem entspricht es, wenn der Senat mit Urteil in BFHE 196, 485, BFH/NV 2002, 461 ausgeführt hat, dass der nach § 14 Satz 1 KStG 1996 abzuführende Gewinn durch einen Mindest- und einen Höchstbetrag begrenzt wird: Danach dürfen Beträge aus dem Jahresüberschuss gemäß § 14 Nr. 5 KStG 1996 nur insoweit in die Gewinnrücklagen (§ 272 Abs. 3 des HandelsgesetzbuchsHGB—) eingestellt werden, als dies bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wirtschaftlich begründet ist. Andererseits darf die Gewinnabführung gemäß § 17 Satz 2 Nr. 1 KStG 1996 den in § 301 AktG genannten Betrag nicht überschreiten.

dd) Dem vorgenannten Ergebnis lässt sich nicht entgegenhalten, es führe zu dem unsystematischen Ergebnis, dass vororganschaftlich gezahlte Körperschaftsteuer ggf. definitiv werden kann (so aber Hübel, StBp 1984, 78, 82; Schröder, StBp 1986, 269, 273). Zwar hat die Finanzverwaltung diesen Bedenken entgegen der eigenen vorherigen Praxis ( BStBl I 1981, 44) durch Abschn. 59 Abs. 4 Satz 3 KStR 1995 und die dazu ergangenen (BStBl I 1996, 695) und vom (BStBl I 1997, 939) Rechnung getragen. Dies geschah jedoch im Ergebnis zu Unrecht. Denn die Belastung mit Körperschaftsteuer kann schon dadurch definitiv werden, dass die Organschaftsregelungen dem Anrechnungsverfahren generell vorgehen. § 37 Abs. 2 KStG zeigt, dass der Gesetzgeber dies bewusst in Kauf genommen hat: Auch in den dort genannten Fällen, in denen die dem Organträger zuzurechnenden Vermögensmehrungen den Gewinnabführungsbetrag unterschreiten und in Höhe der Differenz —unter Beachtung des § 28 Abs. 3 KStG— eine Verrechnung des verwendbaren Eigenkapitals (vEK) der Organgesellschaft zu erfolgen hat, kann es zur Vernichtung von Körperschaftsteuerguthaben kommen (vgl. dazu auch Fuchs, DB 1995, Beilage Nr. 12 S. 8, m.w.N.). Umgekehrt kann die Auffassung der Finanzverwaltung durch Körperschaftsteuer-Erhöhungen systemwidrige Doppelbelastungen zur Folge haben (vgl. dazu Walter in Arthur Andersen, a.a.O., § 14 Rz. 894.1; Preißer/ Seeliger, BB 1999, 393 ff.; Schneck/Hirsch, GmbHR 1999, 898, 901).

3. Nichts anderes ergibt sich aus §§ 27 ff. bzw. 41 KStG 1996.

a) Die Gewinnabführung gemäß § 291 Abs. 1 AktG ist weder eine offene Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG 1996 noch eine andere Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1996 noch eine sonstige Leistung i.S. des § 41 KStG 1996. Handelsrechtlich ist sie Betriebsausgabe (vgl. Frotscher, a.a.O., § 27 KStG a.F. Rz. 46). Steuerrechtlich ist sie eine Gewinnverwendung eigener Art, für die nach dem zuvor Gesagten die §§ 14 ff. KStG gelten.

b) Es gibt keine Rechtsgrundlage dafür, den Betrag der Gewinnabführung in das zuzurechnende Einkommen und sog. Mehrabführungen aufzuteilen und nur auf letztere § 27 Abs. 1 KStG 1996 anzuwenden.

aa) Der Senat entscheidet seit seinem Urteil vom I R 260/83 (BFHE 151, 560, BStBl II 1988, 460) in ständiger Rechtsprechung, dass ein tatsächlicher Mittelabfluss das die Herstellung der Ausschüttungsbelastung i.S. des § 27 Abs. 1 KStG 1996 auslösende Moment ist. Mit dieser Auffassung steht die Anweisung in Abschn. 59 Abs. 4 Satz 3 KStR 1995 nicht in Einklang. Dort geht die Finanzverwaltung davon aus, dass jede Mehrabführung steuerrechtlich als Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 1 KStG 1996 zu behandeln ist. Eine organschaftliche Mehrabführung bedeutet aber nicht notwendigerweise einen Mittelabfluss. Dies wird deutlich, wenn man an den Fall denkt, dass der ”ganze Gewinn” der Organgesellschaft i.S. des § 291 Abs. 1 AktG entweder negativ ist oder aber aus einem nur geringen positiven Betrag besteht. In diesem Fall kann das nach § 14 KStG 1996 zuzurechnende Einkommen auf Grund abweichender steuerlicher Gewinnermittlungsvorschriften aus einem höheren negativen Betrag bestehen. Die Finanzverwaltung behandelt dennoch stets die Differenz zwischen den beiden Beträgen (ganzer Gewinn abzüglich zuzurechnendes Einkommen) als andere Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1996, obwohl tatsächlich nichts bzw. nur der geringere positive Betrag von der Organgesellschaft an den Organträger abzuführen ist. Die Überlegung macht deutlich, dass sich der Begriff ”Ausschüttung” einerseits an dem tatsächlich abgeführten Betrag und andererseits an der Zivilrechtslage orientieren muss. Zivilrechtlich besteht aber keine Verpflichtung des Organträgers, das (steuerliche) Negativeinkommen der Organgesellschaft auszugleichen.

bb) Es kommt hinzu, dass das Ende des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft (= die Entstehung der Gewinnabführungsverbindlichkeit) nicht mit dem für die Herstellung der Ausschüttungsbelastung allein maßgeblichen Mittelabfluss zeitlich zusammenfallen muss. Insbesondere dann, wenn die Gewinnabführung in Teilbeträgen vollzogen wird, die in verschiedenen Wirtschaftsjahren abfließen, lässt sich nicht bestimmen, welcher Teilbetrag die sog. Mehrabführung verkörpert. Dazu hätte es einer gesetzlichen Regelung analog § 28 KStG 1996 bedurft. Auch daran erweist sich, dass die von der Finanzverwaltung mit der angenommenen Mehrabführung verknüpften Rechtsfolgen nicht den Kriterien entsprechen, an denen der Senat die Herstellung der Ausschüttungsbelastung i.S. des § 27 KStG a.F. in ständiger Rechtsprechung misst.

4. Auch aus § 37 Abs. 2 Satz 2 KStG 1996 folgt nichts anderes. Nach dieser Vorschrift gilt § 28 Abs. 3 KStG 1996 mit der Maßgabe, dass der in Satz 1 bezeichnete Teilbetrag i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1996 vor den übrigen Teilbeträgen als verwendet gilt. Die Vorschrift regelt mit anderen Worten den hier interessierenden Fall, in dem das dem Organträger zuzurechnende Einkommen den Gewinnabführungsbetrag unterschreitet und in Höhe der Differenz —unter Beachtung des § 28 Abs. 3 KStG 1996-- mit dem vEK der Organgesellschaft zu verrechnen ist. Die entsprechende Anwendung von § 28 Abs. 3 KStG 1996 bedeutet jedoch nur, dass die Mehrabführung bei der Organgesellschaft gliederungsrechtlich in einer bestimmten Weise zu erfassen ist. Die Vorschrift erlaubt es dagegen nicht, die Gewinnabführung auch innerhalb des § 27 KStG 1996 teilweise als Ausschüttung zu behandeln. Letztlich belegt damit die Existenz des § 37 Abs. 2 Satz 2 KStG 1996, dass eine entsprechende Regelung auch für den Bereich des § 27 KStG 1996 erforderlich gewesen wäre, wenn die in Abschn. 59 Abs. 4 Satz 3 KStR 1995 vertretene Auffassung dem gesetzten Recht entsprechen soll.

5. Die Vorinstanz hat eine davon abweichende Auffassung vertreten. Ihr Urteil und die streitbefangene Einspruchsentscheidung waren aufzuheben. Die Körperschaftsteuer war unter Änderung des streitbefangenen Körperschaftsteuerbescheids des FA auf 0 ( festzusetzen. Die Revision des FA war als unbegründet zurückzuweisen.

Fundstelle(n):
BStBl 2005 II Seite 49
BB 2003 S. 619 Nr. 12
BFH/NV 2003 S. 572
BFH/NV 2003 S. 572 Nr. 4
BFHE S. 221 Nr. 201
BStBl I 2005 S. 65 Nr. 1
BStBl II 2005 S. 49 Nr. 1
DB 2003 S. 586 Nr. 11
DB 2005 S. 19 Nr. 1
DB 2007 S. 21 Nr. 27
DStR 2003 S. 412 Nr. 11
DStR 2005 S. 69 Nr. 2
DStRE 2003 S. 448 Nr. 7
FR 2003 S. 457 Nr. 9
INF 2003 S. 331 Nr. 9
KÖSDI 2003 S. 13674 Nr. 4
JAAAA-88062