§ 10 StBerG Mitteilungen im Rahmen des Berufsrechts der Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer, Notare und Patentanwälte
1. Allgemeines
Gegen einen Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer, Notar oder Patentanwalt, der seine Berufspflichten verletzt, kann eine berufsgerichtliche Maßnahme verhängt werden. Zuständig für die Einleitung eines berufsrechtlichen Verfahrens ist die jeweilige Berufskammer. Daneben kann die Zulassung als Angehöriger dieser Berufsgruppen unter bestimmten, gesetzlich abschließend geregelten Voraussetzungen widerrufen werden. [1]
Insbesondere hinsichtlich der Erteilung von Auskünften und der Weitergabe von Informationen ist es von erheblicher Bedeutung, ob es sich um ein Verfahren zur Ahndung von Pflichtverletzungen oder aber um ein Rücknahme- bzw. Widerrufsverfahren handelt.
2. Berufspflichtverletzungen
2.1 Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Notare und Patentanwälte müssen ihren Beruf entsprechend den in den jeweiligen berufsordnenden Gesetzen geregelten Grundsätzen ausüben. Im Einzelnen sind dies insbesondere folgende Vorschriften:
für Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer: §§ 43 bis 56 WpO,
für Patentanwälte: §§ 39 bis 52 PatAnwO.
2.2 Hinsichtlich der Mitteilung von Berufspflichtverletzungen an die zuständigen Berufskammern gelten die Grundsätze für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte entsprechend. [2]
2.3 Die o. g. Berufsangehörigen haben ihren Beruf u. a. unabhängig auszuüben. Eine vollständige wirtschaftliche Unabhängigkeit kann zwar in diesem Zusammenhang nicht verlangt werden; eine unabhängige Berufsausübung erfordert jedoch ein Mindestmaß an geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen. Bei erheblichen Steuerschulden ist es vertretbar, von fehlender wirtschaftlicher Unabhängigkeit und damit der Verletzung einer Berufspflicht auszugehen.
Als Anhaltspunkte können bei Wirtschaftsprüfern, vereidigten Buchprüfern, Rechtsanwälten, Notaren und Patentanwälten vollstreckbare Steuerschulden von mehr als 25 000 EUR herangezogen werden.
2.4 Offenbarungsbefugnis
§ 10 Abs. 1 StBerG regelt die Mitteilungsbefugnis der FinBeh bei Berufspflichtverletzungen durch die in § 3 und § 4 Nrn. 1 und 2 StBerG genann-ten Personen und ist damit eine gesetzliche Offenbarungsvorschrift i. S. des § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO. Zum Personenkreis des § 10 Abs. 1 StBerG gehören neben Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten auch
Rechtsanwälte sowie Geschäftsführer von Rechtsanwaltsgesellschaften (§ 3 Nr. 2 StBerG),
Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer sowie Mitglieder des Vorstands, Geschäftsführer und vertretungsberechtigte persönlich haftende Gesellschafter von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften, die nicht Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer sind (§ 3 Nr. 2 StBerG),
Notare (§ 4 Nr. 1 StBerG),
Patentanwälte sowie Geschäftsführer von Patentanwaltsgesellschaften (§ 4 Nr. 2 StBerG).
2.5 Verfahren
Die Anweisungen in der AO-Kartei, Anhang K § 10 StBerG Karte 1, Tz. 2.3, gelten entsprechend.
3. Rücknahme bzw. Widerruf der Bestellung
3.1 Die Bestellung als Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer, Notar oder Patentanwalt ist u. a. dann zu widerrufen, wenn der Berufsangehörige in Vermögensverfall geraten ist. Zuständig für das Rücknahme- oder Widerrufsverfahren sind
bei Rechtsanwälten die örtlich zuständige Rechtsanwaltskammer,
bei Notaren der Präsident des Oberlandesgerichts,
bei Patentanwälten das Deutsche Patent- und Markenamt,
bei Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern die Wirtschaftsprüferkammer.
3.2 Offenbarungsbefugnis
3.2.1 Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte
Im Gegensatz zu der Regelung für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte in § 10 Abs. 2 StBerG besteht für Tatbestände, die zu einem Widerruf der Zulassung als Rechtsanwalt, Notar oder Patentanwalt führen könnten, keine gesetzliche Offenbarungsbefugnis i. S. des § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO. Rechtsanwälte, Notare und Patentanwälte werden in § 10 Abs. 2 StBerG nicht genannt. Die jeweiligen Vorschriften der einzelnen Berufsrechte [3] weisen darüber hinaus ausdrücklich darauf hin, dass eine Informationsübermittlung unterbleiben muss, wenn besondere gesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen. Das Steuergeheimnis nach § 30 AO als eine solche besondere Verwendungsregelung ist - anders als in § 10 Abs. 2 StBerG oder § 36a Abs. 3 WpO - nicht ausgenommen.
3.2.2 Die Offenbarung von Steuerschulden von Rechtsanwälten, Notaren und Patentanwälten in Rücknahme- oder Widerrufsverfahren kann aber gem. § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO bei einem zwingenden öffentlichen Interesse in Betracht kommen. Ein solches Interesse besteht jedoch nur dann, wenn im Fall des Unterbleibens der Mitteilung die Gefahr bestünde, dass schwere Nachteile für das allgemeine Wohl eintreten und sich der ”Durchschnittsbürger” spontan und ehrlich entrüstet”. [4] Wenn das Vertrauen der Allgemeinheit in die ordnungsgemäße Arbeit von Angehörigen der o. g. Berufsgruppen zutiefst erschüttert würde, kann deshalb eine Offenbarung in Betracht kommen.
Von einem zwingenden öffentlichen Interesse an der Offenbarung von Steuerrückständen bei Rechtsanwälten, Notaren und Patentanwälten kann ausgegangen werden, wenn der Berufsangehörige in vollkommen desolaten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt. Vollstreckbare Steuerrückstände von mehr als 25 000 EUR und eine nachweisbar erfolglose Vollstreckung können insoweit als Anhaltspunkt herangezogen werden.
Die für das Rücknahme- bzw. Widerrufsverfahren zuständigen Stellen können direkt unterrichtet werden.
3.2.3 Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer
§ 36a Abs. 3 WpO ist für die dort abschließend genannten Fallgestaltungen eine gesetzliche Offenbarungsbefugnis i. S. des § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO, so dass das Steuergeheimnis einer entsprechenden Mitteilung nicht entgegen steht.
OFD
Hannover v. - S
0824 -31 StH 553
Fundstelle(n):
NWB EN 661/2002
CAAAA-86012
1§ 14 BRAO; § 20 WpO; § 50 BNotO; § 21 PatAnwO
2vgl. AO-Kartei, Anhang K § 10 StBerG Karte 1 Tz. 2
3§ 36a BRAO; § 64a BNotO; § 32a PatAnwO