Vorrangige Berücksichtigung des Verlustvortrags vor Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen
Leitsatz
NV: Es ist (weiterhin) geklärt, dass der gegenüber Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen vorrangige Verlustabzug gemäß § 10d Abs. 2 EStG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet (Anschluss an BFH-Beschlüsse vom - IX B 247/07, BFH/NV 2008, 1147, und vom - IX B 191/09, BFH/NV 2010, 1270).
Gesetze: EStG § 10d Abs. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2;
Instanzenzug:
Gründe
1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
2 Die Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—), zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) noch wegen eines Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), zuzulassen.
3 1. Es kann dahinstehen, ob der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Voraussetzungen der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Rechtsfortbildung ausreichend i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt hat. Es fehlt jedenfalls an der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie an dem Erfordernis einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts.
4 a) Sowohl § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO als auch § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO setzen voraus, dass eine klärungsbedürftige (und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähige) Rechtsfrage besteht (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom - IX B 41/19, BFH/NV 2020, 210, Rz 4 und 11, und vom - IX B 116/19, BFH/NV 2020, 1086, Rz 4).
5 b) Daran fehlt es im Streitfall. Die vom Kläger aufgeworfenen (verfassungsrechtlichen) Fragen, „ob § 10d Abs. 1 und 2 EStG insoweit mit der Verfassung vereinbar ist, als er bestimmt, dass negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, in Folgejahren vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen“ sind, und „ob aufgrund der Abschnittsbesteuerung nicht generell dem Steuerpflichtigen je Jahr das Existenzminimum und das erweiterte Existenzminimum von seinem erzielten Einkommen verbleiben muss und die Bemessungsgrundlage der Steuer nicht weiter gemindert werden darf, als es zur Erreichung der Steuer von 0,00 € notwendig ist“, sind bereits geklärt.
6 Nach den auch von der Vorinstanz zitierten Senatsbeschlüssen vom - IX B 247/07 (BFH/NV 2008, 1147) und vom - IX B 191/09 (BFH/NV 2010, 1270; die Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, vgl. , juris) begegnet der gegenüber Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen vorrangige Verlustabzug nach § 10d Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dabei hat der Senat maßgeblich darauf hingewiesen, dass die dem subjektiven Nettoprinzip zuordenbaren Abzugsbeträge dem Steuerpflichtigen ermöglichen sollen, aus seinem Einkommen einen aus seinen subjektiven Lebensumständen erwachsenden Aufwand vorrangig vor einer Steuerzahlung zu decken. Dieses Entlastungserfordernis besteht indes nicht, wenn das Einkommen des Steuerpflichtigen ohnehin nicht besteuert wird. Ein Verfassungsverstoß liegt hierin deshalb nicht, weil die Regelungen über Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen keine positive Subvention vorsehen, sondern vielmehr eine am Jahresprinzip auszurichtende Steuerentlastung.
7 Daran hält der Senat fest (vgl. auch Heuermann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10d Rz B 55; Hallerbach in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10d EStG Rz 10). Durch den —das objektive Nettoprinzip betreffenden— Vorlagebeschluss des I. Senats des (BFHE 246,27, BStBl II 2014, 1016) betreffend die Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung bei sog. Definitiveffekten ist keine andere Beurteilung angezeigt. Von diesen Maßstäben ist auch das Finanzgericht (FG) ausgegangen und hat sie zutreffend angewandt.
8 2. Vor diesem Hintergrund scheidet die Annahme einer willkürlichen oder greifbar gesetzeswidrigen Entscheidung des FG (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO; dazu Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 115 Rz 220 ff.) von vornherein aus.
9 3. Soweit der Kläger schließlich einen Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) in Gestalt einer Gehörsverletzung rügt, ist ein solcher nicht festzustellen.
10 Der Anspruch auf rechtliches Gehör i.S. von Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), § 96 Abs. 2 und § 119 Nr. 3 FGO verpflichtet das Gericht u.a., die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und sich mit dem entscheidungserheblichen Kern des Vorbringens auseinanderzusetzen. Dabei ist das Gericht naturgemäß nicht verpflichtet, der tatsächlichen Würdigung oder der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl. , Deutsches Verwaltungsblatt 2008, 1056; , BFH/NV 2011, 1523). Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 FGO sind erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergibt, dass das Gericht Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. nur Senatsbeschluss vom - IX B 23/20, BFH/NV 2021, 335, Rz 14). Dies ist vorliegend —wie die eingehenden verfassungsrechtlichen Ausführungen des FG (unter II.2.bb bis ee der Gründe) zeigen— nicht der Fall.
11 4. Im Kern rügt der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde eine materiell fehlerhafte Rechtsanwendung. Damit kann die Zulassung der Revision indes nicht erreicht werden (vgl. Senatsbeschluss vom - IX B 132/16, BFH/NV 2017, 913, Rz 2; Gräber/Ratschow, a.a.O., § 115 Rz 220).
12 5. Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiter gehenden Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.
13 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2021:B.030921.IXB14.21.0
Fundstelle(n):
BFH/NV 2021 S. 1488 Nr. 12
DStR-Aktuell 2021 S. 6 Nr. 45
DStZ 2021 S. 966 Nr. 23
GmbH-StB 2022 S. 2 Nr. 1
EAAAH-93020