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NWB Nr. 37 vom Seite 2732

Private Veräußerungsgeschäfte: Keine Besteuerung des auf das häusliche Arbeitszimmer entfallenden Veräußerungsgewinns

Dr. Harald Schießl

[i] Nolte, Häusliches Arbeitszimmer, Grundlagen, NWB MAAAE-35006 Der BFH hat mit dem Besprechungsurteil erstmals zur Besteuerung des auf das häusliche Arbeitszimmer entfallenden Veräußerungsgewinns im Rahmen der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. des § 22 Nr. 2 i. V. mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Stellung genommen und entgegen dem (BStBl 2000 I S. 1383, ) wegweisend entschieden, dass der Veräußerungsgewinn auch insoweit gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von der Besteuerung ausgenommen ist, als er auf ein zur Erzielung von Überschusseinkünften genutztes häusliches Arbeitszimmer entfällt, wenn eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Eigentumswohnung innerhalb der zehnjährigen Haltefrist veräußert wird (, NWB IAAAH-84233).

I. Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften

1. Hintergrund

[i]Detmering/Tetzlaff, Private Veräußerungsgeschäfte, Grundlagen, NWB IAAAE-41266 Nach § 22 Nr. 2 EStG sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) auch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. des § 23 EStG. Diese umfassen insbesondere gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z. B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Gebäude und Außenanlagen sind einzubeziehen, soweit sie innerhalb dieses Zeitraums errichtet, ausgebaut oder erweitert werden; dies gilt entsprechend für Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sowie für Eigentumswohnungen und im Teileigentum stehende Räume.

2. Sachverhalt

[i]Veräußerungstatbestand unzweifelhaft erfülltIm Besprechungsurteil des (NWB IAAAH-84233) war dieser Veräußerungstatbestand bei der in Rede stehenden Eigentumswohnung unzweifelhaft erfüllt. Es ging vereinfacht um folgenden Sachverhalt:

Die Klägerin erzielte im Streitjahr 2017 als Lehrerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit; bei der Ermittlung dieser Einkünfte machte sie, wie auch in früheren Veranlagungszeiträumen, Aufwendungen für ein in ihrer Eigentumswohnung liegendes häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten geltend, die von dem Finanzamt jeweils mit dem Höchstbetrag in Höhe von 1.250 € anerkannt worden sind. Die Klägerin hatte die Eigentumswohnung mit notariell beurkundetem Kaufvertrag v.  für 341.200 € zuzüglich Nebenkosten in Höhe von 20.036,59 € erworben und sodann mit Vertrag S. 2733v.  veräußert. Der Verkaufspreis betrug 489.000 € inklusive Zubehör in Höhe von 15.000 €.

[i]Berücksichtigung des auf das Arbeitszimmer entfallenden GewinnsIn ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte sie einen aus dieser Veräußerung resultierenden, anteilig auf die Grundfläche des häuslichen Arbeitszimmers entfallenden Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 10.918 €. Das Finanzamt folgte der Berechnung im Wesentlichen und berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für 2017 v.  Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 10.941 €.

[i] Kanzler, NWB 39/2020 S. 2880Der Einspruch der Klägerin wurde als unbegründet zurückgewiesen. Der Klage gab das , NWB EAAAH-43960) statt und setzte die Einkünfte aus der Veräußerung der Eigentumswohnung mit 0 € an. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, der Veräußerungsgewinn sei zwar grundsätzlich gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG steuerpflichtig, da die Klägerin ihre Eigentumswohnung innerhalb des Zehnjahreszeitraums veräußert habe. Der Veräußerungsgewinn sei aber nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG steuerfrei. Für die Ausnahme von der Besteuerung sei es nicht schädlich, wenn die Klägerin ihre Eigentumswohnung vor der Veräußerung mit einem unwesentlichen Teil (ca. 10 % der Wohnfläche) zu ausschließlich beruflichen Zwecken als häusliches Arbeitszimmer genutzt habe. Die Veräußerungsgewinnbesteuerung nach § 23 Abs. 1 EStG stelle darauf ab, dass ein einzeln veräußerbares Wirtschaftsgut veräußert werde. Nur die Eigentumswohnung als solche und nicht hingegen das häusliche Arbeitszimmer erfülle den Begriff des Wirtschaftsguts, da das Arbeitszimmer nicht losgelöst von der Eigentumswohnung veräußerbar sei.

3. Beitritt des BMF

[i]BMF: Häusliches Arbeitszimmer ist nicht den eigenen Wohnzwecken zuzuordnenDas Finanzamt hat hiergegen die vom Finanzgericht zugelassene Revision eingelegt. Einsprüche, die sich auf dieses Verfahren beriefen, ruhten kraft Gesetzes nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO (vgl. OFD Nordrhein-Westfalen, Kurzinfo v.  - ESt Nr. 04/2020, NWB VAAAH-52163); dies gilt allerdings nicht, soweit nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 oder Nr. 4 AO die Steuer vorläufig festgesetzt wurde (§ 363 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 AO). Das im Revisionsverfahren dem Rechtsstreit beigetretene BMF hat das Begehren des Finanzamts unterstützt und führt im Wesentlichen aus, ein für die Arbeitnehmertätigkeit als häusliches Arbeitszimmer genutzter Gebäudeteil sei unabhängig von der Qualifizierung als einzeln veräußerbares Wirtschaftsgut bei der Veräußerung der selbst bewohnten Eigentumswohnung nicht den eigenen Wohnzwecken nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG zuzuordnen und damit auch nicht von der Besteuerung ausgenommen. Die Veräußerung des Gebäudeteils „häusliches Arbeitszimmer“ erfülle daher den Veräußerungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.