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BBK Nr. 9 vom Seite 417

Zweifelsfragen zur Größeneinstufung von Kapitalgesellschaften (& Co.)

Problemfälle und Lösungsvorschläge bei Neugründung und Umwandlung

Prof. Dr. Carsten Theile

Die [i]Gemballa, Prüfung der Größenklassen nach § 267 HGB, § 267a HGB – Berechnungsprogramm, Arbeitshilfe NWB OAAAC-72154 Größeneinstufung von Kapitalgesellschaften (& Co.) entscheidet über den Umfang ihrer Rechnungslegungspflichten: Welche Anhangangaben sind erforderlich, muss ein Lagebericht aufgestellt werden, sind Jahresabschluss und Lagebericht prüfungspflichtig und wie hat die Offenlegung welcher Unterlagen zu erfolgen? Die Größeneinstufung ist im „Normalfall“ einer schon länger existierenden Gesellschaft über die §§ 267, 267a HGB recht schnell geklärt. Doch bei Rumpfgeschäftsjahren in Neugründungs- und Umwandlungsfällen gibt es verschiedene Auffassungen, insbesondere zur Messung der Umsatzerlöse: Ist hier eine Hochrechnung erforderlich, sollen die gesetzlichen Grenzwerte angepasst werden oder nimmt man die Daten so, wie sie sind? Der Beitrag thematisiert diese Diskussion und entwickelt für Neugründungs- und Umwandlungsfälle (Formwechsel, Verschmelzung, Spaltung) eine gut begründete Lösung. Vorab werden kurz die Grundregeln der Größeneinstufung erläutert.

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .

I. Rechtsfolgen der Größeneinstufung und persönlicher Anwendungsbereich

Zur [i]Unterteilung in vier GrößenklassenAbleitung zutreffender Rechtsfolgen in Bezug auf die Rechnungslegungspflichten der Aufstellung, Prüfung und Offenlegung des Jahresabschlusses und Lageberichts ist die Einordnung von Kapitalgesellschaften (& Co.) in eine der vier Größenklassen erforderlich (kleinst, klein, mittelgroß und groß). Die Rechnungslegungspflichten steigen mit der Größe der Kapitalgesellschaften an. Das HGB formuliert als „Benchmark“ die Pflichten für die große Kapitalgesellschaft und gewährt davon ausgehend den kleineren Kapitalgesellschaften diverse Erleichterungen.

Für [i]Erleichterungen für KleinstkapitalgesellschaftenKleinstkapitalgesellschaften gilt:

  • auf die Aufstellung von Anhang und Lagebericht kann verzichtet werden,

  • Bilanz und GuV können stark verkürzt aufgestellt werden,

  • der Abschluss ist nicht prüfungspflichtig und

  • nur die Bilanz muss hinterlegt werden.S. 418

Kleine [i]Erleichterungen für kleine KapitalgesellschaftenKapitalgesellschaften können die folgenden Erleichterungen in Anspruch nehmen:

  • sie können auf die Aufstellung eines Lageberichts verzichten,

  • die Bilanz kann verkürzt aufgestellt werden, die GuV darf mit dem Rohergebnis beginnen und zahlreiche Anhangangaben sind entbehrlich,

  • der Abschluss ist nicht prüfungspflichtig und

  • nur die Bilanz und der Anhang (ohne Angaben zur GuV) müssen im Bundesanzeiger bekannt gemacht werden.

Deutlich [i]Frank/Utz, Offenlegung der mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaft und haftungsbeschränkten Personengesellschaft (HGB), infoCenter NWB IAAAE-52655 geringer sind die Erleichterungen für mittelgroße Kapitalgesellschaften. Sie können nur noch auf wenige Anhangangaben verzichten, die GuV darf weiterhin (wie im Kleinformat) mit dem Rohergebnis beginnen, und für die Offenlegung gibt es noch wenige Erleichterungen bei der Gliederung der Bilanz.

Anders gewendet: Mittelgroße Kapitalgesellschaften trifft bereits die Pflicht zur Aufstellung des Lageberichts, die Prüfungspflicht und auch die Pflicht zur Bekanntmachung der GuV im Bundesanzeiger. Daher ist insbesondere der Übergang vom Kleinst- zum Kleinformat und der vom Klein- zum Mittelformat in der Praxis von besonderer Bedeutung.

Im [i]Theile, Befreiung von der Offenlegungspflicht bei Konzernverbundenheit, BBK 7/2016 S. 346 NWB JAAAF-69738 Übrigen ist die Größeneinstufung nicht erforderlich für Kapitalgesellschaften (& Co.), die in einen Konzernabschluss unter den Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 264 Abs. 3, 4 oder 264b HGB einbezogen werden: Sie müssen nur noch einen Jahresabschluss nach den allgemeinen Vorschriften aufstellen (§§ 242 bis 263 HGB). In der Praxis hat hier der Wegfall der Offenlegungspflichten besondere Bedeutung.

II. Größenmerkmale und ihre Ermittlung

Die [i]Kirsch, Größenklassen für Kapitalgesellschaften (HGB), infoCenter NWB VAAAE-34284 Einstufung in die Größenklassen erfolgt über die finanziellen Größenmerkmale Bilanzsumme und Umsatzerlöse sowie über die Arbeitnehmerzahl. Bis zum Mittelformat dürfen mindestens zwei der drei Merkmale nicht überschritten sein:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Kapitalgesellschaften (& Co.)
kleinst
klein
mittelgroß
groß
Bilanzsumme in T€
≤ 350
≤ 6.000
≤ 20.000
> 20.000
Umsatzerlöse in T€
≤ 700
≤ 12.000
≤ 40.000
> 40.000
Arbeitnehmer Jahresdurchschnitt
≤ 10
≤ 50
≤ 250
> 250

Die Bilanzsumme setzt sich aus den Buchwerten der Aktivseite zusammen, einschließlich der ggf. angesetzten aktiven latenten Steuern, aber ohne einen ggf. ausgewiesenen Fehlbetrag (§ 267 Abs. 4a HGB).

Die Umsatzerlöse sind jene nach der Definition in § 277 Abs. 1 HGB „in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag“ (§ 267 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 HGB). Das Gesetz spricht hier nicht vom letzten Geschäftsjahr, sondern von zwölf Monaten. Daher sind nach h. M. bei einem Rumpfgeschäftsjahr, das bei Umstellung des Geschäftsjahres eingepflegt wird, die letzten Monate des vorangegangenen Geschäftsjahres zusätzlich heranzuziehen.

Beispiel

Unternehmen U hatte bis einschließlich 01 Geschäftsjahr = Kalenderjahr. Per soll das Geschäftsjahr auf den Zeitraum 1.10. bis 30.9. umgestellt S. 419werden, weshalb der Abschluss zum nur neun Monate enthält. Zur Prüfung der Größeneinstufung im Jahr 02 sind für die Umsätze zusätzlich die letzten drei Monate des Geschäftsjahres 01 (Oktober bis Dezember) heranzuziehen.

Zur [i]Zilch/Hüsemann, Rundung bei der Berechnung der Mitarbeiterzahl, WP Praxis 2/2018 S. 44 NWB CAAAG-71041 Abgrenzung des Arbeitnehmerbegriffs sind die allgemeinen Grundsätze des Arbeitsrechts heranzuziehen. Die durchschnittliche Arbeitnehmerzahl ergibt sich aus dem vierten Teil der Summe der Arbeitnehmer an den Quartalsendtagen (§ 267 Abs. 5 HGB). In einem Rumpfgeschäftsjahr wegen Geschäftsjahresumstellung sind analog zu den Umsatzerlösen die fehlenden Quartale aus dem Vorjahr zu ergänzen.

III. Eintritt der Rechtsfolgen im Normalfall

Die [i]Zwei-Jahres-RegelRechtsfolgen treten nur ein, wenn zwei der drei Merkmale an zwei aufeinander folgenden Stichtagen über- oder unterschritten sind (§ 267 Abs. 4 Satz 1 HGB), sog. Zwei-Jahres-Regel. Dabei kommt es nicht darauf an, welche der drei Merkmale das sind.

Beispiel

Eine GmbH war in den Geschäftsjahren 01 und 02 eine kleine Kapitalgesellschaft. Erstmals im Jahr 03 werden zwei der drei Schwellenwerte des Kleinformats überschritten. Es bleibt aber bei den Rechtsfolgen für 03 noch beim Kleinformat. Im Jahr 04 werden erneut zwei der drei Schwellenwerte des Kleinformats überschritten. Jetzt gelten für das Geschäftsjahr 04 die Rechtsfolgen des Mittelformats, u. a. Aufstellung des Lageberichts, Prüfungspflicht des Jahresabschlusses und des Lageberichts und Offenlegung auch der GuV.

IV. Neugründung

1. Ermittlung der Zeitraumwerte

Die [i]Ein-Jahres-Regel bei Neugründungvorstehend beschriebene Zwei-Jahres-Regel gilt im Fall der Neugründung nicht. Stattdessen treten die Rechtsfolgen hier sofort ein, d. h. nach Einstufung beim ersten Abschlussstichtag (§ 267 Abs. 4 Satz 2 HGB). Dies ist schon deshalb unumgänglich, weil eine Entscheidung über die Einstufung getroffen werden muss, zumal Vorjahre schlicht nicht existent sind. Es handelt sich also um eine Ein-Jahres-Regel.

Formal [i]Einbezug auch der Vorgesellschaftbeginnt das (Rumpf-)Geschäftsjahr einer neu gegründeten Kapitalgesellschaft mit ihrer Eintragung ins Handelsregister. Diesen zeitlichen Akt kann das Unternehmen aber nicht beeinflussen; die betriebliche Tätigkeit kann schon vorher begonnen worden sein (Vorgesellschaft). Die Umsatzerlöse und Mitarbeiterzahl der Vorgesellschaft sind daher zu berücksichtigen.