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BBK Nr. 5 vom Seite 232

Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Jahresabschluss 2020

Teil 2: Passivposten, GuV sowie Anhang

Wolfgang Eggert

Nachdem [i]Eggert, Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Jahresabschluss 2020 – Teil 1: Grundsatz der Stetigkeit und Aktivposten, BBK 4/2021 S. 189 NWB MAAAH-70738 im ersten Teil des Beitrags die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Jahresabschlusserstellung 2020 insbesondere bei den Aktivapositionen behandelt wurden, folgen hier nun die Passivposten sowie die Fragen zur Gewinn- und Verlustrechnung. Auch zum Anhang sollen einige Erläuterungen gegeben werden, die auf die Besonderheiten des Jahres 2020 eingehen. Am Ende erfolgen schließlich noch einige kurze Hinweise zu geänderten gesetzlichen Vorschriften. In allen Fällen handelt es sich selbstverständlich um eine subjektive Auswahl, die keinesfalls vollständig sein kann; der Fokus soll dabei auf den Themen liegen, die für kleine und mittlere Unternehmen wichtig sind.

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .

I. Bilanzposten Passiva

1. Rückstellungen

1.1 Generelle Überlegung

Rückstellungen [i]Rückstellungskatalog gem. § 249 Abs. 1 HGBsind zwingend aus den in § 249 Abs. 1 HGB genannten Gründen zu bilden:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
(a)
ungewisse Verbindlichkeiten (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB)
(b)
drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB)
(c)
unterlassene Instandhaltungen, die im folgenden Geschäftsjahr innerhalb von drei Monaten nachgeholt werden (§ 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HGB)
(d)
Abraumbeseitigung, die im folgenden Geschäftsjahr nachgeholt wird (§ 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HGB)
(e)
Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden (§ 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HGB)

Die [i]Keine Rückstellung mit der Begründung „Corona“Bildung einer Rückstellung aus einem anderen Grund ist gem. § 249 Abs. 2 HGB unzulässig. Das gilt selbstverständlich auch für eine Rückstellung, die nur mit dem Grund „Coronavirus“ begründet sein würde. D. h. aber nicht, dass es aufgrund der S. 233wirtschaftlichen Auswirkungen durch die Verbreitung des Coronavirus keinen Grund gibt, über neue bzw. erweiterte Rückstellungen nachzudenken. Im Gegenteil! Sie müssen allerdings in die Kategorien des Gesetzes, die zuvor unter (a) bis (e) genannt worden sind, zu subsumieren sein.

1.2 Schwebende Absatz- und Beschaffungsgeschäfte

Sowohl [i]Cremer, Rückstellungen – Drohverlustrückstellung, Kontierungslexikon NWB PAAAG-51773 aus am Abschlussstichtag schwebenden Absatz- als auch aus schwebenden Beschaffungsgeschäften kann sich in der Handelsbilanz durch die Corona-Pandemie das Erfordernis zur Bildung von Drohverlustrückstellungen ergeben. Die Pflicht zur handelsbilanziellen Rückstellungsbildung ist gegeben, falls der Wert der vom Bilanzierenden aufgrund eines gegenseitigen Vertrags über die gesamte Restlaufzeit des Vertrags zu erbringenden Leistung hinter dem Wert seines Gegenleistungsanspruchs zurückbleibt.

Dies [i]Nicht eingehaltene Abnahme- oder Lieferverpflichtungkann insbesondere auch dadurch begründet sein, dass Ansprüche aufgrund von nicht eingehaltenen Abnahme- oder Lieferverpflichtungen geltend gemacht wurden oder damit gerechnet werden muss, dass eine Geltendmachung für Geschäfte bis zum Abschlussstichtag noch erfolgt.

Hinweis:

Entfallen kann die Rückstellungsbildung allerdings, sollte aufgrund vertraglicher Vereinbarungen (sog. Material Adverse Effect (MAE)- oder Force Majeure-Klauseln) die Corona-Pandemie als höhere Gewalt angesehen werden und die Abnahme- oder Lieferverpflichtung ausgesetzt sein.

In [i]Bildung latenter Steuernder Steuerbilanz ist die Bildung einer Rückstellung wegen drohender Verluste nach § 5 Abs. 4a EStG unzulässig. Entsprechende Sachverhalte führen somit grundsätzlich zur Bildung von aktiven latenten Steuern, da die handelsrechtlichen Wertansätze von den steuerlichen abweichen.

1.3 Restrukturierung bzw. Sozialplanverpflichtung
1.3.1 Ansatz

Bei [i]Hänsch, Rückstellungen: Sozialplan, Rückstellungslexikon NWB PAAAC-42982 geplanten tiefgreifenden betrieblichen Änderungen, die insbesondere auch Nachteile für die Mitarbeiter mit sich bringen (Entlassungen), fallen typischerweise erhebliche Kosten für das Unternehmen an. Unter den Begriff Restrukturierung werden aber auch alle deutlich weitergehenden Maßnahmen gefasst, die bis hin zur Sanierung gehen können, welche ggf. sogar im Rahmen eines Insolvenzverfahrens stattfindet. Der Begriff Restrukturierung ist gesetzlich nicht definiert.

Zuweilen [i]Leider ein Thema des Jahresabschlusses 2020wird die Rückstellung auch mit Sozialplan(verpflichtung) bezeichnet, was gesetzlich in den §§ 111 ff. BetrVG geregelt ist. Die Vorschrift gelangt jedoch nur bei mehr als 20 Arbeitnehmern zur Anwendung. Die Rückstellungsbildung kann aber auch bei kleineren Unternehmen erforderlich sein, wenn entsprechende Aufwendungen zu erwarten sind.

Beispiele

Einschränkung und Stilllegung des gesamten Betriebs oder von wesentlichen Teilen; Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen; Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder auch die Spaltung; grundlegende Änderung der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen; Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.S. 234

Das bilanzierende Unternehmen muss in der Handelsbilanz für künftige Leistungen aufgrund von Sanierungsmaßnahmen eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ausweisen.

1.3.2 Zeitpunkt

Zum [i]Handelsbilanziell Zeitpunkt der Beschlussfassung maßgeblichZeitpunkt der Bilanzierung (Erfassung) gelten in der Handelsbilanz die allgemeinen Grundsätze, die speziell im Fall der Restrukturierungsrückstellung wie folgt interpretiert werden: Zur Bestimmung des Rückstellungszeitpunkts ist die Beschlussfassung der Organe maßgebend.

Für die Steuerbilanz ist die Rechtslage zum einen nicht identisch, zum anderen muss auch noch differenziert werden. Grundlegend heißt es in R 5.7 Abs. 9 Satz 1 EStR:

„Rückstellungen [i]Abweichende steuerliche Vorgaben in den EStRfür Leistungen auf Grund eines Sozialplans nach den §§ 111, 112 des Betriebsverfassungsgesetzes sind insbesondere unter Beachtung der Grundsätze in den Absätzen 5 und 6 im Allgemeinen ab dem Zeitpunkt zulässig, in dem der Unternehmer den Betriebsrat über die geplante Betriebsänderung nach § 111 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes unterrichtet hat.“

Im Satz 2 der genannten Richtlinienstelle wird es dann jedoch als ausreichend angesehen, wenn der Betriebsrat erst nach dem Bilanzstichtag, aber vor der Aufstellung oder Feststellung der Bilanz unterrichtet wird und der Unternehmer sich bereits vor dem Bilanzstichtag zur Betriebsänderung entschlossen hatte oder schon vor dem Bilanzstichtag eine wirtschaftliche Notwendigkeit bestand, eine zur Aufstellung eines Sozialplans verpflichtende Maßnahme durchzuführen.

Hierzu [i]IDW lehnt strengere Vorgaben der EStR abhat das IDW angemerkt, dass den erhöhten Voraussetzungen handelsrechtlich nicht gefolgt wird. Es kann nach Auffassung des IDW bei bis zum Abschlussstichtag erfolgter Beschlussfassung der zuständigen Organe eine Rückstellung auch dann in Frage kommen, wenn die Unterrichtung des Betriebsrats oder der Arbeitnehmer bis zum Ende des Aufstellungszeitraums noch nicht erfolgt ist.

Geht man davon aus, dass die Auffassung des IDW richtig ist und nimmt die Handelsbilanz als maßgeblich für die Steuerbilanz an – was sie unzweifelhaft nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 EStG ist –, stellt sich die Frage, mit welcher Begründung die EStR abweichende, in dem Fall strengere Voraussetzungen verlangen.

Zudem hat das IDW auch die bilanziell rückwirkende Berücksichtigung von Sanierungsmaßnahmen anerkannt. Wörtlich heißt es:

„In Durchbrechung des Stichtagsprinzips wird es in Anwendung des dem § 234 AktG zugrunde liegenden Rechtsgedankens nach der überwiegend im Schrifttum vertretenen Auffassung (unter bestimmten Bedingungen) als zulässig angesehen, die bilanziellen Konsequenzen aus einer nach dem Abschlussstichtag durchgeführten Sanierungsmaßnahme bereits in dem Abschluss zu diesem Stichtag zu berücksichtigen. Die Zulässigkeit setzt kumulativ voraus, dass durch die Sanierungsmaßnahme kein ausschüttungsfähiger (Bilanz-)Gewinn entsteht, die Maßnahme spätestens zum Zeitpunkt der Beendigung der Aufstellung des Abschlusses rechtswirksam geworden ist und sie im Anhang erläutert wird.“S. 235