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WP Praxis Nr. 2 vom Seite 36

Regulierung der Abschlussprüfung nach dem FISG-RegE

Geplante Änderungen und kritische Würdigung der Reformmaßnahmen

Univ.-Prof. Dr. Patrick Velte

Am hatte das Bundeskabinett einen Regierungsentwurf (RegE) für ein Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz – FISG) veröffentlicht. Wenngleich der RegE vielfältige Reformvorschläge zur Stärkung des deutschen Corporate-Governance-Systems beinhaltet, betreffen diese schwerpunktmäßig das Enforcement und die Abschlussprüfung. Der vorliegende Beitrag fokussiert die geplanten Regulierungsmaßnahmen im Bereich der Abschlussprüfung. Hierbei wird nach einer Darstellung der geplanten Änderungen die Vorteilhaftigkeit der Reformmaßnahmen nach dem FISG-RegE diskutiert.

Kernaussagen
  • Inwiefern die Stärkung der geplanten Unabhängigkeitsregeln und die Erhöhung des Haftungsregimes einen wirkungsvollen Beitrag leisten werden, zukünftig Top Management Fraud schneller und effektiver aufdecken oder sogar verhindern zu können, ist mehr als fraglich.

  • Will man dieses Ziel verfolgen, sollte über eine regulatorische Ausweitung des Prüfungsgegenstands bzw. -maßstabs nachgedacht werden.

  • Dazu wäre eine zwingende Vornahme von forensischen Prüfungshandlungen bei Verdachtsfällen durch den Abschlussprüfer sowie die zwingende Implementierung von Internen Revisionssystemen und Compliance Management Systemen neben Internen Kontroll- und Risikomanagementsystemen gem. § 91 Abs. 3 AktG-E für börsennotierte Aktiengesellschaften zu empfehlen.

I. Einleitung

Neben der Corona-Krise wurde die Wirtschaftspresse in Deutschland im vergangenen Jahr maßgeblich durch den Skandal um den ehemaligen DAX-Konzern Wirecard beherrscht. Das BMF hatte kurz nach dem Bekanntwerden des Skandals den Vertrag mit der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung e. V. (DPR) aufgekündigt und äußerst schnell einen Aktionsplan als Reaktion auf den vermutlich größten Bilanzskandal in der deutschen Nachkriegsgeschichte veröffentlicht. In den vergangenen Monaten sind viele Stellungnahmen und Vorschläge im Fachschrifttum zur Reform der Corporate Governance abgegeben worden. Sowohl im Fachschrifttum als auch in der aktuellen politischen Diskussion wird dabei hauptsächlich die Reform des deutschen Enforcement-Systems und der Abschlussprüfung diskutiert. Die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses und die Einleitung von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen die ehemalige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft des Wirecard-Konzerns stehen derzeit im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Wenngleich die geplante Finanzmarktreform dazu beitragen muss, das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des deutschen Kapitalmarkts und auch die Reputation von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zu stärken, ist bislang zumindest auf politischer Ebene keine ausgewogene und sorgfältige Abwägung von Reformmaßnahmen im Bereich der Corporate Governance erfolgt. Nicht einmal zwei Monate nach der Veröffentlichung eines Referentenentwurfs (RefE) durch das BMF und das BMJV hat die Bundesregierung noch kurz vor Weihnachten einen Gesetzentwurf für ein Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) präsentiert. Das Gesetz soll noch in der auslaufenden Legislaturperiode finalisiert werden.

Vor diesem aktuellen Hintergrund zielt der vorliegende Beitrag darauf ab, die wesentlichen geplanten Regulierungsmaßnahmen zur Abschlussprüfung nach dem FISG-RegE darzustellen und im Anschluss daran kritisch zu würdigen. Diese betreffen zunächst die Stärkung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers durch die Verschärfung der Regelungen zur externen Rotation und zur Trennung von Prüfung und Beratung bei der Prüfung von Unternehmen des öffentlichen Interesses (Public Interest Entities, PIE) im zweiten Kapitel. Dem schließt sich eine Darlegung der geplanten S. 37Novellierungen im Rahmen der zivilrechtlichen Haftung im dritten Kapitel an. Schließlich werden im vierten und fünften Kapitel die geplanten Regulierungen im Bereich der erweiterten Straf- und Bußgeldvorschriften und der Informationspflichten des Abschlussprüfers kurz angeführt. Im Anschluss daran erfolgt eine kritische Würdigung zu den geplanten Reformmaßnahmen nach dem FISG-RegE in Bezug auf den Abschlussprüfer.

II. Stärkung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers

1. Externe Rotation

Die letzte massive Regulierung der Abschlussprüfung wurde auf europäischer Ebene im Jahre 2014 durch die Richtlinie 2014/56/EU als Modifikation der Achten EG-Richtlinie und durch eine neue Verordnung (EU) Nr. 537/2014 begleitet. Letztere richtete sich ausschließlich an die Prüfung von PIE. Eine nationale Transformation der EU-Verlautbarungen erfolgte im Jahre 2016 durch das Abschlussprüfungsreformgesetz (AReG). Die damalige Regulierung zielte auf eine Stärkung der Qualität der Abschlussprüfung durch eine erhöhte Unabhängigkeit des Abschlussprüfers ab. Zudem sollten die Maßnahmen dazu beitragen, einer steigenden Anbieterkonzentration am Prüfungsmarkt, die mit einer Oligopolbildung der sog. Big Four-Prüfungsgesellschaften und einem potenziellen Marktaustritt von mittelständischen Prüfungspraxen verbunden ist, entgegenzutreten.