Leitsatz
1. Soweit eine deutsche GbR mit einer britischen Limited, deren Anteile sie hält, eine General Partnership bildet, liegt für
Zwecke der Anwendung des DBA Großbritannien ein deutsches Unternehmen vor. Eine General Partnership (GP) wird als solche in
Großbritannien steuerlich transparent behandelt und ist nach dem Rechtstypenvergleich ihrer Struktur nach mit einer Personengesellschaft
deutschen Rechts vergleichbar. Damit ist das Unternehmen der GP jedem Gesellschafter (anteilig) zuzurechnen und die Einkünfte
sind letztlich auf der Ebene der Gesellschafter zu versteuern, wenn diese ausnahmslos ihren Wohnsitz im Inland haben.
2. Die GP erzielt mit dem Handel von physischen Edelmetallen und dem Abschluss begleitender Finanztermin- bzw. Optionsgeschäfte
gewerbliche Einkünfte im Sinne des § 15 EStG, wenn im Streitjahr (hier: 2010) unter anderem unter hohem Einsatz von Fremdmitteln
der gesamte Goldbestand des Vorjahres veräußert worden ist, 92 Gold- und 2 Silberbarren neu angeschafft und teilweise wieder
veräußert, Sicherungsgeschäfte in Form von Optionsgeschäften getätigt worden sind und laufend Goldgranulat erworben und wieder
veräußert worden ist.
3. Die GP verfügt über eine Betriebsstätte im Sinne es DBA Großbritannien, wenn die Limited als geschäftsführende Gesellschafterin
der GP einen Mietvertrag über die Nutzung eines Büroraums sowie die Inanspruchnahme diverser Büroinfrastruktur in Großbritannien
abgeschlossen hat, wenn der Büroraum der GP bei Bedarf tatsächlich zur Verfügung stand und wenn es sich dabei nicht lediglich
um eine Schein- oder sogenannte Briefkastenadresse gehandelt hat. Die Tatsache, dass es sich bei dem angemieteten Büro um
ein „Großraumbüro” handelte, das auch weiteren Gesellschaften zur Verfügung stand, spricht ebensowenig für eine nur zum Schein
getroffene Vereinbarung wie der Umstand, dass die vereinbarte Miete im Hinblick auf die zeitlich vergleichsweise geringfügige
Nutzung und die gesonderte Vergütung von Büroservice- und Buchhaltungsleistungen überhöht erscheinen mag.
4. Die Betriebsstätte eines Unternehmens kann auch in der Betriebsstätte eines anderen Unternehmens gelegen sein. Grundsätzlich
kann die Mitbenutzung von Räumen eine Betriebsstätte begründen, wenn der Steuerpflichtige nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht
besitzt und gewisse Betriebshandlungen stattfinden. Dies schließt eine abwechselnde – oder auch gleichzeitige – Nutzung von
Räumen für unterschiedliche Zwecke sowie in der Folge die Tatsache, dass die Nutzung nicht ausschließlich einem einzigen Unternehmen
zugutekommt, mit ein. Das gilt erst recht, wenn der Umfang der ausgeübten Unternehmenstätigkeit keine Vollzeittätigkeit erfordert.
5. Das „Großraumbüro” (siehe 3.) stellt auch dann eine Betriebsstätte dar, wenn der für die Limited tätige, in Großbritannien
ansässige Managing Director, der den Goldhandel eigenverantwortlich durchgeführt hat, zwar die eigentlichen Kauf- und Verkaufsentscheidungen,
wie auch die hierzu erforderliche Marktbeobachtung nicht in dem Großraumbüro, sondern z. B. im Homeoffice in seiner britischen
Wohnung vorgenommen hat, wenn aber in dem Großraumbüro die mit der Unternehmenstätigkeit einhergehenden administrativen Aufgaben
(Buchhaltung; Sammeln und Führen von Aufzeichnungen über die verursachten Geschäftsvorfälle, die Ablage derselben; weitere
Korrespondenz und Aufbereitung von Unterlagen für den Steuerberater, einschließlich der Pflege von Datensätzen für Besteuerungszwecke
und dem Halten des Kontaktes mit dem Steuerberater; Öffnen und Weiterleitung der Post usw.) erledigt worden sind.
6. Bestehen nur Betriebsstätten in Großbritannien (hier: in dem Großraumbüro, eventuell noch in der britischen Wohnung des
geschäftsführenden Managing Directors) und keine weitere Betriebsstätte z. B. in Deutschland, können die gewerblichen Einkünfte
nur den in Großbritannien bestehenden Betriebsstätten zugeordnet werden. Ist zur alleinigen Geschäftsführung einer GP nach
dem Gesellschaftsvertrag (partnership agreement) eine Limited berufen, befindet sich der Ort der geschäftlichen Oberleitung
dort, wo der Geschäftsführer der Limited überwiegend die maßgebenden Entscheidungen für die GP getroffen und die ihm obliegende
laufende Geschäftsführung tatsächlich wahrgenommen hat. Dabei sind Art, Umfang, Struktur und Eigenart des Unternehmens zu
berücksichtigen (Ausführungen zur Frage, ob sich in den inländischen Kanzleiräumen an der GbR beteiligter Rechtsanwälte bzw.
Steuerberater der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung der GP und damit eine inländische Betriebsstätte der GP befunden
hat).
7. Soweit die Möglichkeit einer faktischen Geschäftsführung bei einer Personengesellschaft trotz der grundsätzlichen Selbstorganschaft
anerkannt ist, ist hierfür die Feststellung eines nach Außen erkennbaren Handelns der betreffenden Gesellschafter als bestellte
Geschäftsführer erforderlich. Abzugrenzen ist daher die Ausübung von Gesellschafterrechten, wobei eine bloße interne Einflussnahme
auf den satzungsmäßigen Geschäftsführer für die Annahme einer faktischen Geschäftsführung nicht ausreichen würde.
8. Eine GP stellt keine Handelsgesellschaft im Sinne des § 6 Abs. 1 HGB dar, wenn sie keinen Verwaltungssitz und keine Zweigniederlassung
im Inland hat; sie ist, wenn sie nicht nach § 141 Abs. 2 Satz 1 AO auf eine nach § 141 Abs. 1 Satz 1 AO bestehende Buchführungspflicht
hingewiesen worden ist, weder nach deutschen Vorschriften noch nach britischem Recht buchführungspflichtig und darf daher
ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln.
9. Sind die gewerblichen Einkünfte einer GP nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens vollumfänglich einer oder mehreren in Großbritannien
belegenen Betriebsstätten zuzuordnen, sind die negativen Einkünfte infolge des Goldankaufs ausschließlich in Großbritannien
steuerpflichtig; in Deutschland sind sie von der Besteuerung freigestellt und unterliegen dem negativen Progressionsvorbehalt
(§ 32b EStG in der für das Streitjahr 2010 gültigen Fassung); ein Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO liegt insoweit
nicht vor.