Strafverfahren wegen Einbruchdiebstählen: Notwendige Urteilsfeststellungen bei Verwertung einer DNA-Mischspur und eines Werkzeugspurengutachtens
Gesetze: § 261 StPO, § 267 StPO, § 243 Abs 1 S 2 Nr 1 StGB
Instanzenzug: LG Ansbach Az: 1062 Js 7677/17 - KLs
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten P. wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in drei Fällen, versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls in zwei Fällen und Diebstahls in zwei Fällen unter Auflösung der im Urteil des Amtsgerichts Fürth vom gebildeten Gesamtstrafe und Einbeziehung der dort festgesetzten Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und den Angeklagten V. wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in drei Fällen, versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls, Diebstahls in fünf Fällen und versuchten Diebstahls in drei Fällen unter Auflösung der im Urteil des Amtsgerichts Fürth vom gebildeten Gesamtstrafe und Einbeziehung der dort festgesetzten Einzelstrafen zur Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt, die in den genannten Urteilen des Amtsgerichts Fürth ausgesprochenen Anrechnungen von Auslieferungshaft und Anordnungen der Einziehung von Wertersatz aufrechterhalten und Anordnungen über die Einziehung des Wertes von Taterträgen getroffen. Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten, wobei der Angeklagte V. seine Verurteilung im Fall 8 vom Revisionsangriff ausgenommen hat. Die Rechtsmittel haben im Umfang der Beschlussformel Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
21. In den von der Aufhebung umfassten Fällen hat das Landgericht bei der auf die Ergebnisse von Sachverständigengutachten gestützten Feststellung der Täterschaft der durchweg schweigenden Angeklagten seiner Darlegungspflicht nicht genügt.
3a) In den Fällen 1 bis 7 hat die Strafkammer ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten V. , im Fall 12 von derjenigen des Angeklagten P. auf der Grundlage von DNA-Mischspuren gewonnen, die an den Einbruchsobjekten gesichert wurden. Das Urteil beschränkt sich dabei auf die Mitteilung der (hohen) biostatistischen Wahrscheinlichkeit einer Spurenlegung durch die jeweiligen Angeklagten.
4Dies genügt nicht den Anforderungen, die an die Darstellung von DNA-Gutachten bei Mischspuren zu stellen sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 419/19, und vom – 4 StR 318/19, NJW 2020, 350, jeweils mwN). Insbesondere erörtert die Strafkammer nicht, wie viele DNA-Systeme untersucht wurden und in wie vielen davon Übereinstimmungen mit den DNA-Merkmalen der Angeklagten festgestellt wurden. Zwar kann im Urteil die DNA-Analyse der Hauptkomponente einer Mischspur nach den für die Einzelspur entwickelten Grundsätzen dargestellt werden (vgl. , BGHSt 63, 187, Rn. 10 ff.), wenn die Peakhöhen von Hauptkomponente zu Nebenkomponente durchgängig bei allen heterozygoten DNA-Systemen im Verhältnis 4:1 stehen (vgl. ). Dass diese Voraussetzungen vorliegen, ist dem Urteil jedoch nicht zu entnehmen. Der Senat kann daher nicht den Beweiswert überprüfen, den die Strafkammer den DNA-Spuren beigemessen hat.
5Im Fall 12 der Urteilsgründe war auch der Schuldspruch hinsichtlich des Angeklagten V. aufzuheben, weil die Feststellung seiner Täterschaft insbesondere auf telefonische Kontakte zwischen den beiden Angeklagten im Tatzeitraum und mithin auf derjenigen der Täterschaft des Angeklagten P. beruht.
6b) Im Fall 13 stützt das Landgericht die Feststellung der Täterschaft des Angeklagten P. auf Hebelspuren an Terrassentür und Esszimmerfenster des angegangenen Hauses, weil diese durch den Schraubendreher dieses Angeklagten verursacht worden seien. Nach den für überzeugend erachteten Ausführungen des kriminaltechnischen Sachverständigen stehe „aus formenkundlicher Sicht aufgrund übereinstimmender Spurenbreite und übereinstimmender Oberflächenmerkmale als individualisierende Gebrauchsmerkmale an der Schaufelspitze“ fest, dass die gesicherten Prägespuren mit dem sichergestellten Schlitzschraubendreher verursacht worden seien.
7Ein Vergleichsgutachten betreffend Werkzeugspuren ist indes kein standardisiertes Verfahren, bei dem eine derart auf die Mitteilung des Ergebnisses des Gutachtens beschränkte Darstellung der tatgerichtlichen Überzeugungsbildung ausreichen kann (vgl. , BGHR StPO § 261 Sachverständiger 11; LR-StPO/Sander, 26. Aufl., § 261 Rn. 90b). Vielmehr gelten weitergehende Darlegungsanforderungen; es sind so viele Anknüpfungstatsachen und vom Sachverständigen gezogene Schlussfolgerungen wiederzugeben, dass das Revisionsgericht die Schlüssigkeit des Gutachtens überprüfen kann (vgl. , BGHR StPO § 261 Sachverständiger 4). Diese Anforderungen sind vorliegend nicht erfüllt.
83. Der Senat hebt die Schuldsprüche in den Fällen 1 bis 7 sowie 12 und 13 auf. Die Feststellungen zu den objektiven Tatgeschehen – jedoch mit Ausnahme der aufgehobenen Feststellungen zur jeweiligen Täterschaft der Angeklagten – können bestehen bleiben.
9Die Aufhebung der Schuldsprüche in den genannten Fällen führt wegen des Entfallens der entsprechenden Einzelstrafen zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafen sowie zur Aufhebung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in diesen Fällen.
104. Bei der Fassung der danach in Rechtskraft erwachsenden Anordnung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen hat der Senat berücksichtigt, dass das Landgericht im Fall 10 der Urteilsgründe seiner Berechnung des Einziehungsbetrages abweichend von den Feststellungen einen erlangten Beutewert von 800 Euro zugrunde gelegt hat.
11Ferner hat das Landgericht bei seiner Entscheidung über die Aufrechterhaltung der früheren Einziehungsanordnungen und über die Einziehung von Wertersatz nicht erkennbar bedacht, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 StGB Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen gleicher Art durch das spätere Urteil einheitlich anzuordnen sind (vgl. , BGHR StGB § 55 Abs. 2 Aufrechterhalten 7 mwN).
12Der Senat kann insoweit entsprechend § 354 Abs. 1 StPO in der Sache selbst entscheiden und auf einen einheitlichen Wertersatzverfall in Höhe der Summe aus dem Einziehungsbetrag der früheren Urteile (jeweils 10.000 Euro, für die die Angeklagten gesamtschuldnerisch hafteten) und der verbliebenen Einziehungsbeträge des angefochtenen Urteils erkennen, wobei er im Fall 10 der Urteilsgründe zugunsten des Angeklagten P. vom festgestellten Beutewert in Höhe von 600 Euro ausgeht.
13Mit dieser neuen Entscheidung sind die Anordnungen der Einziehung des Wertersatzes in den früheren Urteilen des Amtsgerichts Fürth gegenstandslos im Sinne des § 55 Abs. 2 Satz 1 StGB, weil sie von der neuen Entscheidung in ihrer Wirkung mit umfasst sind.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:290720B6STR211.20.0
Fundstelle(n):
AAAAH-60351