(Anspruch auf Ersatz eines kartellbedingten Schadens - Schienenkartell IV)
Leitsatz
Schienenkartell IV
1. Preisschirmeffekte und dadurch verursachte Preishöhenschäden sind als mögliche Auswirkungen einer Kartellabsprache geeignet, bei Abnehmern von Kartellaußenseitern einen Schaden zu begründen.
2. Für die Feststellung eines durch Preisschirmeffekte verursachten Preishöhenschadens gelten die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Feststellung eines kartellbedingten Schadens anerkannten Grundsätze (, WuW 2020, 202 Rn. 34 ff. - Schienenkartell II); für einen Anscheinsbeweis ist im Grundsatz kein Raum.
3. Der Einwand der Vorteilsausgleichung kommt in Betracht, wenn dem Kartellgeschädigten Zuwendungen eines öffentlich-rechtlichen Aufgabenträgers zufließen und diese dem Grunde und der Höhe nach in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Schadensereignis stehen.
4. Werden die unterschiedlichen Schadensersatzansprüche innerhalb einer Schadenskette durch Abtretung in einer Hand gebündelt, scheidet der Einwand der Vorteilsausgleichung grundsätzlich aus.
5. Eine sekundäre Darlegungslast des Kartellgeschädigten im Hinblick auf die näheren Umstände seiner Preiskalkulation kommt grundsätzlich nicht in Betracht, wenn zum einen bei einer Abwälzung des Schadens allenfalls marginale, kaum verlässlich und nur mit großem Aufwand feststellbare Auswirkungen einer Schadensabwälzung auf die Angebotspreise des nachgelagerten Markts zu erwarten sind und zum anderen wegen mangelnder Durchsetzung möglicher Schadensersatzansprüche der Abnehmer auf der nachgelagerten Marktstufe eine unbillige Entlastung des Schädigers droht.
Gesetze: § 33 S 1 GWB vom , § 33 Abs 1 GWB vom , § 33 Abs 3 GWB vom , § 91a Abs 1 ZPO, § 286 BGB, § 287 Abs 1 ZPO, § 301 ZPO, § 304 ZPO, § 242 BGB, § 823 Abs 2 BGB
Instanzenzug: Az: U 3497/16 Kart Urteilvorgehend LG München I Az: 37 O 24526/14 Urteil
Tatbestand
1Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Ersatz kartellbedingten Schadens in Anspruch.
2Die Klägerin ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts unter anderem für den öffentlichen Nahverkehr der Landeshauptstadt München zuständig. Die Beklagte zu 1 befasst sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Weichen, Kreuzungen und sonstigen Teilen des Oberbaus von Schienenbahnen. Sie ist Gesamtrechtsnachfolgerin der Anfang des Jahres 2011 auf sie verschmolzenen SHW-Weichenbau GmbH, an der sie zuvor beteiligt war. Die Beklagte zu 2 ist in Deutschland unter anderem im Bereich Schienentechnik tätig. Im Jahr 2010 übertrug die Beklagte zu 1 im Wege der Umwandlung durch Abspaltung ihren Geschäftsbereich "Gleisbau" auf die Beklagte zu 2. Die Beklagte zu 3 ist Teil der Unternehmensgruppe ThyssenKrupp. Auf sie wurde im Jahr 2004 mit Ausgliederungs- und Übernahmevertrag der Geschäftsbereich "Gleistechnik" der ThyssenKrupp RST Rohstoffe und Technik GmbH übertragen. Gegenstand dieses Geschäftsbereichs ist die technische Entwicklung, die Herstellung und der Vertrieb von Oberbaumaterialien für den Gleisbau. Die Beklagten zu 4 bis 7 sind Teil der Unternehmensgruppe voestalpine, welche ebenfalls Gleisoberbaumaterialien anbietet.
3Mit Bescheid vom verhängte das Bundeskartellamt unter anderem gegen die Beklagten zu 1, 3 und 5 wegen Beteiligung an dem Kartell der "Schienenfreunde" Bußgelder. Nach den Feststellungen des rechtskräftigen Bußgeldbescheids verstießen sie, gemeinschaftlich handelnd mit den Beklagten zu 4, 6 und 7, jedenfalls zwischen 2001 und Mai 2011 gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen.
4Die Klägerin beschaffte zwischen September 2001 und November 2008 in zehn Fällen Gleisoberbaumaterialien, insbesondere Schienen, Weichen und Schwellen; davon in fünf Fällen jeweils bei einzelnen, am Kartell beteiligten Beklagten oder deren Rechtsvorgängern (Beschaffungsvorgänge BT 1 bis 5), in weiteren fünf Fällen bei nicht am Kartell beteiligten Unternehmen (Beschaffungsvorgänge BT 6 bis 10).
5Die Klägerin macht geltend, sie habe aufgrund des Kartells überhöhte Preise zahlen müssen. Sie hat beantragt, die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner Schadensersatz in einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Höhe, mindestens jedoch 454.457,44 € zuzüglich Zinsen (Klageantrag zu 1), und Gutachterkosten in Höhe von 12.126,24 € zu zahlen sowie die Klägerin von Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 2.030,45 € als Gesamtschuldner freizustellen (Klageantrag zu 2).
6Das Landgericht hat durch Teilend- und Teilgrundurteil "den Klageantrag" hinsichtlich der Beschaffungsvorgänge BT 1 bis 5 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit Ergänzungsurteil hat es den Antrag auf Ergänzung des Teilgrund- und Teilendurteils bezüglich der geltend gemachten Zahlung von Gutachterkosten sowie der Freistellung von Rechtsverfolgungskosten zurückgewiesen und ausgesprochen, dass die Kammer insoweit bewusst keine Entscheidung getroffen habe, weil es sich dabei nicht um eine Frage des Anspruchsgrundes, sondern der Anspruchshöhe handele. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht - nachdem die Klägerin und die Beklagten zu 4 bis 7 die Klage insgesamt und die Klägerin und die Beklagten zu 1 bis 3 die Klage hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 5 teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt haben - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen die Klage im Verhältnis zur Beklagten zu 2 betreffend den Beschaffungsvorgang BT 1 abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Klage im Verhältnis zu den Beklagten zu 1 bis 3 auch hinsichtlich des Beschaffungsvorgangs BT 7 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision hat das Berufungsgericht nur bezüglich der Beschaffungsvorgänge BT 1 und 2 zugelassen.
7Mit ihrer Revision verfolgen die Beklagten zu 1 bis 3 die Anträge auf vollständige Abweisung der Klage weiter.
Gründe
8I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren noch von Belang - im Wesentlichen wie folgt begründet:
9Der Klägerin stehe gegen die Beklagten nach § 33 GWB in der seit dem geltenden Fassung (GWB 1999) und § 33 Abs. 3, Abs. 1 GWB in der ab dem geltenden Fassung (GWB 2005) in Verbindung mit § 1 GWB ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach zu. Nach den gemäß § 33 Abs. 4 GWB 2005 bindenden Feststellungen des Bundeskartellamts im Bußgeldbescheid stehe fest, dass die Beklagten zu 1 und 3 zumindest von 2001 bis Mai 2011 unter anderem gemeinsam mit den Beklagten zu 4 bis 7 bezüglich des Absatzes von Schienen, Weichen und Schwellen auf dem Privatmarkt in Deutschland kartellrechtswidrige Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen getroffen und insofern gegen § 1 GWB verstoßen hätten.
10Zugunsten der Klägerin streite ein Anscheinsbeweis, dass die gegenüber Mitgliedern des Kartells erteilten Aufträge zu den Beschaffungsvorgängen BT 1 bis 4 nicht frei von Einflüssen des Kartells gewesen seien. Die Vorgänge fügten sich in sachlicher, zeitlicher und räumlicher Hinsicht in die vom Bundeskartellamt festgestellte Kartellabsprache ein. Diesen Anscheinsbeweis hätten die Beklagten nicht zu erschüttern vermocht. Der Klägerin sei auch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden in irgendeiner Höhe entstanden. Ein Anscheinsbeweis zugunsten der Klägerin streite dafür, dass die Klägerin als unmittelbare Abnehmerin eines Kartellanten einen überhöhten Preis gezahlt habe. Auch diese Vermutung habe die Beklagte nicht zu erschüttern vermocht.
11Bezüglich des Beschaffungsvorgangs BT 7, der einen Auftrag an einen Kartellaußenseiter zur Lieferung von Schienen im Jahr 2005 betreffe, könne mit deutlich überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der hypothetische Wettbewerbspreis geringer als der an den beauftragten Kartellaußenseiter gezahlte Preis gewesen wäre. Zudem sei es unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls auch deutlich überwiegend wahrscheinlich, dass ein durch einen Preisschirmeffekt verursachter Schaden entstanden sei.
12Eine Anrechnung von Vorteilen komme weder im Hinblick auf öffentlich-rechtliche Zuwendungen durch den Freistaat Bayern noch in Bezug auf die nahezu jährlich erfolgten Fahrpreiserhöhungen in Betracht. Der Klägerin sei kein Mitverschulden anzulasten. Es sei nicht ersichtlich, dass Mitarbeiter der Klägerin Kenntnis von kartellbedingt erhöhten Preisen gehabt hätten oder eine solche Kenntnis hätten haben müssen. Die Ansprüche seien - mit Ausnahme desjenigen betreffend den Beschaffungsvorgang BT 1 im Verhältnis zur Beklagten zu 2 - nicht verjährt.
13Im Hinblick auf den übereinstimmend für erledigt erklärten Teil der Klage betreffend den Beschaffungsvorgang BT 5 hat das Berufungsgericht die Kosten nach billigem Ermessen gemäß § 91a ZPO den Beklagten zu 1 und 3 auferlegt.
14II. Die Revision ist uneingeschränkt zulässig, § 543 Abs. 1 ZPO. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung auf einzelne Beschaffungsvorgänge ist unwirksam. Zwar hat das Berufungsgericht die Möglichkeit, die Revision nur hinsichtlich eines tatsächlich und rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teils des Gesamtstreitstoffs zuzulassen, auf den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte. Voraussetzung für eine wirksame Beschränkung der Revisionszulassung ist jedoch, dass der von der Zulassungsbeschränkung erfasste Teil des Streitstoffs in dem Sinne selbständig ist, dass er in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Streitstoff beurteilt werden und auch im Falle einer Zurückverweisung kein Widerspruch zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann (st. Rspr., vgl. nur , WRP 2018, 710 Rn. 21; Urteil vom - KZR 24/17, WuW 2020, 202 = NZKart 2020, 136 Rn. 15 - Schienenkartell II). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt, weil die Ansprüche, auf die sich die Frage der Verjährung auswirkt, im Hinblick auf die weiteren Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs angesichts des einheitlich zu beurteilenden Kartellverstoßes wie auch der sich daraus ergebenden Wirkungen nicht anders beurteilt werden dürfen als die übrigen in Streit stehenden Ansprüche (vgl. bereits BGH, WuW 2020, 202 Rn. 16 - Schienenkartell II).
15III. Die Revision hat auch in der Sache Erfolg. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
161. Der Erlass des Teilgrundurteils war zulässig.
17a) Nach § 304 ZPO kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden, wenn ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig und lediglich der Streit über den Anspruchsgrund zur Endentscheidung reif ist. Diese Vorschrift soll das Verfahren vereinfachen und verbilligen, indem sie eine Vorklärung des Anspruchs und deren Überprüfung im Instanzenzug ermöglicht und damit gegebenenfalls eine aufwendige Beweisaufnahme erspart. Dieser Funktion entsprechend setzt sie neben einem nach Grund und Höhe streitigen Anspruch voraus, dass eine solche Trennung in Grund- und Betragsverfahren möglich ist. Diese Voraussetzung erfüllt nur ein auf die Zahlung von Geld oder die Leistung vertretbarer Sachen gerichteter Anspruch, der der Höhe nach summenmäßig bestimmt ist (vgl. , NJW 1991, 1896, mwN). Dafür genügt, wie im Streitfall, die summenmäßige Bezifferung eines vom Kläger begehrten Mindestschadens, wenn der Kläger es in das Ermessen des Gerichts stellt, einen etwaigen darüber hinausgehenden Betrag zu bestimmen. Ein solcher Antrag ist zudem hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 ZPO (vgl. , GRUR 2006, 219 Rn. 11 - Detektionseinrichtung II).
18b) Das Berufungsgericht hat auch kein unzulässiges Teilurteil erlassen. Ein Teilurteil ist nach § 301 ZPO unzulässig, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht. Das ist dann der Fall, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann (vgl. , BGHZ 210, 30 Rn. 29, mwN).
19So liegt der Fall hier indes nicht, weil das Berufungsgericht nicht nur über einzelne Ansprüche oder Anspruchsteile entschieden hat. Zwar hat es im neugefassten Tenor den Antrag zu 2 (Zahlung von Gutachterkosten und Freistellung von Rechtsverfolgungskosten) nicht ausdrücklich erwähnt. Es ist aber, wie sich aus der in den Urteilsgründen enthaltenen Bezugnahme auf das landgerichtliche Ergänzungsurteil ergibt, in der Sache ebenso wie das Landgericht davon ausgegangen, dass es sich bei den diesbezüglich geltend gemachten Beträgen um unterschiedliche Schadenspositionen handelt, die einheitlich auf dem Schadensersatzanspruch beruhen, den es dem Grunde nach für berechtigt erklärt hat. Damit hat das Berufungsgericht auch den Klageantrag zu 2 dem Grunde nach für berechtigt erklärt und den Ausspruch über die Höhe dem Betragsverfahren vorbehalten.
202. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann jedoch ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach nicht bejaht werden.
21a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die bis zum erteilten Aufträge aus den Beschaffungsvorgängen (BT 1 bis 3, BT 7), auf die die Klägerin ihre Klage unter anderem stützt, als Anspruchsgrundlage § 33 Satz 1 GWB 1999 in Betracht kommt (vgl. BGH, WuW 2020, 202 Rn. 18 - Schienenkartell II, mwN). Danach ist derjenige, der gegen eine Vorschrift des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen verstößt, sofern die Vorschrift den Schutz eines anderen bezweckt, diesem zur Unterlassung verpflichtet; fällt ihm Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last, ist er auch zum Ersatz des aus dem Verstoß entstandenen Schadens verpflichtet.
22Ebenso zutreffend hat das Berufungsgericht § 33 Abs. 3 GWB 2005 im Hinblick auf die geltend gemachten Schadensersatzansprüche angewendet, die die Klägerin auf den Beschaffungsvorgang aus dem Jahr 2008 (BT 4) stützt. Zum Schadensersatz ist nach dieser Vorschrift verpflichtet, wer einen Verstoß nach § 33 Abs. 1 GWB 2005 vorsätzlich oder fahrlässig begeht. Gemäß § 33 Abs. 1 GWB 2005 ist derjenige, der gegen eine Vorschrift des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen oder gegen Art. 101, 102 AEUV verstößt, dem Betroffenen zur Beseitigung und gegebenenfalls zur Unterlassung verpflichtet.
23b) Mit Recht hat das Berufungsgericht einen schuldhaften Verstoß der Beklagten gegen § 1 GWB festgestellt und dabei angenommen, dass nach den gemäß § 33 Abs. 4 GWB 2005 für den nachfolgenden Schadensersatzprozess bindenden Feststellungen des Bundeskartellamts im Bußgeldbescheid die Beklagten über einen längeren Zeitraum an wettbewerbsbeschränkenden Absprachen beteiligt waren. Dies wird von der Revision auch nicht beanstandet. Nach den Feststellungen des Bundeskartellamts haben die Beklagten auch gegen Art. 81 Abs. 1 EGV (jetzt: Art. 101 Abs. 1 AEUV) verstoßen.
24Danach praktizierten Hersteller und Händler von Schienen, Weichen und Schwellen spätestens seit 2001 bis zur Aufdeckung des Kartells im Mai 2011 auf dem Privatmarkt in Deutschland Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen. Die Unternehmensgruppen ThyssenKrupp und voestalpine waren in allen Regionen und über den gesamten Zeitraum beteiligt. Die Beklagte zu 1 nahm in diesem Zeitraum im Bereich Schienen und Schwellen regional bei Ausschreibungen an Absprachen teil. Die genannten Absprachen beruhten maßgeblich darauf, dass den einzelnen Unternehmen bestimmte "Altkunden" oder "Stammkunden" zugeordnet waren und diese Zuordnung von den Kartellteilnehmern grundsätzlich respektiert wurde. Hierzu verzichteten die anderen Kartellteilnehmer auf die Abgabe von Angeboten oder reichten diese erst nach Ablauf der Angebotsfrist oder zu überhöhten Preisen ein, so dass der Auftrag dem vorbestimmten Unternehmen zufallen konnte. Die Absprachen wurden vorwiegend über telefonische Kontakte und persönliche Treffen sowie E-Mails umgesetzt. Aufgrund der über Jahre praktizierten Absprachen und gewachsenen Kundenbeziehungen war allen Beteiligten klar, wer jeweils den ausgeschriebenen Auftrag erhalten sollte. Dem betreffenden, als "Spielführer“ bezeichneten Unternehmen kam eine organisatorische und koordinierende Funktion für den Auftrag zu. Diese beinhaltete u.a., den anderen Unternehmen, überwiegend in getarnter Form, die Preise der Schutzangebote oder den vom "Spielführer" angestrebten Zuschlagspreis mitzuteilen. Zum Ausgleich für die Abgabe von Schutzangeboten wurden die Kartellteilnehmer meist durch Unteraufträge oder sonstige Kompensationsgeschäfte entschädigt. Der Ausgleich erfolgte aber nicht nur projektbezogen, vielmehr basierte das System auf einem projektübergreifenden Verständnis und Vertrauensverhältnis der Kartellteilnehmer untereinander. Als Gegenleistung für die Abgabe eines Schutzangebots konnte der Schützende grundsätzlich davon ausgehen, dass er bei einem anderen Projekt von den Kartellteilnehmern geschützt würde. Der Ablauf war insgesamt so etabliert, dass es häufig keiner ausdrücklichen Absprache bezogen auf ein konkretes Projekt bedurfte. Im Bereich Weichen war die Beklagte zu 1 an Absprachen beteiligt, die bis Ende 2008 vor allem bei Sitzungen des Arbeitskreises Marketing des Fachverbands Weichenbau beziehungsweise innerhalb des Verbands der Bahnindustrie getroffen wurden.
25c) Das Berufungsgericht ist im Ergebnis auch mit Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin zur Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs berechtigt ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Voraussetzung des haftungsbegründenden Tatbestands eines kartellrechtlichen Schadensersatzanspruchs sowohl nach § 33 Satz 1 GWB 1999 als auch nach § 33 Abs. 3, Abs. 1 GWB 2005 ebenso wie nach § 823 Abs. 2 BGB, dass dem Anspruchsgegner ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten anzulasten ist, das - vermittelt durch den Abschluss von Umsatzgeschäften oder in anderer Weise - geeignet ist, einen Schaden des Anspruchstellers unmittelbar oder mittelbar zu begründen (BGH, WuW 2020, 202 Rn. 25 - Schienenkartell II; Urteil vom - KZR 27/17, NZKart 2020, 384 Rn. 43). Auf die weitergehende Frage, ob sich die Kartellabsprache auf den in Rede stehenden Beschaffungsvorgang, auf den der Anspruchsteller sein Schadensersatzbegehren stützt, tatsächlich ausgewirkt hat und das Geschäft damit in diesem Sinn "kartellbefangen" oder "kartellbetroffen" war, kommt es im Rahmen der Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität hingegen nicht an. Für die Feststellung der hiernach maßgeblichen Voraussetzungen gilt der Maßstab des § 286 ZPO. Im Streitfall sind sie erfüllt, weil die Klägerin nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts von am Kartell beteiligten Beklagten Waren erworben hat, welche Gegenstand der Kartellabsprache waren. Auch der Erwerb solcher Waren von am Kartell nicht beteiligte Unternehmen, wie es im Streitfall auf den Beschaffungsvorgang BT 7 zutrifft, ist angesichts dessen, dass Preisschirmeffekte und dadurch verursachte Preishöhenschäden zu den möglichen Auswirkungen einer Kartellabsprache zählen, geeignet, einen Schaden der Klägerin zu begründen.
26d) Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann jedoch nicht angenommen werden, dass der Klägerin aufgrund der Kartellabsprache zwischen den beteiligten Unternehmen - mit der für ein Zwischenurteil nach § 304 ZPO erforderlichen Wahrscheinlichkeit (BGH, NZKart 2019, 101, Rn. 38 - Schienenkartell I) - überhaupt ein Schaden entstanden ist.
27aa) Die Annahme, der Beweis des ersten Anscheins streite dafür, dass sich die Kartellabsprache auf die in Rede stehenden Beschaffungsvorgänge, soweit es sich um Lieferungen der am Kartell beteiligten Unternehmen handelt (BT 1 bis 4), preissteigernd ausgewirkt habe, und die Beklagten hätten die daraus folgende Vermutung eines kartellbedingten Schadens nicht erschüttert, steht mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht in Einklang.
28Für die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises fehlt es - wie der Bundesgerichtshof nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat - bei einem Quoten- und Kundenschutzkartell, wie es hier in Rede steht, an der dafür erforderlichen Typizität des Geschehensablaufs (BGH, NZKart 2019, 101 Rn. 57 - Schienenkartell I). Die Annahme des Berufungsgerichts, der Anscheinsbeweis sei durch das Vorbringen der Beklagten nicht erschüttert, trägt deshalb die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten nicht. Den Urteilsgründen ist auch nicht zu entnehmen, dass das Berufungsgericht unter Berücksichtigung aller Umstände des Streitfalls zu der Überzeugung gelangt wäre, dass der Klägerin ein Schaden entstanden ist.
29bb) Auch die Feststellung, der Klägerin sei durch die Beauftragung eines Kartellaußenseiters zur Lieferung von Schienen (Beschaffungsvorgang BT 7) ein kartellbedingter Schaden entstanden, ist von diesem Verfahrensfehler beeinflusst.
30(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, bezüglich des Beschaffungsvorgangs BT 7, der einen Auftrag an einen Kartellaußenseiter zur Lieferung von Schienen im Jahr 2005 betreffe, streite ein Anscheinsbeweis zugunsten der Klägerin, dass die von den Kartellmitgliedern abgegebenen Angebotspreise kartellbedingt überhöht gewesen seien. Es könne davon ausgegangen werden, dass der Angebotspreis des beauftragten Kartellaußenseiters, der nur geringfügig (1,5 Prozent), unterhalb des günstigsten Angebots eines Kartellbeteiligten gelegen habe, von dem Kartell beeinflusst gewesen sei. Mit deutlich überwiegender Wahrscheinlichkeit könne davon ausgegangen werden, dass der hypothetische Wettbewerbspreis geringer gewesen wäre als der tatsächliche an den beauftragten Kartellaußenseiter gezahlte Preis. Nachdem das Kartell im Zeitpunkt der Auftragserteilung bereits rund vier Jahre bestanden habe, sei es auch überwiegend wahrscheinlich, dass der kartellbedingte Preisaufschlag mehr als 1,5 Prozent betragen habe.
31Zudem könne mit deutlich überwiegender Wahrscheinlichkeit ein durch einen Preisschirmeffekt verursachter Schaden festgestellt werden. Es sei davon auszugehen, dass die beauftragte Kartellaußenseiterin - da sie sich bundesweit an zahlreichen Ausschreibungen beteiligt habe - die auf dem Markt erzielbaren Preise habe beobachten können und als strategische Reaktion auch spätestens Anfang 2005 ihre eigenen Preise erhöht habe. Die von ihr in München abgegebenen Angebote zeigten eine zunehmende Anpassung an das Preisniveau der Kartellanten. Es sei auf Grundlage der Feststellungen im Bußgeldbescheid davon auszugehen, dass die Beklagten zu 3, 4, 6 und 7 über einen nicht unerheblichen Marktanteil verfügt hätten. Der Annahme eines Preisschirmeffekts stehe nicht entgegen, dass es sich bei Schienen nicht um völlig homogene Produkte handele, weil die ausschreibende Stelle die konkreten Produktmerkmale vorgegeben habe. Gleiches gelte allerdings nicht für den Beschaffungsvorgang BT 6, der einen an einen Kartellaußenseiter am erteilten Auftrag betreffe und dem eine Ausschreibung vom zugrunde gelegen habe. In einem derart frühen Stadium des Kartells könne nicht davon ausgegangen werden, dass für die nicht am Kartell beteiligten Wettbewerber das kartellbedingt höhere Preisniveau erkennbar gewesen sei. Daher hätten sie ihr eigenes Angebotsverhalten auch nicht daran ausrichten können.
32(2) Diesen Erwägungen liegt die nach den vorstehenden Ausführungen (Rn. 28) verfahrensfehlerhafte Annahme zugrunde, es spreche ein Anscheinsbeweis dafür, dass das im Rahmen dieser Ausschreibung zweitgünstigste und nicht zum Zuge gekommene Angebot der Beklagten zu 3 kartellbedingt überhöht gewesen sei. Zum einen hat das Berufungsgericht von einem rechtsfehlerhaft als kartellbedingt überhöht bewerteten Angebotspreis der Beklagten zu 3 auf einen ebenfalls über dem hypothetischen Wettbewerbspreis liegenden Angebotspreis des zum Zuge gekommenen Kartellaußenseiters geschlossen. Soweit das Berufungsgericht im Übrigen diesen kartellbedingten Preisaufschlag mit mindestens 1,5 Prozent bemessen hat, fehlt dafür zudem eine tragfähige Begründung. Zum anderen fußt auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, das am Kartell nicht beteiligte Unternehmen habe die kartellbedingten Marktpreise beobachten können und sein eigenes Preisverhalten daran ausgerichtet, auf der in verfahrensfehlerhafter Weise gewonnenen Feststellung, die am Markt erzielten Preise seien kartellbedingt überhöht gewesen.
333. Da die Feststellungen des Berufungsgerichts die Annahme eines Schadensersatzanspruchs insgesamt nicht tragen, kann auch der Ausspruch über die dem Grunde nach bestehende Pflicht zur Zahlung von Gutachterkosten sowie zur Freistellung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten keinen Bestand haben.
344. Die Revision der Beklagten zu 1 und 2 ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts nach § 91a Abs. 1 ZPO im Hinblick auf Ansprüche wegen des Beschaffungsvorgangs BT 5 wendet. Greift der Revisionskläger - wie hier - mit der unbeschränkt zulässigen Revision nicht nur die Hauptsacheentscheidung, sondern zugleich die vom Berufungsgericht nach § 91a Abs. 1 ZPO getroffene Kostenentscheidung an, ist die Revision zwar insgesamt statthaft und auch sonst zulässig. Sie kann hinsichtlich des auf § 91a Abs. 1 ZPO beruhenden Teils der Kostenentscheidung aber nur darauf gestützt werden, dass das Berufungsgericht die Voraussetzungen dieser Bestimmung verkannt habe (, WRP 2008, 499, 500 f. und vom - VIII ZR 322/08, NJW 2010, 2053 Rn. 9). Dies zeigt die Revision indessen nicht auf. Dagegen kann sie nicht geltend machen, dass das Berufungsgericht die Erfolgsaussichten des übereinstimmend für erledigt erklärten Anspruchs unzutreffend beurteilt habe, weil andernfalls ein zur Überprüfung einer solchen Kostenentscheidung vom Gesetz nicht vorgesehenes Rechtsmittel eröffnet würde.
35IV. Da sich das Urteil des Berufungsgerichts nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO), ist es aufzuheben (§ 562 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil er der vom Tatrichter vorzunehmenden Würdigung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls nicht vorgreifen kann. Die Sache ist daher zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
37V. Bei der erneuten Prüfung, ob der Klägerin durch die Kartellabsprache, an der sich die Beklagten beteiligt haben, ein Schaden entstanden ist, und der sich daran gegebenenfalls anschließenden Prüfung der Höhe des Schadens wird das Berufungsgericht die Anforderungen an die Tatsachenfeststellung zu beachten haben, wie sie der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu entnehmen sind (BGH, WuW 2020, 202 Rn. 34 ff. - Schienenkartell II). Darüber hinaus wird das Berufungsgericht Folgendes zu berücksichtigen haben:
361. Sollte das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren erneut zu der Annahme gelangen, die Kartellabsprache habe zu höheren Angebotspreisen der Beklagten geführt, wird die weitergehende Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin sei durch den an einen Kartellaußenseiter erteilten Auftrag (Beschaffungsvorgang BT 7) jedenfalls ein Schaden dem Grunde nach entstanden, für sich genommen nicht zu beanstanden sein.
38a) Wird das Preisniveau auf einem bestimmten Markt in erheblichem Umfang durch ein Kartell beeinflusst, kann dies dazu führen, dass auch Kartellaußenseiter ihre Preise dem erhöhten Niveau anpassen. Eine solche Wirkung, die auch auf Bietermärkten auftreten kann (Kalmus in Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 26 Rn. 367 ff.; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, 2. Aufl., S. 30; Office of Fair Trading, Markets with bidding processes, Rn. 6.12), wird als Preisschirmeffekt (umbrella pricing) bezeichnet und stellt ebenfalls einen kartellbedingten Schaden dar, der auch dann nicht ausgeschlossen ist, wenn der Kartellaußenseiter die von ihm gehandelten Produkte von einem Hersteller bezieht, der nicht am Kartell beteiligt ist (, WuW 2018, 405 Rn. 39 - Grauzementkartell II). Dieser Grundsatz entspricht den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln für die Haftung von Folgeschäden. Danach wird der schadensrechtliche Zurechnungszusammenhang nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein weiteres Ereignis oder ein Verhalten Dritter mitursächlich für den entstandenen Schaden geworden ist (, NJW 2002, 504, 505, mwN), sofern der Schaden - wie hier - nicht völlig außerhalb eines wahrscheinlichen Geschehensverlaufs liegt und vom Schutzzweck der verletzten Norm erfasst wird (BGH, Versäumnisurteil vom - VII ZR 14/16, BGHZ 211, 375 Rn. 12 ff.). Die schadensrechtliche Berücksichtigung von Preisschirmeffekten steht auch in Einklang mit dem Unionsrecht. Weil es sich bei diesen Wirkungen um eine mögliche und aus Sicht der Kartellbeteiligten grundsätzlich vorhersehbare Folge einer verbotenen Kartellabsprache handelt, darf das nationale Recht der Mitgliedstaaten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eine zivilrechtliche Haftung der Kartellanten für durch Preisschirmeffekte verursachte Schäden nicht kategorisch ausschließen, auch wenn es sich bei der Preissetzung um eine autonome Entscheidung des Kartellaußenseiters handelt (, WuW 2014, 783 = EuZW 2014, 586 Rn. 29 ff. - Kone). Für die Feststellung eines solchen Schadens gilt, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, der Maßstab des § 287 Abs. 1 ZPO.
39b) Ob und in welcher Höhe ein Preisschirmeffekt auf einem von einer Kartellabsprache beeinflussten Markt zu verzeichnen ist, hängt angesichts der wettbewerblichen Reaktionsverbundenheit der Marktakteure von einer Vielzahl von Faktoren ab und ist typischerweise nur aufgrund einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu beantworten (EuGH, WuW 2014, 783 Rn. 34; Coppik/Haucap, WuW 2016, 50, 55). Unter bestimmten Bedingungen kann mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden, dass Kartellaußenseiter höhere Preise auf dem Markt durchsetzen können, als sie es ohne den Kartellverstoß könnten (vgl. , WuW 2019, 146 Rn. 71 - Flüssiggas I). Diese Wahrscheinlichkeit ist umso höher, je größer die Marktabdeckung des Kartells ist und je länger der Kartellverstoß andauert (Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, 2. Aufl., S. 433). Für die Frage nach dem Umfang eines solchen Preisschirmeffekts lassen sich daraus jedoch noch keine Aussagen ableiten. Der Umfang eines solchen Schadens hängt vielmehr von einer Vielzahl weiterer Faktoren ab. Ein Preisschirmeffekt wird umso höher sein, je geringer die Angebotselastizität der Kartellaußenseiter ist (d.h. ihre Fähigkeit, eine kartellbedingt höhere Nachfrage, die sich bei ihnen durch die höheren Preise der Kartellbeteiligten einstellen kann, durch Kapazitätsausweitung zu decken), je größer die Markttransparenz ist, je höher der Grad der Austauschbarkeit der auf dem jeweiligen Markt angebotenen Güter ist und je geringer sich die Wettbewerbsintensität zwischen den Kartellaußenseitern und der Wettbewerbsdruck durch die Nachfrageseite darstellt (vgl. dazu Inderst/Meier-Rigaud, WuW 2014, 1043, 1046 ff.; Coppik/Haucap, WuW 2016, 50, 51 ff.; Inderst/Thomas, S. 402 ff.). Angesichts der Komplexität der mit diesen Faktoren verbundenen ökonomischen Wirkungszusammenhänge besteht für die Anwendung der Regeln über den Anscheinsbeweis (vgl. BGH, NZKart 2019, 101 Rn. 50 ff. - Schienenkartell I) kein Raum.
40c) Im Übrigen gelten für die durch Preisschirmeffekte verursachten Preishöhenschäden die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Feststellung eines kartellbedingten Schadens anerkannten Grundsätze (vgl. BGH, WuW 2020, 202 Rn. 34 ff. - Schienenkartell II). Danach hat der Tatrichter die erforderlichen Feststellungen unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu treffen, wobei ihm die Befugnis zur Schadensschätzung nach den Maßstäben des § 287 Abs. 1 ZPO zusteht. Während für die richterliche Überzeugungsbildung im Betragsverfahren eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit ausreicht (vgl. , NJW 2004, 1521, 1522, und vom - KZR 25/14, BGHZ 211, 146 Rn. 41 - Lottoblock II), genügt für die Zwecke des Grundurteils eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Schadensentstehung (BGH, WuW 2020, 202 Rn. 36 - Schienenkartell II). Zudem ist der Tatrichter im Anwendungsbereich des § 287 Abs. 1 ZPO besonders freigestellt. Seine Einschätzung ist mit der Revision nur daraufhin überprüfbar, ob er Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zu Grunde gelegt hat. Die nach § 287 ZPO vorzunehmende Würdigung hat alle Umstände einzubeziehen, die festgestellt sind oder für die diejenige Partei, die sich auf einen ihr günstigen Umstand mit indizieller Bedeutung für oder gegen einen Preiseffekt des Kartells beruft, Beweis angeboten hat (BGH, WuW 2020, 202 Rn. 35 f. - Schienenkartell II mwN).
41d) Gemessen an diesen Grundsätzen sind die Erwägungen des Berufungsgerichts zu einem durch Preisschirmeffekte verursachten Schaden - bei Annahme einer kartellbedingten Erhöhung der Angebotspreise der Beklagten - für sich genommen nicht zu beanstanden.
42Das Berufungsgericht hat unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls eine umfassende Würdigung vorgenommen. Dabei hat es die Entwicklung des Preisverhaltens der Kartellaußenseiterin in mehreren Ausschreibungen berücksichtigt und festgestellt, dass sich deren Gebote den Angebotspreisen der Beklagten zu 3 näherten. Unter weiterer Berücksichtigung einer bundesweiten Beteiligung an Ausschreibungen konnte das Berufungsgericht auch davon ausgehen, dass die Kartellaußenseiterin den Markt beobachtete, die Entwicklung der Preise der Mitbewerber feststellen konnte und ihre eigenen Preise in Reaktion hierauf setzte. Ebenso rechtsfehlerfrei konnte das Berufungsgericht von einer nicht unerheblichen Marktabdeckung des Kartells ausgehen. Es hat auch ohne Rechtsfehler eine hinreichende Homogenität der auf dem Markt gehandelten Güter zugrunde gelegt, welche bereits dadurch belegt wird, dass sowohl die Beklagten als auch die Kartellaußenseiterin auf die Ausschreibung der Klägerin, die konkrete Spezifikationen der nachgefragten Produkte enthielt, geboten haben.
432. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung wird für den Fall, dass das Berufungsgericht erneut zu der Annahme eines kartellbedingten Schadens gelangt, eine Vorteilsausgleichung im Hinblick auf die Zuwendungen, die die Klägerin vom Freistaat Bayern erhalten hat, nicht verneint werden können.
44a) Das Berufungsgericht hat angenommen, eine Anrechnung von öffentlich-rechtlichen Zuwendungen des Freistaats Bayern im Wege der Vorteilsausgleichung komme nicht in Betracht. Zum einen beanspruchten die der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 843 Abs. 4 BGB zugrundeliegenden Erwägungen für die im Streitfall zu beurteilende Sachverhaltsgestaltung Geltung. Zum anderen hätten die Beklagten auch nicht dargelegt, wie hoch die staatlichen Zuschüsse gewesen seien und ob sie überhaupt von den Preisen für Oberbaumaterialien abhängig und deswegen höher als in der Zeit nach der Beendigung des Kartells gewesen seien.
45b) Die im Bereich des Schadensersatzrechts aus der Vorschrift des § 242 BGB abgeleiteten Grundsätze der Vorteilsausgleichung beruhen auf dem Gedanken, dass dem Geschädigten in gewissem Umfang diejenigen Vorteile zuzurechnen sind, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zufließen. Es soll ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden. Der Geschädigte darf nicht bessergestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Dem steht das aus der strikten Anwendung der Differenzhypothese folgende schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot entgegen. Andererseits sind nicht alle durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, sondern nur solche, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, d.h. dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet (vgl. näher , BGHZ 173, 83 Rn. 18 mwN).
46aa) Diese Grundsätze sind auch für den kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch bedeutsam. Danach kann sich der wegen eines Kartellverstoßes auf Schadensersatz in Anspruch Genommene darauf berufen, seinem Abnehmer sei deshalb kein oder nur ein geringerer Schaden entstanden, weil dieser die kartellbedingte Preiserhöhung ganz oder zum Teil an seine eigenen Abnehmer weitergereicht hat (, BGHZ 190, 145 Rn. 58 - ORWI). Steht die Preiserhöhung, die der Geschädigte gegenüber seinen Abnehmern durchsetzen kann, in adäquatem Kausalzusammenhang mit dem kartellbedingten Preisaufschlag, kann der Mehrerlös des weiterliefernden Geschädigten als Schaden seiner Kunden und damit zugleich als ausgleichspflichtiger Vorteil auf Seiten dieses Geschädigten angesehen werden. Ein solcher Zusammenhang ist nicht schon deshalb zu bejahen, weil der Geschädigte allgemein ein Interesse daran hat, seinen Preis an den Gestehungskosten auszurichten oder seine Ware mit Gewinn zu verkaufen. Die Kausalität des Kartells für den Vorteil, der dem Geschädigten in Form höherer Erlöse zufließt, ist vielmehr nach den gleichen Maßstäben zu beurteilen wie die Feststellung der kartellbedingten Preisabwälzung auf ihn, weil sein kartellbedingter Vorteil das Spiegelbild des seinem Kunden kartellbedingt entstehenden Schadens ist. Es ist also auch in diesem Zusammenhang anhand der ökonomischen Gegebenheiten auf den Anschlussmärkten zu beurteilen, ob die Preiserhöhung auf der nachfolgenden Marktstufe kartellbedingt ist (BGHZ 190, 145 Rn. 59 - ORWI). Diese Grundsätze stehen mit den Vorgaben der Art. 12 bis 14 Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union (Abl. EU 2014, Nr. L 349, S. 1) in Übereinstimmung, die allerdings nach Art. 22 der Richtlinie auf den Streitfall in zeitlicher Hinsicht keine Anwendung finden.
47bb) Der Einwand der Vorteilsausgleichung kommt grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn dem Geschädigten Zuwendungen eines öffentlich-rechtlichen Aufgabenträgers zufließen und diese Zuwendungen in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Schadensereignis stehen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn die öffentlich-rechtlichen Zuwendungen - auch der Höhe nach - in Abhängigkeit von einzelnen Beschaffungsvorgängen des Zuwendungsempfängers und zweckgebunden gewährt werden. In diesem Fall hat der Abnehmer des Kartellbeteiligten oder - bei Vorliegen eines Preisschirmeffekts - eines Kartellaußenseiters den ihm entstandenen Schaden vollständig oder teilweise an den Zuwendungsgeber weitergereicht, der seinerseits grundsätzlich zur Geltendmachung eines kartellrechtlichen Schadensersatzanspruchs berechtigt ist (vgl. , WuW 2020, 83 Rn. 23, 32 - Otis u.a./Land Oberösterreich). Auf diese Weise wird es einerseits dem Zuwendungsgeber ermöglicht, seinen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Kartellbeteiligten durchzusetzen, und andererseits eine Überkompensation des Abnehmers durch Geltendmachung eines fremden Schadens verhindert; eine unangemessene Entlastung des Kartellbeteiligten folgt daraus nicht. Vielmehr wird dadurch die Gefahr vermieden, dass dieser wegen desselben Schadens mehrfach in Anspruch genommen wird (BGHZ 190, 145 Rn. 62 - ORWI mwN). Aus diesem Grund kann dem Kartellbeteiligten bei einem gegebenen adäquat-kausalen Zusammenhang zwischen Preishöhenschaden und öffentlich-rechtlichen Zuwendungen der Einwand der Vorteilsausgleichung entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht unter Rückgriff auf allgemeine, aus § 843 Abs. 4 BGB entwickelte Wertungsgesichtspunkte verwehrt werden. Fehlt es hingegen an einem solchen adäquat-kausalen Zusammenhang, kommt eine Vorteilsanrechnung nicht in Betracht. Für die Annahme eines adäquat-kausalen Zusammenhangs könnte das Vorbringen der Beklagten sprechen, wonach die Zuwendungen projektbezogen gewesen seien und der Finanzierung von Anschaffungen gedient hätten.
48cc) Eine Vorteilsausgleichung scheidet allerdings aus, wenn der Dritte, auf den der Kläger seinen Schaden abgewälzt haben soll, dem Kläger etwaige gegen den beklagten Kartellbeteiligten bestehende diesbezügliche Ansprüche abgetreten hat, er dem Kartellbeteiligten eine solche Abtretung im Sinne des § 409 BGB angezeigt hat und eine Abwälzung des Schadens auf weitere, dem Dritten nachgelagerte Abnehmer oder Leistungsstufen nicht in Betracht kommt. In einem solchen Fall besteht keine Notwendigkeit, einen etwaigen von Seiten des Dritten zugeflossenen Vorteil auf den Schaden des klagenden Abnehmers anzurechnen, weil sämtliche Ansprüche im Hinblick auf diese Schadenskette in der Hand des Klägers gebündelt sind und eine doppelte Inanspruchnahme des beklagten Kartellbeteiligten nicht zu befürchten ist.
49Soweit der Kläger in einem solchen Fall mit der Klage Ansprüche aus fremdem (abgetretenem) Recht - wie hier - hilfsweise geltend macht, ist diesem Vorbringen nicht ohne Weiteres zu entnehmen, dass er die unterschiedlichen Ansprüche in einem Eventualverhältnis von Haupt- und Hilfsantrag verfolgt. Vielmehr wird die Auslegung des Klagebegehrens regelmäßig ergeben, dass es ihm in erster Linie auf die Liquidation des gesamten, durch die Kartellabsprache adäquat verursachten Preishöhenschadens ungeachtet der Prüfung durch das Gericht ankommt, ob tatsächlich eine (teilweise) Weiterwälzung des Schadens erfolgt ist. Weil in einem solchen Fall das Vorbringen des Klägers darauf gerichtet ist, dass der gesamte Schaden über die gesamte Schadenskette in jedem Fall endgültig in seiner Hand gebündelt ist, wird es ihm typischerweise auch nicht auf eine gerichtliche Feststellung der Allokation von Schadensteilen innerhalb der Schadenskette ankommen, zumal die Höhe des gesamten Schadens, jedenfalls soweit es sich um einen kartellbedingten Preishöhenschaden handelt, bereits mit dem Abschluss des von der Kartellabsprache beeinflussten Geschäfts zwischen einem Kartellbeteiligten oder einem Kartellaußenseiter und einem unmittelbaren Abnehmer feststeht und die Weiterwälzung dieses Schadens oder von Teilen davon keinen Einfluss auf die Höhe des bereits entstandenen Preishöhenschadens hat. Vor diesem Hintergrund braucht das Gericht, wenn es einen kartellbedingten Schaden im Verhältnis zwischen Kartellbeteiligten oder Kartellaußenseiter und deren unmittelbaren Abnehmern bejaht, der Frage, ob und in welchem Umfang eine Weiterwälzung des Schadens stattgefunden hat, nicht nachzugehen und kann - weil der Kartellbeteiligte nicht mit einer doppelten Inanspruchnahme zu rechnen braucht - die Aufteilung des zu leistenden Schadensersatzes der Regelung des Innenverhältnisses zwischen Zedent und klagendem Zessionar überlassen bleiben. Das Gericht erkennt dann in der Sache vollständig über die abgetretene Forderung (§ 322 Abs. 1 ZPO). Kommt es dem Kläger trotz der Bündelung der Schadensersatzansprüche in seiner Hand auf eine gerichtliche Feststellung der genauen Verteilung des Schadens auf die unterschiedlichen Ansprüche innerhalb der Schadenskette an, so muss er dies klarstellen.
50c) Sofern es nach dem Vorstehenden im wiedereröffneten Berufungsverfahren überhaupt noch auf die Prüfung der Vorteilsausgleichung in Bezug auf erhaltene Zuwendungen ankommen sollte, ist im Weiteren nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht im Ausgangspunkt von einer die Beklagten treffenden Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Vorteilsausgleichung ausgegangen ist (BGHZ 190, 145 Rn. 64 - ORWI).
51aa) Um erfolgversprechend eine Vorteilsausgleichung geltend zu machen, muss der beklagte Kartellteilnehmer zunächst anhand der allgemeinen Marktverhältnisse auf dem relevanten Absatzmarkt, insbesondere der Nachfrageelastizität, der Preisentwicklung und der Produkteigenschaften, plausibel dazu vortragen, dass eine Weiterwälzung der kartellbedingten Preiserhöhung zumindest ernsthaft in Betracht kommt. Insofern hat das Berufungsgericht das Vorbringen der Beklagten zutreffend als unschlüssig bewertet, weil sie weder Angaben zur Höhe der erhaltenen Zuwendungen noch dazu gemacht haben, ob die Zuwendungen von den Preisen für die in Rede stehenden Gleisoberbaumaterialien abhingen.
52bb) Allerdings hat das Berufungsgericht nicht geprüft, ob die Klägerin ausnahmsweise eine sekundäre Darlegungslast im Hinblick auf die genannten Umstände trifft.
53(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Erleichterungen bei der Darlegungslast zugunsten der Kartellteilnehmer - um die Effizienz des Kartelldeliktsrechts nicht zu gefährden - nur zurückhaltend zu erwägen. Zwar kommt grundsätzlich eine sekundäre Darlegungslast der anderen Partei in Betracht, wenn die beweisbelastete und primär darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht, keine Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt und sich diese Kenntnis nicht auf andere Weise beschaffen kann, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (, NJW-RR 2002, 1309, 1310; Urteil vom - II ZR 331/07, NJW-RR 1999, 1152; st. Rspr.). Da grundsätzlich keine Partei - über materiell-rechtliche Auskunftspflichten hinaus - verpflichtet ist, dem Gegner das Material für den Prozesserfolg zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfügt (, NJW 1990, 3151, und vom - I ZR 187/16, GRUR 2018, 832 Rn. 79 - Ballerinaschuh), und die Annahme einer sekundären Darlegungslast auch nicht zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers führen darf, setzt die Annahme einer solchen eine umfassende Prüfung ihrer Erforderlichkeit und Zumutbarkeit voraus, bei der sorgfältig abzuwägen ist, inwieweit dem Geschädigten insbesondere eine Darlegung zu wettbewerblich relevanten Umständen abverlangt werden kann, an deren Geheimhaltung er ein schützenswertes Interesse hat (BGHZ 190, 145 Rn. 71 - ORWI). Eine sekundäre Darlegungslast kommt regelmäßig dann nicht in Betracht, wenn weitere Geschädigte, an welche ein kartellbedingter Vermögensnachteil weitergereicht wurde, Ansprüche gegen den beklagten Kartellteilnehmer geltend machen und dem Beklagten eine Streitverkündung nach § 72 ZPO gegenüber dem möglichen weiteren Geschädigten zumutbar ist (BGHZ 190, 145 Rn. 72 f. - ORWI). Je größer die Wahrscheinlichkeit der adäquat-kausalen Weiterwälzung des Schadens und je größer die Beweisnot des Kartelltäters ist, desto eher kann dem Geschädigten eine gewisse Mitwirkung an der Aufklärung der insoweit maßgeblichen tatsächlichen Umstände zugemutet werden (BGHZ 190, 145 Rn. 76 - ORWI).
54(2) Insofern wird das Berufungsgericht, falls es im wiedereröffneten Berufungsverfahren erneut zu der Annahme eines kartellbedingten Schadens gelangen sollte, zunächst die für die gebotene Abwägung erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Dabei wird es zugunsten der Beklagten in den Blick zu nehmen haben, dass Zuwendungen von Seiten des Freistaats Bayern - wie die geltend gemachte Abtretung nahelegt - tatsächlich geflossen sind, die konkrete Ausgestaltung der in Rede stehenden öffentlich-rechtlichen Zuwendungen in der Sphäre der Klägerin liegt und die grundsätzliche Frage, ob überhaupt ein adäquat-kausaler Zurechnungszusammenhang zwischen Preishöhenschaden und zugeflossener Zuwendung besteht, entscheidend von der Art und Weise der Zuwendung abhängt. Zudem besteht aufgrund der öffentlich-rechtlichen Natur der Zuwendungen im Grundsatz kein Interesse der Klägerin an einer Geheimhaltung.
553. Nicht zu beanstanden ist die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin sei ein Vorteil nicht anzurechnen, der ihr aus Fahrpreiserhöhungen der Münchner Verkehrsbetriebe GmbH im hier in Rede stehenden Zeitraum zugeflossen ist.
56a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagten hätten nicht hinreichend dargetan, dass die Klägerin den kartellbedingten Preisaufschlag im Wege von Fahrpreiserhöhungen an die Kunden weitergegeben habe. Das Vorbringen der Beklagten, wonach die Tarife des Münchner Verkehrsverbundes im Kartellzeitraum in aller Regel jährlich angepasst und um bis zu 5,3 Prozent angehoben worden seien, genüge dafür nicht. Zum einen habe es Preiserhöhungen auch außerhalb des Kartellzeitraums gegeben. Zum anderen bestehe bei der Preisbildung im öffentlichen Nahverkehr keine unmittelbare Relation zu den für die Infrastruktur gezahlten Einkaufspreisen. Die Berechnung der Fahrpreise hänge von einer Vielzahl anderer Faktoren ab. Die Kosten der Investition zur Beschaffung von Gleisoberbaumaterialien würden nicht "eins zu eins" an die Fahrgäste weitergegeben, sondern fänden lediglich Eingang in eine Mischkalkulation. Im Übrigen orientiere sich der Fahrpreis nicht allein an kaufmännischen Erwägungen. Soziale Faktoren wie der Zugang der Bevölkerung zu bezahlbarer Mobilität spielten in hohem Maße eine Rolle.
57b) Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis Stand.
58aa) Den Beklagten steht der Einwand der Weitergabe eines etwaigen kartellbedingten Preishöhenschadens an die Fahrgäste des Tochterunternehmens der Klägerin grundsätzlich offen. Das Angebot von Dienstleistungen des Personennahverkehrs bildet einen Anschlussmarkt, dessen Angebotspreise von Kartellabsprachen auf vorgelagerten Beschaffungsmärkten beeinflusst sein kann (vgl. W.-H. Roth in Frankfurter Kommentar, § 33c Rn. 30).
59bb) Insoweit ist allerdings zu berücksichtigen, dass auch einzelne Kostenfaktoren, die - wie hier die Investitionen in die Infrastruktur - zu den Fixkosten eines Unternehmens zählen, weitergereicht werden können, die Wahrscheinlichkeit für einen Einfluss gestiegener Fixkostenanteile auf die Preise aber geringer als bei solchen Kostenfaktoren ist, die den variablen Kosten zuzuordnen sind (vgl. Leitlinien für die nationalen Gerichte zur Schätzung des Teils des auf den mittelbaren Abnehmer abgewälzten Preisaufschlags, Abl. EU 2019 Nr. C 267, S. 1 Rn. 52; differenzierend Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, 2. Aufl., S. 305 f.). Insoweit kann es im Grundsatz erheblich sein, ob die in Rede stehende Beschaffungstätigkeit als strategische Entscheidung zumindest langfristige Auswirkungen auf die Preisbildung hat und inwieweit dessen Preisbildungsmechanismus den in Rede stehenden konkreten Kostenfaktor berücksichtigt.
60cc) Im Streitfall wird eine hinreichend verlässliche Feststellung einer - theoretisch nicht ausgeschlossenen - Weitergabe von höheren Investitionskosten, die auf eine etwaige kartellbedingte Preiserhöhung bei Gleisoberbaumaterialien zurückgeführt werden kann, allerdings kaum zu erwarten sein. Das beruht darauf, dass die Entgelte auf dem nachgelagerten Markt des öffentlichen Personennahverkehrs einem hochkomplexen Preisbildungsmechanismus unterliegen, bei dem die in Streit stehenden Investitionskosten für den Gleisoberbau - wenn überhaupt - neben den Kosten für Personal, Energie und sonstige Investitionsgüter nur einen von zahlreichen Kostenfaktoren für den Preis der angebotenen Dienstleistung darstellen. Darüber hinaus fließen in die Preisbildung - wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat und die von den Beklagten im Revisionsverfahren eingeführte Stellungnahme der NERA Economic Consulting (RB 1) bestätigt - neben der nach § 39 Abs. 2 PBefG zu berücksichtigenden Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitals - auch andere, insbesondere sozialpolitische Erwägungen ein, die ein Träger öffentlicher Gewalt im Wege der Festsetzung von Höchsttarifen bei gleichzeitiger Zahlung von Ausgleichsleistungen (Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße) verfolgen darf.
61Angesichts dieser Umstände wird sich die Frage, ob und inwieweit die Kartellabsprache Auswirkungen auf die Preise des nachgelagerten Marktes hatte, nur mit Hilfe komplexer und aufwändiger ökonometrischer Berechnungen beantworten lassen, was auch die von der Revision vorgelegte Stellungnahme der NERA Economic Consulting belegt. Zudem liegt es nahe, dass eine Abwälzung eines kartellbedingten Preisaufschlags - wenn überhaupt messbar - im Streitfall allenfalls einen marginalen Einfluss auf die einzelnen, von den Fahrgästen entrichteten Entgelte im öffentlichen Personennahverkehr haben wird. Auch wenn diese Umstände für sich genommen noch keinen Grund dafür bieten, den Beklagten den Einwand der Schadensabwälzung zu verwehren, so folgt daraus allerdings, dass schon im Ausgangspunkt nur eine äußerst geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Nachfrager der nachgelagerten Marktstufe etwaige ihnen entstandene Streuschäden gegenüber den Kartellbeteiligten liquidieren. Auch im Streitfall liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Kunden von Tochterunternehmen der Klägerin Ansprüche gegenüber den Beklagten geltend gemacht haben.
62dd) Im Streitfall kann offen bleiben, ob der Einwand der Weitergabe kartellbedingter Schäden von vornherein ausgeschlossen ist, wenn zum einen bei einer Abwälzung des Schadens allenfalls marginale, kaum verlässlich und nur mit großem Aufwand feststellbare Auswirkungen einer Schadensabwälzung auf die Angebotspreise des nachgelagerten Marktes zu erwarten sind und zum anderen wegen mangelnder Durchsetzung von etwaigen Schadensersatzansprüchen der Abnehmer auf der nachgelagerten Marktstufe - hier der überwiegend privaten Endverbraucher - eine unbillige Entlastung des Schädigers droht. Jedenfalls kommt in derartigen Sachverhaltsgestaltungen eine sekundäre Darlegungslast des Kartellgeschädigten im Hinblick auf die näheren Umstände seiner Preiskalkulation, die das Berufungsgericht nicht geprüft hat, grundsätzlich nicht in Betracht. Bei der umfassenden Prüfung aller erheblichen Umstände, wie sie im wiedereröffneten Berufungsverfahren nach der angeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Rn. 53) vorzunehmen ist, wird entscheidend ins Gewicht fallen, dass der Kartelltäter in aller Regel nicht mit einer mehrfachen Inanspruchnahme für denselben Schaden zu rechnen braucht, so dass die Versagung der Vorteilsausgleichung ihn auch nicht unbillig belastet (vgl. Thomas, ZHR 180 (2016) 45, 72 f., W.-H. Roth in Frankfurter Kommentar, Stand Januar 2020 [95. Lieferung], § 33c GWB, Rn. 27, 55 ff.; vgl. auch Art. 15 Richtlinie 2014/104/EU). Der präventiven Funktion der kartellschadensersatzrechtlichen Ansprüche ist dann im Zweifel Vorrang vor dem Verbot einer Überkompensation des Geschädigten einzuräumen.
63ee) Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht im Ergebnis mit Recht angenommen, die Beklagten hätten mit der Bezugnahme auf einen allgemein gehaltenen Hinweis in einer Pressemitteilung, der zufolge bei Fahrpreiserhöhungen Kostenänderungen berücksichtigt wurden, sowie mit Ausführungen zu einer theoretisch möglichen Weitergabe kartellbedingter Aufschläge an die Abnehmer des nachgelagerten Marktes zwar die Möglichkeit einer Weitergabe kartellbedingt höherer Beschaffungspreise für Gleisoberbaumaterial aufgezeigt, nicht aber dargelegt, dass eine solche ernsthaft in Betracht komme. Dabei hat das Berufungsgericht zutreffend darauf verwiesen, dass es sowohl vor 2001 als auch nach Aufdeckung des Kartells zu Preiserhöhungen gekommen sei und dass als Ursache der Erhöhung eine Vielzahl anderer Kostenfaktoren in Betracht komme. Soweit das Berufungsgericht diese auf der Hand liegenden Gesichtspunkte sowie weitere Kostenfaktoren berücksichtigt hat, handelt es sich entgegen der Auffassung der Revision nicht um eine unzulässige Beweisantizipation, sondern um die Prüfung der Erheblichkeit des Verteidigungsvorbringens der Beklagten, für die weder ein Hinweis des Gerichts auf die eigene Sachkunde noch die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich war. Das Berufungsgericht hat auch das von der Revision als übergangen gerügte Vorbringen der Beklagten nicht unberücksichtigt gelassen. Vielmehr hat es sich ausdrücklich mit dem Vortrag der Beklagten auseinandergesetzt, wonach die Fahrpreise während des Kartellzeitraums regelmäßig erhöht und zur Begründung dafür auch Kostensteigerungen geltend gemacht wurden.
64ff) Insofern kann im Streitfall offen bleiben, ob die Annahme einer Vorteilsausgleichung in der gegebenen Konstellation die Feststellung erfordert, dass die Klägerin ihren etwaigen Schaden auf das Tochterunternehmen abgewälzt hat und die Vorteile einer Preiserhöhung durch das Tochterunternehmen auch der Klägerin zugeflossen sind, oder ob Klägerin und Tochterunternehmen von vornherein als wirtschaftliche Einheit anzusehen sind.
654. Soweit das Berufungsgericht ein Mitverschulden der Klägerin nach § 254 BGB verneint hat, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. BGH, NZKart 2019, 101 Rn. 77 ff. - Schienenkartell I).
665. Das Berufungsgericht wird angesichts der mit der Ermittlung von durch Preisschirmeffekte verursachten Preishöhenschäden sowie des Umfangs einer etwaigen Weiterwälzung von kartellbedingten Schäden verbundenen Komplexität gegebenenfalls zu erwägen haben, ob es unter Beachtung des Gesichtspunkts der Prozessökonomie geboten ist, erneut ein Grundurteil zu erlassen (BGH, WuW 2020, 202 Rn. 48 ff. - Schienenkartell II).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:190520UKZR8.18.0
Fundstelle(n):
BB 2020 S. 2177 Nr. 40
WM 2021 S. 2360 Nr. 48
ZIP 2021 S. 764 Nr. 14
OAAAH-58833