BFH Urteil v. - V R 9/20

Aufhebung und Zurückverweisung bei Entscheidung über unwirksame Bescheide

Leitsatz

NV: Das FG verstößt gegen die Grundordnung des Verfahrens, wenn es über die Rechtmäßigkeit von Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheiden entscheidet, obwohl zum Entscheidungszeitpunkt bereits Jahressteuerbescheide ergangen waren.

Gesetze: FGO § 68; FGO § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2;

Instanzenzug: (EFG 2017, 1137)

Tatbestand

I.

1 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erkannte die Gemeinnützigkeit der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für den Veranlagungszeitraum 2010 nicht (mehr) an und erließ den Körperschaftsteuerbescheid 2010 vom . Darin setzte es auch eine (nachträgliche) Vorauszahlung für das Kalenderjahr 2011 und eine Vorauszahlung für das IV. Quartal 2012 in Höhe von jeweils . € nebst einem Solidaritätszuschlag von . € fest.

2 Während des beim Finanzgericht (FG) anhängigen Rechtsstreits um die Gemeinnützigkeit der Klägerin in den Streitjahren 2005 bis 2010 erließ das FA am den Körperschaftsteuerbescheid 2010 und am den Körperschaftsteuerbescheid 2011. Ohne Berücksichtigung dieser Jahressteuerbescheide entschied das auch über die Klage gegen die Festsetzung der o.g. Vorauszahlungen 2011 und 2012.

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Nach Abtrennung des vorliegenden Verfahrens von dem Verfahren V R 5/17 hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom beantragt,
 
das sowie die Bescheide über die Festsetzung der nachträglichen Vorauszahlung zur Körperschaftsteuer 2011 und die Festsetzung der Körperschaftsteuervorauszahlung für das IV. Quartal 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.

4 Das FA hat keinen Antrag gestellt.

Gründe

II.

5 Die Revision der Klägerin ist begründet; sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und —mangels Spruchreife— zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

6 1. Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt zum Gegenstand des Verfahrens (§ 68 Satz 1 FGO). Ein derartiger Fall liegt insbesondere dann vor, wenn in einem Rechtsstreit gegen die Festsetzung einer Vorauszahlung ein Jahressteuerbescheid ergeht (, BFH/NV 2013, 1094, und vom  - I R 62/08, BFHE 236, 543, BStBl II 2012, 745; Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 68 Rz 30).

7 2. Im Streitfall haben die nach der Einspruchsentscheidung vom ergangenen Körperschaftsteuerbescheide 2011 (vom ) und 2012 (vom ) die angefochtenen Vorauszahlungsbescheide dieser Jahre ersetzt und sind damit zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Das FG hat jedoch nicht über die Jahressteuerbescheide 2011 und 2012 entschieden, sondern über die Klage gegen die Vorauszahlungsbescheide. Hierin liegt ein Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens, da das FG über Steuerbescheide entschieden hat, die keine Wirksamkeit mehr entfalten (, BFH/NV 2005, 1311). Das Urteil des FG kann insoweit keinen Bestand haben, sodass es aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen ist (, BFH/NV 2016, 1034, Rz 10; BFH-Beschlüsse vom  - III B 157/12, BFH/NV 2014, 545, und vom  - I B 61/16, BFH/NV 2018, 210). Im zweiten Rechtsgang wird das FG über die noch anhängigen Klagen wegen Körperschaftsteuer 2011 und 2012 zu entscheiden haben.

8 3. Die Übertragung der Kostenentscheidung an das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2020:U.120320.VR9.20.0

Fundstelle(n):
BFH/NV 2020 S. 1075 Nr. 11
NAAAH-56282