BFH Beschluss v. - II B 22/19

Prozesszinsen bei Grundsteuererlass

Leitsatz

NV: Es ist geklärt, dass ein Anspruch auf Prozesszinsen nach § 236 Abs. 1 AO nicht besteht, wenn eine Steuer durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung im Erhebungsverfahren erlassen wird. Das gilt auch bei § 33 Abs. 1 GrStG.

Gesetze: AO § 236 Abs. 1; GrStG § 33

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet.

2 Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) oder wegen der Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen.

3 1. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein. Ist die Rechtslage eindeutig, bedarf es keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Das gilt auch dann, wenn sie bereits durch den BFH geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Frage durch den BFH geboten erscheinen lassen (BFH-Beschlüsse vom  - II B 51/18, BFH/NV 2019, 205, Rz 11, m.w.N., und vom  - II B 79/18, BFH/NV 2020, 22, Rz 2). Da die Rechtsfortbildungsrevision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO ein Spezialfall der Grundsatzrevision ist, gilt insoweit dasselbe (BFH-Beschluss in BFH/NV 2019, 205, Rz 12).

4 Macht ein Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend, muss die Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert darlegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (vgl. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dazu muss ausgeführt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchem Grunde die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (z.B. , BFH/NV 2019, 1219, Rz 13).

5 2. Im Streitfall liegt die grundsätzliche Bedeutung —bei Zweifeln daran, dass die Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfüllt sind— jedenfalls nicht vor.

6 Die von der Klägerin aufgeworfene Frage der Verzinsung des Erstattungsbetrags nach § 236 der Abgabenordnung (AO), wenn durch eine Gerichtsentscheidung Grundsteuer gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Nr. 3 des Grundsteuergesetzes i.d.F. vom (BGBl I 1973, 965) —GrStG— erlassen wird, ist nicht klärungsbedürftig. Sie ist so zu beantworten, wie es das Finanzgericht in dem angegriffenen Urteil getan hat.

7 a) Wird durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder auf Grund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt oder eine Steuervergütung gewährt, ist der zu erstattende oder zu vergütende Betrag gemäß § 236 Abs. 1 Satz 1 AO vorbehaltlich des Abs. 3 vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen. § 236 AO sieht aber nach ständiger Rechtsprechung keinen Anspruch auf Prozesszinsen vor, wenn die vorausgegangene gerichtliche Entscheidung nicht im Steuerfestsetzungsverfahren, sondern im Steuererhebungsverfahren ergangen ist (, BFHE 153, 490, BStBl II 1988, 865, unter II.4.; , Zeitschrift für Steuern und Recht 2008, R698, unter II.2., m.w.N.).

8 Das ist z.B. der Fall, wenn Steuern nach § 227 AO erlassen worden sind (vgl. , BFHE 241, 320, BStBl II 2013, 770, Rz 17; , BFH/NV 1999, 1055, m.w.N.).

9 b) An eine analoge Anwendung des § 236 AO sind wegen des ersichtlich abschließenden Charakters dieses Zinstatbestands strenge Anforderungen zu stellen (, BFHE 238, 499, BStBl II 2013, 104, Rz 24). Für die Fälle des Rechtsstreits über einen Abrechnungsbescheid und des Erlasses von Steuern nach § 227 AO hat die Rechtsprechung eine Analogie abgelehnt (, BFHE 150, 298, BStBl II 1987, 702; in BFHE 153, 490, BStBl II 1988, 865, unter II.4.).

10 c) Das (BFH/NV 2006, 1435) führt zu keinem anderen Ergebnis. Der I. Senat hat darin Prozesszinsen wegen einer besonderen Verfahrenskonstellation zugesprochen. Für „Streitigkeiten im Erhebungsverfahren ohne Bezug zu einer Steuerfestsetzung“ (BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 1435, unter II.2.) hat er aber an der bisherigen Rechtsprechung festgehalten.

11 d) Der BFH hat sich auch bereits mit dem Argument befasst, das Ergebnis sei aus der Sicht des Steuerpflichtigen unbefriedigend (so Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 236 AO Rz 6). Die Beschränkung der Prozesszinsen muss dennoch, weil vom Gesetzgeber gewollt, beachtet werden; von einem allgemeinen Rechtsgrundsatz auf (angemessene) Verzinsung rückständiger Staatsleistungen kann nicht ausgegangen werden (vgl. , BFHE 182, 253, BStBl II 1997, 476, unter II.2.b; BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 1055).

12 e) Für den Erlass von Grundsteuer nach § 33 GrStG gelten keine anderen Maßstäbe. Es handelt sich dabei um eine dem Erlass nach § 227 AO vergleichbare Entscheidung, die im Steuererhebungsverfahren getroffen wird (vgl. , BFH/NV 2009, 7, unter II.1.). Dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Nr. 3 GrStG ein Rechtsanspruch auf Erlass der Grundsteuer besteht (BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 7, unter II.1., m.w.N.), ist für die Frage der Verzinsung des Erstattungsbetrags nach § 236 Abs. 1 Satz 1 AO ohne Bedeutung.

13 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

14 4. Von einer weiteren Begründung, insbesondere der Darstellung des Tatbestands, sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2020:B.200420.IIB22.19.0

Fundstelle(n):
BFH/NV 2020 S. 857 Nr. 10
KAAAH-53143