Besitzen Sie diesen Inhalt bereits, melden Sie sich an.
oder schalten Sie Ihr Produkt zur digitalen Nutzung frei.

Dokumentvorschau
NWB Nr. 27 vom Seite 1996

Folgen der Entscheidung der Europäischen Kommission zur Freigabe der Sanierungsklausel

Entlastung oder Benachteiligung für Kleinstkapitalgesellschaften?

Maximilian Kirchhoff

[i]EU-Kommission, Pressemitteilung v. 22.1.2020 zur „Sanierungsklausel“Die Europäische Wettbewerbsaufsicht ist zu dem Schluss gekommen, dass die deutsche Steuervergünstigung für notleidende Unternehmen keine staatliche Beihilfe im Sinne der EU-Vorschriften darstellt und hat damit die Anwendung der Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG gebilligt. Demzufolge kann unter den in § 8c Abs. 1a KStG genannten Voraussetzungen ein schädlicher Beteiligungserwerb verhindert werden. Fraglich ist jedoch, für wen dieser Beschluss eine tatsächliche Entlastung darstellt. In dem vorliegenden Aufsatz wird schwerpunktmäßig die problematische Anwendung der Sanierungsklausel für Kleinstkapitalgesellschaften dargestellt.

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .

I. Sanierungsklausel – Ausgangsproblematik

[i]Ziel der SanierungsklauselDer Gesetzgeber hat mit der Einführung der sog. Sanierungsklausel in § 8c Abs. 1a KStG rückwirkend zum die Möglichkeit geschaffen, den Verlustvortrag trotz eines schädlichen Beteiligungserwerbs i. S. des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG weiter fortzuführen. Ziel der Sanierungsklausel war es, im Rahmen der Finanzkrise sanierungsfähige Unternehmen bei der Kapitalbeschaffung durch Investoren zu unterstützen.

[i] Dörr, NWB 9/2011 S. 690Die EU-Kommission vertrat im Beschluss v.  - K (2011)275 (ABl EU 2011 Nr. L 235 S. 26) die Auffassung, dass § 8c Abs. 1a KStG nur für überschuldete Unternehmen anwendbar sei. Für gesunde Unternehmen, die Verluste verzeichnen, und für zahlungsunfähige Unternehmen käme ein Verlustvortrag demnach nicht infrage. Die Kommission sah hierin eine selektive Maßnahme, welche mit Art. 107 Abs. 3 Buchst. b und c AEUV nicht vereinbar sei und somit eine staatliche Beihilfe darstelle.

Die Bundesrepublik Deutschland führte in der Stellungnahme zur Entscheidung der EU-Kommission aus, dass die Sanierungsklausel dem Grundsatz des privaten Gläubigers Rechnung trage, nicht selektiv und durch die Natur und den inneren Aufbau des deutschen Steuersystems gerechtfertigt sei. Besonders der Selektivität wird entgegnet, „dass die Tatsache, dass bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige mehr als andere in den Genuss derartiger steuerlichen Maßnahmen gelangen, [...] nicht zwangsläufig zur Folge hat, dass diese in den Anwendungsbereich der für staatliche Beihilfen relevanten Wettbewerbsvorschriften fallen.“ Gesunde Unternehmen könnten gegenüber Sanierungsunternehmen ohnehin leichter Fremdkapital generieren. Für betroffene Unternehmen verbleibt oft nur die Beschaffung von Kapital durch einen neuen Gesellschafter. Der Untergang des Verlustvortrags würde hier einen Nachteil für diese Unternehmen darstellen. Dieser Auffassung folgte die Kommission nicht und forderte die Bundesrepublik Deutschland auf, alle gewährten Beihilfen von den Begünstigten S. 1997zurückzufordern. Der Gesetzgeber hat daraufhin im Rahmen des Beitreibungsrichtlinien-Umsetzungsgesetzes die Regelung bis zur Entscheidung des EuGH unter Anwendungsvorbehalt gem. § 34 Abs. 7c KStG a. F. gesetzt.

[i]Knebelsberger/ Loose, NWB 38/2018 S. 2772Die erhobene Nichtigkeitsklage durch die Bundesrepublik wurde aufgrund des Überschreitens der Klagefrist abgewiesen. Auch die Nichtigkeitsklagen von Unternehmen wurden vom EuG abgewiesen und die Kommissionsauffassung zur Selektivität bestätigt (z. B. „Heitkamp Bauholding GmbH“, NWB EAAAF-66134). Gegen diese Urteile haben die Unternehmen beim EuGH Rechtsmittel eingelegt. Dieser widersprach in seinen Urteilen (u. a. , NWB JAAAG-87474) dem EuG und erklärte die Entscheidung der Kommission über den Beihilfecharakter der Sanierungsklausel aus dem Jahr 2011 für nichtig.

Infolge dieser EuGH-Urteile wurde die Entscheidung der EU-Kommission suspendiert. Der Gesetzgeber hat mit dem JStG 2018 den Anwendungsvorbehalt aufgehoben (§ 34 Abs. 6 Satz 3 und 4 KStG). Nun hat die Europäische Wettbewerbsaufsicht die Anwendung des § 8c Abs. 1a KStG rückwirkend zum freigegeben (s. auch NWB 6/2020 S. 386).