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NWB Nr. 24 vom Seite 1790

Sachverhaltsaufklärung bei Geschäften mit Kryptowährungen, eine nur schwer zu tragende Feststellungslast der Finanzverwaltung

Vorschläge für eine Vereinfachung

Oliver Christian Schroen

[i]FG Nürnberg, Beschluss v. 8.4.2020 - 3 V 1239/19, NWB HAAAH-48829 Das FG Nürnberg hat aktuell eindringlich darauf hingewiesen, dass die Finanzbehörden bei der Festsetzung von Steuern den Untersuchungsgrundsatz zu beachten haben. Dieser besagt, dass zunächst der gegebene Sachverhalt von Amts wegen genauestens untersucht werden muss. Dies gilt insbesondere bei neuen und komplexen Sachverhalten wie den privaten Geschäften mit Kryptowährungen. Erst danach kann die rechtliche Würdigung erfolgen, ob der Tatbestand, an den das Gesetz eine Steuerleistungspflicht knüpft, auch jeweils gegeben ist. Die Finanzämter, welche die Feststellungslast zu tragen haben, stehen somit in doppelter Weise vor erheblichen Problemen. Diese werden nachfolgend anhand der sog. Kryptowährung Bitcoin beschrieben. Anschließend werden Vorschläge zur Vereinfachung unterbreitet.

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .

S. 1791

I. AdV-Beschluss des FG Nürnberg

[i]Andres, NWB-Eilnachricht 17/2020 S. 1236, NWB TAAAH-47036 In seinem AdV-Beschluss v.  - 3 V 1239/19 ( NWB HAAAH-48829) stellte das FG Nürnberg fest: „Letztlich sollte bei der Qualifizierung einer Kryptowährung als Wirtschaftsgut schon möglichst klar sein (...), worüber man eigentlich entscheidet.“ „Voraussetzung einer „richtigen“ Entscheidung ist die vollständige und zutreffende Erfassung und Aufklärung des Sachverhalts, über den zu entscheiden ist (§ 88 AO).“ Betont wird, dass bei der Besteuerung von privaten Geschäften mit „Krypto-Assets“ nicht der Steuerpflichtige die genauen rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhänge und technischen Vorgänge kennen muss, also den Tatbestand, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 3 AO), sondern die Finanzbehörde: „Da es sich hierbei um einen steuerhöhenden Sachverhalt handelt, trägt die Finanzbehörde insoweit die Feststellungslast.“

II. Erheblicher Aufwand für die Finanzbehörden

[i]Sind „Bitcoin und Co.“ Wirtschaftsgüter gemäß der gefestigten BFH-Rspr.?Das FG Nürnberg hatte ernstliche Zweifel an der Besteuerung von privaten Geschäften mit „Krypto-Währungen“, sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht. Bei einer so komplexen und neuen Materie reicht es für die geforderte „vollständige Aufklärung“ nicht aus, die Besteuerungsmöglichkeit von „Krypto-Assets“ nur allgemein zu untersuchen, um zu einer zutreffenden rechtlichen Würdigung im Einzelfall zu gelangen. Für eine richtige Besteuerung müssen vielmehr alle Erkenntnisse und Hinweise, auch die der Steuerpflichtigen, in eine Prüfung jedes einzelnen Sachverhalts, d. h. jedes einzelnen Geschäfts bezüglich der daran beteiligten von weit über 5.000 Kryptowährungen eingehen.

Um private Geschäfte mit „Krypto-Assets“ besteuern zu dürfen, kommt der Wirtschaftsguteigenschaft des jeweils zu beurteilenden „Krypto-Assets“ entscheidende Bedeutung zu (s. dazu schon Schroen, DStR 2019 S. 1369). Deshalb soll im Folgenden anhand des Bitcoin-Netzwerks (als Vertreter des „Proof-of-Work“ Konsensus-Mechanismus) vereinfacht dargestellt werden, was Bitcoins sind, wie Bitcoins entstehen und an welcher Stelle die Besteuerung von Bitcoingeschäften ggf. ansetzen könnte.

Nachfolgend wird versucht, Virtuelles mit herkömmlichen Begriffen aus der Realwelt zu beschreiben und steuerlich einzuordnen, was notwendigerweise ohne neue Begriffe und Definitionen nur teilweise gelingen kann.