Betriebsstätten ohne Personalfunktion (sog. funktionslose Betriebsstätten)
Bezug: BStBl 2017 I S. 182
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder werden die Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung - VWG BsGa in der Fassung vom (BMF IV B 5 - S 1341/12/10001-03; BStBl I 2017 S. 182) um die nachfolgend aufgeführte Textziffer 6a (Neu) ergänzt:
„Im Fall einer Betriebsstätte ohne maßgebliche Personalfunktion (z. B. Wind-, Solarkraftanlagen usw.) kann die Zugehörigkeit der Betriebsstätte zum Unternehmen ebenfalls eine andere Behandlung erfordern. Für die Frage der Zuordnung von Wirtschaftsgütern und der Gewinnaufteilung können die Grundsätze der Textziffern 66 [1] und 75 [2] des Berichtes über die Zurechnung von Gewinnen zu Betriebsstätten der OECD vom [3] angewandt werden.“
BMF v. - IV B 5 - S 1341/19/10010 :003
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2020 I Seite 84
DStR 2019 S. 2700 Nr. 51
EStB 2020 S. 24 Nr. 1
IStR 2020 S. 200 Nr. 5
NAAAH-38329
1Ein interessanter Fall kann sich im Bereich des E-Commerce unter Bedingungen ergeben, bei denen anerkannt ist, dass der Standort eines Servers an sich bereits als Betriebsstätte gilt, da an diesem Standort Funktionen ohne Personal wahrgenommen werden können. Es sind jedoch dieselben Grundsätze anzuwenden, und bei der Funktionsanalyse wird ermittelt, welche automatisierten Funktionen von der Server-Betriebsstätte wahrgenommen werden sowie welche Vermögenswerte eingesetzt und welche Risiken übernommen werden. Der Diskussionsentwurf der Business Profits Technical Advisory Group mit dem Titel „Attribution of Profit to a Permanent Establishment Involved in Electronic Commerce Transactions“ von 2001 wie auch der 2004 fertiggestellte Abschlussbericht dieser Arbeitsgruppe mit dem Titel „Are the Current Treaty Rules for Taxing Business Profits Appropriate for E-Commerce?“ kamen zu dem Schluss, dass der Automatisierungsaspekt der Funktionen bedeutet, dass es sich bei den der Betriebsstätte zugerechneten Vermögenswerten und zugeordneten Risiken wahrscheinlich nur um diejenigen handelt, die direkt mit der Server-Hardware verbunden sind. Da eine Server-Betriebsstätte angesichts des Fehlens von für das Unternehmen tätigem Personal keine für die Zurechnung des Eigentums an Wirtschaftsgütern oder Vermögenswerten und/oder die Zuordnung von Risiken wesentlichen Personalfunktionen wahrnimmt, könnten dieser Betriebsstätte im Rahmen des AOA tatsächlich keine Vermögenswerte oder Risiken zugeordnet werden, was die Schlussfolgerung bestätigt, dass einer solchen Betriebsstätte nur ein geringer bzw. gar kein Gewinn zugerechnet würde.
2Bei den
Beratungen der OECD-Mitgliedstaaten über die Zuordnung materieller
Wirtschaftsgüter im Gesamtunternehmen wurden unterschiedliche Auffassungen zum
Ausdruck gebracht. An einem Ende des Spektrums der geäußerten Ansichten wurde
befürwortet, auf materielle Wirtschaftsgüter die in Abschnitt B-3 Tz. 3 (i)
dargelegten allgemeinen Grundsätze anzuwenden, d. h. materielle
Wirtschaftsgüter auf der Basis einer Bestimmung der für das wirtschaftliche
Eigentum an den besagten Gütern relevanten wesentlichen Personalfunktionen
mittels einer Funktions- und Sachverhaltsanalyse des jeweiligen Falls
zuzuordnen. Am anderen Ende des Spektrums wurde die Ansicht vertreten, dass der
Ort der Nutzung der materiellen Wirtschaftsgüter das einzige Kriterium sein
solle, um sie einer Betriebsstätte zuzuordnen, vor allem in den Fällen, in
denen eine feste Geschäftseinrichtung (Artikel 5 Absatz 1) gerade wegen des
Vorhandenseins dieser materiellen Wirtschaftsgüter im Betriebsstättenstaat
existiere. Nach Erörterung der praktischen Auswirkungen jeder dieser beiden
Optionen zogen die OECD-Mitgliedstaaten den Schluss, dass sie in der Praxis in
den meisten Fällen mit beiden Optionen zu denselben bzw. nicht wesentlich
unterschiedlichen Ergebnissen gelangen dürften, d. h.:
Wenn eine
Betriebsstätte als wirtschaftlicher Eigentümer des materiellen Wirtschaftsguts
behandelt wird, hat sie in der Regel Anspruch auf Steuerabzüge auf Grund von
Wertminderung (im Fall abschreibbarer Güter) und Zinszahlungen (im Fall ganz
oder teilweise durch Schuldenaufnahme finanzierter Güter).
Wenn
eine Betriebsstätte wie der Mieter/Pächter eines materiellen Wirtschaftsguts
behandelt wird, hat sie in der Regel Anspruch auf bestimmte Abzüge, z. B. für
Mietzahlungen.
Die während der wirtschaftlichen Lebensdauer des
Vermögenswerts gewährten Abzüge dürften zwar in der Praxis in beiden Fällen
nicht wesentlich voneinander abweichen, doch können natürlich beide Fälle in
einem bestimmten Jahr oder über mehrere Jahre hinweg zu recht unterschiedlichen
Gewinnzurechnungen führen. Auf Grund dieser Tatsache herrschte unter den
OECD-Mitgliedstaaten allgemeines Einvernehmen darüber, dass für die Zuordnung
des wirtschaftlichen Eigentums an materiellen Wirtschaftsgütern die Nutzung als
Grundlage dienen sollte, soweit nicht in einem besonderen Fall Umstände gegeben
sind, die eine andere Auffassung rechtfertigen würden. Dies wird als
pragmatische Lösung für die Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums an
materiellen Wirtschaftsgütern im Rahmen des AOA betrachtet.
3Englischer Titel: „Report on the attribution of profits to permanent establishments, 22 July 2010“