Kindergeldanspruch bei Wohnsitzen des Steuerpflichtigen in Deutschland und in Polen
Gewerbeanmeldung in Deutschland
Überschreitung der Einkommensgrenzen für polnische Familienleistungen und Verzicht der Ehefrau auf Kindergeldanspruch
vorübergehende Unterbrechung der Arbeitsleistungen im Rahmen des Gewerbes
Zeiten nach Abmeldung des Gewerbes
Leitsatz
1. Im Prozesskostenhilfeverfahren: Hat ein Steuerpflichtiger, der im Inland eine selbständige Erwerbstätigkeit (Gewerbeanmeldung)
ausübt, einen Wohnsitz im Inland und zusätzlich einen gemeinsamen Wohnsitz mit der nicht erwerbstätigen Ehefrau und den gemeinsamen
Kindern in Polen, werden in Polen Familienleistungen wegen Überschreitung der Einkommensgrenzen nicht gezahlt und hat die
Ehefrau ihr Einverständnis mit dem Kindergeldbezug durch den Ehemann erklärt, so ist der Ehemann in Deutschland kindergeldanspruchsberechtigt.
2. Im Prozesskostenhilfeverfahren: Hat der Steuerpflichtige in Deutschland ein Gewerbe angemeldet und zwischen unstreitigen
Zeiten der tatsächlichen Ausübung des Gewerbes mehrere Monate keine Arbeitsleistungen im Rahmen seiner Erwerbstätigkeit ausgeübt,
so kann für den Kindergeldanspruch nicht davon ausgegangen werden, dass er in diesen Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung
keine „selbständige Erwerbstätigkeit” i.S. von Art. 11 Abs. 3 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/2004 ausgeübt hat. Saison- und/oder
konjunkturbedingte Umsatzausfälle sind für selbständige Erwerbstätigkeiten nicht ungewöhnlich und können nicht ohne Weiteres
zum Anlass genommen werden, das Vorliegen einer selbständigen Erwerbstätigkeit auszuschließen, zumal das Akquirieren von Aufträgen,
die Abrechnung von abgewickelten Projekten, die Beitreibung von ausstehenden Forderungen oder die Planung künftiger Tätigkeit
der selbständigen Erwerbstätigkeit immanent ist. Die Kindergeldanspruchsberechtigung des Steuerpflichtigen entfällt jedoch
nach der Abmeldung des Gewerbes, wenn der Steuerpflichtige nunmehr keine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit
ausübt.
3. Im Prozesskostenhilfeverfahren: Die BFH-Rechtsprechung, wonach ein Kindergeldberechtigter im Sinne des § 62 Abs. 1 Nr.
2 Buchst. b EStG, also ein nach § 1 Abs. 3 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelter Anspruchsteller, nur für
die Monate kindergeldberechtigt ist, in denen er Einkünfte in Deutschland erzielt (vgl. ),
ist nicht auf Kindergeldberechtigte im Sinne des § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG, also für im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG unbeschränkt
einkommensteuerpflichtige Anspruchsteller, die in Deutschland einen Wohnsitz haben, anwendbar.
4. Das Urteil, EuGH, Urteil v. , C-322/17 (Bogatu) sowie das Urteil des BFH, Urteil v. , III R 18/16 sind
dahingehend zu verstehen, dass unmittelbar nach dem Ende eines Beschäftigungsverhältnisses die Kindergeldberechtigung nach
den unionsrechtlichen Antikumulierungsvorschriften auf dem Wohnsitz des Kindergeldberechtigten im Sinne des Art. 11 Abs. 3
Buchst. e) VO (EG) Nr. 883/2004 beruht.
Fundstelle(n): HAAAH-28287
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