Ohne organisatorische Maßnahmen zur Vermeidung einer Fristversäumnis keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung
der Einspruchsfrist bei Beauftragung qualifizierter Hilfspersonen mit der Berechnung der Einspruchsfrist sowie der Überprüfung
von Steuerbescheiden und unterbliebener Benachrichtigung über den Ablauf der Einspruchsfrist
Leitsatz
1. Wird eine Hilfsperson, d.h. eine nicht zur Vertretung bestellte oder beauftragte Person, bei fristwahrenden Maßnahmen tätig,
wird deren Verschulden dem Beteiligten nach § 110 Abs. 1 Satz 2 AO nicht zugerechnet. Sofern ein Verschulden einer Hilfsperson
vorliegt, muss der Steuerpflichtige für deren Verschulden nur einstehen, sofern er bei Auswahl, Unterweisung und Beaufsichtigung
der Hilfspersonen schuldhaft (Eigenverschulden) gehandelt hat. Ein Büroversehen begründet nur dann kein Verschulden, wenn
es allein für die Fristversäumung ursächlich war.
2. Hat die Steuerpflichtige qualifizierte Hilfspersonen mit der Prüfung von Steuerbescheiden sowie der Berechnung des Ablaufs
der Einspruchsfrist beauftragt (hier: anderes Konzernunternehmen sowie Wirtschaftsprüfungsgesellschaft), diese aber nicht
zu Vertretern bei der Vornahme fristwahrender Handlungen bestellt, so muss sie selbst durch geeignete organisatorische Maßnahmen
sicherstellen, dass der Zugang der Bescheide erfasst, das Ende der Einspruchsfrist zutreffend berechnet wird sowie der rechtzeitige
Zugang des Einspruchs beim Finanzamt gewährleistet ist. Hat sie keine organisatorischen Maßnahmen getroffen, zudem die – eindeutig
ersichtlich zu Steuernachforderungen führenden – Bescheide erst kurz nach Ablauf der Einspruchsfrist an die Hilfspersonen
weitergeleitet und ist sie von den Hilfspersonen nicht über den Ablauf der Einspruchsfrist informiert worden, so kommt eine
nachträgliche Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist nicht in Betracht.
Fundstelle(n): EFG 2019 S. 846 Nr. 11 KAAAH-15802
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