Sozialgerichtliches Verfahren - Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit - völlig ungeeigneter bzw unstatthafter Rechtsbehelf gegen Zurückweisungsbeschluss - Selbstentscheidung des abgelehnten Richters - Gebot des gesetzlichen Richters
Leitsatz
Ein völlig ungeeigneter und unstatthafter Rechtsbehelf gegen einen Beschluss, der ein Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit rechtskräftig zurückweist, hindert den abgelehnten Richter nicht, in der Sache zu entscheiden.
Gesetze: Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 60 Abs 1 SGG, § 42 ZPO, § 45 Abs 1 ZPO, § 46 Abs 2 ZPO
Instanzenzug: Az: S 10 KR 1955/16vorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg Az: L 5 KR 2753/17 Beschlussvorgehend Az: B 1 KR 71/17 B Beschluss
Gründe
1I. Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger ist mit seinem wiederholten Begehren auf Kostenübernahme für eine privatärztliche Eingliederung festen Zahnersatzes, weitere zahnmedizinische Behandlung und prothetische Versorgung in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Klage sei bereits mangels vorab durchgeführten Verwaltungsverfahrens unzulässig (Beschluss vom ). Der erkennende Senat hat den Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Beschluss Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, abgelehnt und seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Beschluss als unzulässig verworfen (Beschluss vom ).
2Gegen den BSG-Beschluss wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde und "außerordentlichen Beschwerde" ua wegen Grundrechtsverletzung und Verletzung des rechtlichen Gehörs. Sein zeitgleich erhobenes Gesuch, die vier planmäßigen Berufsrichter des erkennenden Senats wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, hat der erkennende Senat in anderer Besetzung zurückgewiesen (; zugestellt am ). Der Kläger wendet sich nun auch gegen diesen Beschluss und macht zugleich die Besorgnis der Befangenheit gegenüber den am Beschluss vom beteiligten Richterinnen und dem beteiligten Richter geltend.
3II. Der erkennende Senat entscheidet in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung. Die Beschwerde, außerordentliche Beschwerde und Gegenvorstellung des Klägers gegen den werden als unzulässig verworfen (dazu insgesamt 1.). Der sinngemäß gestellte Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts, ist abzulehnen. Die Anhörungsrüge gegen die Ablehnung, PKH zu bewilligen, ist zu verwerfen (dazu 2.). Die Anhörungsrüge gegen die Verwerfung seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist ebenso zu verwerfen wie seine Gegenvorstellung gegen die Verwerfung seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (dazu 3.).
41. Der erkennende Senat kann über die Rechtsbehelfe des Klägers gegen die BSG-Beschlüsse vom und vom in der nach dem Geschäftsverteilungsplan des BSG vorgeschriebenen Besetzung entscheiden, obwohl sich der Kläger mit seiner "Beschwerde" und "außerordentlichen Beschwerde" gegen den Beschluss vom wendet und die am Beschluss vom beteiligten Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnt. Denn die geschäftsplanmäßig berufenen Richter sind nach dem rechtskräftigen Beschluss vom nicht befangen. Die "Beschwerde" und "außerordentliche Beschwerde" gegen diesen Beschluss hindern den erkennenden Senat nicht an einer Entscheidung, denn sie sind offensichtlich unzulässig. Das Ablehnungsgesuch gegen die am Beschluss vom beteiligten Richter geht ins Leere. Diese sind nach dem Geschäftsverteilungsplan nicht zur Entscheidung berufen (vgl auch - Juris RdNr 4).
5a) Die Vorschriften über die Ausschließung und Ablehnung von Richtern dienen dem durch das Gebot des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 S 2 GG) verbürgten Ziel, auch im Einzelfall die Neutralität und Distanz der zur Entscheidung berufenen Richter zu sichern. Für den Sozialgerichtsprozess enthält § 60 SGG, dessen Abs 1 auf die entsprechende Geltung von §§ 41 bis 46 Abs 1 und von §§ 47 bis 49 ZPO verweist, Regelungen über das Verfahren zur Behandlung des Ablehnungsgesuchs. Sie bestimmen, dass das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung zur Entscheidung auf der Grundlage einer dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters berufen ist. Durch die Zuständigkeitsregelung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es nach der Natur der Sache an der völligen inneren Unbefangenheit und Unparteilichkeit eines Richters fehlen wird, wenn er über die vorgetragenen Gründe für seine angebliche Befangenheit selbst entscheiden müsste (BVerfGK 11, 434, 441; BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 1 BvR 2228/06 - NJW 2007, 3771, 3772). In der sozialgerichtlichen Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, dass abweichend von diesem Grundsatz und vom Wortlaut des § 45 Abs 1 ZPO der Spruchkörper ausnahmsweise in ursprünglicher Besetzung unter Mitwirkung des abgelehnten Richters über unzulässige Ablehnungsgesuche in bestimmten Fallgruppen entscheidet. Hierzu zählen die Ablehnung eines ganzen Gerichts als solchem, das offenbar grundlose, nur der Verschleppung dienende und damit rechtsmissbräuchliche Gesuch und die Ablehnung als taktisches Mittel für verfahrensfremde Zwecke (vgl zB BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 6; - Juris RdNr 7; Sommer in Zeihe/Hauck, SGG, Stand , Anhang 8 § 45 ZPO Anm 1c, § 42 ZPO Anm 6h mwN; Sommer in Zeihe/Hauck, SGG, aaO, § 60 Anm 5a mwN). Das Gebot des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 S 2 GG) lässt bei einem gänzlich untauglichen oder rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuch eine Selbstentscheidung der abgelehnten Richter zu, wenn sich hierbei jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens erübrigt ( - Juris RdNr 20 ff = NJW 2007, 3771 f; - Juris RdNr 13 ff, insbesondere RdNr 17 f; BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 6 RdNr 10; - Juris RdNr 8). Diese Grundsätze gelten erst recht dann, wenn ein Beteiligter gegen den Beschluss, der sein Ablehnungsgesuch rechtskräftig zurückweist, völlig ungeeignete, insbesondere unstatthafte Rechtsbehelfe einlegt. Ein völlig ungeeigneter, unstatthafter Rechtsbehelf gegen einen Beschluss, der ein Ablehnungsgesuch zurückweist, kann keine weitergehenden Folgen haben, als ein völlig ungeeignetes Ablehnungsgesuch gegen die zur Entscheidung berufenen Richter.
6b) Der Kläger beruft sich mit den Rechtsbehelfen gegen den darauf, sein an das BSG gegen den LSG-Beschluss gerichtetes Rechtsschutzbegehren sei zulässig und begründet. Die nun abgelehnten Richter hätten dem Amtsermittlungsgrundsatz folgend Ursachen und Zusammenhänge ermitteln müssen, welche den seit Jahrzehnten fortbestehenden Bezug von Sozialleistungen und seine Grundrechtsverletzungen, insbesondere den rechtswidrigen Eigentumsentzug begründeten. Sie hätten erkennen müssen, dass Art 19 Abs 4 GG ihm den Rechtsweg eröffne. Auch stehe ihm, dem Kläger, PKH zu. Er bezeichnet die Rechtsbehelfe als "Beschwerde" und bei greifbarer Gesetzeswidrigkeit als "außerordentliche Beschwerde" und erhebt damit sinngemäß zugleich Gegenvorstellung gegen den die Richterablehnungen zurückweisenden Beschluss vom .
7c) Die Rechtsbehelfe des Klägers gegen den seine Befangenheitsgesuche zurückweisenden sind völlig ungeeignet. Eine "Beschwerde" oder "außerordentliche Beschwerde" gegen Beschlüsse, die über ein Ablehnungsgesuch entscheiden, ist im Verfahren nach dem SGG unstatthaft (vgl Sommer in Zeihe/Hauck, SGG, Stand , Anhang 8 § 46 ZPO Anm 1a mwN). § 60 Abs 1 SGG verweist bewusst nicht auf § 46 Abs 2 ZPO, der für Beschlüsse, die Ablehnungsgesuche für unbegründet erklären, die sofortige Beschwerde eröffnet.
8Soweit der Kläger sinngemäß mit seiner "außerordentliche Beschwerde" zudem Gegenvorstellung gegen den erhebt, ist die Gegenvorstellung unzulässig. Eine Gegenvorstellung kann nur noch gegen eine - vorliegend nicht gegebene - abänderbare Entscheidung des Gerichts erhoben werden (vgl - BFH/NV 2012, 438, RdNr 1; BVerfGE 122, 190, 203 = Juris RdNr 39; - RdNr 9). Die Gegenvorstellung ist nämlich kein gesetzlich geregelter Rechtsbehelf. Es ist ausgeschlossen, gesetzlich geregelte Bindungen des Gerichts an seine eigenen Entscheidungen, wie insbesondere die Innenbindung während des laufenden Verfahrens nach § 202 S 1 SGG iVm § 318 ZPO, ohne gegenläufige gesetzliche Grundlage zu übergehen (vgl BVerfGE 122, 190, 203 = Juris RdNr 39; - RdNr 5). Der Beschluss über die Richterablehnung unterliegt der Innenbindung während des laufenden Verfahrens nach § 202 S 1 SGG iVm § 318 ZPO (vgl Sommer in Zeihe/Hauck, SGG, Stand , § 60 Anm 5a dd) mwN).
92. Der sinngemäß erneut gestellte Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für ein Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im ist abzulehnen (dazu a), ebenso der sinngemäß gestellte Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für ein Verfahren der Anhörungsrüge und für ein Verfahren der Gegenvorstellung gegen den die Beschwerde als unzulässig verwerfenden (dazu b). Die Anhörungsrüge gegen den PKH abzulehnen, ist unzulässig (dazu c).
10a) Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 114, 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für ein Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn - ua - die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es.
11Der Kläger kann aller Voraussicht nach mit seinem Begehren auf Zulassung der Revision nicht durchdringen, weil es keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Nach Durchsicht der Akten fehlen auch unter Würdigung seines Vorbringens Anhaltspunkte dafür, dass er einen der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe darlegen könnte (vgl ausführlich - Juris RdNr 4 ff).
12b) Der Kläger kann aller Voraussicht nach mit seinem sinngemäß gestellten Antrag auf PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für ein Verfahren der Anhörungsrüge und für ein Verfahren der Gegenvorstellung gegen den nicht durchdringen, da ein solches Verfahren keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Der erkennende Senat hat nämlich weder das rechtliche Gehör des Klägers verletzt noch hat eine Gegenvorstellung gegen die Verwerfung der Beschwerde - wie dargelegt - hinreichende Aussicht auf Erfolg.
13c) Die Gehörsrüge des Klägers gegen die PKH-Ablehnung im Beschluss vom ist unzulässig. Der Kläger legt die Voraussetzung einer entscheidungserheblichen Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Gericht (vgl § 178a Abs 1 S 1 Nr 2 SGG) nicht dar (§ 178a Abs 2 S 5 SGG). Er bezeichnet keine derartige Verletzung, sondern greift nur die vermeintliche Unrichtigkeit der Entscheidung vom an.
143. Die Anhörungsrüge des Klägers, die sich gegen die Verwerfung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Beschluss richtet, ist als unzulässig zu verwerfen (dazu a), ebenso die Gegenvorstellung des Klägers gegen die Verwerfung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Beschluss (dazu b).
15a) Der Kläger legt die Voraussetzungen einer entscheidungserheblichen Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Gericht (vgl § 178a Abs 1 S 1 Nr 2 SGG) nicht dar (§ 178a Abs 2 S 5 SGG). Er bezeichnet keine derartige Verletzung, sondern greift nur die vermeintliche Unrichtigkeit der Entscheidung des erkennenden Senats () an.
16Zudem ist der Kläger insoweit nicht postulationsfähig. Vor dem BSG müssen sich die Beteiligten, außer im PKH-Verfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen (§ 73 Abs 4 S 1 SGG). Der Kläger, der nicht zu dem Kreis der zugelassenen Prozessbevollmächtigten gehört, hat die Anhörungsrüge jedoch selbst erhoben.
17b) Die Gegenvorstellung des Klägers gegen den Beschluss des erkennenden Senats vom , seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Beschluss zu verwerfen, ist unzulässig. Eine Gegenvorstellung kann, wie oben dargelegt, nur noch gegen eine - vorliegend insoweit nicht gegebene - abänderbare Entscheidung des Gerichts erhoben werden. Zudem ist der Kläger auch insoweit nach den soeben dargelegten Grundsätzen nicht postulationsfähig. Er hat die Gegenvorstellung jedoch selbst eingelegt.
184. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
195. Der Beschluss über die Anhörungsrüge ist unanfechtbar (§ 178a Abs 4 S 3 SGG). Der Senat weist daraufhin, dass er vergleichbare Eingaben des Klägers in dieser Sache zukünftig nicht mehr verbescheidet. Macht ein Beteiligter wiederholt mit im Kern gleichen Begründungen Eingaben, bedarf es auf Dauer nicht mehr der Entscheidung hierüber (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 17 RdNr 7-8).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2018:080818BB1KR1218C0
Fundstelle(n):
XAAAH-12043