BGH Beschluss v. - V ZB 184/17

Zulässiger Haftantrag für eine Haftanordnung

Gesetze: § 62 Abs 1 FamFG, § 70 Abs 3 S 1 Nr 3 FamFG, § 417 Abs 2 S 2 Nr 4 FamFG, § 426 Abs 2 S 1 FamFG, § 426 FamFG

Instanzenzug: LG Arnsberg Az: I-5 T 203/17vorgehend AG Soest Az: 25 XIV (B) 8/17

Gründe

I.

1Der Betroffene, ein marokkanischer Staatangehöriger, reiste am in das Bundesgebiet ein und stellte am unter einem Aliasnamen einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stellte mit Bescheid vom , bestandskräftig geworden am , das Asylverfahren ein. Der Betroffene wurde aufgefordert, innerhalb einer Woche das Bundesgebiet zu verlassen; seine Abschiebung nach Algerien wurde angedroht. Der Betroffene kam der Ausreisepflicht nicht nach und war unbekannten Aufenthalts. Im November 2016 wurde er aus den Niederlanden nach Deutschland rücküberstellt. Er ersuchte im Dezember 2016 um Asyl; einen förmlichen Asylantrag stellte er nicht. Das BAMF änderte mit Bescheid vom die Abschiebungsandrohung dahingehend, dass dem Betroffenen eine Abschiebung nach Marokko angedroht wurde.

2Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum angeordnet. Am hat der Betroffene beantragt, die Haft aufzuheben und festzustellen, dass der Beschluss des Amtsgerichts ihn ab dem Eingang des Haftaufhebungsantrags bei Gericht in seinen Rechten verletzt hat. Das Amtsgericht hat den Antrag auf Aufhebung der Haft mit Beschluss vom zurückgewiesen. Auf die Beschwerde hat es mit Beschluss vom die angeordnete Haft für den Zeitraum nach dem aufgehoben; im Übrigen hat es der Beschwerde nicht abgeholfen. Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde möchte der Betroffene, der am nach Marokko abgeschoben worden ist, weiterhin die Feststellung erreichen, dass der Beschluss des Amtsgerichts ihn für die Zeit vom bis zum in seinen Rechten verletzt hat. Die beteiligte Behörde beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

II.

3Die mit dem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG statthafte (§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist zum Teil begründet. Der Haftanordnungsbeschluss des Amtsgerichts hat den Betroffenen in der Zeit vom bis zum in seinen Rechten verletzt. Dies hätte sowohl das Amtsgericht als auch das Beschwerdegericht feststellen müssen.

41. Der Betroffene hat bereits bei dem Amtsgericht die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft beantragt. Dieser Antrag ist zulässig. Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Haftanordnungsbeschlusses entgegen dem insoweit zu engen Wortlaut des § 62 Abs. 1 FamFG nicht nur im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens, sondern auch im Rahmen eines Haftaufhebungsverfahrens gemäß § 426 Abs. 2 Satz 1 FamFG gestellt werden (Senat, Beschluss vom - V ZB 3/15, InfAuslR 2016, 56 Rn. 8 mwN). Da die formelle Rechtskraft der Entscheidung über die Haftanordnung nicht durch einen Antrag auf Haftaufhebung durchbrochen werden kann, kann die Rechtswidrigkeit der Haft allerdings erst ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Haftaufhebungsantrags bei Gericht festgestellt werden (Senat, Beschluss vom - V ZB 170/12, InfAuslR 2013, 157 Rn. 7; Beschluss vom - V ZB 3/15, aaO Rn. 10; Beschluss vom - V ZB 95/17, juris Rn. 5); dies hat der Betroffene bei der Antragstellung beachtet.

52. Der Feststellungsantrag ist teilweise begründet.

6a) Das Beschwerdegericht geht im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass die Haftanordnung nicht hätte ergehen dürfen, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlte. Die Angaben der beteiligten Behörden in dem Haftantrag vom zur erforderlichen Dauer der Haft (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 FamFG) waren unzureichend. Auf die Einwände gegen die Anordnung der Haft konnte der Haftaufhebungsantrag auch gestützt werden (Senat, Beschluss vom - V ZB 292/10, FGPrax 2011, 200 Rn. 17; Beschluss vom - V ZB 318/10, juris Rn. 16; Beschluss vom - V ZB 302/10, juris Rn. 13; Beschluss vom - V ZB 115/12, InfAuslR 2013, 158 Rn. 4).

7b) Rechtsfehlerhaft ist aber die Auffassung des Beschwerdegerichts, wegen der Heilung des Mangels des Haftantrags im Beschwerdeverfahren sei die angeordnete Haft insgesamt nicht rechtswidrig gewesen. Der Mangel des Haftantrags ist zwar nachträglich geheilt worden, Heilung ist aber erst mit Wirkung ab dem eingetreten.

8aa) Auch im Haftaufhebungsverfahren ist zu berücksichtigen, dass Fehler im Haftanordnungsverfahren für die Zukunft heilbar sind. Deshalb ist eine rechtskräftige, aber mangels zulässigen Haftantrags rechtswidrige (rechtskräftig gewordene) Haftanordnung nicht nach § 426 FamFG aufzuheben, wenn die fehlenden Angaben und Feststellungen im Aufhebungsverfahren nachgeholt werden; einer persönlichen Anhörung des Betroffenen nach § 420 FamFG bedarf es in diesem Fall nicht (dazu Senat, Beschluss vom - V ZB 39/17 InfAuslR 2017, 347 Rn. 15; Beschluss vom - V ZB 42/17, juris Rn. 11). Die auf dieser Grundlage vollzogene Haft ist dann nicht rechtswidrig.

9bb) Diese Nachholung der den Haftantrag heilenden Feststellungen erfolgte hier am . An diesem Tag hat das Amtsgericht der Beschwerde (teilweise) abgeholfen und festgestellt, dass die Behörde für den einen Flug zur Abschiebung des Betroffenen nach Marokko gebucht hat. Daraus ergab sich, dass dieser Abschiebetermin der frühest mögliche und die bis dahin angeordnete Haft erforderlich war.

10Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist der Haftantrag nicht erst ab dem zulässig geworden. Insoweit macht der Betroffene geltend, der Beschluss des Amtsgerichts lasse nicht erkennen, woraus es die Flugbuchung für den entnehme. Ergänzende Angaben zu dem Haftantrag habe die beteiligte Behörde erst mit Schriftsatz vom gemacht; dazu habe der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen erst nach Erhalt des Schriftsatzes am Stellung nehmen können. Darauf kommt es aber nicht an. Die Heilung tritt allerdings mit der Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Haft ein (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 71/17, InfAusIR 2018, 218 Rn. 9). Der Eintritt der Heilung ist hier nicht von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen abhängig. Einer persönlichen Anhörung nach § 420 FamFG bedarf es im Haftaufhebungsverfahren, anders als bei einer Fehlerkorrektur im Haftanordnungsverfahren (dazu: Senat, Beschluss vom - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 21 ff.; Beschluss vom - V ZB 24/14, juris Rn. 9; Beschluss vom - V ZB 30/16, juris Rn. 9; Beschluss vom - V ZB 74/17, InfAuslR 2017, 295 Rn. 3), nicht (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 39/17, InfAuslR 2017, 347 Rn. 15, 18).

113. Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde unbegründet. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:120718BVZB184.17.0

Fundstelle(n):
QAAAH-11701