BGH Beschluss v. - 1 StR 425/18

Verständigung im Strafverfahren: Belehrungspflicht über die eingeschränkte Bindungswirkung

Gesetze: § 257c Abs 4 StPO, § 257c Abs 5 StPO, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Instanzenzug: LG Landshut Az: 206 Js 6238/17 - 3 KLs

Gründe

1Das Landgericht Landshut hat den Angeklagten wegen Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen in Tatmehrheit mit 16 Fällen des Betruges sowie wegen versuchten Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und fünf Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 287.200 € angeordnet. Hiergegen richtet sich der Angeklagte mit der auf die Verletzung von Verfahrensrecht und auf die Sachrüge gestützten Revision.

2Das Rechtsmittel hat bereits mit der Rüge der Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO Erfolg, so dass es eines Eingehens auf die weitere Verfahrensrüge und die Sachrüge nicht bedarf.

3Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift hierzu Folgendes ausgeführt:

„Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Am dritten Hauptverhandlungstag, den , teilte der Vorsitzende mit, dass in der Pause ein Rechtsgespräch zwischen Verteidiger, Staatsanwaltschaft und der Kammer in voller Besetzung stattgefunden hat und machte nähere Ausführungen zum möglichen Inhalt der Verständigung … Anschließend erklärte der Angeklagte, er sei mit dem Inhalt der Verständigung einverstanden, werde das Geständnis selbst abgeben und könne eine Schadenswiedergutmachung von 10.000 Euro leisten. Der Verteidiger und der Staatsanwalt stimmten der Verständigung ebenfalls zu. Erst danach belehrte der Vorsitzende den Angeklagten qualifiziert gemäß § 257c Abs. 4 und 5 StPO.

Am nächsten Hauptverhandlungstag wurde der Angeklagte zur Sache vernommen und legte ein Geständnis ab (UA S. 4, 25, 32 ff).

Danach rügt die Revision die Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO zu Recht. Denn der Vorsitzende der Strafkammer hätte den Angeklagten bereits bei Unterbreitung des Verständigungsvorschlages über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts an die Verständigung belehren müssen. Eine Verständigung ist regelmäßig nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen nach § 257c Abs. 5 StPO über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist (vgl. hierzu BVerfGE 133, 168, 237; BVerfG (Kammer), NStZ 2014, 721; Senat, Beschluss vom - 1 StR 71/16, StV 2018, 11; BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 595/14 mwN und vom - 5 StR 82/15).

Das Geständnis des Angeklagten und damit auch das Urteil beruhen auf dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht (§ 337 Abs. 1 StPO).“

4Dem schließt sich der Senat an.

5Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten weitgehend erst auf der Grundlage der Verständigung eingeräumt. Der Senat kann die Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis nicht ausnahmsweise ausschließen. Neben anderen Beweismitteln hat die Strafkammer vor allem hierauf die Verurteilung gestützt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dem Angeklagten die Voraussetzungen für den Wegfall der Bindungswirkung bekannt waren, bestehen nicht; insbesondere ist mangels rechtsfehlerfreier Wiederholung des von dem Verfahrensfehler betroffenen Verfahrensabschnittes keine Heilung eingetreten (vgl. zu den Voraussetzungen , NStZ-RR 2017, 151). Soweit der Angeklagte ausweislich der Urteilsgründe bereits zu Beginn der Hauptverhandlung einräumte, sich eine unechte Identitätskarte verschafft zu haben, um sich bei Kontrollen innerhalb der Europäischen Union ausweisen zu können, kann der Senat unter den hier gegebenen Umständen ebenfalls nicht ausschließen, dass der Belehrungsfehler das weitere Verteidigungsverhalten beeinflusst hat.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:091018B1STR425.18.0

Fundstelle(n):
AAAAH-07124