Maßgebliche Mieten im Ertragswertverfahren
Leitsatz
Eine Zurückrechnung der bei der Bewertung im Ertragswertverfahren zugrunde zu legenden Mieten aus aktuellen Mietspiegeln ist nicht zulässig.
Gesetze: BewG § 27; BewG § 76 Abs. 1; BewG § 78; BewG § 79; BewG § 80;
Instanzenzug: (EFG 2014, 1460)
Tatbestand
I.
1 Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) kaufte im Jahr 2007 im ehemaligen Westteil von Berlin ein mit einem 1981 errichteten Wohnhaus bebautes Grundstück. Im Jahr 2008 teilte er das Objekt in fünf Wohnungseigentumseinheiten und zwei Teileigentumseinheiten (Garagen) auf.
2 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) stellte für diese Einheiten im Wege der Nachfeststellung Einheitswerte auf den fest. Die Wohnungen bewertete das FA als Einfamilienhäuser —Wohnungs-/Teileigentum— im Ertragswertverfahren ausgehend von einem monatlichen Mietwert von 3,90 DM/qm (gute Ausstattung, Mietspiegelfeld Ia) und einem Vervielfältiger von 9,1 (Bauausführung A, Nachkriegsbau nach dem ). Für die Garagen als sonstige bebaute Grundstücke —Wohnungs-/Teileigentum— wurde der Wert im Sachwertverfahren ermittelt. Die festgestellten Einheitswerte betragen je 16.105 € für die Wohnungen Nr. 1 und 3, 20.451 € für die Wohnung Nr. 2, 19.582 € für die Wohnung Nr. 4, 16.974 € für die Wohnung Nr. 5 und je 1.636 € für die beiden Garagen.
3 Die Einsprüche und die auf Aufhebung der Einheitswertbescheide und der Einspruchsentscheidungen gerichtete Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, die Vorschriften über die Einheitsbewertung seien trotz erheblicher verfassungsrechtlicher Bedenken auf den noch als verfassungsgemäß anzusehen. Es sei auch nicht zulässig, aus einem aktuellen Mietspiegel unter Berücksichtigung von Preisindices auf den Hauptfeststellungszeitpunkt zurückzurechnen. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1460 veröffentlicht.
4 Mit der Revision macht der Kläger geltend, die Vorschriften über die Einheitsbewertung seien zum Stichtag nicht mehr verfassungsgemäß gewesen. Es sei zu nicht mehr hinnehmbaren Wertverzerrungen gekommen. § 79 des Bewertungsgesetzes (BewG) müsse verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass die der Einheitsbewertung zugrunde zu legende Miete aus aktuellen Mietspiegeln durch Zurückrechnung auf den zu ermitteln sei.
5 Auf den (BFH/NV 2015, 309) entschied das u.a. (Deutsches Steuerrecht —DStR— 2018, 791), dass die §§ 19, 20, 21, 22, 23, 27, 76, 79 Abs. 5, § 93 Abs. 1 Satz 2 BewG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes i.d.F. des Art. 2 des Gesetzes vom (BGBl I 1970, 1118), soweit sie bebaute Grundstücke außerhalb des Bereichs der Land- und Forstwirtschaft und außerhalb des in Art. 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiets betreffen, jedenfalls seit dem unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sind. Der Gesetzgeber ist nach dem Urteil verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum zu treffen. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen die als unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG festgestellten Regeln über die Einheitsbewertung weiter angewandt werden. Nach Verkündung einer Neuregelung dürfen die beanstandeten Regelungen für weitere fünf Jahre ab der Verkündung, längstens aber bis zum angewandt werden. Den Verfassungsbeschwerden 1 BvR 639/11 und 1 BvR 889/12, über die das BVerfG mit dem Urteil in DStR 2018, 791, ebenfalls entschied, gab das Gericht daher nur insoweit statt, als es feststellte, dass die angegriffenen BFH-Beschlüsse vom II B 74/10 und vom II B 110/11 sowie die vorangegangenen finanzgerichtlichen Urteile und Verwaltungsakte die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. Aufgehoben wurden die Entscheidungen nicht. Es blieb daher auch bei den finanzgerichtlichen Kostenentscheidungen zulasten der Beschwerdeführer.
6 Der Kläger äußerte sich nicht zu diesem Urteil.
7 Er beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidungen vom und die Einheitswertbescheide vom aufzuheben.
8 Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Gründe
II.
9 Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
10 1. Die im Streitfall anwendbaren Vorschriften über die Einheitsbewertung waren zwar entgegen der Ansicht des FG im Feststellungszeitpunkt nicht mehr verfassungsgemäß. Sie dürfen aber nach dem BVerfG-Urteil in DStR 2018, 791 auf diesen Zeitpunkt angewandt werden.
11 2. Die vom FA festgestellten Einheitswerte sind nicht zu beanstanden. Sie stehen in Einklang mit den maßgebenden Vorschriften.
12 a) Die Bewertung bebauter Grundstücke erfolgt abhängig von der Grundstücksart (§ 75 BewG) nach Maßgabe des § 76 BewG im Regelfall im Ertragswertverfahren, in Ausnahmefällen im Sachwertverfahren.
13 b) Das Ertragswertverfahren gilt nach § 76 Abs. 1 BewG für Mietwohngrundstücke, Geschäftsgrundstücke, gemischtgenutzte Grundstücke, Einfamilien- und Zweifamilienhäuser. Die Höhe des Einheitswerts basiert gemäß § 78 Satz 1 BewG auf dem Grundstückswert, der den Bodenwert, den Gebäudewert und den Wert der Außenanlagen umfasst. Der Grundstückswert ergibt sich nach § 78 Satz 2 BewG durch Anwendung eines im Anhang zum BewG enthaltenen Vervielfältigers auf die zu erzielende Jahresrohmiete, die nach den Wertverhältnissen von 1964 bestimmt wird, unter Berücksichtigung gewisser pauschaler Ermäßigungen und Erhöhungen (§§ 81 und 82 BewG). Durch diese Bewertungsmethode soll in einem vereinfachten, typisierten Verfahren der Bodenwert wie auch der Gebäudewert in einem Rechenschritt ermittelt und so der gemeine Wert, also der Verkehrswert, des jeweiligen Grundstücks annähernd abgebildet werden (BVerfG-Urteil in DStR 2018, 791, Rz 11).
14 Die maßgebliche Jahresrohmiete richtet sich gemäß § 79 Abs. 1 BewG vorrangig nach der für das Grundstück aufgrund vertraglicher Vereinbarungen im Hauptfeststellungszeitpunkt gezahlten tatsächlichen Miete. Unmittelbar anwendbar ist diese Vorgabe nur für Grundstücke, die im Hauptfeststellungszeitpunkt bereits vermietet waren. Andernfalls bestimmt sich die Jahresrohmiete gemäß § 79 Abs. 2 BewG nach der üblichen Miete (BVerfG-Urteil in DStR 2018, 791, Rz 112).
15 Die übliche Miete ist nach § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird. Maßgeblich bleiben für die Höhe der Miete auch bei Fortschreibungen und Nachfeststellungen immer die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt (§§ 27, 79 Abs. 5 BewG).
16 c) Zur Ermittlung der üblichen Miete ziehen die Finanzbehörden überwiegend Mietspiegel heran, die regelmäßig nach Baujahren, mietpreisrechtlichen Gegebenheiten, Ausstattungsgruppen und Gemeindegrößen gegliederte Quadratmeter-Mieten zum Stand vom ausweisen. Im Hinblick auf die Ausstattungsgruppen unterteilen die Mietspiegel meist in einfache, mittlere, gute und sehr gute Ausstattung und legen hierfür Rahmen-sätze für die anzuwendenden Mietwerte fest (BVerfG-Urteil in DStR 2018, 791, Rz 12, 113).
17 Die Heranziehung dieser auf den Hauptfeststellungszeitpunkt aufgestellten Mietspiegel für die Schätzung der üblichen Miete gemäß § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG auf diesen Zeitpunkt ist zulässig, wenn eine Schätzung der üblichen Miete im unmittelbaren Vergleich daran scheitert, dass nach Art, Lage und Ausstattung vergleichbare vermietete Objekte am nicht oder nicht in hinreichender Zahl vorhanden waren und die Mietspiegel in ihren Aufgliederungen nach Mietpreisregelungen und den anderen gemäß § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG maßgebenden Kriterien (insbesondere Baujahr und Ausstattung) den vom Gesetz gestellten Anforderungen für die Schätzung der üblichen Miete entsprechen (, BFHE 188, 425, BStBl II 1999, 519, m.w.N.).
18 d) Die vom Kläger begehrte Zurückrechnung der der Einheitsbewertung zugrunde zu legenden Mieten aus aktuellen Mietspiegeln ist mit §§ 27, 79 Abs. 2, 5 BewG nicht vereinbar. Dies ergibt sich daraus, dass die im Ertragswertverfahren gemäß § 80 BewG auf die Jahresrohmiete anzuwendenden und aus den Anlagen 3 bis 8 zum Bewertungsgesetz ersichtlichen Vervielfältiger ebenfalls nach den Verhältnissen des Jahres 1964 ermittelt wurden. Der Konzeption der Vervielfältiger liegen Reinerträge zugrunde, die unter Berücksichtigung pauschalierter Bewirtschaftungskosten und Bodenertragsanteile, aufgegliedert nach Grundstücksarten, Baujahrgruppen und Gemeindegrößenklassen, ermittelt worden sind. Die Vervielfältiger können dementsprechend unmittelbar auf die Roherträge angewandt werden und sollen dabei zugleich die altersbedingten Unterschiede zwischen Grund und Boden und Gebäude miterfassen (BVerfG-Urteil in DStR 2018, 791, Rz 120).
19 e) Dass die festgestellten Einheitswerte aus anderen Gründen fehlerhaft seien, hat weder der Kläger konkret vorgetragen noch ist dies ersichtlich.
20 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Danach fallen die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. Dies gilt auch dann, wenn wie im Streitfall das BVerfG die dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Vorschriften zwar rückwirkend für verfassungswidrig erklärt, aber zugleich deren weitere Anwendung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zugelassen hat und der Verwaltungsakt deshalb nicht aufzuheben oder zu ändern ist (, BFHE 173, 506, BStBl II 1994, 473). Diese Beurteilung steht im Einklang mit dem Urteil des BVerfG in DStR 2018, 791, das die mit den Verfassungsbeschwerden 1 BvR 639/11 und 1 BvR 889/12 angegriffenen BFH-Beschlüsse vom II B 74/10 und vom II B 110/11 sowie die vorangegangenen finanzgerichtlichen Urteile einschließlich der getroffenen Kostenentscheidungen zulasten der Beschwerdeführer trotz des festgestellten Verfassungsverstoßes unverändert bestehen ließ.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2018:U.160518.IIR37.14.0
Fundstelle(n):
BStBl 2018 II Seite 692
BB 2018 S. 1749 Nr. 31
BFH/NV 2018 S. 997 Nr. 9
BFH/PR 2018 S. 257 Nr. 10
BStBl II 2018 S. 692 Nr. 17
DB 2018 S. 2549 Nr. 42
DB 2018 S. 6 Nr. 30
DStR 2018 S. 8 Nr. 30
DStRE 2018 S. 1130 Nr. 18
ErbStB 2018 S. 292 Nr. 10
HFR 2018 S. 694 Nr. 9
KÖSDI 2018 S. 20903 Nr. 9
StB 2018 S. 246 Nr. 9
StuB-Bilanzreport Nr. 17/2018 S. 644
TAAAG-89753