VGA bei Veräußerung eines Patents unter Wert im Interesse des beherrschenden Gesellschafters
Gesetze: KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA).
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH, an deren Stammkapital zunächst Frau X zu 95 v.H. und deren Tochter T zu 5 v.H. beteiligt waren. X und T veräußerten und übertrugen ihre Anteile am mit Wirkung zum auf die Eheleute E und deren Kinder. Der Kaufpreis betrug 60 000 DM.
Im Jahr 1985 hatte die Klägerin von Herrn X, dem Ehemann der damaligen Mehrheitsgesellschafterin, ein Patent erworben. Dieses Patent sowie die zugehörigen Konstruktionszeichnungen veräußerte sie mit einem vom datierenden Vertrag für 65 000 DM netto (74 100 DM brutto) an die Z-GmbH. Der Kaufpreis war nach dem Vertrag bis spätestens zu zahlen; ebenfalls bis zum durfte die Klägerin das Patent und die Zeichnungen weiter nutzen.
Die Z-GmbH veräußerte Patent und Zeichnungen am für 70 000 DM zuzüglich Umsatzsteuer an ihren Gesellschafter A, der zugleich Steuerberater der Eheleute X und der Eheleute E war. Der Kaufpreis war spätestens am zur Zahlung fällig. Mit Vertrag vom veräußerte A die erworbenen Wirtschaftsgüter zum Preis von 475 000 DM (netto) an Herrn E, der sie am zum selben Preis auf die Klägerin übertrug.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) nahm im Anschluss an eine Außenprüfung und eine Steuerfahndungsprüfung an, dass der zwischen der Klägerin und der Z-GmbH vereinbarte Kaufpreis unangemessen niedrig gewesen sei. Angemessen sei derjenige Preis gewesen, für den A das Patent und die Zeichnungen an E veräußert habe. A habe den von ihm erzielten Gewinn —ggf. unter Abzug einer Provision— an die Eheleute X weitergeleitet. Das Vorgehen der Beteiligten sei insgesamt darauf angelegt gewesen, die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei den Eheleuten X zu vermeiden und der Klägerin ein erhöhtes AfA-Volumen zu verschaffen. Das FA behandelte deshalb die Vereinbarung des aus seiner Sicht zu niedrigen Kaufpreises als vGA, erhöhte den von der Klägerin erklärten Gewinn entsprechend und stellte für das Streitjahr die Ausschüttungsbelastung her.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte nur teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) kam zu dem Ergebnis, dass der angemessene Preis für Patent und Zeichnungen im Zeitpunkt der Veräußerung an die Z-GmbH 201 500 DM (netto) betragen habe und dass eine vGA deshalb nur in Höhe von 155 610 DM (201 500 DM + 28 210 DM Umsatzsteuer ./. 74 100 DM Kaufpreis) vorliege. Es setzte die Steuer entsprechend herab und wies die weiter gehende Klage ab. Die Revision gegen sein Urteil ließ das FG nicht zu.
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe und das angefochtene Urteil von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abweiche sowie auf Verfahrensfehlern beruhe.
Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat nicht die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung. Ebenso ist dem FG kein Verfahrensfehler unterlaufen. Einen Grund für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hat die Klägerin nicht ordnungsgemäß dargelegt.
1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine solche ist gegeben, wenn im konkreten Einzelfall eine Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, die im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Sie fehlt hingegen dann, wenn nur ein einzelfallbezogenes Interesse eines Verfahrensbeteiligten an einer Überprüfung des FG-Urteils besteht. Insoweit hat sich die Rechtslage durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567) nicht geändert (BFH-Beschlüsse vom XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51; vom VIII B 18/01, BFH/NV 2002, 205; vom IX B 97/01, BFH/NV 2002, 163; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 23 f., m.w.N.).
2. Ebenso gilt nach neuem Recht unverändert, dass das erforderliche allgemeine Klärungsinteresse regelmäßig nicht vorhanden ist, wenn die maßgeblichen Rechtsfragen bereits vom BFH entschieden worden sind. In einem solchen Fall kann eine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nur dann vorliegen, wenn die vorhandene höchstrichterliche Rechtsprechung gewichtigen Bedenken begegnet, die der BFH selbst bisher nicht berücksichtigt hat (BFH-Beschlüsse vom III B 61/01, BFH/NV 2002, 666; vom I B 110/01, BFH/NV 2002, 1462).
3. Im Streitfall ist das FG von der ständigen Rechtsprechung des Senats zur Definition der vGA ausgegangen. Danach ist eine vGA durch eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung gekennzeichnet, die sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags i.S. des § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auswirkt, durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist und nicht mit einer offenen Gewinnausschüttung zusammenhängt. Diesen Tatbestand hat das FG deshalb als erfüllt angesehen, weil es zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Klägerin das ihr gehörende Patent und die damit zusammenhängenden Unterlagen im Interesse ihrer damaligen Gesellschafterin X zu einem unangemessen niedrigen Preis veräußert hat. Dass sich hieraus eine grundsätzlich bedeutsame Frage ergeben könnte, hat die Klägerin nicht dargelegt.
Sie leitet eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache vielmehr daraus ab, dass das FG den A als eine den Gesellschaftern der Klägerin nahe stehende Person angesehen und sich dazu auf eine Entscheidung des BFH gestützt habe, die erst nach Ablauf des Streitjahres ergangen sei. Dieser Einwand bezieht sich auf den Hinweis des FG, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für ein ”Nahestehen” jede Beziehung zwischen einem Dritten und einem Gesellschafter ausreiche, die den Schluss auf eine im Gesellschaftsverhältnis begründete Zuwendung zulässt (, BFHE 182, 184, BStBl II 1997, 301). Er kann der Nichtzulassungsbeschwerde jedoch schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil die entsprechenden Ausführungen des FG nur eine Hilfserwägung beschreiben, die das angefochtene Urteil nicht trägt.
Das FG hat nämlich in erster Linie darauf abgestellt, dass nach seiner Überzeugung A den von ihm erzielten —und steuerlich mit eigenen Verlustvorträgen verrechneten— Gewinn plangemäß an die Eheleute X weitergeleitet hat und dass deshalb die eigentlich von dem Geschäft Begünstigten die Gesellschafterin X und ihr Ehemann waren. Es ging nach der vom FG angestellten Würdigung darum, dass die mit dem Patent verbundenen stillen Reserven der Besteuerung bei X (§ 17 Abs. 1 EStG) entzogen wurden, indem ihre Realisierung auf A verlagert und sodann der realisierte Gewinn vollständig oder zumindest zum größten Teil von A an die Eheleute X abgeführt wurde. Auf dieser Basis diente die Veräußerung unter Wert letztlich —wie auch das FG angenommen hat— der Zuwendung eines Vorteils an X, die unabhängig von einem ”Nahestehen” des A als vGA zu werten ist. Nur hilfsweise und ergänzend hat das FG die von der Klägerin angesprochene Frage erörtert, ob A ggf. als den Gesellschaftern nahe stehende Person angesehen werden könnte. Diese Frage ist mithin im Streitfall nicht entscheidungserheblich und wäre deshalb in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Sie kann daher keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO auslösen.
4. Die Verfahrensrügen der Klägerin greifen ebenfalls nicht durch. In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob das vom FG herangezogene Gutachten des Steuerberaters Y die vorgenommene Bewertung trägt und ob —was die Klägerin anzweifelt— das FG die für die Bewertung von Patenten erforderliche Sachkunde besessen hat. Denn selbst wenn man annimmt, dass für eine solche Bewertung in der Regel ein Sachverständigengutachten eingeholt werden muss, liegt im Streitfall kein Verfahrensfehler des FG vor.
a) Hierzu ist davon auszugehen, dass nach den Feststellungen des FG die Eheleute X Anfang 1989 über den Verkauf der Anteile an der Klägerin verhandelt und dabei einen Preis in einer Größenordnung von 500 000 DM verlangt haben. Ferner hat das FG festgestellt, dass E schon damals als Interessent aufgetreten ist und dass der von den Eheleuten X genannte Preis den Vorstellungen des E entsprochen hat. Diese Feststellungen sind nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden und deshalb für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO).
Aus ihnen folgt, dass die Klägerin Patent und Zeichnungen an E zu einem Preis hätte veräußern können, der dem seinerzeit in Aussicht genommenen Gesamtentgelt für die Gesellschaftsanteile (500 000 DM) nach Abzug des Wertes der übrigen Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens entsprach. Dazu ist nach den Feststellungen des FG davon auszugehen, dass der Wert der Anteile an der Klägerin aus der Sicht des E maßgeblich auf dem vorhandenen Patent und den zugehörigen Konstruktionszeichnungen beruhte. Angesichts dessen kommt es auf den ”objektiven” Wert dieser Wirtschaftsgüter im Streitfall nicht an: Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte Patent und Zeichnungen jedenfalls nicht für einen geringeren als denjenigen Preis veräußert, der bei einem Verkauf an E erzielbar gewesen wäre; der Umfang der die vGA auslösenden verhinderten Vermögensmehrung wird mithin durch das Angebot des E bestimmt. Was das Patent und die Zeichnungen unter anderen Umständen wert gewesen wären, ist demgegenüber nicht von Bedeutung.
b) Vor diesem Hintergrund war das FG gehalten, den auf das Patent und die Zeichnungen entfallenden Anteil an dem von E angebotenen Betrag im Wege der Schätzung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 der Abgabenordnung —AO 1977—) zu ermitteln. Dazu bedurfte es weder einer eigenen Sachkunde auf dem Gebiet der Bewertung von Patenten noch der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dieser Frage. Das FG hätte vielmehr auch dann, wenn es selbst oder ein hinzugezogener Sachverständiger das Patent als objektiv wertlos angesehen hätte, bei der Bemessung der verhinderten Vermögensmehrung die besonderen Umstände des Einzelfalls berücksichtigen müssen. Daraus folgt, dass es von der Hinzuziehung eines Sachverständigen zu Recht abgesehen hat. Hierin liegt demnach kein Verfahrensmangel.
c) Soweit die Klägerin die vom FG vorgenommene Wertbestimmung inhaltlich angreift, macht sie keinen Verfahrensmangel, sondern einen materiell-rechtlichen Fehler des angefochtenen Urteils geltend. Denn die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen zählt aus revisionsrechtlicher Sicht zum Bereich des materiellen Rechts (BFH-Beschlüsse vom III B 44/99, BFH/NV 2000, 333; vom X B 18 und 19/00, BFH/NV 2001, 58; Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rz. 31, m.w.N.). Ein Fehler in diesem Bereich kann indessen nicht zur Zulassung der Verfahrensrevision führen (, BFH/NV 1999, 971, 972).
d) Mit ihrer Rüge, das FG hätte sie vorab auf die Bedeutung der von ihm herangezogenen Schätzungsgrundlage hinweisen müssen, kann die Klägerin ebenfalls keinen Erfolg haben. Das Gutachten über den Wert des Unternehmens der Klägerin, auf das das FG seine Schätzung vor allem gestützt hat, war Gegenstand der Steuerakten und den Beteiligten bekannt; die fachkundig vertretene Klägerin musste damit rechnen, dass das FG es bei seiner Entscheidung heranziehen würde. Zu näheren Hinweisen darauf, welches Gewicht es dem Gutachten beimessen und welche Folgerungen es hieraus ziehen werde, war das FG nicht verpflichtet (vgl. BFH-Beschlüsse vom III B 107/00, BFH/NV 2002, 36; vom X B 175/01, BFH/NV 2002, 944; vom X B 56/01, BFH/NV 2002, 947).
5. Einen Grund für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO hat die Klägerin nicht ordnungsgemäß dargelegt. Von weiteren Ausführungen dazu wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 1612
BFH/NV 2003 S. 1612 Nr. 12
PAAAA-69991