Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Im Streitjahr 1994 erzielten sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen. Der Kläger tätigte außerdem Geldgeschäfte mit einem Herrn X. Im September 1994 wurde der Kläger in einem Strafverfahren gegen X als Zeuge vernommen. Er gab an, dass er X verschiedene Male kurzfristig hohe Geldbeträge zur Verfügung gestellt habe, die er mit Renditen zwischen 5 und 10 v.H. wieder zurückerhalten habe. Im Juni 1994 habe er dem X erneut 2 000 000 DM überlassen, die dieser abredewidrig nicht zurückgezahlt habe.
Aufgrund der Zeugenaussage des Klägers führte die betriebsnahe Veranlagungsstelle (BNV) des Beklagten und Revisionsbeklagten (das Finanzamt —FA—) eine Sachverhaltsaufklärung zu den Einnahmen des Klägers aus den Geldgeschäften mit X durch. Diese wurde mit schriftlichen Feststellungen vom abgeschlossen. Darin wurden die Geldhingaben durch den Kläger und die erzielten Renditen aufgelistet. Zudem wurde ausgeführt, dass die tatsächlichen Renditezuflüsse auch erheblich höher gewesen sein könnten. Die Einkommensteuerveranlagung 1994 sollte daher unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durchgeführt werden. Die Steuerakten der Kläger sowie eine von der BNV-Stelle angelegte Akte, in der die Feststellungen vom abgeheftet waren, lagen der Veranlagungsstelle spätestens am vor.
Am reichten die Kläger ihre Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ein. Sie erklärten darin keine Einkünfte, die aus den Geldgeschäften mit X resultierten. Der Veranlagungsbeamte brachte auf der Steuererklärung den Vermerk ”Steufa wg. Kapitalerträgen (X)” an. Am erging der Einkommensteuerbescheid. Er stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Die Kläger legten gegen den Bescheid Einspruch ein, dem mit Änderungsbescheid vom abgeholfen wurde. Dabei wurde von dem nach einem Personalwechsel nunmehr zuständigen Sachbearbeiter der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.
Aufgrund einer Kontrollmitteilung vom nach einer Außenprüfung bei X änderte das FA mit Bescheid vom den Bescheid vom unter Berufung auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) und erfasste Darlehenszinsen in Höhe von 1 925 000 DM als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Dagegen legten die Kläger erneut Einspruch ein, der insoweit Erfolg hatte, als Darlehenszinsen nur noch in Höhe von 1 087 000 DM erfasst wurden und zudem zusätzliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von 71 110,74 DM anerkannt wurden. Im Übrigen wurde der Einspruch zurückgewiesen. In der Einspruchsentscheidung vom vertrat das FA die Auffassung, dass die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO 1977 darstelle, die eine Berichtigung ermögliche. In der Einspruchsentscheidung wurde der Vorbehalt der Nachprüfung erneut aufgehoben.
Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage ab. Zur Begründung führte es aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO 1977 u.a. angenommen worden sei, wenn eine Kontrollmitteilung übersehen oder ein Betriebsprüfungsbericht nicht ausgewertet worden sei. Der zu entscheidende Fall sei mit diesen Fällen vergleichbar. Der Veranlagungsbeamte habe die Feststellungen der BNV-Stelle übersehen; hätte er sie nicht übersehen, hätte er den Vorbehalt der Nachprüfung nicht aufgehoben.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 129 AO 1977.
Sie beantragen, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom sowie den Einkommensteuerbescheid vom aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist nicht begründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Das FA war berechtigt, den Änderungsbescheid vom gemäß § 129 AO 1977 zu ändern.
Nach § 129 AO 1977 kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten sind mechanische Fehler, die ebenso mechanisch, d.h. ohne weitere Prüfung erkannt und berichtigt werden können. Bei der bloßen, nicht nur theoretischen Möglichkeit eines Rechtsirrtums liegt kein mechanisches Versehen und daher keine offenbare Unrichtigkeit vor, ebenso nicht bei einer unrichtigen Tatsachenwürdigung, der unzutreffenden Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts oder bei Fehlern, die auf mangelnder Sachaufklärung bzw. Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. , BFH/NV 1993, 509; vom IV R 178/83, BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293; vom VI R 4/83, BFHE 146, 350, BStBl II 1986, 541; vom IX R 52/82, BFHE 147, 393, BStBl II 1987, 3; vom III R 49/85, BFH/NV 1989, 341, und vom III R 64/89, BFHE 165, 438, BStBl II 1992, 52, jeweils m.w.N.). Als offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO 1977 wird von der Rechtsprechung auch das Übersehen eindeutiger Mitteilungen angesehen (BFH-Urteil in BFH/NV 1989, 341). Dies gilt auch für das Übersehen feststehender Tatsachen, wenn es seinen Grund in einer Unachtsamkeit hat und offen zutage liegt (, BFH/NV 1999, 899; vom V R 138/92, BFH/NV 1998, 419). Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO 1977 ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, ist jeweils nach den Verhältnissen des Einzelfalles zu beurteilen (BFH-Urteile in BFH/NV 1993, 509; vom VI R 140/81, BFHE 144, 118, BStBl II 1985, 569).
Im vorliegenden Fall stellt die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung in dem Bescheid vom eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO 1977 dar. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils lagen dem zuständigen Bearbeiter bei Erlass des Bescheides vom die von der BNV-Stelle angelegte Akte sowie die schriftlichen Feststellungen vom vor. Diese Unterlagen hat der Bearbeiter übersehen. Bei verständiger Würdigung dieses Sachverhalts ist davon auszugehen, dass er bei Kenntnis der Feststellungen der BNV-Stelle den Vorbehalt der Nachprüfung nicht aufgehoben hätte. Es kann ausgeschlossen werden, dass dies aufgrund rechtlicher Überlegungen geschehen ist. Es sind schlechterdings keine Gründe erkennbar, die den Bearbeiter bewogen haben sollten, in Kenntnis der Feststellungen der BNV-Stelle den Vorbehalt der Nachprüfung aufzuheben.
Der Änderungsbescheid vom erweist sich damit im Ergebnis als rechtmäßig. Unschädlich ist es dabei, dass das FA die Änderung zunächst zu Unrecht auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 gestützt hat.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 1
BFH/NV 2003 S. 1 Nr. 1
TAAAA-68889