Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Kaufmann. Er bezog u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, selbständiger Arbeit und Gewerbebetrieb. Außerdem war er (1990) Inhaber von 18 Kommanditbeteiligungen (zumeist wohl Schiffsbeteiligungen) und an mehreren GmbHs beteiligt.
Mit Schreiben vom wandte sich das Finanzamt für Großbetriebsprüfung X (BP-FA) an den Beklagten und Beschwerdegegner, das Wohnsitzfinanzamt (W-FA) des Klägers, und bat, einen Prüfungsauftrag zu erteilen für den Kläger und seine Ehefrau aufgrund von § 193 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) mit der Begründung, dass die steuerlichen Verhältnisse des Klägers wegen der vielfältigen Engagements, insbesondere im Beteiligungsbereich, nur aufgrund der vorliegenden Akten für das W-FA nicht mehr überprüfbar seien. Prüfungsumfang solle die Einkommensteuer 1990 bis 1993 und die Vermögensteuer auf den bis sein. Am erließ das W-FA eine entsprechende Prüfungsanordnung aufgrund des § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977, in der zugleich darauf hingewiesen wurde, das BP-FA sei gemäß § 195 Satz 2 AO 1977 mit der Prüfung beauftragt worden.
Der Kläger und seine Ehefrau legten gegen die Prüfungsanordnung Beschwerde ein. Eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 sei nur zulässig, wenn die gewünschte Aufklärung durch Einzelermittlungen an Amtsstelle nicht erreicht werden könne. Bei den Steuerveranlagungen der letzten zehn Jahre seien keine Sachverhalte besonders aufklärungsbedürftig gewesen, Rückfragen habe es praktisch nicht gegeben.
Mit Schreiben vom hob das W-FA die Prüfungsanordnung gegen die Ehefrau des Klägers auf und begründete die Anordnung der Außenprüfung u.a. mit den außerordentlich hohen Einkünften des Klägers in den Jahren 1990 bis 1993, welche Ermittlungen über die Verwendung dieser Einkünfte und etwaige vermögensteuerliche Auswirkungen erforderlich machten. Neben einer Reihe von Einzelpunkten wurde angeführt, eine für den Kläger durchgeführte Geldverkehrs- sowie Vermögenszuwachsrechnung sei wegen der starken Schwankungen prüfungsbedürftig. Die Außenprüfung sie im Hinblick auf die mehreren zu prüfenden Jahre und Einkunftsarten und wegen der zu erwartenden Nachfragen zweckmäßig. Schließlich sei die Prüfung auch teilweise auf § 193 Abs. 1 AO 1977 zu stützen, da der Kläger auch Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit erklärt habe. Den Einspruch wies das W-FA im Wesentlichen unter Bezugnahme auf sein Schreiben vom als unbegründet zurück.
Mit seiner Klage rügte der Kläger, sowohl bei Erlass der Prüfungsanordnung selbst als auch bei der Beauftragung des BP-FA mit der Durchführung habe das W-FA das ihm gesetzlich zustehende Ermessen nicht ausgeübt, sondern sich wie ein Erfüllungsgehilfe des BP-FA verhalten. Die im Verlaufe des Vorverfahrens nachgeschobene Begründung könne den Mangel der Ermessensunterschreitung nicht heilen, da das Ermessen zwingend bei Erlass des Verwaltungsaktes ausgeübt werden müsse. Die Ermessensunterschreitung betreffe nicht das Entscheidungsergebnis, sondern die Entscheidungsfindung. Es gehe um die Ermessensausübung, nicht um deren Begründung. Dass das W-FA sein Ermessen nicht ausgeübt habe, zeige sich auch an dessen Hinweis auf den Erlass der Oberfinanzdirektion (OFD) vom zur Prüfung der sog. Einkunftsmillionäre, der zum Zeitpunkt der Prüfungsanordnung noch nicht existiert habe. Die Außenprüfung sei auch nicht erforderlich. Eine Prüfung nach § 193 Abs. 1 AO 1977 sei gerade nicht angeordnet worden und eine nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 sei nur für bestimmte Sachverhalte zulässig.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage, die Rechtswidrigkeit der Anordnung einer steuerlichen Außenprüfung sowie die Beauftragung des BP-FA mit deren Durchführung —jeweils vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom — festzustellen, abgewiesen. Die Beauftragung des BP-FA sei ein eigenständiger Verwaltungsakt, der bestandskräftig geworden sei, da sich der Einspruch des Klägers zunächst nur gegen die Prüfungsanordnung gerichtet habe. Die Anordnung der Außenprüfung gemäß § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 sei rechtmäßig. Aus § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 ergebe sich, dass es ausreiche, wenn die erforderliche Begründung —wie im Streitfall— spätestens in der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf enthalten sei. Das W-FA habe sein Ermessen auch nicht unzutreffend ausgeübt, wenn es angesichts der Geldverkehrs- und Vermögenszuwachsrechnung und der für deren Aufklärung erforderlichen Prüfungen und zu erwartenden Rückfragen davon ausgegangen sei, dass diese nicht an Amtsstelle erfolgen könnten.
Die Kläger begehren die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) a.F. wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und Abweichens des FG von der Rechtsprechung.
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO a.F., welcher nach Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757) anzuwenden ist, liegen nicht vor.
Nach § 115 Abs. 2 FGO a.F. ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F.) oder das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) oder Bundesfinanzhofs (BFH) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F.). In der Beschwerdeschrift muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des BFH, von der das Urteil abweicht, bezeichnet werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F.).
1. Wird die Zulassung die Revision mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F.) begehrt, so muss in der Beschwerdeschrift eine bestimmte —abstrakte— klärungsbedürftige und in dem angestrebten Revisionsverfahren auch klärbare Rechtsfrage herausgestellt und —unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Literatur— deren Bedeutung für die Allgemeinheit substantiiert dargetan werden.
Die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam geltend gemachte Rechtsfrage, ob Ermessenserwägungen einer anderen Behörde derjenigen Behörde zugerechnet werden könnten, die den Verwaltungsakt zu erlassen habe, wäre in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil nach den Feststellungen des FG das zuständige W-FA das Ermessen selbst ausgeübt hat.
Soweit der Kläger vorträgt, es sei die Rechtsfrage zu klären, ob die Ermessensbetätigung durch die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes zu dokumentieren sei, weil nur eine erkennbare Ermessensbetätigung bei Erlass des Verwaltungsaktes die gerichtliche Prüfung zulasse, ist die Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig. Wie das FG zutreffend entschieden hat, genügt es, wenn die erforderliche Begründung spätestens in der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gegeben wird (vgl. , BFH/NV 1998, 1192, unter 1. b a.E.; vom XI R 16/94, BFH/NV 1995, 578, und vom IX R 128/92, BFHE 176, 298, BStBl II 1995, 291).
Auch die Rechtsfrage, ob eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 auf bestimmte aufklärungsbedürftige Sachverhalte beschränkt sei oder es im Ermessen der Behörde stehe, diese auf eine oder mehrere Steuerarten und Veranlagungszeiträume zu erstrecken, bedarf keiner weiteren Klärung. Zum einen ist eine auf § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 gestützte Außenprüfung stets nur dann zulässig, wenn ausnahmsweise eine der dort vorgesehenen Fälle einer besonderen Prüfungswürdigkeit gegeben ist (vgl. , BFHE 169, 305, BStBl II 1993, 146), zum anderen kann bei Vorliegen dieser Voraussetzungen eine Außenprüfung auch mehr als drei Besteuerungszeiträume umfassen. § 4 Abs. 3 der Betriebsprüfungsordnung (Steuer) ist auf solche Außenprüfungen nicht anwendbar (vgl. BFH in BFHE 176, 298, BStBl II 1995, 291).
2. Die Beschwerde kann auch insoweit keinen Erfolg haben, als die Kläger die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F. wegen einer Abweichung der Vorentscheidung von Entscheidungen des BVerfG oder des BFH begehren. In der Beschwerdeschrift werden keine abstrakten tragenden Rechtssätze aus einem Urteil des BVerfG oder des BFH abstrakten entscheidungserheblichen Rechtssätzen aus dem FG-Urteil dergestalt gegenübergestellt, dass eine Abweichung erkennbar würde, wie es nach der ständigen Rechtsprechung zur schlüssigen Darlegung einer Abweichung erforderlich ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479; vom VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671, und vom VIII B 134/95, BFH/NV 1996, 691; Gräber/Ruban Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, § 115 Rz. 63 ff.). Der Senat kann offen lassen, ob die Ausführungen des Klägers insoweit dem Darlegungserfordernis entsprechen.
Zum einen hat das FG entgegen der Behauptung des Klägers keinen abstrakten Rechtssatz des Inhalts aufgestellt, Ermessenserwägungen einer anderen Behörde (hier des BP-FA) könnten derjenigen Behörde zugerechnet werden, die den Verwaltungsakt zu erlassen habe (hier das W-FA). So führt der Kläger selbst aus, das FG habe Ermessenserwägungen der zuständigen Behörde im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung für ausreichend gehalten. Zum anderen entspricht die Rechtsaufassung des FG, die erforderliche Begründung der Ermessensentscheidung könne (spätestens) noch in der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf nachgeholt werden, der ständigen Rechtsprechung (vgl. oben unter 1.). Die vom Kläger angeführten (BFH/NV 1996, 3), vom VII R 60/91 (BFH/NV 1993, 153), vom V R 67, 68/83 (BFH/NV 1989, 681) und vom VII R 3/90 (BFH/NV 1991, 504) treffen keine dem widersprechenden Rechtsaussagen.
Der Kläger geht irrig von der Auffassung aus, das Ermessen müsse bereits bei Erlass der —ursprünglichen— Prüfungsanordnung zutreffend im Sinne einer richtigen Begründung ausgeübt werden und nur die Bekanntgabe der —von Anfang an zutreffenden— Ermessenserwägungen könne in der Einspruchsentscheidung in deren Begründung nachgeholt werden. Demgegenüber hat gemäß § 367 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Kann die (Einspruchs-)Behörde aber die Begründung ihrer Ermessensentscheidung (spätestens) noch in der Einspruchsentscheidung darlegen, so gilt dies unabhängig davon, ob sie zunächst (nur) eine unzureichende oder gar keine Begründung gegeben hat, oder ob sie bei Erlass des angefochtenen Verwaltungsakts zunächst (nur) fehlerhafte Ermessenserwägungen oder gar keine Ermessenserwägungen angestellt hat. Entscheidend ist, dass die in der behördlichen Ermessensentscheidung —d.h. spätestens in der Einspruchsentscheidung— mitgeteilten Ermessenserwägungen und deren Ergebnis den gesetzlichen Anforderungen genügen, deren Einhaltung entsprechend § 102 FGO zu prüfen das Gericht befugt und verpflichtet ist (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1989, 681).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 1013 Nr. 8
CAAAA-67969