BAG Urteil v. - 6 AZR 785/15

Eingruppierung einer Gesundheitspflegerin nach AVR Diakonie

Gesetze: Anl 1 Entgeltgr 8 DWArbVtrRL, § 12 Abs 1 S 1 DWArbVtrRL, § 12 Abs 2 S 1 DWArbVtrRL, § 12 Abs 2 S 2 DWArbVtrRL

Instanzenzug: ArbG Frankfurt Az: 15 Ca 4288/13 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 8 Sa 1820/14 Urteilnachgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 8 Sa 1189/17 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.

2Die Beklagte ist eine diakonische Einrichtung und betreibt ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Die 1951 geborene Klägerin ist dort als Krankenschwester beschäftigt. Der in diesem Krankenhaus bestehende Pflegedienst arbeitet in der Organisationsform der Bezugspflege. Eine Pflegekraft übernimmt deshalb die gesamte Pflege eines Patienten und erstellt den dafür erforderlichen Pflegeplan. Die Klägerin war im streitbefangenen Zeitraum in der Abteilung Psychotherapie und Psychosomatik beschäftigt. Das Behandlungskonzept dieser Abteilung beinhaltet schwerpunktmäßig tiefenpsychologisch fundierte Einzel- und Gruppentherapie.

3Nach § 2 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 16./ gelten die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR-DW EKD) in der jeweils gültigen Fassung. Am wurde deren Umbenennung in Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie Deutschland (AVR-DD) beschlossen.

4Mit Wirkung ab dem wurden die Eingruppierungsregelungen der Anlage 1 zu den AVR-DW EKD geändert. Ua. wurde in den Eingruppierungskatalog in der bis zum geltenden Fassung (künftig AVR-DW EKD aF) bei der Entgeltgruppe 8 Abschnitt A das Richtbeispiel „Gesundheitspflegerin im OP-Dienst, in der Intensivpflege oder Psychiatrie“ eingefügt. Nach Bekanntwerden des - 4 AZR 438/10 -) beschloss der Schlichtungsausschuss der Arbeitsrechtlichen Kommission des Diakonischen Werkes der EKD am „zur Klarstellung“ die Änderung dieses Richtbeispiels, das seit dem folgende Fassung hat:

5Außerdem wurde folgende Besitzstandsregelung unter 1 b beschlossen:

6Hinsichtlich der Einzelheiten der Rechtslage wird auf deren Darstellung in der Entscheidung des Senats vom (- 6 AZR 284/15 - Rn. 2 bis Rn. 7) verwiesen.

7Die Klägerin wird seit dem nach der Entgeltgruppe 7 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD vergütet. Mit Schreiben vom und machte sie ohne Erfolg ihre Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD geltend. Nach rechtskräftiger Abweisung eines Teils ihrer Klage begehrt sie noch die Zahlung des Differenzbetrags zwischen den Entgeltgruppen 7 und 8 AVR-DW EKD für die Zeit von Januar 2010 bis Dezember 2013 in rechnerisch unstreitiger Höhe sowie die Feststellung, die Beklagte sei seit dem verpflichtet, ihr den Unterschiedsbetrag zwischen diesen Entgeltgruppen zu zahlen.

8Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr Anspruch auf die begehrte Vergütung folge aus dem institutionsbezogen zu verstehenden Richtbeispiel „Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie“ in Entgeltgruppe 8 Abschnitt A AVR-DW EKD aF. Die Arbeitsvertragliche Kommission habe sich für eine typisierende Bewertung entschieden, wonach die Gesundheitspflege in den dort genannten Einrichtungen regelmäßig mit erhöhten Anforderungen verbunden und deshalb nach der Entgeltgruppe 8 zu bewerten sei. Hilfsweise hat sie die Ansicht vertreten, ihr Anspruch ergebe sich auch bei einem tätigkeitsbezogenen Verständnis unmittelbar aus diesem Richtbeispiel. Sie erbringe wie alle bei der Beklagten tätigen Krankenschwestern - sei es mit oder ohne Fachweiterbildung - die Tätigkeit, die von Krankenschwestern in der Psychiatrie gefordert werde. Eine Pflegefachkraft mit „normaler“ pflegerischer Tätigkeit existiere in der Einrichtung der Beklagten nicht. Die psychische Pflege erfordere einen einheitlich aufeinander abgestimmten Pflegeplan, bei dem es nicht denkbar sei, einzelne Funktionen voneinander abzugrenzen. Darum betreibe das Krankenpflegepersonal in psychiatrischen Einrichtungen psychiatrische Pflege. Aus der Stellenbeschreibung für Pflegefachkräfte idF vom , dem Anforderungsprofil der Beklagten für die Aufgaben in der psychiatrischen Krankenpflege idF vom , dem Zwischenzeugnis vom sowie dem ärztlichen Zeugnis der Beklagten vom folge, dass diese nicht damit gehört werden könne, dass die Klägerin nicht über die erforderlichen Fachkenntnisse einer fachweitergebildeten Krankenschwester in der Psychiatrie verfüge. Dass sie alle Voraussetzungen einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD erfülle, folge auch aus dem Beurteilungsbogen zum Mitarbeiterentwicklungsgespräch vom , in dem ihr Fachkompetenz bestätigt worden sei.

9Die Klägerin hat zuletzt - soweit für die Revision von Belang - beantragt

10Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, die Klägerin sei zutreffend in die Entgeltgruppe 7 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD eingruppiert. Der verkürzte Terminus „in der Psychiatrie“ sei auch schon nach den AVR-DW EKD aF tätigkeitsbezogen zu verstehen gewesen. Das sei durch den Spruch des Schlichtungsausschusses lediglich klargestellt worden. Die Klägerin sei auch nicht originär in die Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD eingruppiert. Ihr seien Regelaufgaben der allgemeinen Krankenpflege übertragen worden. In der Einrichtung der Beklagten sei die „Regelbehandlung“ der Normalfall und bilde den überwiegenden Anteil der Tätigkeiten. Der Klägerin seien im Rahmen der Bezugspflege keine zusätzlichen Aufgaben übertragen worden, die ihrer Tätigkeit das spezifische Gepräge einer „psychiatrischen“ Pflege gäbe. Die Klägerin sorge durch ihre Pflegetätigkeit allenfalls für die Gestaltung eines therapeutischen Milieus.

11Das Arbeitsgericht hat der Klage in dem in die Revision gelangten Umfang stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Dagegen hat nur die Beklagte Berufung eingelegt, die das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen hat. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren einer vollständigen Klageabweisung weiter.

Gründe

12Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Feststellungsklage ist teilweise unzulässig. Auch im Umfang ihrer Zulässigkeit konnte der Klage mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung nicht stattgegeben werden. Für eine Eingruppierung in das Richtbeispiel „Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie“ und damit in die Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD reicht es nicht aus, in einer Einrichtung tätig zu sein, die der Psychiatrie zuzuordnen ist. Auf der Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts kann der Senat nicht entscheiden, ob die Klage begründet ist, weil die Tätigkeit der Klägerin die Anforderungen des Richtbeispiels erfüllt. Dazu bedarf es noch weiterer Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Das führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

13I. Der Feststellungsantrag zu 1. ist nur teilweise zulässig.

141. Dem Antrag fehlt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, soweit er sich für die Zeit vom bis mit der Leistungsklage in Ziff. 2 überschneidet. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, welches über die mit der Leistungsklage verfolgten Zahlungen hinausgehende Interesse für diesen Zeitraum an der begehrten Feststellung besteht. Deshalb ist die Klage auch nicht als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig ( - Rn. 13). Das angefochtene Urteil sowie die Entscheidung des Arbeitsgerichts unterliegen insoweit der Aufhebung bzw. Abänderung.

152. Im Übrigen ist die Feststellungsklage zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse besteht. Der Streit der Parteien kann durch die begehrte Feststellung beseitigt werden. Entgegen der Annahme der Revision steht dem auch nicht entgegen, dass der Beschluss des Schlichtungsausschusses der Arbeitsrechtlichen Kommission des Diakonischen Werkes der EKD vom unter 1 b den begünstigten Arbeitnehmern nur einen dynamischen Besitzstand garantiere, ohne zu regeln, wie dieser zu gewähren sei. Die Klägerin beruft sich hinsichtlich ihres Anspruchs für die Zeit nach dem zum einen nicht ausschließlich auf diese Garantie, sondern macht auch geltend, sie sei originär in die Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD eingruppiert. Zum anderen ist die Frage, ob die Klägerin einen Anspruch darauf hat, materiell-rechtlich so gestellt zu werden, als sei sie in die Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD eingruppiert, und sich dabei ggf. auf die Besitzstandsklausel stützen kann, eine Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des Feststellungsantrags.

16II. Ob die Klage im Umfang ihrer Zulässigkeit begründet ist, kann der Senat nicht selbst feststellen. Der Rechtsstreit ist insoweit nicht zur Entscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO), sondern war an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

171. Das Landesarbeitsgericht hat im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ( - 4 AZR 438/10 -) angenommen, die Klägerin habe die Voraussetzungen des Richtbeispiels „Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie“ bereits dadurch erfüllt, dass sie ihre Pflegetätigkeit in einer Einrichtung erbringe, in der psychiatrisch erkrankte Patienten behandelt werden. Aufgrund der Besitzstandsregelung des Schlichtungsausschusses könne die Klägerin auch für die Zeit nach dem eine Vergütung der Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD in Form des Unterschiedsbetrags zwischen der Entgeltgruppe 7 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD und dieser Entgeltgruppe beanspruchen.

182. Die Revision rügt mit Recht, dass dieses einrichtungsbezogene Verständnis dem tatsächlichen Begriffsinhalt des Richtbeispiels „Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie“ in den AVR-DW EKD aF nicht gerecht wird. Das Merkmal „in der Psychiatrie“ war auch schon in der bis zum geltenden Fassung der AVR-DW EKD (fach)tätigkeitsbezogen zu verstehen. Gefordert war die Übertragung fachspezifischer Tätigkeiten. Anspruch auf eine Vergütung aus der Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD hatten und haben deshalb nur Gesundheitspfleger, denen Aufgaben übertragen sind, die den Aufgaben einer Fachpflegekraft in der Psychiatrie mit entsprechender Tätigkeit vergleichbar sind und die deshalb Aufgaben der psychiatrischen Gesundheitspflege zu verrichten haben. Das hat der nunmehr allein zuständige erkennende Senat unter Aufgabe der entgegenstehenden Rechtsprechung des Vierten Senats vom (- 4 AZR 438/10 -) mit seinem Urteil vom (- 6 AZR 284/15 - Rn. 28 ff.) entschieden und mit Urteil vom (- 6 AZR 284/16 - Rn. 16) bestätigt. An dieser Rechtsprechungsänderung hält der Senat ungeachtet kritischer Stimmen im Schrifttum (Roßbruch PflR 2016, 783, 784) sowie der Ausführungen der Klägerin in der Revisionsinstanz fest.

19a) Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich aus den mit Wirkung zum abgelösten Eingruppierungsregelungen nicht, dass das Richtbeispiel „Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie“ einrichtungsbezogen zu verstehen war. Im Gegenteil bestätigt das abgelöste Eingruppierungsrecht die Auslegung des Senats.

20aa) Die Klägerin nimmt an, in dem abgelösten Eingruppierungsrecht sei der Bewährungsaufstieg des Pflegepersonals in der Psychiatrie und in der Intensivstation identisch gestaltet gewesen. Daran habe sich durch die Novellierung der AVR zum nichts ändern sollen. Diese Annahme trifft bereits im Ausgangspunkt nicht zu. In die von ihr angeführte Vergütungsgruppe Kr 6 Fallgruppen 32b und 32c waren Krankenschwestern und Krankenpfleger mit erfolgreich abgeschlossener Weiterbildung in der Intensivpflege/-medizin in Einheiten für Intensivmedizin mit entsprechender Tätigkeit bzw. Krankenschwestern und Krankenpfleger mit erfolgreich abgeschlossener Weiterbildung in der Psychiatrie mit entsprechender Tätigkeit originär, also ohne Bewährungsaufstieg, eingruppiert. Darüber hinaus ergab sich aus den von der Klägerin angeführten Vorschriften bereits im abgelösten Eingruppierungsrecht kein einrichtungs-, sondern im Gegenteil ein tätigkeitsbezogenes Verständnis. Eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe Kr 6 Fallgruppen 32b und 32c erhielten nur Krankenschwestern und Krankenpfleger, die bestimmte Weiterbildungen erfolgreich abgeschlossen hatten und entsprechend tätig waren. Eine höherwertige Tätigkeit, die die höhere originäre Eingruppierung in die Vergütungsgruppe Kr 6 rechtfertigte, lag nach dem Willen des Normgebers damit nicht schon vor, wenn eine Tätigkeit in einer Einrichtung der Intensivpflege oder der Psychiatrie verrichtet wurde, sondern erst dann, wenn eine bestimmte Weiterbildung absolviert war und eine dieser entsprechende Tätigkeit in der genannten Einrichtung ausgeübt wurde. Wenn sich daran, wie die Klägerin geltend macht, durch die Neuregelung der Eingruppierung zum nichts ändern sollte, dann spricht das entscheidend dafür, dass das zum eingeführte Richtbeispiel der „Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie“ in die AVR-DW EKD aF von Beginn an tätigkeitsbezogen zu verstehen war. Das erklärt auch, warum nach der Überleitungstabelle (Stand ) für eine Überleitung in die Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD aF die bloße Tätigkeit in einer psychiatrischen Einrichtung nicht genügte. Eine solche Überleitung erfolgte nur aus der Vergütungsgruppe Kr 6 Fallgruppe 32c (vgl.  - Rn. 30).

21bb) Soweit die Klägerin auf die nach den AVR in der bis zum geltenden Fassung bestimmten Pflegepersonen gezahlten Zulagen und deren Institutionsbezug abstellt, handelt es sich um einen anderen Regelungszusammenhang. Rückschlüsse auf die Interpretation des Richtbeispiels der „Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie“ können daraus deshalb nicht gezogen werden.

22b) Der von der Klägerin mit der Revisionserwiderung vorgelegte Auszug des Protokolls der Sitzung der Arbeitsgruppe der Arbeitsrechtlichen Kommission vom 15. bis kann als neuer Tatsachenvortrag in der Revision keine Berücksichtigung finden. Unabhängig davon folgt daraus, dass die Arbeitsgruppe im Richtbeispiel „Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie“ das Wort „Fach-“ vor dem Begriff „Gesundheitspflegerin“ gestrichen hat, um deutlich zu machen, dass auch die Pflegerin ohne Fachweiterbildung in die Entgeltgruppe 9 (jetzt Entgeltgruppe 8) AVR-DW EKD einzugruppieren sei, nur, dass die Kommission für die Eingruppierung nicht auf eine formale Ausbildung abstellen wollte.

23c) Entgegen der Annahme der Klägerin spricht auch die Eingruppierung der den Gesundheitspflegern vorgesetzten Stationsleitungen systematisch für ein tätigkeitsbezogenes Verständnis des Richtbeispiels „Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie“. Stationsleitungen erfüllen das erste Richtbeispiel der Entgeltgruppe 8 Abschnitt B AVR-DW EKD bzw. AVR-DD. Dies soll ihre Leitungsaufgabe abbilden. Das ist nur dann systemkonform, wenn die in einer psychiatrischen Einrichtung tätigen Gesundheitspfleger grundsätzlich nach der Entgeltgruppe 7 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD vergütet werden, und nur bei einer besonderen Belastung durch eine Tätigkeit, die der einer Fachpflegekraft in der Psychiatrie vergleichbar ist, ebenfalls eine Vergütung aus der Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD erhalten ( - Rn. 29). Der von der Klägerin vorgenommene Rückgriff auf die Obersätze der Entgeltgruppe 9 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD, mit dem sie darzulegen versucht, dass die Stationsleitung originär in diese Entgeltgruppe eingruppiert sei, so dass der von den AVR-DW EKD aF vorausgesetzte Entgeltabstand zwischen den Gesundheitspflegern in der Psychiatrie und der Stationsleitung gewahrt sei, verbietet sich. Es ist nicht dargelegt, warum die Tätigkeit der Stationsleitung vom einschlägigen Richtbeispiel in der Entgeltgruppe 8 Abschnitt B AVR-DW EKD bzw. AVR-DD nicht oder nicht vollständig erfasst ist ( - Rn. 25).

24d) Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, eine Klarstellung der Rechtslage durch den Schlichtungsausschuss hätte allenfalls einer Anmerkung bedurft. Unter 1 c des Beschlusses des Schlichtungsausschusses der Arbeitsrechtlichen Kommission vom sei jedoch ausdrücklich von einer „geänderten Fassung“ die Rede. Auch die Besitzstandsregelung unter 1 b des Schlichtungsbeschlusses sei nur erforderlich, wenn eine Änderung der Rechtslage habe herbeigeführt werden sollen.

25Der Wortlaut des Richtbeispiels ist geändert worden. Daraus erklärt sich, dass unter 1 c des Beschlusses vom von einer „geänderten Fassung“ die Rede ist. Die Besitzstandsregelung macht auch bei einem Willen der Kommission, die bereits geltende Rechtslage lediglich klarzustellen, Sinn. Die Regelung erfasst nur Beschäftigte, deren Arbeitgeber das Richtbeispiel „Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie“ einrichtungsbezogen verstanden hatten und darum Gesundheitspfleger bis zum zu Unrecht diesem Richtbeispiel zugeordnet hatten. Sie soll nur das Vertrauen der Beschäftigten schützen, die im Zeitpunkt der Klarstellung der Rechtslage eine Vergütung aus der Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD erhielten. Ihnen soll die tatsächlich gewährte Vergütung erhalten bleiben ( - Rn. 36). Ein solcher Besitzstandsschutz macht auch und gerade dann Sinn, wenn eine bisher missverständliche Rechtslage, die unzutreffende, für die Beschäftigten günstige Eingruppierungen zur Folge hatte, durch eine Änderung eines Richtbeispiels klargestellt wird.

26e) Unerheblich ist schließlich der - zutreffende - Hinweis der Klägerin, dass die Arbeitsrechtliche Kommission bzw. der Schlichtungsausschuss, der den Beschluss vom gefasst hat, nicht personenidentisch mit der Kommission sei, die die zum in Kraft getretene Eingruppierungsregelung erarbeitet hat. Ein Normgeber kann seinen Regelungswillen unabhängig von einer Personenidentität jederzeit klarstellen, wie es zum Beispiel der Deutsche Bundestag auch wahlperiodenübergreifend getan hat (vgl.  - Rn. 18).

273. Auf die seit dem geltende Besitzstandsregelung kann sich die Klägerin nicht berufen, weil sie bis zu diesem Zeitpunkt nicht nach Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD aF vergütet wurde ( - Rn. 36, 40).

284. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht beurteilen, ob der Klägerin Tätigkeiten übertragen worden sind, die den Aufgaben einer Fachpflegekraft in der Psychiatrie mit entsprechender Tätigkeit vergleichbar sind.

29a) Das Landesarbeitsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - keine Feststellungen zum konkreten Inhalt der der Klägerin übertragenen Tätigkeit getroffen. Dass es im Ergebnis offengelassen hat, welcher streitige Tatsachenvortrag hinsichtlich der Tätigkeit der Klägerin zutrifft, begründet entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Ansicht keine den Senat nach § 559 Abs. 2 ZPO bindende Tatsachenfeststellung. Die von § 559 Abs. 2 ZPO verlangte Feststellung, dass die Behauptungen der Klägerin oder der Beklagten zur tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit der Klägerin wahr seien, hat es gerade nicht getroffen. Ohnehin könnten selbst Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die auf seine Auffassung zurückzuführen sind, für die streitbefangene Eingruppierung sei ein einrichtungsbezogenes Verständnis maßgeblich, den Senat nicht binden, weil sie auf einem von der Revision erfolgreich gerügten Rechtsfehler gründen (vgl. BeckOK ZPO/Kessal-Wulf Stand ZPO § 559 Rn. 10).

30b) Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der Zurückverweisung nicht entgegen, dass die Klägerin die zur Feststellung ihrer Tätigkeit erforderlichen Tatsachen bereits in den Vorinstanzen hätte vortragen können. Eine Zurückverweisung nach § 563 Abs. 1 ZPO ist auch dann erforderlich, wenn das Berufungsgericht wie hier aufgrund des von ihm vertretenen Rechtsstandpunkts rechtlich gebotene Hinweise nach § 139 ZPO unterlassen hat. Die Zurückverweisung eröffnet dem Gericht dann die Möglichkeit, den Parteien die erforderliche Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben (vgl.  - Rn. 23;  - zu IV 1 der Gründe, BGHZ 129, 112).

31c) Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

32aa) Zunächst wird das Landesarbeitsgericht festzustellen haben, ob die Behauptung der Klägerin zutrifft, sie erbringe dieselbe Tätigkeit wie alle bei der Beklagten tätigen Krankenschwestern, sei es mit oder ohne Fachweiterbildung, oder ob ihr, wie die Beklagte vorgebracht hat, keine zusätzlichen Aufgaben neben denen einer Krankenpflegefachkraft übertragen worden sind, die ihrer Tätigkeit das Gepräge einer Fachpflegekraft in der Psychiatrie gäben. Es wird dabei beachten müssen, dass dem von der Beklagen in diesem Zusammenhang angesprochenen Gesichtspunkt der Personalbedarfsbemessung keine Bedeutung zukommt. Maßgeblich ist gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 12 Abs. 2 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD allein, welche tatsächlichen Tätigkeiten der Klägerin und den anderen Arbeitnehmern übertragen sind, die die Tätigkeitsmerkmale einer Entgeltgruppe erfüllen und der Tätigkeit das Gepräge geben. Sollte das Landesarbeitsgericht feststellen, dass der Klägerin von der dafür verantwortlichen Person dieselben Aufgaben übertragen worden sind wie Fachpflegekräften in der Psychiatrie mit entsprechender Tätigkeit, die deshalb in die Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD aF bzw. AVR-DD eingruppiert waren bzw. sind, wird es auch die Klägerin in die Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD einzugruppieren haben. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Beklagte darlegt, dass die von ihr nach der Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD vergüteten Fachpflegekräfte tatsächlich das Richtbeispiel „Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie“ nicht erfüllen (vgl. KGH.EKD - I-0124/W17-14 - zu II 2 b der Gründe) und sie etwaige Überzahlungen dieser Arbeitnehmer einstellt. Erbrächte sie dagegen weiter - dann bewusst - zu hohe Entgeltzahlungen an bestimmte Arbeitnehmer, bestünde auch für die Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung im Arbeitsrecht Anspruch auf ein Entgelt aus der Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD (vgl.  - Rn. 40, BAGE 127, 305).

33bb) Sollte die Beklagte bei der Aufgabenzuweisung zwischen Arbeitnehmern, die „einfache“ Tätigkeiten als Krankenpfleger verrichten, und solchen, die Aufgaben einer Fachpflegekraft für Psychiatrie erfüllen, differenzieren, wird das Landesarbeitsgericht feststellen müssen, ob der Klägerin Tätigkeiten übertragen worden sind, die den Aufgaben einer Fachpflegekraft in der Psychiatrie mit entsprechender Tätigkeit vergleichbar sind. Es wird der Klägerin Gelegenheit geben müssen, vorzutragen, welche Aufgaben ihr konkret übertragen worden sind und welche fachspezifischen Tätigkeiten sie vergleichbar einer Fachpflegekraft verrichtet (vgl.  - Rn. 25). Inwieweit sich diese Tätigkeit von der einer Gesundheits- und Krankenpflegerin im Sinne des Richtbeispiels der Entgeltgruppe 7 Abschnitt A AVR-DW EKD bzw. AVR-DD unterscheidet und den Tätigkeiten entspricht, die die von der Beklagten eingesetzten und nach der Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD vergüteten Fachpflegekräfte in der Psychiatrie verrichten, muss erkennbar sein. Der bloße Verweis auf das bei der Beklagten geltende System der Bezugspflege genügt zur erforderlichen Darlegung der Gleichwertigkeit der prägenden Tätigkeit der Klägerin mit der einer Fachpflegekraft für sich allein nicht, weil sich die Bezugspflege auf die Krankenpflege im engeren Sinn beschränken kann. Auch der bloße Bezug auf eine - zudem möglicherweise veraltete - Stellenbeschreibung oder Anforderungsprofile ersetzt ebenso wie deren bloße Wiederholung den erforderlichen Tatsachenvortrag nicht (vgl.  - Rn. 30). Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn sich die Stellenbeschreibung erkennbar auf das tarifliche Tätigkeitsmerkmal bezieht, im Rahmen der Stellenbeschreibung also erkennbar auf die tariflichen Merkmale abgestellt wird ( - Rn. 22). Ob das der Fall ist, wird das Landesarbeitsgericht zu würdigen haben.

34Auf der Grundlage der festgestellten Tätigkeit der Klägerin wird das Landesarbeitsgericht sodann zu prüfen haben, ob die Erfüllung der Aufgaben einer Fachpflegekraft die Tätigkeiten der Klägerin iSd. § 12 Abs. 2 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD prägt. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Gesamttätigkeit der Klägerin die Merkmale des von ihr reklamierten Richtbeispiels erfüllt. Eine Aufspaltung der Gesamttätigkeit in einzelne Arbeitsvorgänge erfolgt nicht. Anders als nach dem bis Ende Juni 2007 geltenden Eingruppierungsrecht ist die überwiegend auszuübende Tätigkeit nicht mehr ausschlaggebend. Darum kommt es dafür, ob Tätigkeiten das für die Eingruppierung erforderliche Gepräge aufweisen, auch nicht mehr auf das zeitliche Ausmaß der Tätigkeit (so noch  - zu II 4 a der Gründe), sondern gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD allein darauf an, dass die Tätigkeit unverzichtbarer Bestandteil des Arbeitsauftrags ist. Tätigkeiten, die nur einen geringen Anteil der Gesamttätigkeit ausmachen und ihr deshalb nicht das Gepräge geben können, sind allerdings außer Acht zu lassen ( - Rn. 26).

35cc) Sollte das Landesarbeitsgericht feststellen, dass die Tätigkeit der Klägerin vom Richtbeispiel der „Gesundheitspflegerin in der Psychiatrie“ nicht voll erfasst wird, wird es das Eingruppierungsbegehren der Klägerin anhand der Obersätze der Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD prüfen müssen, soweit der Tatsachenvortrag der Klägerin dazu Anlass gibt ( - Rn. 27).

36dd) Sollte das Landesarbeitsgericht die Voraussetzungen einer Eingruppierung der Klägerin in die Entgeltgruppe 8 AVR-DW EKD bzw. AVR-DD bejahen, wird es weiter zu prüfen haben, ob und wann das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin, die inzwischen das 66. Lebensjahr vollendet hat, beendet worden ist, und auf eine dementsprechende zeitliche Begrenzung des Feststellungsbegehrens hinzuwirken haben. Außerdem wird es prüfen müssen, ob die mit der Leistungsklage verfolgten Ansprüche unter Beachtung der Fälligkeitsregelung in § 21a AVR-DW EKD für die Zeit vor Juli 2012 (teilweise) verfallen sind. Dabei wird es zu prüfen haben, ob die auf bloße Weiterbildungen, nicht aber auf die Tätigkeit der Klägerin gestützten Geltendmachungen vom und auch das nunmehr verfolgte Eingruppierungsbegehren erfassen (vgl. dazu  - Rn. 21 ff.) oder ob die Ausschlussfrist erst durch die am erfolgte Zustellung der Klageschrift bzw. des Schriftsatzes vom am gewahrt worden ist.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2017:290617.U.6AZR785.15.0

Fundstelle(n):
HAAAG-54547