Insolvenzanfechtung: Rückschluss von der erfolgreichen zwangsweisen Durchsetzung einer unbestrittenen Forderung auf die Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners
Leitsatz
Setzt ein Gläubiger eine unbestrittene Forderung erfolgreich zwangsweise durch, kann daraus nicht geschlossen werden, dass der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung kannte, wenn der Gläubiger außer dieser Forderung und den von ihm zur zwangsweisen Durchsetzung der Forderung unternommenen erfolgreichen Schritten keine weiteren konkreten Tatsachen über die Zahlungsunfähigkeit oder die Vermögenslage seines Schuldners kennt.
Gesetze: § 133 Abs 1 S 2 InsO
Instanzenzug: OLG Dresden Az: 13 U 197/14vorgehend LG Chemnitz Az: 5 O 2096/12
Tatbestand
1Die S. GmbH (fortan: Schuldnerin) beauftragte die Beklagte mit Vertrag vom , Asphaltarbeiten auszuführen. Dem Vertrag lag die VOB/B zugrunde. Die Beklagte führte die Arbeiten aus und stellte eine Abschlagsrechnung über 52.019,14 €, welche die Schuldnerin am unter Wahrnehmung des eingeräumten Skontoabzugs bezahlte. Am nahm die Schuldnerin die Arbeiten der Beklagten ab. Die Beklagte stellte am ihre Schlussrechnung über 39.177,91 €. Am mahnte die Beklagte die Bezahlung der Schlussrechnung an und setzte eine Nachfrist. Da die Schuldnerin auch auf eine weitere Mahnung der Beklagten nach dem Jahreswechsel nicht reagierte, ließ die Beklagte die Zahlung durch ihren Rechtsanwalt mit Schreiben vom anmahnen. Die Schuldnerin zahlte daraufhin 20.000 € am . Hinsichtlich des Restbetrags von 19.177,91 € erhob die Beklagte am Klage gegen die Schuldnerin; am erließ das Landgericht Chemnitz ein Versäumnisurteil über insgesamt 21.806,14 € zuzüglich Zinsen. Die Beklagte beantragte eine Vorpfändung, die der Geschäftsbank der Schuldnerin am zugestellt wurde. Am zahlte die Schuldnerin insgesamt 24.358,06 € auf den Urteilsbetrag nebst Kosten und Zinsen.
2Die Schuldnerin stellte ihren Betrieb im September 2008 ein. Auf einen von der A. gestellten Insolvenzantrag und einen Eigenantrag der Schuldnerin vom eröffnete das Insolvenzgericht am das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.
3Der Kläger verlangt im Wege der Vorsatzanfechtung die am gezahlten 24.358,06 € zurück. Das Landgericht hat den Geschäftsführer der Schuldnerin als Zeugen vernommen und der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Gründe
4Die Revision hat Erfolg.
I.
5Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Zahlung sei nach § 133 Abs. 1, § 143 Abs. 1 InsO anfechtbar. Die Zahlung benachteilige die Gläubiger. Trotz des vorläufigen Zahlungsverbots liege eine Schuldnerhandlung vor, weil der Schuldner die kontoführende Bank selbst angewiesen habe, den geforderten Betrag an die Beklagte zu überweisen.
6Die Schuldnerin habe mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt. Die Schuldnerin sei zum Zeitpunkt der Überweisung am zahlungsunfähig gewesen, weil Zahlungseinstellung vorgelegen habe. Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reiche für eine Zahlungseinstellung aus. Gegenüber der Schuldnerin habe eine Vielzahl von offenen Forderungen bestanden, die ganz überwiegend vor dem fällig geworden seien und sich auf nahezu 100.000 € belaufen hätten. Diese seien bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr vollständig beglichen worden. Da die Schuldnerin ihre Verbindlichkeiten und somit die Zahlungsunfähigkeit gekannt habe, sei von vorsätzlichem Handeln auszugehen.
7Da die Beklagte die tatsächlichen Umstände gekannt habe, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folge, sei gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten, dass sie den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gekannt habe. Es genüge, dass die Schuldnerin den der Beklagten spätestens seit Mitte Dezember 2007 geschuldeten Betrag in einer Größenordnung von 40.000 € nicht zeitnah ausgeglichen habe, sondern erst nach Mahnungen und dem Erlass eines Versäumnisurteils mit nachfolgendem vorläufigen Zahlungsverbot. Erbringe ein Schuldner eine erhebliche Forderung mehrere Monate nach Fälligkeit nicht, sondern leiste nur Teilzahlungen und den Restbetrag erst nach unstreitiger Titulierung, lasse schon dies den Schluss auf Zahlungseinstellung zu. Zudem sei der Beklagten die gewerbliche Tätigkeit der Schuldnerin bekannt gewesen. Die Gesamtwürdigung führe daher zur Feststellung der Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes in der Person der Beklagten.
II.
8Das hält in einem Punkt rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Zahlung vom ist nicht nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar, weil nicht festgestellt werden kann, dass die Beklagte den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin kannte. Andere Anfechtungstatbestände greifen nicht ein.
91. Allerdings hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass eine Rechtshandlung der Schuldnerin vorliegt.
10a) Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine im Rahmen oder aus Anlass einer Zwangsvollstreckung erfolgte Vermögensverlagerung dann anfechtbar sein, wenn dazu zumindest auch eine selbstbestimmte Rechtshandlung des Schuldners beigetragen hat. Fördert der Schuldner eine Vollstreckungsmaßnahme, kann dies die Qualifizierung der Vermögensverlagerung als Rechtshandlung des Schuldners rechtfertigen (vgl. , BGHZ 155, 75, 79; vom - IX ZR 211/02, BGHZ 162, 143, 147 ff; vom - IX ZR 213/09, WM 2011, 501 Rn. 5, 12; vom - IX ZR 4/13, WM 2013, 2074, Rn. 9; vom - IX ZR 128/13, WM 2014, 44 Rn. 7; vom - IX ZR 31/12, WM 2014, 272 Rn. 7; vom - IX ZR 48/15, Rn. 15 zVb). Eine durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Gläubigers erlangte Zahlung kann daher der Vorsatzanfechtung unterliegen, wenn eine Schuldnerhandlung oder eine der Handlung gleichstehende Unterlassung zum Erfolg der Vollstreckungsmaßnahme beigetragen hat. Ausreichend ist eine mitwirkende Rechtshandlung des Schuldners, ohne dass sie die einzige Ursache für die Gläubigerbenachteiligung bilden muss ( aaO mwN). Eine solche Gleichstellung setzt voraus, dass der Beitrag des Schuldners bei wertender Betrachtung dazu führt, dass die Vollstreckungstätigkeit zumindest auch als eigene, willensgeleitete Entscheidung des Schuldners anzusehen ist. In dieser Hinsicht muss der Beitrag des Schuldners ein der Vollstreckungstätigkeit des Gläubigers zumindest vergleichbares Gewicht erreichen (, Rn. 17 zVb).
11b) So liegt der Streitfall. Dies folgt bereits daraus, dass die Schuldnerin die kontoführende Bank angewiesen hat, den in Rede stehenden Betrag an die Beklagte zu überweisen. Ein Schuldner, der eine Überweisung von seinem Bankkonto veranlasst, nimmt eine eigene Rechtshandlung vor, selbst wenn zuvor Ansprüche auf Auszahlungen von diesem Konto zugunsten des Zahlungsempfängers gepfändet und ihm zur Einziehung überwiesen wurden (, WM 2010, 360 Rn. 16; vom - IX ZR 128/13, WM 2014, 44 Rn. 9 mwN; vom - IX ZR 48/15, Rn. 20 zVb). Dies gilt erst recht für Fälle, in denen - wie im Streitfall - lediglich eine Vorpfändung gemäß § 845 ZPO erfolgt ist.
122. Ebenso ist die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, die Schuldnerin habe mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt, rechtsfehlerfrei.
13a) Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO hat der Tatrichter gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu prüfen (, WM 2009, 1943 Rn. 8). Die revisionsgerichtliche Kontrolle der getroffenen Feststellungen beschränkt sich darauf, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (, WM 2016, 1701 Rn. 12 mwN).
14b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats genügt für den in § 133 Abs. 1 InsO vorausgesetzten Benachteiligungsvorsatz des Schuldners bedingter Vorsatz. Ein Benachteiligungsvorsatz ist deshalb nicht nur dann gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 InsO) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt hat, sondern auch dann, wenn er lediglich die Benachteiligung als mutmaßliche Folge - sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils - erkannt und gebilligt hat. Ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in der Regel mit Benachteiligungsvorsatz, denn er weiß, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen. Dies gilt auch dann, wenn eine kongruente Leistung angefochten wird (, WM 2014, 1868 Rn. 17 mwN).
15c) Das Berufungsurteil stimmt mit diesen Grundsätzen überein. Insbesondere ist der Schluss des Berufungsgerichts auf einen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners rechtsfehlerfrei. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts bestanden bereits zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung erhebliche offene Forderungen von rund 100.000 €, die bis zur Insolvenzeröffnung nicht mehr befriedigt worden sind.
16Zu Unrecht rügt die Revision, das Berufungsurteil enthalte keine Feststellungen, ob diese Forderungen tatsächlich eingefordert gewesen seien. Dass das Berufungsgericht sich hierzu nicht ausdrücklich äußert, begründet keinen Rechtsfehler. Allerdings dürfen Forderungen, die rechtlich oder auch nur tatsächlich - also ohne rechtlichen Bindungswillen oder erkennbare Erklärung - gestundet sind, bei der Feststellung der Zahlungseinstellung und Zahlungsunfähigkeit nicht berücksichtigt werden (, WM 2008, 452 Rn. 25 mwN). Zu berücksichtigen sind nur solche Forderungen, bei denen eine Gläubigerhandlung feststeht, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt (, BGHZ 173, 286 Rn. 19). Hierfür genügen sämtliche fälligkeitsbegründenden Handlungen der Gläubiger wie auch die Übersendung einer Rechnung (BGH, aaO). Da der Kläger mehrere, insbesondere ab Anfang 2008 fällige Forderungen verschiedener Gläubiger behauptet hat und die Revision nicht aufzeigt, dass die Beklagte überhaupt Einwendungen gegen diese offenen Verbindlichkeiten erhoben hat, durfte das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei annehmen, dass die von ihm festgestellten Forderungen anderer Gläubiger bereits zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung auch tatsächlich eingefordert waren. Nähere Feststellungen zu dieser Frage waren angesichts dieses Sach- und Streitstandes entbehrlich.
173. Jedoch hält die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gekannt, rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Vermutungstatbestand des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO ist nicht erfüllt.
18a) Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO wird vermutet, dass der Gläubiger den Vorsatz des Schuldners kannte, wenn er wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Im Hinblick auf § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO genügt es, wenn dem Gläubiger die Zahlungseinstellung bekannt war. Dem steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die - drohende - Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (, WM 2013, 180 Rn. 24 f; vom - IX ZR 280/13, ZIP 2014, 1887 Rn. 26; vom - IX ZR 203/12, ZIP 2015, 437 Rn. 25; vom - IX ZR 95/14, ZIP 2015, 1234 Rn. 17; vom - IX ZR 61/14, WM 2016, 172 Rn. 23; vom - IX ZR 32/14‚ WM 2016, 422 Rn. 21; vom - IX ZR 174/15, WM 2016, 1238 Rn. 17).
19b) Insoweit hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft zu geringe Anforderungen an den Nachweis der von § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO geforderten Kenntnis des Gläubigers gestellt. Anders als das Berufungsgericht meint, lässt sich der Schluss auf eine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung im Rahmen des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht schon dann ziehen, wenn der Gläubiger die vollständige Erfüllung seiner einzigen Forderung alsbald nach einem von ihm erstrittenen Versäumnisurteil erreicht. Setzt ein Gläubiger seine Forderung zwangsweise durch, ermöglicht dies keinen zwingenden Schluss auf Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung, wenn der Gläubiger außer dieser Forderung und den von ihm zur zwangsweisen Durchsetzung der Forderung unternommenen erfolgreichen Schritten keine weiteren konkreten Tatsachen über die Zahlungsunfähigkeit oder die Vermögenslage seines Schuldners kennt.
20aa) Im Rahmen der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO ist zu berücksichtigen, dass diese nicht auf der Gläubigergleichbehandlung beruht, sondern das Interesse der Gläubiger schützt, dass der Schuldner ihre prinzipiell gleichen Befriedigungschancen nicht beeinträchtigt (, BGHZ 162, 143, 150; vom - IX ZR 31/12, WM 2014, 272 Rn. 17). Der Gläubiger, der mangels näherer Kenntnisse über die Liquiditätslage des Schuldners sich der staatlichen Zwangsmittel bedient, um seine Forderung durchzusetzen, unterliegt damit außerhalb des von den Normen der besonderen Insolvenzanfechtung geschützten Zeitraums grundsätzlich keinen vom Anfechtungsrecht ausgehenden Beschränkungen ( aaO S. 149). Demgemäß ist eine Befriedigung durch Zwangsvollstreckung im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO kongruent (, BGHZ 155, 75, 82f; vom - IX ZR 199/02, BGHZ 157, 242, 255; vom - IX ZR 190/03, ZIP 2004, 1512, 1513).
21Im Hinblick auf diese Wertung des Gesetzes müssen die Anforderungen an den Vermutungstatbestand des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO entsprechend gefasst werden, wenn ein Gläubiger für seine Forderung die Zwangsvollstreckung anstrebt. Die Anforderungen an den Nachweis der dem individuellen Vertrauensschutz des Gläubigers dienenden subjektiven Anforderungen der Vorsatzanfechtung auf Seiten des Gläubigers dürfen für einen solchen Fall nicht zu sehr abgesenkt werden. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass ein Gläubiger auch tatsächlich in der Lage sein muss, entweder seine Forderung effektiv durchzusetzen oder einen zulässigen Insolvenzantrag zu stellen.
22Zum Schutz vor einer möglichen Zahlungsunwilligkeit, bewussten Zahlungsverzögerungen oder einem erzwungenen Lieferantenkredit muss dem Gläubiger, demgegenüber erstmalig ein Zahlungsrückstand auftritt und der über keine weiteren Erkenntnisse zur Zahlungsfähigkeit des Schuldners verfügt, möglich sein, außerhalb des von der besonderen Insolvenzanfechtung erfassten Zeitraums seine Forderung ohne Anfechtungsrisiko auf gerichtlichem Weg durchzusetzen. Solange der Gläubiger im Rahmen der Forderungsdurchsetzung keine weiteren Umstände erfährt, die zu einem zwingenden Schluss auf eine Zahlungsunfähigkeit führen, genügen Verzug des Schuldners und sein Schweigen auf die gerichtliche Durchsetzung der Forderung nicht. Andernfalls wäre ein Einzelgläubiger, der ohne den Versuch einer zwangsweisen Forderungsdurchsetzung im Regelfall keinen aussichtsreichen Insolvenzantrag zu stellen vermag, wegen der Gefahr einer so erleichterten Vorsatzanfechtung letztlich gezwungen, das zögerliche Zahlungsverhalten seines Schuldners hinzunehmen. Der Schluss auf die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit setzt deshalb voraus, dass andere Erklärungsmöglichkeiten hinreichend sicher ausscheiden. Dies gilt auch dann, wenn der Schuldner - wie im Streitfall - keine sachlichen Einwendungen gegen die Forderung erhebt. § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO verlangt die Überzeugung, dass der Gläubiger positive Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder der Zahlungseinstellung hatte; eine grob fahrlässige oder leichtfertige Unkenntnis genügt nicht.
23bb) Bereits aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgt, dass Verzug oder zeitweise Nichtzahlung einer Forderung für sich genommen nicht genügen, um einen zwingenden Schluss auf Zahlungsunfähigkeit ziehen zu können. Dass ein Schuldner eigenmächtig Zahlungsfristen in Anspruch nimmt, muss aus Sicht des Gläubigers nicht zwingend auf eine Zahlungseinstellung deuten (, WM 2016, 1238 Rn. 36). Daher folgt daraus, dass ein Schuldner über eine Dauer von zehn Monaten geschuldete Sozialversicherungsbeiträge jeweils um drei bis vier Wochen verspätet zahlt, nicht stets zwingend eine Zahlungseinstellung (, WM 2013, 2272 Rn. 13). Eine offene Forderung allein genügt nicht, um zwingend auf (drohende) Zahlungsunfähigkeit schließen zu können, solange nicht Maßnahmen zur Forderungseinziehung getroffen werden, deren Erfolglosigkeit einen Rückschluss auf eine ungünstige Vermögenslage des Schuldners zulässt (vgl. , ZInsO 2014, 1057 Rn. 6). Weiter hat der Senat in einem Fall, in dem der Gläubiger nach einer außergerichtlichen Mahnung einen Mahnbescheid und einen anschließenden Vollstreckungsbescheid beantragt und der Schuldner auf diesen hin gezahlt hat, die Annahme, dass die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 InsO nicht erfüllt seien, nicht beanstandet und eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO nicht erwogen (vgl. , WM 2007, 227 Rn. 5, 15). Schließlich ist eine Ratenzahlung, die sich im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs hält und nicht mit Erklärungen des Schuldners oder sonstigen Umständen verbunden ist, die einen Rückschluss auf eine ungünstige Vermögenslage zulassen, kein Indiz für eine Zahlungseinstellung (vgl. , WM 2015, 933 Rn. 4 mwN).
24cc) Dem steht nicht entgegen, dass aus der Nichtzahlung einer einzigen Forderung ein Schluss auf Zahlungseinstellung gezogen werden kann, wenn diese Forderung insgesamt von nicht unbeträchtlicher Höhe ist (vgl. , WM 2010, 711 Rn. 39; vom - IX ZR 134/10, WM 2011, 1429 Rn. 12 mwN; vom - IX ZR 109/15, WM 2016, 560 Rn. 17; vom - IX ZR 65/15, ZIP 2016, 2423 Rn. 19). Um aus diesem Umstand im Rahmen des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO einen zwingenden Schluss auf Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit ziehen zu können, setzt dies im Regelfall voraus, dass entweder diese Forderung tatsächlich zumindest in wesentlichen Teilen unbezahlt bleibt oder andere Indizien hinzutreten und in der Summe der Indizien der Schluss auf Zahlungseinstellung greift. Diese Würdigung darf nicht schematisch erfolgen, sondern muss die Überzeugung begründen, dass der Gläubiger gesicherte Kenntnis von der Zahlungseinstellung hat.
25Erforderlich ist, dass aus dem Zahlungsverhalten der Schluss gezogen werden muss, dass der Schuldner aus Mangel an liquiden Mitteln nicht in der Lage ist, die Forderung vollständig und in einem Zug zu erfüllen. Demgemäß hat der Senat die Kenntnis einer eigenen Forderung für ausreichend gehalten, wenn der Gläubiger erst nach fruchtlosen Pfändungsversuchen Befriedigung erhält (vgl. , BGHZ 149, 178, 185 f unter 4. a.). Ebenso kann es genügen, wenn der Gläubiger angesichts der Forderungshöhe sicher weiß, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, die Forderungen zu erfüllen (vgl. , WM 2015, 1339 Rn. 9). Damit ist der Streitfall nicht vergleichbar. Es liegt ein erstmaliger Zahlungsrückstand vor. Nähere Kenntnisse der Beklagten über die Vermögensverhältnisse und Liquidität der Schuldnerin hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Schließlich haben die Maßnahmen - anders als in dem vom , WM 2016, 560 Rn. 15) entschiedenen Fall, in dem der Schuldner nur den Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung anbot - zur vollen Befriedigung der Beklagten nach Titulierung geführt.
26c) Im Streitfall hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Beklagte ihre Forderung im Klagewege hat durchsetzen müssen. Nähere Umstände aus der Sphäre der Schuldnerin, die der Beklagten eine sichere Kenntnis über die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hätten geben können, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Dies genügt nach den dargelegten Maßstäben nicht, um den rechtlich zwingenden Schluss auf eine tatsächlich eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder eine Zahlungseinstellung ziehen zu können.
27Zu Unrecht stellt das Berufungsgericht auf das Senatsurteil vom (IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 Rn. 20 f) ab. In jener Entscheidung handelte es sich bei dem Gläubiger um einen der Hauptlieferanten des Schuldners. Der Schuldner hatte die Verbindlichkeiten bereits über einen längeren Zeitraum regelmäßig verspätet bezahlt; zudem stieg der Zahlungsrückstand stetig an und erklärte die Schuldnerin, dass ihr eine Rückführung der Altverbindlichkeiten nur im Wege der Ratenzahlung möglich sei (BGH, aaO Rn. 23), ohne die versprochenen Raten zu erbringen (BGH, aaO Rn. 31) . Hiermit ist der Streitfall nicht vergleichbar. Gleiches gilt für das Senatsurteil vom (IX ZR 109/15, WM 2016, 560). Auch in diesem Fall stand der Schuldner mit dem Gläubiger in einer ständigen Geschäftsbeziehung und offenbarte mit seinem Angebot, die in einem gerichtlichen Vergleich titulierte Forderung nur durch Ratenzahlung tilgen zu können, zugleich seine Zahlungsunfähigkeit (BGH, aaO Rn. 21). Zudem führte der vom Gläubiger geführte Rechtsstreit - anders als im Streitfall - nicht zur vollständigen Tilgung der Forderungen.
III.
28Die Sache ist zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist unbegründet, weil nicht festgestellt werden kann, dass die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO erfüllt sind.
291. Der vom Berufungsgericht festgestellte Sachverhalt erfüllt § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO aus Rechtsgründen nicht. Weitere Feststellungen sind nicht zu erwarten. Das Landgericht hat den vom Kläger angebotenen Zeugenbeweis erhoben. Die Beweisaufnahme hat - was der Senat selbst feststellen kann - nicht den Nachweis erbracht, dass der Beklagten zusätzliche Umstände über die bereits vom Berufungsgericht festgestellten Umstände bekannt waren. Insbesondere hat der Kläger nicht beweisen können, dass die Schuldnerin die Beklagte über ihre Zahlungsschwierigkeiten informiert hat. Damit kannte die Beklagte auch unter Berücksichtigung ihrer eigenen, verspätet beglichenen Forderung keine tragfähigen Anhaltspunkte, dass sich die Schuldnerin in existenziellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand. Von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Schuldnerin hatte sie keine Kenntnis; insbesondere wusste sie nicht, dass die Schuldnerin auch anderen Gläubigern gegenüber Schulden hatte, die nicht pünktlich beglichen wurden (vgl. , WM 2013, 1361 Rn. 10; vom - IX ZR 49/13, WM 2013, 2272 Rn. 15).
30Für die Frage, ob die Beklagte die (drohende) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin kannte, kann sich der Kläger schließlich nicht auf die Rechtsprechung des Senats stützen, wonach ein Gläubiger bei gewerblich tätigen Schuldnern damit rechnen muss, dass es weitere Gläubiger des Schuldners mit ungedeckten Ansprüchen gibt (, WM 2009, 1943 Rn. 10; vom - IX ZR 173/07, WM 2009, 2229 Rn. 17; vom - IX ZR 117/11, WM 2012, 2251 Rn. 30; vom - IX ZR 3/12, WM 2013, 174 Rn. 15; vom - IX ZR 203/12, WM 2015, 381 Rn. 30; vom - IX ZR 109/15, WM 2016, 560 Rn. 11; vom - IX ZR 65/15, ZIP 2016, 2423 Rn. 13; vom - IX ZR 285/16, Rn. 8 zVb). Dieser Umstand ist kein taugliches Indiz, um die Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit oder der Zahlungseinstellung zu beweisen. Diese Rechtsprechung setzt vielmehr voraus, dass der Gläubiger die (drohende) Zahlungsunfähigkeit bereits kennt, und betrifft allein die daran anschließende Frage, ob die feststehende Kenntnis von drohender oder bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit auch die im Rahmen des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO geforderte Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung indiziert (vgl. , ZIP 2004, 669 Rn. 21; vom - IX ZR 97/06, ZIP 2007, 1511 Rn. 24, 26; vom , aaO; vom , aaO; vom , aaO). Weiß der Anfechtungsgegner nämlich von der drohenden oder bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, muss er grundsätzlich auch davon ausgehen, dass Zahlungen an ihn selbst andere Gläubiger benachteiligen, wenn der Schuldner unternehmerisch tätig und deshalb damit zu rechnen war, dass auch andere Gläubiger existieren. Soweit früheren Entscheidungen des Senats etwas anderes entnommen werden kann, wird daran nicht festgehalten.
312. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin kannte, bestehen schon deshalb nicht, weil der Beklagten keine Umstände über die zukünftige Entwicklung bei der Schuldnerin bekannt waren.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:220617UIXZR111.14.0
Fundstelle(n):
DB 2017 S. 1772 Nr. 31
DB 2017 S. 6 Nr. 29
DStR 2017 S. 13 Nr. 33
DStR 2017 S. 2178 Nr. 40
WM 2017 S. 1424 Nr. 29
ZIP 2017 S. 1379 Nr. 29
NAAAG-50326