BFH Beschluss v. - VI B 105/16

Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft - Betriebsaufgabe

Leitsatz

1. Ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft wird nicht durch die bloße Einstellung der Eigenbewirtschaftung aufgegeben, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen erhalten bleiben, so dass die Möglichkeit besteht, den Betrieb selbst oder durch die Erben wiederaufzunehmen .

2. Die unentgeltliche Übertragung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs stellt weder eine Entnahme noch eine Betriebsaufgabe dar .

3. Aus Beweisgründen konnte die Absicht der Betriebseinstellung auch schon vor Einführung des § 16 Abs. 3b EStG durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 grundsätzlich nur bei einer entsprechenden unmissverständlichen Erklärung des Steuerpflichtigen angenommen werden .

Gesetze: § 6 Abs 3 EStG 2009, § 14 S 2 EStG 2009, § 16 Abs 3b S 1 EStG 2009, § 7 Abs 1 EStDV 2000, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 4 FGO, § 116 Abs 5 S 2 FGO, § 6 Abs 3 EStG 2002, § 14 S 2 EStG 2002, § 16 Abs 3b S 1 EStG 2002, EStG VZ 2007, EStG VZ 2010

Instanzenzug: Az: 13 K 2611/12 Urteil

Gründe

1Die Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen.

21. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine hinreichend bestimmte Rechtsfrage herausstellt, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit an der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortentwicklung des Rechts erforderlich ist (Klärungsbedürftigkeit) und die im konkreten Streitfall klärbar ist (Klärungsfähigkeit). Dazu ist auszuführen, ob und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist und deshalb eine höchstrichterliche Klärung über die materiell-rechtliche Beurteilung des Streitfalles hinaus für die Allgemeinheit Bedeutung hat. Sofern zu dem Problemkreis Rechtsprechung und Äußerungen im Fachschrifttum vorhanden sind, ist eine grundlegende Auseinandersetzung damit sowie eine Erörterung geboten, warum durch diese Entscheidungen die Rechtsfrage noch nicht als geklärt anzusehen ist bzw. weshalb sie ggf. einer weiteren oder erneuten Klärung bedarf (z.B. Beschlüsse des , BFH/NV 2004, 224; vom II B 74/08, BFH/NV 2009, 125, und vom I B 189/13, BFH/NV 2015, 237).

3a) Nach diesen Maßstäben kommt der vorliegenden Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu.

4Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hält (zumindest sinngemäß) die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob die Abgabe einer Betriebsaufgabeerklärung gegenüber dem Finanzamt (FA) auch schon vor dem unabdingbare Voraussetzung für die Aufgabe eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs gewesen sei.

5Die Klägerin legt aber nicht dar, aus welchen Gründen die Klärung dieser Rechtsfrage im Interesse der Allgemeinheit liegen soll. Sie trägt nicht vor, ob und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist und deshalb eine höchstrichterliche Klärung über die materiell-rechtliche Beurteilung des Streitfalles hinaus für die Allgemeinheit Bedeutung hat. Die Klägerin setzt sich darüber hinaus nicht mit der ständigen Rechtsprechung des BFH zu den Voraussetzungen einer Betriebsaufgabe, insbesondere bei einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb auseinander (z.B. , BFHE 152, 62, BStBl II 1988, 260; vom IV R 7/89, BFHE 165, 38, BStBl II 1991, 833; vom IV R 58/91, BFHE 167, 19, BStBl II 1992, 521; vom IV R 52/94, BFH/NV 1996, 110, und vom IV R 5/06, BFHE 218, 569, BStBl II 2008, 113, m.w.N.). Sie erörtert dementsprechend auch nicht --wie es geboten wäre--, warum durch diese Entscheidungen die Rechtsfrage noch nicht als geklärt anzusehen ist bzw. weshalb sie ggf. einer weiteren oder erneuten Klärung bedarf.

6b) Betrifft eine als klärungsbedürftig aufgeworfene Rechtsfrage ausgelaufenes oder auslaufendes Recht, hier das Erfordernis der Abgabe einer Betriebsaufgabeerklärung vor dem und damit vor Einführung des § 16 Abs. 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom (BGBl I 2011, 2131), muss zudem besonders dargelegt werden, dass die Rechtsfrage sich noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft weiterhin stellen könnte, wie dies bei Fragen aus fortgeltendem Recht regelmäßig der Fall ist (BFH-Beschlüsse vom III B 58/99, BFH/NV 2000, 748, und vom X B 58/02, BFH/NV 2003, 622). Hierzu fehlt ebenfalls jeglicher Vortrag der Klägerin. § 16 Abs. 3b EStG gilt gemäß § 14 Satz 2 EStG bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft entsprechend.

7c) Zudem entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft nicht durch die bloße Einstellung der Eigenbewirtschaftung aufgegeben wird. Wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen erhalten bleiben, so dass die Möglichkeit besteht, den Betrieb selbst oder durch die Erben wiederaufzunehmen (s. , BFHE 151, 392, BStBl II 1988, 257, und in BFHE 152, 62, BStBl II 1988, 260; in BFHE 167, 19, BStBl II 1992, 521, sowie , BFH/NV 1991, 591), hängt die Annahme einer Betriebsaufgabe, insbesondere in Verpachtungsfällen, letztlich von den Absichten des Steuerpflichtigen ab (BFH-Urteil in BFH/NV 1996, 110). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH liegt insbesondere im Falle der unentgeltlichen Übertragung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs weder eine Entnahme noch eine Betriebsaufgabe vor. Der Betrieb wird vielmehr steuerrechtlich unverändert durch den Rechtsnachfolger fortgeführt (z.B. BFH-Urteile in BFHE 152, 62, BStBl II 1988, 260; vom X R 52/13, BFHE 253, 359, BStBl II 2016, 710, und vom IV R 45/13, BFH/NV 2017, 459). Dieser ist an die Buchwerte des Rechtsvorgängers gebunden (§ 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung --EStDV-- bzw. § 6 Abs. 3 EStG). Aus den BFH-Urteilen vom IV R 88/99 (BFHE 195, 267, BStBl II 2002, 791) und vom IV R 95/87 (BFHE 157, 365, BStBl II 1989, 863) ergibt sich insoweit nichts anderes. Denn diese Urteile betrafen den entgeltlichen Erwerb eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs.

8Aus Beweisgründen konnte die Absicht der Betriebseinstellung auch schon vor Einführung des § 16 Abs. 3b EStG grundsätzlich nur bei einer entsprechenden unmissverständlichen Erklärung des Steuerpflichtigen angenommen werden (, BFH/NV 1990, 219; in BFHE 167, 19, BStBl II 1992, 521, und BFH-Beschluss in BFH/NV 1991, 591). Dies hat der BFH auch bereits für Veranlagungszeiträume vor 1988 entschieden (s. BFH-Urteil in BFH/NV 1996, 110, m.w.N.). Der Umstand, dass die Finanzverwaltung vor der Veröffentlichung des BFH-Urteils in BFHE 152, 62, BStBl II 1988, 260 die Auffassung vertreten hatte, bei einer parzellenweisen Verpachtung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs sei (auch ohne ausdrückliche Aufgabeerklärung) eine Betriebsaufgabe anzunehmen (s. koordinierte Erlasse der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder vom , BStBl II 1965, 5, und vom , BStBl II 1966, 34), vermag die grundsätzliche Bedeutung der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage heute nicht mehr zu begründen.

92. Soweit die Klägerin meint, eine Entscheidung des BFH sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, gehört zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des Finanzgerichts (FG) einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen (Senatsbeschluss vom VI B 151/10, BFH/NV 2011, 1003). Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer darzulegen, dass das angefochtene Urteil und die vorgebliche Divergenzentscheidung dieselbe Rechtsfrage betreffen und zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind (z.B. , BFH/NV 2012, 178).

10a) Die Beschwerdebegründung entspricht diesen Anforderungen in mehrfacher Hinsicht nicht.

11Das FG hat bereits nicht den Rechtssatz aufgestellt, den die Klägerin der Vorentscheidung entnimmt. Das FG hat nicht entschieden, dass unabdingbare Voraussetzung für die Aufgabe eines landwirtschaftlichen Betriebs auch schon vor dem eine gegenüber dem FA abzugebende schriftliche Aufgabeerklärung sei. Das FG hat vielmehr im Einzelnen geprüft, ob eine Betriebsaufgabe unter den im Streitfall gegebenen Umständen ohne ausdrückliche Aufgabeerklärung vorlag, diese Frage aber im Ergebnis verneint. Das FG hat hinsichtlich des von ihm angenommenen Fortbestands des landwirtschaftlichen Betriebs also nicht allein auf das Fehlen der Aufgabeerklärung, sondern vielmehr insbesondere darauf abgestellt, "ob eine identitätswahrende Wiedereröffnung des Betriebs möglich" gewesen sei. Hierzu hat das FG die Auffassung vertreten, dass die zurückbehaltenen Flächen zur Fortführung des landwirtschaftlichen Betriebs zumindest in verkleinerter Form ausgereicht hätten. Davon ausgehend hat das FG dann --in grundsätzlicher Übereinstimmung mit der oben bereits dargestellten ständigen Rechtsprechung des BFH-- eine Aufgabeerklärung als notwendig angesehen, um eine Betriebsaufgabe dennoch bejahen zu können.

12b) Dem von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgrund der Erforderlichkeit einer BFH-Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) steht darüber hinaus entgegen, dass die nach Auffassung der Klägerin zu klärenden Fragen in Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe seit Einführung des § 16 Abs. 3b EStG ausgelaufenes Recht betreffen und die Klägerin einen dennoch bestehenden Bedarf, die im Streitfall zu beurteilenden Fragen zu klären, nicht dargelegt hat. Dieses Darlegungserfordernis gilt auch, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde auf eine Divergenz gestützt wird (, BFH/NV 2007, 1895; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 193).

133. Soweit die Klägerin erstmals mit Schriftsatz vom xx.xx. 2016 die Zulassung der Revision wegen eines (angeblichen) Verfahrensfehlers des FG gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO begehrt, kann sie mit diesem Vorbringen schon deshalb nicht (mehr) gehört werden, weil die Beschwerdebegründungsfrist am xx.xx. 2016 bereits abgelaufen war. Die Gründe für die Revisionszulassung müssen innerhalb der Begründungsfrist in der gebotenen Form dargelegt werden (Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 116 Rz 22). Nach Ablauf der nur einmal verlängerbaren (§ 116 Abs. 3 Satz 4 FGO) Begründungsfrist können demnach insbesondere keine weiteren Zulassungsgründe nachgeschoben werden; maßgeblich ist vielmehr --abgesehen von schlichten Erläuterungen bzw. die Zulässigkeitsfrage unberührt lassenden Ergänzungen des fristgemäßen Vorbringens-- der Inhalt der innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze (z.B. BFH-Beschlüsse vom X B 116/06, BFH/NV 2007, 1705, und vom X B 153/14, BFH/NV 2016, 928).

144. Mit ihren Ausführungen wendet sich die Klägerin im Kern gegen die materielle Rechtmäßigkeit des Urteils. Der Vortrag, das Urteil der Vorinstanz sei rechtsfehlerhaft, rechtfertigt die Zulassung der Revision indessen nicht. Denn die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Streitfalls durch das FG ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren --von im Streitfall nicht gegebenen Ausnahmefällen abgesehen-- grundsätzlich unbeachtlich (, BFH/NV 2012, 1461).

155. Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

166. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2017:B.110517.VIB105.16.0

Fundstelle(n):
BFH/NV 2017 S. 1172 Nr. 9
DAAAG-50043