Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Feststellung der nicht geringen Menge bei Anbau von Cannabispflanzen zwecks späterer Veräußerung der Ernte
Gesetze: § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 261 StPO, § 267 StPO
Instanzenzug: LG Magdeburg Az: 25 KLs 4/16
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Beisichführen einer Schusswaffe“ zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Sachrüge gestützten, vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision, mit der sie nur den Strafausspruch angreift. Die Revision hat Erfolg.
I.
21. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3Ein „T. “ schlug dem Angeklagten vor, den Dachboden des von ihm bewohnten Einfamilienhauses zur Cannabisaufzucht zu nutzen. Der Angeklagte willigte ein, um seine Schulden zu reduzieren und seine Drogensucht finanzieren zu können. „T. “ brachte dem Angeklagten 99 kleine Hanfpflanzen, die er eigenständig aufziehen sollte. Er stellte ihm dafür 10.000 bis 15.000 € in Aussicht. Am wurde das Haus des Angeklagten durchsucht, und die Pflanzen wurden sichergestellt. Die Pflanzenteile hatten ein Gewicht von 2,3 kg und einen Wirkstoffgehalt von 1,28 % Tetrahydrocannabinol (THC) entsprechend 29,4 g. Dem Angeklagten war klar, dass es sich angesichts der Anzahl der Pflanzen um eine erhebliche Menge Betäubungsmittel handelte. Im Eingangsbereich seines Hauses verwahrte er eine Schreckschusspistole, die mit fünf CS-Reizgaskartuschen geladen war, und direkt daneben weitere Munition, um sich vor Gefährdungen bei der Aufzucht und der sich im Anschluss ergebenden Geschäfte zu schützen. Ihm war bewusst, dass er jederzeit Zugriff auf die funktionstüchtige Schusswaffe hatte.
42. Die Strafkammer hat das Verhalten des Angeklagten als unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Beisichführen einer Schusswaffe bewertet. Sie hat einen minder schweren Fall im Sinne von § 30a Abs. 3 BtMG angenommen, weil die Schreckschusswaffe weniger gefährlich sei als eine scharfe Schusswaffe. Sie hat weiter zu Gunsten des Angeklagten u. a. gewertet, dass Cannabis lediglich eine weiche Droge ist und dass die nicht geringe Menge an THC lediglich um das Dreifache überschritten wurde.
53. Die Staatsanwaltschaft beanstandet die Annahme eines minder schweren Falles und die konkrete Strafzumessung.
II.
6Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf den Strafausspruch beschränkt. Zwar hat die Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg die Revision ausdrücklich auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Gegenstand der Revisionsbegründung ist allerdings lediglich der Strafausspruch; zu der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verhält sie sich nicht. Unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV ist dem zu entnehmen, dass die Unterbringungsanordnung nicht angegriffen werden soll.
III.
7Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
8Der Generalbundesanwalt hat zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass die Strafkammer für den angewendeten § 30a Abs. 3 BtMG einen falschen Strafrahmen zugrunde gelegt hat (UA 10). Dieser beträgt in der seit dem geltenden Fassung des Gesetzes nicht sechs Monate bis fünf Jahre, sondern sechs Monate bis zehn Jahre Freiheitsstrafe. Auch hat das Landgericht die mögliche Sperrwirkung des Strafrahmens des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG mit einer Mindeststrafe von einem Jahr nicht erkennbar bedacht. Dies allein ließe aber noch nicht besorgen, dass die verhängte Strafe zu Gunsten des Angeklagten von dem Fehler beeinflusst worden ist.
9Das Landgericht ist jedoch auch von einem zu geringen Schuldumfang ausgegangen, indem es beim Wirkstoffgehalt auf das - lediglich - Dreifache der nicht geringen Menge an Wirkstoffgehalt in den sichergestellten Cannabispflanzen abgestellt hat. Bei einem auf spätere Veräußerung zielenden Anbau von Cannabispflanzen ist für die Abgrenzung des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln vom Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge die Menge maßgeblich, die mit der bereits begonnenen Aufzucht der Pflanzen letztlich erzielt und gewinnbringend veräußert werden soll (, BGHSt 58, 99; vom - 5 StR 302/13 Rn. 9 f.). Entsprechend ist auch für den Schuldumfang bei der Strafzumessung die Menge an Wirkstoff maßgeblich, die mit dem Anbau letztlich erzielt und gewinnbringend veräußert werden soll. Fehlen Referenzwerte aus einem früheren Anbau, muss die zu erwartende Ertragsmenge - gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe - geschätzt werden (vgl. Patzak/Goldhausen, NStZ 2014, 384, 386). Hieran ist die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer weder durch die Rechtskraft des Schuldspruchs noch durch die Bindungswirkung nicht aufgehobener Feststellungen gehindert.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:221216U4STR360.16.0
Fundstelle(n):
OAAAG-47327