Voraussetzungen einer Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheids nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO infolge
der unvollständigen Angabe der Einkünfte aus einer Tätigkeit im Rahmen der EULEX-Mission im Kosovo in den Einkommensteuererklärungen
Leitsatz
1. Grund für die Korrektur eines Steuerbescheids nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO ist nicht ein bestimmtes missbilligtes
Verhalten, sondern dessen Ergebnis, die Existenz eines Verwaltungsakts, der durch unlautere Mittel erwirkt wurde. Unter dem
unlauteren Verhalten durch arglistige Täuschung ist die bewusste und vorsätzliche Irreführung zu verstehen, wie jedes vorsätzliche
Verschweigen oder Vortäuschen von Tatsachen, durch das die Willensbildung der Behörde unzulässig beeinflusst wird. Dazu gehört
auch das pflichtwidrige Verschweigen entscheidungserheblicher Tatsachen, hinsichtlich derer für den Betroffenen gegenüber
der Finanzbehörde eine Mitteilungspflicht besteht. Da unter Vorsatz auch bedingter Vorsatz zu verstehen ist, ist die Vorschrift
in allen Fällen anwendbar, in denen –lediglich– bewusst in Kauf genommen wird, dass eine unterbliebene Mitteilung zu einer
unzulässigen Beeinflussung der Willensbildung der Behörde führt (umfassende Rechtsprechungsnachweise zu den Voraussetzungen
der Anwendung des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO).
2. Für die Anwendung des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO ist es nicht erforderlich, dass die unlauteren Mittel –bei
Zusammenveranlagung– von den (beiden) Steuerpflichtigen angewandt wurden. Auch ein Handeln Dritter reicht insoweit aus. Ein
Mitverschulden der Finanzbehörde ist unerheblich, insbesondere der Umstand, dass sie die Unrichtigkeit hätte durchschauen
können.
3. Es ist von einem unlauteren Verhalten durch arglistige Täuschung auszugehen, wenn ein u.a. auch für Steuerstrafrecht zuständiger,
unbeschränkt steuerpflichtiger Strafrichter mehrere Jahre als sog. Experte bzw. Sekundierter im Rahmen von EULEX Kosovo als
„Civill Judge at District Court Level” im Kosovo tätig war, in seinen Einkommensteuererklärungen zwar seine Tätigkeit im Kosovo,
jedoch seine hierfür vom Auswärtigen Amt erhaltenen, in Deutschland als Arbeitslohn steuerpflichtigen –nicht nach § 3 Nr.
12 EStG oder Art. 34 WÜD steuerfreien– Zahlungen für „pauschalierten Aufwendungsersatz” nicht und die zusätzlich erhaltenden,
in Deutschland dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Tagegelder der EULEX Kosovo nur teilweise angegeben hat, das FA deswegen
über die tatsächliche Höhe der Einkünfte aus der Tätigkeit im Kosovo getäuscht hat und das Finanzamt deswegen in bestandskräftig
gewordenen Einkommmensteuerbescheiden die Einkünfte für die Tätigkeit im Kosovo nicht berücksichtigt hat.
4. Auch wenn zum Zeitpunkt der Abgabe der Einkommensteuererklärungen die steuerliche Behandlung von Aufwandsentschädigungen
unklar war oder der Kläger diese als nach § 3 Nr. 12 EStG bzw. Art. 34 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen
(WÜD) steuerfrei ansah, entband dies ihn nicht von der Pflicht, in den Erklärungsformularen ausdrücklich gestellte Fragen
nach steuerfreien Einnahmen wahrheitsgemäß zu beantworten, um dem Finanzamt eine rechtliche Überprüfung zu ermöglichen. Dies
gilt umso mehr, wenn der Steuerpflichtige durch die in sämtliche Verträgen mit dem Auswärtigen Amt aufgenommenen Hinweise,
dass der Experte/Sekundierte für die ordnungsgemäße Versteuerung selbst verantwortlich ist, ausdrücklich darauf hingewiesen
worden ist, dass die Geldleistungen des Auswärtigen Amts steuerlich erhebliche Tatsachen sind, die dem Finanzamt in der Einkommensteuererklärung
mitzuteilen sind, und der Steuerpflichtige zur Überzeugung des Gerichts dem Finanzamt auch die mit dem Auswärtigen Amt geschlossenen
Verträge nicht vorgelegt hat.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): EFG 2017 S. 888 Nr. 11 CAAAG-43848
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