BFH Beschluss v. - V B 129/99

Gründe

1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), die nach ihren Steuererklärungen Speditionsgeschäfte betreibt, zog aus Rechnungen von ausschließlich für sie tätigen Kraftfahrern gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuerbeträge ab. Die Kraftfahrer erhielten bei Autotransporten auf festen Touren nach Aufträgen der Disponenten einer mit der Klägerin wirtschaftlich verbundenen KG (KG) einen Stundensatz von durchschnittlich 19 DM zuzüglich Prämie bei schadensfreier Fahrt. Die von den Kraftfahrern dabei verwendeten Lastkraftwagen waren Eigentum der KG.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) änderte die vorhandenen Umsatzsteuerbescheide für 1988 bis 1992 und ließ den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Kraftfahrer nicht mehr zu, weil diese nicht als selbständige Subunternehmer, sondern als Arbeitnehmer der Klägerin tätig geworden seien.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung der Klageabweisung u.a. aus, nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse und der dabei gebotenen Abwägung gelange der Senat zu dem Ergebnis, dass die Kraftfahrer als Arbeitnehmer für die Klägerin tätig geworden seien. Sie seien auf Stundenlohnbasis bezahlt worden, hätten arbeitnehmertypische Prämien für schadensfreie Fahrten erhalten, hätten bei tarifvertraglichen Ecklohnerhöhungen ”Lohnnachzahlungen” erreicht und wegen der Bezahlung nach Arbeitszeit auch keine Unternehmerinitiative entwickeln können. Das Risiko, bei unzureichender Auftragslage nicht beschäftigt zu werden, entspreche dem für Gelegenheitsarbeiter typischen Risiko.

Zwar habe die Klägerin behauptet, dass die Kraftfahrer auch noch für andere Auftraggeber hätten tätig werden können. Aber abgesehen davon, dass der Senat dies mangels vorgelegter schriftlicher Beschäftigungsverträge und mangels klägerischen Beweisantritts nicht nachprüfen könne, habe die Klägerin den Feststellungen der finanzamtlichen Prüfer und den Ausführungen der Einspruchsentscheidung nicht widersprochen, dass die Fahrer in den Streitjahren tatsächlich ausschließlich Touren für die KG gefahren hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung der Vorentscheidung wird auf das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 1046 veröffentlichte Urteil des FG Bezug genommen.

Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und wegen Verfahrensfehlern (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—) durch Nichterhebung von Beweisantritten (§ 76 Abs. 1 FGO).

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

Es bestehen bereits Zweifel, ob die Klägerin Zulassungsgründe in der gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) innerhalb der dafür bestimmten Frist von einem Monat nach Zustellung des Urteils (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO) ordnungsgemäß dargelegt und bezeichnet hat.

a) So muss für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO in der Beschwerdebegründung eine bestimmte —abstrakte— klärungsbedürftige und in dem angestrebten Revisionsverfahren auch klärbare Rechtsfrage herausgestellt werden. Ein Beschwerdeführer muss darlegen, weshalb es in dem angestrebten Revisionsverfahren auf die Klärung der hervorgehobenen Rechtsfrage ankommt (Klärungsbedürftigkeit) und dass dem Revisionsgericht eine Klärung möglich ist (Klärbarkeit). Außerdem muss er die Bedeutung der Beantwortung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung für die Allgemeinheit substantiiert dartun (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom VIII B 11/96, BFH/NV 1997, 459; vom VIII B 13/95, BFH/NV 1996, 348, Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen; , Steuer-Eildienst —StEd— 1996, 410). Dazu muss er erläutern (vgl. BFH-Beschlüsse vom VII B 44/94, BFH/NV 1994, 812; vom II B 118/92, BFH/NV 1994, 123), welche über den Streitfall hinausgehende Wirkung eine Entscheidung über die nicht nur an den Besonderheiten des Streitfalls orientierte Rechtsfrage hat.

Ob und welchen Rechtssatz die Klägerin in der Revision für klärungsbedürftig hält, ist ihrer Beschwerdebegründung nicht ohne weiteres zu entnehmen. Vielmehr hat sie ausgeführt, die Entscheidung des FG weiche von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs —BGH— (z.B. Beschluss vom VIII ZB 54/97, Betriebs-Berater —BB— 1999, 73) und des Bundesarbeitsgerichts —BAG— (Urteil vom 5 AZR 563/97, BB 1999, 587) ab. Außerdem halte das FG bei der Untersuchung der Unternehmereigenschaft des Rechnungsausstellers nicht den Prüfungsweg ein, den der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) bei der Beurteilung der Eigenschaft eines Steuerpflichtigen i.S. von Art. 4 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) vorgezeichnet habe (z.B. Urteil vom Rs. C-202/90, - Ayuntamiento de Sevilla, Slg. 1991, I-4247, Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 1993, 122).

Damit ist den Anforderungen aber nicht genügt. Zwar kann eine Abweichung des FG in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von Entscheidungen des EuGH, des BGH oder des BAG eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung rechtfertigen, weil die Einheit der Rechtsordnung berührt ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom I B 179-181/98, 9/99, BFH/NV 1999, 1365; vom II B 36/90, BFHE 161, 418, BStBl II 1990, 987; Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 115 FGO Rz. 38, m.w.N.). In einer Nichtzulassungsbeschwerde muss aber der Rechtssatz hervorgehoben werden, der im Interesse der Rechtseinheit geprüft werden soll. Außerdem sind sinngemäß dieselben Anforderungen wie an die schlüssige Darstellung einer Abweichung von einer Entscheidung des BFH i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zu stellen.

Im Übrigen ist bereits geklärt, dass die Beurteilung der selbständigen Tätigkeit im Steuerrecht von der im Zivilrecht und Arbeitsrecht abweichen kann (, BFHE 188, 201, BStBl II 1999, 534). Die Beurteilung einer Tätigkeit als selbständig oder unselbständig im Umsatzsteuerrecht (§ 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 des UmsatzsteuergesetzesUStG— 1980/1991) ist eigenständig. Eine abweichende Entscheidung für das Zivilrecht oder für das Arbeitsrecht ist für die umsatzsteuerrechtliche Prüfung nicht bindend und nicht prägend. Die Beschwerdeschrift hat sich damit nicht auseinandergesetzt. Sie enthält keine neuen Gesichtspunkte, die ein Bedürfnis nach weiterer Klärung deutlich machen. Ein Klärungsbedarf ergibt sich auch nicht aufgrund der Entscheidungen des BAG zum Arbeitnehmerstatus von Versicherungsvertretern (; 5 AZR 3/99; 5 AZR 770/98; 5 AZR 457/98; 5 AZR 566/98, und 5 AZR 168/99, Der Betrieb —DB— 1999, 2648).

Das gilt auch für die Darlegung der Klägerin, das Urteil des FG sei mit Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG unvereinbar. Die Aussagen des EuGH in dem von der Klägerin herangezogenen Urteil in Slg. 1991, I-4247, UR 1993, 122 beziehen sich auf einen spanischen Steuereinnehmer, der mit den von der Klägerin beschäftigten Kraftfahrern nicht vergleichbar ist.

b) Die Revision ist auch nicht wegen des von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf Verfahrensmängel gestützt, müssen diese nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO ”bezeichnet” werden. Hierzu bedarf es nach ständiger Rechtsprechung des BFH einer tatsächlichen Darstellung, die den gerügten Verfahrensmangel schlüssig ergibt.

Der Mangel ist aber nicht in der gesetzlich dafür vorgeschriebenen Form (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) bezeichnet worden. Dazu hätte die Klägerin darlegen müssen, warum ihr Prozessbevollmächtigter einen entsprechenden Beweisantrag nicht in der mündlichen Verhandlung gestellt hat (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Beschluss vom III B 168/96, BFH/NV 1999, 1503). Ausweislich der Niederschrift über die öffentliche Sitzung vor dem FG am erhielten die Beteiligten das Wort und die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Die Sitzungsniederschrift ergibt nicht, dass die Klägerin einen Beweisantrag gestellt oder dass das FG eine beantragte Beweiserhebung abgelehnt hat. Dies hätte protokolliert werden müssen (vgl. , BFH/NV 1999, 211). Die Klägerin hat ihr Rügerecht unter diesen Umständen verloren (vgl. , BFH/NV 1999, 1236, m.w.N.).

Im Übrigen hat die Klägerin auch nicht schlüssig gerügt, dass sich dem FG unter diesen Umständen eine weitere Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) hätte aufdrängen müssen (vgl. zu den Voraussetzungen dieser Rüge die ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Beschluss vom VIII B 17/98, BFH/NV 1999, 344, m.w.N.). Auf die in der Klageschrift vom (S. 22) angeregte Beweiserhebung über die ”gewollte Tätigkeit der Subunternehmer” kam es nach der insoweit maßgebenden Rechtsauffassung des FG ebenso wenig an wie auf die Tätigkeit ”der noch für die KG tätigen Subunternehmer”. Die außerdem angeregte Aufklärung der ”durchgeführten Handhabung der Subunternehmer” hat das FG ersichtlich geleistet. Es war dabei gemäß § 76 Abs. 1 Satz 5 FGO nicht an das Vorbringen der Klägerin gebunden, zumal insoweit ein substantiierter Beweisantrag auch nicht gestellt war. Einem unsubstantiierten Beweisantrag braucht das FG aber nicht nachzugehen (vgl. , BFH/NV 1999, 1369).

c) Im Kern ihres Beschwerdevorbringens wendet sich die Klägerin gegen die Sachverhaltswürdigung des FG in der angegriffenen Entscheidung. Sie macht damit nicht einen Verfahrensmangel geltend, sondern wendet sich gegen die sachliche Richtigkeit der Vorentscheidung. Dies eröffnet jedoch nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht die Revision (vgl. dazu , BFH/NV 1999, 1478).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2000 S. 997 Nr. 8
WAAAA-65709