Gründe
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Zuführungen zu einer Pensionsrückstellung gewinnmindernd berücksichtigt werden können.
Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) ist eine 1991 gegründete GmbH mit Sitz in Mecklenburg-Vorpommern, deren Geschäftsgegenstand die Erbringung von Ingenieurleistungen ist. An ihrem Stammkapital sind die Diplom-Ingenieure X mit 60 v.H. und Y mit 40 v.H. beteiligt. X und Y sind zugleich Geschäftsführer der Klägerin und als solche von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) befreit.
Der Gesellschafter X leitet nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) anderenorts ein weiteres Ingenieurbüro. Dem im Juni 1935 geborenen und aus den neuen Bundesländern stammenden Y obliegt nach seinem Anstellungsvertrag die gesamte Leitung des Betriebs der Klägerin. Ferner heißt es in diesem —vom datierenden— Vertrag, die Gesellschafterversammlung könne von Y nach Vollendung des 65. Lebensjahres verlangen, dass er sich zur Ruhe setzt. Ansonsten kann Y nur aus wichtigem Grund gekündigt werden; er selbst muss eine Kündigungsfrist von sechs Monaten einhalten. Nach einer Vereinbarung vom leitet Y ihm persönlich erteilte Aufträge formlos an die Klägerin weiter, die eine Pauschale von 65 v.H. der vereinnahmten Prüfgebühren erhält.
Ebenfalls am beschloss die Gesellschafterversammlung der Klägerin, beiden Geschäftsführern eine Versorgungszusage zu erteilen. Demgemäß erhielt Y am eine Zusage des Inhalts, dass ihm beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nach Vollendung des 65. Lebensjahres eine monatliche Altersrente von 1 500 DM gezahlt werden sollte. Bei vorzeitigem Ende des Dienstverhältnisses sollte eine —in der Zusage näher beschriebene— ”zeitanteilig erdiente Anwartschaft” aus der Versorgungszusage erhalten bleiben.
Die Klägerin bildete jeweils auf das Ende der Streitjahre (1993 bis 1995) Pensionsrückstellungen, die sich für die dem Y erteilte Zusage auf ... DM (), und auf ... DM ( und 1995) beliefen. Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt —FA—) sah hierin jeweils verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) und erließ auf dieser Basis Körperschaftsteuerbescheide, Gewerbesteuermessbescheide und Feststellungsbescheide nach § 47 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG). Der gegen diese Bescheide gerichteten Klage hat das FG stattgegeben, ohne die Revision zuzulassen.
Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde rügt das FA eine Abweichung des erstinstanzlichen Urteils von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH).
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die angefochtene Entscheidung weicht nicht in der vom FA bezeichneten Weise von der Rechtsprechung des BFH ab:
1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil u.a. dann zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung des BFH abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Dafür reicht es nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht aus, dass in der angefochtenen Entscheidung eine Entscheidung des BFH übersehen oder unrichtig angewandt worden ist. Eine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO ist vielmehr nur dann gegeben, wenn das FG seiner Entscheidung einen Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der einem ebenfalls tragenden Rechtssatz einer BFH-Entscheidung widerspricht (, BFH/NV 1999, 1477; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 17, m.w.N.). Ob diese Voraussetzung vorliegt, kann im Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren nur anhand derjenigen BFH-Entscheidungen geprüft werden, die der Beschwerdeführer als Divergenzentscheidungen bezeichnet hat (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).
2. Im Streitfall macht das FA geltend, dass die angefochtene Entscheidung von den Senatsurteilen vom I R 98/93 (BFHE 176, 413, BStBl II 1995, 419) und vom I R 36/97 (BFHE 186, 226, BStBl II 1998, 689) abweiche. Diese Urteile beinhalteten den Rechtssatz, dass eine Pensionszusage zugunsten eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers steuerrechtlich nur dann anerkannt werden könne, wenn der Geschäftsführer —vom Zusagezeitpunkt an gerechnet— voraussichtlich noch mindestens zehn Jahre lang aktiv im Unternehmen tätig sein werde (Erdienenszeitraum). Demgegenüber sei das FG von dem Rechtssatz ausgegangen, dass bei einer Kapitalgesellschaft in den neuen Bundesländern der erforderliche Erdienenszeitraum nur sieben Jahre betrage. Diese Annahme ist indessen unzutreffend:
Das FG hat seine Entscheidung auf die Übergangsregelung gestützt, die das Bundesministerium der Finanzen (BMF) nach Ergehen des Urteils in BFHE 176, 413, BStBl II 1995, 419 erlassen hat ( BStBl I 1996, 1138). Nach dieser Regelung sind Pensionszusagen, die vor der Veröffentlichung der genannten Entscheidung zivilrechtlich wirksam erteilt worden waren, hinsichtlich des Erdienenszeitraums weiterhin nach der bisherigen Verwaltungspraxis in den einzelnen Ländern zu beurteilen. Das FG hat angenommen, dass die hiernach maßgebliche Verwaltungspraxis in Mecklenburg-Vorpommern —nicht zuletzt bedingt durch den Einsatz zahlreicher westdeutscher Finanzbeamter beim Aufbau der dortigen Finanzverwaltung— sich an den in Westdeutschland bestehenden Anweisungen orientiert habe und dass nach diesen Anweisungen regelmäßig ein Erdienenszeitraum von sieben Jahren ausreichend gewesen sei. Dem entsprechend sei deshalb auch im Streitfall, in dem es sich um eine ”Altzusage” im Sinne der Übergangsregelung handele, zu verfahren. Die hiernach maßgebliche Erdienenszeit von sieben Jahren sei bei Y erfüllt.
Vor diesem Hintergrund hat das FG nicht, wie das FA meint, für die neuen Bundesländer einen nur siebenjährigen Erdienenszeitraum für ausreichend erachtet. Es hat vielmehr die BFH-Rechtsprechung zur zehnjährigen Erdienenszeit zustimmend zitiert und lediglich auf der Basis der verwaltungsseitigen Übergangsregelung im Streitfall die Unterschreitung dieses Zeitraums für unschädlich gehalten. Es mag dahingestellt bleiben, ob die Übergangsregelung zu Recht unmittelbar im Klageverfahren gegen den Steuerbescheid angewendet worden ist oder ob nicht richtigerweise die Klägerin insoweit auf ein Billigkeitsverfahren hätte verwiesen werden müssen (vgl. hierzu Senatsurteil vom I R 247/74, BFHE 124, 199, BStBl II 1978, 305; Senatsbeschluss vom I B 122/97, BFH/NV 1999, 974, m.w.N.). Denn selbst wenn Letzteres anzunehmen wäre, ergäbe sich hieraus jedenfalls nicht eine Divergenz zu den vom FA bezeichneten BFH-Entscheidungen. Allein darauf aber kommt es im vorliegenden Verfahren an.
Der Sache nach beanstandet das FA denn auch vor allem, dass das FG die nach dem BMF-Schreiben maßgebliche frühere Verwaltungs-praxis aus Verwaltungsanweisungen abgeleitet hat, die unmittelbar nur für alte Bundesländer galten. Es meint, dass eine entsprechende Praxis in Mecklenburg-Vorpommern nicht bestanden habe. Damit vermag es indessen eine Divergenz zwischen FG-Urteil und BFH-Rechtsprechung nicht darzutun. Selbst wenn man die genannte Vorgehensweise des FG für unrichtig hielte, könnte sich hieraus aus revisionsrechtlicher Sicht allenfalls ein Verfahrensmangel —z.B. in Gestalt einer unzureichenden Sachaufklärung— ergeben. Einen solchen hat das FA jedoch nicht gerügt.
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2000 S. 1477 Nr. 12
KAAAA-65282