Geltung von Vorschriften des Tierschutz- und Tierseuchenschutzrechts bei der Vermittlung von Hunden durch einen Tierschutzverein
Leitsatz
1. Der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne von Art. 1 Abs. 5 VO (EG) Nr. 1/2005 (juris: EGV 1/2005) setzt eine Gegenleistung, jedoch keine Gewinnerzielungsabsicht voraus und erfasst damit Tiertransporte eines gemeinnützigen Vereins, der herrenlose Hunde von einem Mitgliedstaat in einen anderen transportiert, um sie dort Personen gegen Zahlung eines grundsätzlich kostendeckenden Betrags anzuvertrauen ( [ECLI:EU:C:2015:793], Pfotenhilfe-Ungarn).
2. Eine juristische Person ist nicht Halter im Sinne von Art. 3 Buchst. c VO (EU) Nr. 576/2013 (juris: EUV 576/2013) und kann sich daher nicht auf die erleichterten Bedingungen für die Verbringung von Heimtieren berufen.Eine Verbringung bezweckt den Übergang des Eigentums an einem Heimtier im Sinne von Art. 3 Buchst. a VO (EU) Nr. 576/2013 auch dann, wenn das Tier dauerhaft an eine dritte Person abgegeben werden soll.
3. Eine gewerbsmäßige Verbringung im Sinne von § 4 BmTierSSchV (juris: TierSeuchSchBMV) setzt in richtlinienkonformer Auslegung keine Gewinnerzielungsabsicht voraus. Insoweit genügt, dass die Verbringung dazu bestimmt ist, Tiere gegen Zahlung eines Betrags an Dritte zu vermitteln, der grundsätzlich die entstandenen Kosten deckt.
Gesetze: Art 1 Abs 5 EGV 1/2005, Art 2 EUV 576/2013, Art 3 EUV 576/2013, § 11 Abs 1 S 1 Nr 5 TierSchG, § 11 Abs 1 S 1 Nr 8 Buchst b TierSchG, § 1 Abs 3 TierSeuchSchBMV, § 4 TierSeuchSchBMV, Art 1 Abs 4 EWGRL 425/90, Art 12 EWGRL 425/90
Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein Az: 4 LB 11/11 Urteilvorgehend Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Az: 1 A 31/10 Urteil
Tatbestand
1Die Beteiligten streiten über die Geltung von Vorschriften des Tierschutz- und Tierseuchenschutzrechts bei der Vermittlung von Hunden nach Deutschland.
2Der Kläger ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein, dessen Zweck es ist, den Tierschutz zu fördern und aktiven Tierschutz zu leisten. Unter anderem bietet er herrenlose Hunde zur Vermittlung an. Dabei handelt es sich um Tiere, die sich ganz überwiegend in Tierschutzeinrichtungen in Ungarn befinden. Soll ein Hund vermittelt werden, so wird ein sogenannter Schutzvertrag abgeschlossen. In ihm verpflichtet sich der künftige Hundehalter zu artgerechter Haltung und zur Zahlung eines Betrags, der in der Regel 270 € beträgt. Nach Vertragsschluss werden die Hunde von Mitgliedern des Klägers nach Deutschland transportiert und übergeben. Eine Eigentumsübertragung findet nicht statt. Für den Fall der Vertragsverletzung behält sich der Kläger insbesondere ein Rücktrittsrecht vor. Auf diese Weise hat er in den Jahren 2007 bis 2012 über 2 000 Tiere vermittelt.
3Im Dezember 2009 transportierte der Kläger 39 Hunde von Ungarn nach Deutschland. Da bei einem Hund der Gesundheits- und Impfstatus zweifelhaft war, wies der Beklagte die betroffenen Veterinärämter an, alle Tiere zu überprüfen. Er vertrat die Auffassung, dass sich der Kläger nicht auf die Verordnung (EG) Nr. 998/2003 über die Veterinärbedingungen für die Verbringung von Heimtieren zu anderen als Handelszwecken berufen könne, da es sich bei dem Transport und der Vermittlung von Tieren um eine wirtschaftliche Tätigkeit handele. Folglich habe der Kläger die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 über den Schutz von Tieren beim Transport zu beachten und unterliege der Anzeigepflicht nach § 4 der Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung (BmTierSSchV) sowie der Erlaubnispflicht nach dem Tierschutzgesetz.
4Der Kläger hat hiergegen negative Feststellungsklage erhoben, die in den Vorinstanzen ohne Erfolg blieb. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf die Feststellung, dass er die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 nicht zu beachten habe. Die Verordnung gelte, da die Transporte in Verbindung mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit stünden. Ebenso wenig könne der Kläger die Feststellung beanspruchen, dass § 4 BmTierSSchV keine Anwendung finde. Dessen Voraussetzung, Tiere gewerbsmäßig verbringen zu wollen, sei richtlinienkonform auszulegen und setze daher keine Gewinnerzielungsabsicht voraus. Die Anwendung der Vorschrift sei auch nicht kraft vorrangigen Unionsrechts ausgeschlossen, da die Verordnung (EG) Nr. 998/2003 nur für die Verbringung von Heimtieren zu anderen als Handelszwecken gelte. Schließlich sei die Vermittlungstätigkeit des Klägers nach dem Tierschutzgesetz erlaubnispflichtig. Für das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht spreche alles. Jedoch sei sie auch hier keine Voraussetzung für gewerbsmäßiges Handeln.
5Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, der Ausschluss nicht wirtschaftlicher Tätigkeiten in Art. 1 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 ziele darauf, Transporte zum Wohl der Tiere von solchen im geschäftlichen Interesse zu unterscheiden. Stelle man allein auf das Anbieten von Gütern auf einem Markt ab, so laufe der Ausschluss leer. Eine Tätigkeit, bei der eine Gewinnerzielung objektiv dauerhaft ausgeschlossen sei, sei eine nicht wirtschaftliche Tätigkeit. Das sei hier - insgesamt betrachtet - der Fall. Zwar werde die Schutzgebühr in Höhe von 270 € nicht vollständig für die Kosten jedes einzelnen Hundes benötigt, ein Überschuss werde jedoch für die Versorgung anderer Tiere verwandt, so dass kein Ertrag erzielt werde. Zudem stehe er, der Kläger, in keinem Wettbewerb. Auch die Anzeigepflicht des § 4 BmTierSSchV setze eine gewerbsmäßige Verbringung von Tieren voraus. Gewerbsmäßigkeit sei nicht mit Handel im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 92/65/EWG gleichzusetzen und verlange eine Gewinnerzielungsabsicht. Die Bußgeldbewehrung der Anzeigepflicht gebiete, das Tatbestandsmerkmal herkömmlich und damit vorhersehbar auszulegen. Anzuwenden sei allein die Verordnung (EG) Nr. 998/2003 über die Verbringung von Heimtieren. Er bedürfe auch keiner tierschutzrechtlichen Erlaubnis, denn er handele nicht gewerbsmäßig mit Tieren. Er veräußere keine Tiere, sondern vermittle nur den Besitz und erstrebe keinen Gewinn. Das Wohl der Tiere sei weniger gefährdet, wenn das Handeln nicht auf Gewinn ziele. Entsprechend sei auch hier eine Gewinnerzielungsabsicht Voraussetzung der Erlaubnispflicht.
6Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Auf eine Gewinnerzielungsabsicht komme es nicht an. Die Systematik des Tierschutzgesetzes lasse erkennen, dass der Gesetzgeber auf den Umgang mit vielen Tieren abstelle. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zeige, dass der Begriff der Gewerbsmäßigkeit normspezifisch ausgelegt werden könne. Im Übrigen gehe das Berufungsgericht auch zutreffend von einer Gewinnerzielungsabsicht des Klägers aus. Sie werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass in Teilbereichen erstrebte Gewinne eingesetzt würden, um Defizite anderer Bereiche auszugleichen.
7Der Vertreter des Bundesinteresses ist der Auffassung, der Begriff "gewerbsmäßig" im Sinne der tierschutzrechtlichen Erlaubnispflicht setze eine Gewinnerzielungsabsicht voraus, während die tierseuchenrechtliche Anzeigepflicht bei richtlinienkonformer Auslegung unabhängig von einer solchen Absicht bestehe.
8Mit Beschluss vom - 3 C 2.13 - (Buchholz 418.6 TierSG Nr. 23) hat das Bundesverwaltungsgericht dem Europäischen Gerichtshof Fragen zur Auslegung von Art. 1 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 und Art. 12 der Richtlinie 90/425/EWG vorgelegt. Mit Urteil vom - C-301/14 [ECLI:EU:C:2015:793], Pfotenhilfe-Ungarn - hat der Europäische Gerichtshof entschieden, der Begriff "wirtschaftliche Tätigkeit" im Sinne von Art. 1 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 sei dahin auszulegen, dass er eine Tätigkeit erfasst, die wie die hier fragliche darin besteht, dass ein gemeinnütziger Verein herrenlose Hunde von einem Mitgliedstaat in einen anderen transportiert, um sie Personen anzuvertrauen, die sich verpflichtet haben, sie gegen Zahlung eines Betrags aufzunehmen, der grundsätzlich die dem Verein hierdurch entstandenen Kosten deckt. Weiter hat er entschieden, der Begriff des Unternehmers, der innergemeinschaftlichen Handel betreibt, sei im Sinne von Art. 12 der Richtlinie 90/425/EWG so auszulegen, dass er die genannte Tätigkeit des Klägers erfasst.
Gründe
9Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Erlaubnispflicht der Tätigkeit des Klägers nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 Buchst. b des Tierschutzgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom (BGBl. I S.1206, 1313), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom (BGBl. I S. 2178), - TierSchG - übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren diesbezüglich gemäß § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO in entsprechender Anwendung einzustellen und festzustellen, dass die Vorentscheidungen insoweit wirkungslos sind (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO in entsprechender Anwendung).
10Die Revision hat im Übrigen keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, dass bei der in Rede stehenden Verbringung von Hunden die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates vom über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen sowie zur Änderung der Richtlinien 64/432/EWG und 93/119/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1255/97 (ABl. 2005 L 3 S. 1) zu beachten sind. Unter Beachtung des Grundsatzes richtlinienkonformer Auslegung unterliegt der Kläger auch der Anzeigepflicht gemäß § 4 der Verordnung über das innergemeinschaftliche Verbringen sowie die Einfuhr und Durchfuhr von Tieren und Waren (Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung - BmTierSSchV) i.d.F. der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 997), zuletzt geändert durch Art. 9 der Verordnung vom (BGBl. I S.1057).
111. Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist geklärt, dass die Verbringung von Hunden, wie sie der Kläger praktiziert, eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 ist und damit deren Bestimmungen unterliegt.
12Die Verordnung, die sich insbesondere auf die Kompetenzgrundlage des Art. 37 EGV (nunmehr Art. 43 AEUV) stützt, dient in erster Linie der artgerechten Behandlung und dem Schutz der Gesundheit der Tiere im Zusammenhang mit dem Transport. Sie bestimmt die Voraussetzungen und Erfordernisse, die insbesondere bei der Durchführung von lange dauernden Transporten im Interesse des Wohlbefindens der Tiere zu beachten sind und regelt die an die Fahrzeuge und deren Ausstattung sowie die Qualifikation der beteiligten Personen zu stellenden Anforderungen. Sie gilt grundsätzlich für alle Transporte lebender Wirbeltiere innerhalb der Europäischen Union (Art. 1 Abs. 1 Halbs. 1 VO <EG> Nr. 1/2005) und damit auch für die Verbringung von Hunden von Ungarn nach Deutschland.
13Entgegen der Auffassung des Klägers besteht für die von ihm durchgeführten Transporte keine Ausnahme. Zwar gilt die Verordnung nicht für den Transport von Tieren, der nicht in Verbindung mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit durchgeführt wird (Art. 1 Abs. 5 VO <EG> Nr. 1/2005). Der Europäische Gerichtshof hat dazu jedoch ausgeführt, dass eine Tätigkeit als wirtschaftlich angesehen werden könne, wenn eine Gegenleistung erbracht werde; eine Gewinnerzielungsabsicht sei nicht erforderlich. Der Begriff dürfe nicht eng ausgelegt werden und beschränke sich nicht auf Tätigkeiten mit Gewinnerzielungsabsicht, weil dies die Gefahr bergen würde, dass der beabsichtigte Schutz der Tiere nicht erreicht werde. Daraus hat der Gerichtshof den Schluss gezogen, dass auch ein gemeinnütziger Verein eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, wenn er wie der Kläger herrenlose Hunde von einem Mitgliedstaat in einen anderen transportiert, um sie dort Personen gegen Zahlung eines grundsätzlich kostendeckenden Betrags anzuvertrauen ( [ECLI:EU:C:2015:793], Pfotenhilfe-Ungarn - Rn. 29 ff.).
142. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung, dass der von ihm betriebene Transport von Hunden nicht gemäß § 4 BmTierSSchV anzeige- und registrierungspflichtig ist.
15a) Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Anwendung der Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung nicht aufgrund unmittelbar geltenden Unionsrechts ausgeschlossen ist (§ 1 Abs. 3 BmTierSSchV).
16Der Kläger möchte die Anzeigepflicht für seine weiteren Transporte und damit nach aktueller Rechtslage geklärt wissen. In den Blick zu nehmen ist daher die seit dem geltende Verordnung (EU) Nr. 576/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Verbringung von Heimtieren zu anderen als Handelszwecken und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 998/2003 (ABl. L 178 S. 1). Sie steht der Anwendung der Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung nicht entgegen, denn die Hundetransporte des Klägers stellen keine Verbringung von Heimtieren im Sinne dieser Verordnung dar.
17Die Verordnung (EU) Nr. 576/2013 gilt für die grenzüberschreitende Verbringung von Heimtieren zu anderen als Handelszwecken (Art. 2 Abs. 1). Entsprechend ihrer Begriffsdefinitionen findet sie auf die Verbringung von Heimtieren Anwendung, die von ihrem Halter oder einer ermächtigten Person mitgeführt werden und für die der Halter oder die ermächtigte Person für die Dauer der Verbringung verantwortlich bleibt (Art. 3 Buchst. b). Halter in diesem Sinne ist die natürliche Person, die im (Tier-)Ausweis als Halter eingetragen ist (Art. 3 Buchst. c). Eine juristische Person scheidet damit als Halter im Sinne dieser Vorschriften aus (vgl. - Rn. 39). Ebenso wenig ist sie in der Lage, eine dritte natürliche Person zu ermächtigen (Art. 3 Buchst. d). Ausgeschlossen ist die Anwendung der Verordnung im Übrigen auch dann, wenn die Verbringung den Verkauf eines Heimtieres oder den Übergang des Eigentums an Heimtieren bezweckt (Art. 3 Buchst. a).
18Danach kann sich der Kläger nicht auf die Verordnung (EU) Nr. 576/2013 berufen. Er ist eine juristische Person und kann damit weder selbst Halter sein noch eine natürliche Person hierzu ermächtigen. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts lässt er die Hunde von seinen Mitgliedern nach Deutschland transportieren. Dafür dass seine Mitglieder selbst Halter der Hunde wären, ist nichts ersichtlich. Ungeachtet dessen bezweckt die Verbringung jedenfalls den Übergang des Eigentums im Sinne von Art. 3 Buchst. a VO <EU> Nr. 576/2013. Im Lichte des Zwecks der Verordnung ist dies nicht zweifelhaft, denn die Verordnung soll allein dem Halter oder einer von ihm ermächtigten Person ermöglichen, Heimtiere ohne größere bürokratische Hemmnisse grenzüberschreitend mit sich zu führen. Sie will hingegen nicht ermöglichen, Heimtiere unter erleichterten Bedingungen zu verbringen, um sie an Dritte abzugeben, wie dies hier geschieht. Dass das Eigentum im Sinne von § 985 BGB formal beim Kläger verbleibt und er sich in seinen Schutzverträgen, mit denen die Tiere dauerhaft überlassen werden, gewisse Rechte zum Schutz der Tiere vorbehält, vermag an einem Eigentumsübergang im Sinne des Unionsrechts nichts zu ändern (vgl. Kommission, Stellungnahme vom im Vorlageverfahren - C-301/14, Pfotenhilfe-Ungarn - Rn. 30).
19Im Übrigen ist die Höchstzahl der Heimtiere, die bei einer einzelnen Verbringung mitgeführt werden dürfen, nunmehr von vornherein auf fünf Tiere festgelegt (Art. 5 VO <EU> Nr. 576/2013). Die Voraussetzungen, die eine Ausnahme hiervon ermöglichen, liegen ersichtlich nicht vor. Folglich kann sich der Kläger für seine größeren (Sammel-)Transporte auch aus diesem Grund nicht auf die Verordnung berufen.
20b) Die von dem Kläger durchgeführten Transporte von Hunden nach Deutschland stellen eine gewerbsmäßige Verbringung im Sinne von § 4 BmTierSSchV dar. Der Tatbestand der Gewerbsmäßigkeit setzt in diesem Zusammenhang keine Gewinnerzielungsabsicht voraus. Vielmehr genügt, dass die Verbringung dazu bestimmt ist, Tiere gegen Zahlung eines Betrags an Dritte zu vermitteln, der grundsätzlich die entstandenen Kosten deckt.
21aa) Richtig ist allerdings, dass sich in der deutschen Rechtsordnung, insbesondere im öffentlichen Wirtschaftsrecht ein Verständnis des Begriffs der Gewerbsmäßigkeit herausgebildet hat, das von mehreren positiv-konstitutiven Merkmalen gekennzeichnet wird. Eine gewerbsmäßige Tätigkeit ist danach insbesondere davon bestimmt, dass sie auf gewisse Dauer, selbständig und mit der Absicht der Gewinnerzielung ausgeübt wird. Mit der Gewinnerzielungsabsicht wird die Annahme einer erhöhten Gefährlichkeit verbunden, der der Gesetzgeber begegnen will (vgl. Kahl, in: Landmann/Rohmer, GewO, Stand Januar 2016, Einleitung Rn. 32, 48; Pielow, Beck'scher Online-Kommentar GewO, Stand Februar 2016, § 1 Rn. 134 f., 146; Ennuschat, in: Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 1 Rn. 2 f., 5). Für das Gaststättengesetz hat das Bundesverwaltungsgericht die Gewinnerzielungsabsicht als unverzichtbar gekennzeichnet ( 1 C 14.84 - Buchholz 451.41 § 18 GastG Nr. 3) und für gewerbsmäßige Bankgeschäfte im Sinne von § 32 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 KWG ebenfalls vorausgesetzt ( 8 C 18.10 - Buchholz 451.61 KWG Nr. 31 Rn. 14). Gleiches ist etwa für das Luftverkehrsgesetz anerkannt (von Landwüst, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, Stand Juli 2015, § 20 Rn. 17 f.), und auch im Tierschutzgesetz setzen dessen an eine Gewerbsmäßigkeit anknüpfenden Regelungen nach weitgehend einhelliger Auffassung eine Gewinnerzielungsabsicht voraus (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 11 Rn. 11; Lorz/Metzger, TierSchG, 6. Aufl. 2008, § 11 Rn. 15; Goetschel, in: Kluge, TierSchG, 1. Aufl. 2002, § 11 Rn. 11; Schiwy, Deutsche Tierschutzgesetze, Stand März 2016, § 11 TierSchG Rn. 9). Die Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung selbst enthält keinen ausdrücklichen Hinweis auf ein abweichendes Begriffsverständnis und verwendet den Begriff auch zur Kennzeichnung zulassungsbedürftiger Betriebe, namentlich Viehhandelsunternehmen, die Tiere "gewerbsmäßig" kaufen (Anl. 7 zu § 15 BmTierSSchV). Das alles spricht dafür, den Begriff der Gewerbsmäßigkeit hier in seinem allgemein überlieferten Sinn zu verstehen (zu diesem 1 C 245.54 - BVerwGE 3, 178 <180 f.>).
22bb) Die Anzeigepflicht der Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung ist allerdings dazu bestimmt, insbesondere Art. 12 der Richtlinie 90/425/EWG des Rates vom zur Regelung der veterinärrechtlichen und tierzüchterischen Kontrollen im innergemeinschaftlichen Handel mit lebenden Tieren und Erzeugnissen im Hinblick auf den Binnenmarkt (ABl. L 224 S. 29) umzusetzen (vgl. BR-Drs. 791/92 S. 64). Das bedingt gewisse Erweiterungen des Begriffs. Das Umsetzungsgebot des Art. 288 Abs. 3 AEUV und der aus Art. 4 Abs. 3 EUV folgende Grundsatz der Unionstreue gebieten, das nationale Recht durch Anwendung seiner Auslegungsmethoden soweit wie möglich richtlinienkonform auszulegen (vgl. [ECLI:EU:C:1984:153], von Colson u.a. - Rn. 26, 28, vom - C-397/01 bis C-403/01 [ECLI:EU:C:2004:584], Pfeiffer u.a. - Rn. 113, 116 und vom - C-12/08 [ECLI:EU:C:2009:466], Mono Car Styling - Rn. 61, 63 m.w.N.; , 2 BvR 469/07 - NJW 2012, 669 Rn. 46 f. m.w.N.).
23Der Europäische Gerichtshof hat auf den Vorlagebeschluss des Senats entschieden, dass der Begriff des Unternehmers, der innergemeinschaftlichen Handel betreibt, dahin auszulegen ist, dass er unter anderem einen Verein wie den Kläger erfasst, der herrenlose Hunde von einem Mitgliedstaat in einen anderen transportiert, um sie Personen anzuvertrauen, die sich verpflichtet haben, sie gegen Zahlung eines Betrags aufzunehmen, der grundsätzlich die dem Verein hierdurch entstandenen Kosten deckt ( - Rn. 52). Folglich ist der Senat gehalten, den Begriff der gewerbsmäßigen Verbringung im Sinne von § 4 BmTierSSchV so auszulegen, dass er auch auf diese Fallkonstellationen Anwendung findet.
24cc) Diese Auslegung überschreitet die Grenzen des Zulässigen nicht. Auch wenn im öffentlichen Wirtschaftsrecht die Gewinnerzielungsabsicht zu den allgemein anerkannten Voraussetzungen einer gewerbsmäßigen Tätigkeit zählt, so ist doch nicht zu übersehen, dass die Begriffe des Gewerbes und der Gewerbsmäßigkeit - von einzelnen gesetzlichen Regelungen abgesehen - nicht definiert sind. Sie sind damit für eine Weiterentwicklung und eine am Sinn und Zweck der jeweiligen Vorschrift orientierte Auslegung offen (vgl. Kahl, in: Landmann/Rohmer, GewO, Stand Januar 2016, Einleitung Rn. 30 f.; Pielow, Beck'scher Online-Kommentar GewO, Stand Februar 2016, § 1 Rn. 134). So wird im Handelsrecht nach überwiegender Meinung auf das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht verzichtet und lediglich Entgeltlichkeit verlangt (vgl. Karsten Schmidt, in: Münchener Kommentar zum HGB, 4. Aufl. 2016, § 1 Rn. 31 m.w.N; Ennuschat, in: Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 1 Rn. 12). Auch hat sich der Bundesgerichtshof im Bereich des Verbraucherschutzes vom Erfordernis der Gewinnerzielungsabsicht gelöst ( - BGHZ 167, 40 m.w.N.). Das entspricht dem Umsatzsteuergesetz, das das Ziel der Erzielung von Einnahmen voraussetzt, aber eine Gewinnerzielungsabsicht nicht erfordert (§ 2 UStG). Indem es eine gewerbliche Tätigkeit ausdrücklich dahin definiert, dass sie auch vorliegt, wenn eine Gewinnerzielungsabsicht fehlt, wird zwar das herkömmliche Verständnis bestätigt, für den speziellen Zusammenhang jedoch der Gewerbebegriff erweitert.
25Darüber hinaus kennt auch das Unionsrecht den Begriff der Gewerbsmäßigkeit. Zum Begriff der Unternehmen, die "gewerbsmäßig" Abfälle einsammeln oder befördern (Art. 12 der Richtlinie 75/442/EWG i.d.F. der Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom (ABl. L 78 S. 32), hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass eine gewerbsmäßige (en: professional; fr: professionnel) Beförderung eine gewöhnliche und regelmäßige Tätigkeit dieser Unternehmen darstellen muss (Urteil vom - C-270/03 [ECLI:EU:C:2005:371], Kommission/Italien - Rn. 28). Zu Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 90/425/EWG i.d.F. der Richtlinie 92/60/EWG des Rates vom (ABl. L 268 S. 75) und der darin vorgesehenen Abgrenzung ihres Anwendungsbereichs von der Heimtierverbringung hat sich der Europäische Gerichtshof für das Vorliegen einer gewerbsmäßigen (en/fr: commercial) Tätigkeit auf die Ähnlichkeit der hier in Rede stehenden Vermittlung mit dem Verkauf von Hunden in einer Tierhandlung berufen ( - Rn. 40).
26Angesichts dieses Befundes ist der Begriff der Gewerbsmäßigkeit in vorliegendem Zusammenhang offen für eine unionsrechtskonforme Auslegung, die auf eine Gewinnerzielungsabsicht verzichtet und es genügen lässt, dass Einnahmen erzielt werden, die grundsätzlich kostendeckend sind. Die Grenze des Wortlauts, dem hier besondere Bedeutung zukommt, weil die Anzeigepflicht bußgeldbewehrt ist (§ 41 Abs. 2 Nr. 1 BmTierSSchV), wird mit ihr nicht überschritten. Für diese Auslegung spricht zudem, dass die hier in Rede stehende Verbringung von Tieren zwar von Massentiertransporten weit entfernt ist, aber auf der Grundlage der weitgehenden Refinanzierung durch die für die Tiervermittlung zu bezahlenden Beträge doch eine Dimension erreicht, die mit Blick auf den Zweck des Tierseuchenschutzes eine Überwachung nahelegt.
273. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 und § 161 Abs. 2 VwGO. Hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des Verfahrens entspricht es billigem Ermessen, die Kosten hälftig zu teilen. Dabei legt der Senat zugrunde, dass die Erlaubnispflicht für gewerbsmäßigen Handel mit Wirbeltieren gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 Buchst. b TierSchG eine Gewinnerzielungsabsicht voraussetzt. Diese Erlaubnispflicht geht auf eine Anzeigepflicht zurück, für deren Ausgestaltung der Gesetzgeber sich an das Gaststätten- und Gewerberecht angelehnt hat (BR-Drs. 524/84). Entsprechend bestehen kein Anhaltspunkt und kein Anlass, von dem herkömmlichen Begriffsverständnis abzuweichen. Außerdem hat der Gesetzgeber mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom (BGBl. I S. 2182) mit Wirkung zum in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TierSchG einen speziellen Erlaubnistatbestand eingefügt, der auf die Gewerbsmäßigkeit des Handelns verzichtet und die hier in Rede stehende Verbringung und Abgabe von Tieren speziell erfasst. Im Übrigen ist die mit einer Gewinnerzielungsabsicht traditionell verbundene Annahme einer erhöhten Gefährdung der von der Tätigkeit betroffenen Schutzgüter auch im Tierschutz ohne Weiteres plausibel. Dass der mit dem Tierschutzgesetz intendierte Schutz gebieten könnte, dort, wo seine Regelungen an die Gewerbsmäßigkeit anknüpfen, auf eine Gewinnerzielungsabsicht zu verzichten, ist demgegenüber nicht ersichtlich.
28Auf der Grundlage der verwertbaren Tatsachen nicht zu beantworten ist jedoch, ob der Kläger bei seiner Vermittlung von Hunden eine Gewinnerzielung beabsichtigt. Das Oberverwaltungsgericht hat hierzu keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Daher entspricht es der Billigkeit, die Kosten hinsichtlich des erledigten Teils hälftig zu teilen. Für diesen bringt der Senat ein Fünftel des Streitwerts in Ansatz, woraus sich die Kostenquote ergibt.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2016:070716U3C23.15.0
Fundstelle(n):
GAAAF-81305