Höhe einer Sozialplanabfindung - Einzelfallentscheidung
Gesetze: § 77 Abs 4 S 1 BetrVG, § 112 Abs 1 S 3 BetrVG
Instanzenzug: Az: 1 Ca 5183/13 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 9 Sa 97/14 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Berechnung einer Sozialplanleistung.
2Der am geborene und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger war seit dem bei der Beklagten in deren Betriebsstätte in Düsseldorf beschäftigt. Ihm war ein Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen. Die Beklagte bringt eine Firmenwagenrichtlinie zur Anwendung, die Company Benefit Car Policy (Car Policy). Diese legt in ihrer Fassung vom Februar 2012 unter „2. Company Car Eligibility“ ua. fest, dass die Anspruchsberechtigung auf einen Firmenwagen auf dem „Job Grade“ - dem Grad der Verantwortung der Tätigkeit - basiert. Außerdem ist in ihrem Prefix bei Rückgabe des Firmenwagens unter näher geregelten Voraussetzungen eine monatliche Barzulage (monthly cash allowance) in Höhe von 750,00 Euro brutto vorgesehen. Der dem Kläger für August 2012 erteilte Entgeltnachweis weist ua. einen „PKW-Wert gw. Vorteil“ iHv. 351,45 Euro und einen „PKW-KM gw. Vorteil“ iHv. 339,30 Euro aus.
3Bei der Beklagten ist der für den Betrieb Düsseldorf zuständige Betriebsrat Region West gebildet. Mit diesem vereinbarte die Beklagte, welche bis zum unter Nokia Siemens Networks GmbH & Co. KG (NSN) firmierte, am anlässlich einer Restrukturierungsmaßnahme einen Sozialplan (SP 2012). Dieser sieht den Übergang der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer in die NSN Transfergesellschaft mbH (NSN TG) vor und lautet im Übrigen:
4Unter den Daten 16./ vereinbarten die Parteien und die NSN TG einen „dreiseitigen Vertrag“, nach dem das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Ablauf des endete und er zum in die NSN TG eintrat. Der Kläger gab den Firmenwagen an seinem letzten Arbeitstag bei der Beklagten zurück.
5Die Beklagte ermittelte die Sozialplanleistung nach der Rechenoperation:
6Bei der Höhe des in die Rechnung eingestellten Bruttomonatseinkommens berücksichtigte sie weder die monatliche Barzulage anstelle eines Firmenwagens nach der Car Policy noch die (steuerpflichtigen) geldwerten Vorteile des zur privaten Nutzung überlassenen Dienstwagens. Auch die monatlich abgerechnete und gezahlte Kontoführungsgebühr brachte sie nicht in Ansatz.
7Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung mit Schreiben vom unter Fristsetzung für eine Nachzahlung von zehn Werktagen hat der Kläger mit seiner Klage die Zahlung der Differenz geltend gemacht, die sich ergibt, wenn bei der Bemessung der Abfindung von einem höheren Bruttomonatseinkommen - unter Berücksichtigung der Kontoführungsgebühr und der monatlichen Barzulage nach der Car Policy, jedenfalls aber der geldwerten Vorteile für die Privatnutzung des Firmenwagens - ausgegangen wird, und entgegen der Berechnung der Beklagten die Zuschläge des § 7 (2.2) bis (2.4) SP 2012 nicht mit dem Faktor 0,7 multipliziert werden. Des Weiteren hat der Kläger gemeint, die Abfindungszahlung sei am fällig gewesen. Entsprechend hat er unter Berücksichtigung der von der Beklagten gezahlten Beträge Verzugszinsen in gestaffelter Höhe beansprucht.
8Der Kläger hat zuletzt beantragt,
9Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, ihre Berechnung der Sozialplanleistung folge zwingend aus der Regelungssystematik des Sozialplans.
10Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und dem Kläger - unter Berücksichtigung der ungekürzten Zuschläge und der Positionen „PKW-Wert gw. Vorteil“ sowie „PKW-KM gw. Vorteil“ - einen Betrag von 9.947,98 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zugesprochen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 6.314,09 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen. Dabei hat es neben den ungekürzten Zuschlägen allein die Position „PKW-Wert gw. Vorteil“ berücksichtigt. Die weitergehende Berufung der Beklagten hat es ebenso wie die vom Kläger eingelegte Anschlussberufung zurückgewiesen. Aus den Gründen ergibt sich, dass es die Anschlussberufung für unzulässig gehalten hat. Mit ihren Revisionen verfolgen beide Parteien ihre bisherigen Anträge weiter.
Gründe
11Die Revision der Beklagten hat nur zum Teil Erfolg. Sie ist begründet, soweit sie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines 2.550,05 Euro brutto übersteigenden Betrags nebst Zinsen an den Kläger betrifft. Im Übrigen ist sie - ebenso wie die Revision des Klägers - zurückzuweisen.
12I. Die Klage ist nicht in der vom Landesarbeitsgericht zuerkannten Höhe begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Zahlung einer weiteren Sozialplanabfindung, jedoch nur iHv. 2.550,05 Euro brutto. Das folgt daraus, dass die Beklagte zwar den in die Höhe der Sozialplanabfindung einzustellenden Faktor des Bruttomonatseinkommens zutreffend ermittelt hat. Entgegen ihrer Berechnungsweise unterliegen aber die Sozialzuschläge des § 7 (2.2) bis (2.4) SP 2012 nicht der Multiplikation mit dem Faktor 0,7.
131. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen für eine aus dem individuellen Bruttomonatsentgelt errechnete Abfindung nach § 7 (1) SP 2012. Darüber streiten die Parteien ebenso wenig wie über die bei der Berechnung der zu zahlenden Leistung nach § 7 (2) SP 2012 zugrunde zu legenden Sozialdaten des Klägers.
142. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht bei der Höhe des für den Abfindungsbetrag maßgebenden Bruttomonatseinkommens den „PKW-Wert gw. Vorteil“ berücksichtigt. Nach den Festlegungen zu dem abfindungsrelevanten Begriff „Bruttomonatseinkommen“ im Sozialplan ist diese Position nicht in die Berechnung einzustellen.
15a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Sozialpläne als Betriebsvereinbarungen eigener Art wegen ihrer normativen Wirkungen (§ 77 Abs. 4 Satz 1, § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG) wie Tarifverträge auszulegen ( - Rn. 18 mwN). Auszugehen ist dementsprechend zunächst vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Darüber hinaus kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Der Sozialplanzweck ist aus Wortlaut und Gesamtzusammenhang der Regelung zu erschließen und bestimmt sich nicht nach den subjektiven Vorstellungen einer Betriebspartei. Der tatsächliche Wille der Betriebsparteien ist nur zu berücksichtigen, soweit er im Sozialplan seinen Niederschlag gefunden hat (vgl. - Rn. 11; - 1 AZR 988/08 - Rn. 14 mwN). Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (vgl. - Rn. 14; - 1 AZR 544/12 - Rn. 12 mwN).
16b) Hiernach ergibt sich, dass zu dem Bruttomonatseinkommen im Sinn des § 7 (2) und (2.1) SP 2012 das Gehalt und das auf einen Monat umgerechnete Incentive zählen. Nicht zu berücksichtigen sind die geldwerten Vorteile für die Privatnutzung des Dienstwagens.
17aa) Die Betriebsparteien haben das in die nach § 7 (2) SP 2012 in die Formelberechnung des Abfindungsbetrags einzustellende Bruttomonatseinkommen in § 7 (2.1) Unterabs. 3 SP 2012 näher definiert. Der Begriff „Bruttomonatseinkommen“ bezieht sich - im allgemeinen Sprachgebrauch - auf die Zahlungsweise und den Abrechnungszeitraum. Nach dem Wortlaut von Satz 1 des § 7 (2.1) Unterabs. 3 SP 2012 fallen darunter „feste regelmäßige monatliche Einkommensbestandteile auf Basis der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit“. Die Wendung „feste“ nimmt „schwankende“ - variable oder unregelmäßige - Bestandteile des Einkommens von vornherein aus. Das Adjektiv „monatliche“ bestimmt die Abstände der regelmäßigen Wiederkehr in zeitlicher Hinsicht näher. Nicht in jedem Monat zu beanspruchende Einkommensbestandteile zählen nicht zum Bruttomonatseinkommen, was durch die Sonderbestimmung des § 7 (2.1) Unterabs. 4 SP 2012 für Mitarbeiter, die „Anspruch auf ein Incentive“ haben, unterstrichen ist. Schließlich sollen nur die Einkommensbestandteile Berücksichtigung finden, die auf der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit beruhen. Nach dem Wort- und Textsinn ist die ausschlaggebende Bezugsgröße für die „festen“ Einkommensbestandteile allein die „vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit“.
18bb) Systematische Erwägungen widersprechen diesem Wortlautverständnis nicht. Zwar erscheint Satz 2 von § 7 (2.1) Unterabs. 3 SP 2012 redundant, wenn die nach ihm ausdrücklich ausgenommenen „Teile“ schon keine Einkommensbestandteile nach Satz 1 von § 7 (2.1) Unterabs. 3 SP 2012 sind. Der Vorschrift kann insofern aber auch eine bloße klarstellende Bedeutung zukommen. Das gilt umso mehr, als die Betriebsparteien bei den Festlegungen zur Abfindungshöhe ohnehin keinen einheitlichen Begriff des Bruttomonatseinkommens gebrauchen. So definieren sie in § 7 (2.1) Unterabs. 3 SP 2012 das Bruttomonatseinkommen, verwenden jedoch - offensichtlich ohne anderen Bedeutungsgehalt - in § 7 (1) und (2.1) SP 2012 zum Teil auch andere sprachlichen Ausdrücke („Bruttomonatsentgelt“ und „Bruttomonatsverdienst“). Immerhin unterscheiden sie aber gemäß einerseits § 5 (3) Satz 2 und Satz 3 SP 2012 und andererseits § 7 (2) SP 2012 nach dem für das Transferarbeitsverhältnis und nach dem für die Abfindungsberechnung maßgeblichen Begriff des Bruttomonatseinkommens. Der methodische Vergleich der unterschiedlichen Festlegungen hierzu spricht deutlich dafür, dass bei dem für die Abfindung maßgeblichen Bruttomonatseinkommen nur die unmittelbar auf die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit bezogenen Einkommensbestandteile berücksichtigungsfähig sein sollen. Auf eine solche Interpretation deutet unter systematischen Gesichtspunkten ferner der Umstand, dass die vermögenswirksamen Leistungen bei den Regelungen zum Transferarbeitsverhältnis explizit ausgewiesen sind, vgl. § 5 (8) SP 2012.
19cc) Der Zweck des Sozialplans, konkret absehbare oder eingetretene betriebsänderungsbedingte Nachteile auszugleichen (vgl. zB - Rn. 17 mwN), gibt für ein bestimmtes Verständnis des Begriffs „Bruttomonatseinkommen“ nichts her. Jedenfalls verbietet er es den Betriebsparteien aber auch nicht, bei der Berechnung von künftigen Nachteilsausgleichen (nur) an die bisherigen stetigen Einkünfte anzuknüpfen, welche die Einkommenssituation arbeitszeitbezogen und dauerhaft geprägt haben.
20dd) Danach ist die Position „PKW-Wert gw. Vorteil“ bei der Ermittlung des Bruttomonatseinkommens nicht anzusetzen. Bei ihr handelt es sich um steuerlich zu berücksichtigenden Vorteil im Zusammenhang mit der Überlassung des Dienstfahrzeugs. Nicht dieser ist Einkommensbestandteil, sondern allenfalls die Überlassung des Firmenwagens zur privaten Nutzung, deren Wert gegebenenfalls anhand des vorgenannten Parameters ermittelt werden kann. Die Überlassung des Firmenwagens zur privaten Nutzung ist aber kein Einkommensbestandteil iSd. § 7 (2.1) Unterabs. 3 Satz 1 SP 2012. Sie erfolgt zwar regelmäßig monatlich und hat einen festen Wert in Höhe der abgerechneten Vorteile. Sie ist aber nach der Car Policy allein vom Job Grade des Mitarbeiters abhängig. Damit fehlt es an einem unmittelbaren Bezug zu der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit (ähnlich - im Zusammenhang mit der Auslegung von Versorgungsordnungen - - Rn. 29 f. und - 3 AZR 362/11 - Rn. 43 f.).
213. Anders als die Beklagte meint, fließen in die Ermittlung der Sozialplanleistung aber die Zuschläge nach § 7 (2.2) bis (2.4) SP 2012 ungekürzt ein und sind nicht mit dem Faktor von 0,7 zu multiplizieren.
22a) Nach den einschlägigen Sozialplanbestimmungen scheidet die von der Beklagten gewählte Berechnungsmethode der Sozialplanleistung schon unter sprachlichen Gesichtspunkten aus.
23aa) Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut unterstellt die Formel des § 7 (2) Satz 1 SP 2012 - in Fett- und Kursivschrift - die „Abfindung“ einer Multiplikation des „Abfindungsbetrags“ mit dem Faktor „0,7“. Was „Abfindungsbetrag“ ist, wird in der sich dem Satz 1 von § 7 (2) anschließenden Formel - in Kursivschrift - definiert. Danach berechnet sich der „Abfindungsbetrag“ aus den Operanden „Anzahl der Beschäftigungsjahre (Dienstjahre)“, „Bruttomonatseinkommen“ und einem weiteren „Faktor“, der in § 7 (2.1) SP 2012 im Sinn einer Matrix näher ausgewiesen ist. Bezieht sich aber der Faktor von 0,7 auf den „Abfindungsbetrag“ und ist letzterer nur anhand der beschriebenen Operanden zu ermitteln, spricht das textliche Verständnis des Sozialplans deutlich dafür, dass der Faktor sich nicht (auch) auf andere Sozialplanleistungen bezieht.
24bb) § 7 (2.2) bis (2.4) SP 2012 regeln einen Kinder-, Schwerbehinderten- und Lebensalterszuschlag. Dabei ist in § 7 (2.2) Satz 1 SP 2012 buchstäblich ausgedrückt, dass Mitarbeiter mit unterhaltsberechtigten Kindern „zusätzlich zu der Abfindung“ einen näher festgelegten Betrag „erhalten“. In den anderen Zuschlagsbestimmungen findet sich zwar keine wortgleiche Formulierung. Allerdings sprechen auch § 7 (2.2) Satz 3 SP 2012 sowie § 7 (2.3) und (2.4) SP 2012 wörtlich von einem „zusätzlichen Betrag“, von einem „Zuschlag“ und davon, „zusätzlich einen Zuschlag“ zu „erhalten“. Diese sprachliche Ausdrucksweise bedingt ein Verständnis dahingehend, dass die jeweiligen Zuschläge zu dem nach der Formel des § 7 (2) Satz 1 SP 2012 zu ermittelnden Abfindungsbetrag als Festbeträge in voller Höhe hinzukommen. Auch sind sie in ihren Voraussetzungen näher ausgestaltet, ohne dass sich im Wortlaut Anhaltspunkte dafür finden, sie der Kürzung mit dem Faktor 0,7 zu unterwerfen. Gegen eine solche Sichtweise spricht zudem, dass sie als Bruttobeträge ausgewiesen sind, was nicht erforderlich wäre, wenn sie einen Operanden der Formelberechnung darstellen sollen. Bei dem Lebensalterszuschlag nach § 7 (2.4) SP 2012 kommt hinzu, dass seine Teilnahme an der Faktorenkürzung eher redundant erschiene, weil das Lebensalter zumindest als eine der Berechnungsgrößen bereits bei dem in § 7 (2.1) SP 2012 ausgewiesenen Matrixfaktor berücksichtigt ist.
25b) Gegen dieses am Wortlaut orientierte Verständnis der einschlägigen Sozialplanbestimmungen lässt sich - anders als die Revision meint - nicht entscheidend die systematische Stellung der Zuschlagsregelungen anführen.
26aa) Es trifft zwar zu, dass die Bestimmungen des § 7 (2.2) bis (2.4) SP 2012 numerisch dem § 7 (2) SP 2012 untergliedert sind. Allerdings erscheint die Systematik des § 7 SP 2012 insgesamt nicht stringent, wenn in seiner Nr. 2.1 einleitend der (Matrix-)Faktor definiert ist und in weiteren Absätzen Regelungen zu anderen Aspekten der Berechnung des Abfindungsbetrags getroffen sind. Die äußere Gliederung gibt damit keinen hinreichenden Anhaltspunkt für eine nach dem Wortlaut eher ausgeschlossene Interpretation. Dies gilt umso mehr, als § 7 SP 2012 mit der Überschrift „ABFINDUNG“ versehen ist und § 7 (2.2) Satz 1 SP 2012 einen zusätzlich „zu der Abfindung“ zu gewährenden Betrag festlegt.
27bb) Der Zusammenhang zwischen einerseits den Regelungen des § 7 (2) SP 2012 zur Höhe sowie Berechnung der Abfindung und der Zuschläge und andererseits des § 7 (3) bis (7) SP 2012 zur Fälligkeit und anderen Modalitäten der „Abfindung“ oder „Abfindungsansprüche“ spricht gleichfalls nicht für die Ansicht der Beklagten. Offensichtlich verwenden die Betriebsparteien im Sozialplan keinen einheitlichen Abfindungsbegriff, was sich bereits darin zeigt, dass § 7 SP 2012 mit „ABFINDUNG“ überschrieben ist und in seiner Untergliederung (2.2) Satz 1 einen Zuschlag „zu der Abfindung“ regelt. Das deutet darauf hin, den Ausdruck „Abfindung“ des § 7 (3) bis (7) SP 2012 umfassender (im Sinn einer Gesamtabfindung) als den nach § 7 (2) SP 2012 zu verstehen, wonach die „Abfindung“ der mit 0,7 multiplizierte „Abfindungsbetrag“ ist, der seinerseits in einer Formel näher beschrieben wird. Außerdem findet sich im Sozialplan auch bezogen auf andere Regelungsgegenstände keine einheitliche Sprachregelung; vgl. etwa bei § 7 (2.1) SP 2012 die Begrifflichkeiten „Dienstalter/Betriebszugehörigkeit“ oder „Bruttomonatseinkommen/Bruttomonatsverdienst“. Für die Ermittlung des Sinngehalts der Sozialplanbestimmungen ergeben sich aus der Verwendung bestimmter gleicher oder unterschiedlicher Formulierungen daher nur bedingt Schlüsse.
28c) Sinn und Zweck der in § 7 (1) und (2) SP 2012 getroffenen Bestimmungen sprechen dafür, dass die Zuschläge nicht dem Faktor 0,7 unterliegen. Nach § 7 (2) Satz 2 SP 2012 ergibt sich der Faktor 0,7 aus dem Angebot einer Transfergesellschaft mit den in § 5 SP 2012 geregelten Konditionen. Damit liegt in der Multiplikation mit dem festgelegten Faktor eine Kompensation der Kosten für die Transfergesellschaft. Diese Intention lässt darauf schließen, dass nur die in die Ermittlung des Zahlungsanspruchs nach dem Sozialplan einzustellenden einkommensabhängigen Bestandteile der „Faktorenkürzung“ unterliegen, weil sie nach Übertritt in die Transfergesellschaft weiter gewährt werden, was bei den einkommensunabhängig festgelegten Zuschlägen nicht der Fall ist.
29d) Sollten die Betriebsparteien bei Abschluss des Sozialplans davon ausgegangen sein, dass auch die in dem Sozialplan als feste Pauschalbeträge ausgewiesenen Sozialzuschläge mit dem Faktor 0,7 zu multiplizieren sind, wäre dies angesichts der getroffenen Bestimmungen eine eher ungewöhnliche Regelungspraxis. Für sie hätte es jedenfalls eines deutlicheren Niederschlags in dem Sozialplan bedurft als sich feststellen lässt. Daher kommt es auf die von der Beklagten vorgebrachte und ihre Berechnungsweise stützende Präsentation der Abfindungsermittlung auf einer betrieblichen Informationsveranstaltung am nicht an. Diese stellt ebenso lediglich die Wiedergabe einer Rechtsmeinung dar wie die E-Mail des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden vom .
30Die in diesem Zusammenhang von der Revision erhobene Verfahrensrüge ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - unbegründet. Das Landesarbeitsgericht musste die von der Beklagten benannten Zeugen für einen ihrer Auffassung entsprechenden Regelungswillen der Betriebsparteien nicht vernehmen. Weder aus dem Wortlaut des Sozialplans noch dem systematischen Gesamtzusammenhang der in ihm getroffenen Regelungen und deren erkennbaren Zweck folgt ein ausreichender Hinweis darauf, dass die Sozialzuschläge der für die Abfindung iSv. § 7 (2) Satz 1 SP 2012 vorgesehenen Multiplikation mit dem Faktor 0,7 unterliegen sollen.
314. Nach den vorgenannten Ausführungen zur Berechnung der Sozialplanabfindung ergibt die Differenz zwischen der dem Kläger zustehenden und der ihm gezahlten Leistung einen Betrag iHv. 2.550,05 Euro brutto.
32II. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat seine Anschlussberufung zu Recht als unzulässig verworfen. Der Kläger hat die Anschließung nicht fristgerecht erklärt.
331. Nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG ist eine Anschlussberufung zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren wird zwar - anders als nach § 521 Abs. 2 Satz 1 ZPO - dem Berufungsbeklagten vom Gericht keine Frist zur Berufungserwiderung „gesetzt“; vielmehr gilt für die Berufungsbeantwortung die durch § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG bestimmte gesetzliche Frist von einem Monat. Gleichwohl ist § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG im Berufungsverfahren vor den Landesarbeitsgerichten entsprechend anwendbar. Eine Anschlussberufung, die nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung der Berufungsbegründung - bei Verlängerung der Berufungsbeantwortungsfrist nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG innerhalb der dann geltenden - Frist eingeht, ist entsprechend § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen ( - Rn. 12 mwN). Dabei setzt die Verwerfung der Anschlussberufung wegen Fristversäumnis voraus, dass der Berufungsgegner mit der Zustellung der Berufungsbegründung gemäß § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG auf die gesetzliche Verpflichtung hingewiesen wurde, die Berufung binnen eines Monats nach Zustellung der Berufungsbegründung zu beantworten. Fehlt es an einem solchen Hinweis, wird weder die Frist zur Berufungsbeantwortung noch die zur Einlegung der Anschlussberufung in Lauf gesetzt ( - Rn. 12 mwN).
34Die Hinweiserteilung kann vom Gericht als „Hinweis gemäß § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG“ bezeichnet werden und gegebenenfalls im Wege des Freibeweises noch vom Revisionsgericht geklärt werden ( - Rn. 17 und 15 mwN). Dabei ist das Revisionsgericht nicht an die Tatsachenfeststellungen der unteren Instanzen gebunden und hat auch neues Tatsachenvorbringen zu berücksichtigen (vgl. - Rn. 13, BAGE 148, 206; - 4 AZR 795/05 - Rn. 12, BAGE 118, 159).
352. Danach war die Anschlussberufung des Klägers verspätet.
36a) Der die Anschlussberufung betreffende Schriftsatz ist am beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt war seit der am bewirkten Zustellung der Berufungsbegründung mehr als ein Monat vergangen. Die Frist zur Berufungsbeantwortung war nicht verlängert worden.
37b) Die Frist zur Berufungsbeantwortung ist ordnungsgemäß in Lauf gesetzt worden. Insbesondere ist der nach § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG gebotene Hinweis erfolgt.
38aa) Der Klägervertreter hat mit Empfangsbekenntnis vom den Erhalt der Berufungsbegründung bestätigt. Laut Empfangsbekenntnis ist ihm neben der Berufungsbegründung ein „Hinweis gemäß § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG“ zugestellt worden. Das ist im Hinblick auf eine Anschlussberufung ausreichend.
39bb) Nach verfassungsrechtlich unbedenklicher höchstrichterlicher Rechtsprechung erbringt das datierte und unterschriebene Empfangsbekenntnis eines Anwalts als öffentliche Urkunde (§ 418 ZPO) den Beweis dafür, dass die darin genannten Schriftsätze (hier: der „Hinweis gemäß § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG“) zugestellt worden sind (vgl. - und - zu B I 2 der Gründe mwN, BAGE 110, 252; - Rn. 5 mwN). Zur Widerlegung dieses Beweises ist der (Gegen-)Beweis der Unrichtigkeit der im Empfangsbekenntnis enthaltenen Angaben zulässig. Er setzt voraus, dass die Beweiswirkung vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die Angabe im Empfangsbekenntnis richtig sein kann. Er ist nicht schon dann geführt, wenn lediglich die Möglichkeit derer Unrichtigkeit besteht. Deshalb reicht der Beweiswert einer lediglich auf Glaubhaftmachung ausgerichteten eidesstattlichen Versicherung regelmäßig nicht aus. Allerdings ist zu beachten, dass in der Versicherung an Eides statt auch ein Angebot zur Vernehmung als Zeuge liegen kann (vgl. - Rn. 11 mwN).
40cc) Im Streitfall steht aufgrund des Empfangsbekenntnisses fest, dass der Klägervertreter den „Hinweis gemäß § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG“ erhalten hat. Zwar liegt in der vom Klägervertreter zur Akte gereichten eidesstattlichen Versicherung des Büroleiters seiner Kanzlei vom ggf. ein Antrag auf Einvernahme des Büroleiters als Zeuge zum Gegenbeweis der in dem Empfangsbekenntnis ausgewiesenen Zustellung eines Hinweises nach § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG. Für eine solche Annahme bieten aber die in der eidesstattlichen Erklärung angegebenen Tatsachen ebenso wenig Anhaltspunkte wie der schriftsätzliche Vortrag in der Revisionsbegründung. Insbesondere reicht es nicht aus, dass der Büroleiter an Eides statt versichert, der Hinweis sei „nicht in dem Briefumschlag vorhanden“ gewesen. Die Revision behauptet an keiner Stelle, dass der Büroleiter den verschlossenen Briefumschlag auch geöffnet hat.
413. Die Unzulässigkeit der Anschlussberufung bewirkt, dass der mit ihr verfolgte (weitergehende) Zahlungsanspruch des Klägers mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil rechtskräftig abgewiesen ist. Er wäre im Übrigen auch unbegründet. Weder die monatliche Barzulage nach der Car Policy noch die Kontoführungsgebühr sind bei der Höhe des für den Abfindungsbetrag maßgebenden Bruttomonatseinkommens zu berücksichtigen (vgl. hierzu die Senatsentscheidung vom selben Tag - 1 AZR 763/14 - Rn. 14 ff.).
42III. Der Zinsanspruch auf die iHv. 2.550,05 Euro brutto begründete Hauptforderung folgt aus § 288 Abs. 1 iVm. § 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Er besteht ab dem . Die zu verzinsende Forderung war am fällig. Das folgt aus den Fälligkeitsbestimmungen des § 7 (3) und (4) SP 2012 in deren gebotener Auslegung (vgl. hierzu die Senatsentscheidung vom selben Tag - 1 AZR 763/14 - Rn. 36). Die Verzinsungspflicht beginnt nach § 187 Abs. 1 BGB mit dem Folgetag der Fälligkeit (vgl. zB - Rn. 30 mwN). Wegen der Unzulässigkeit der Anschlussberufung ist die arbeitsgerichtliche Abweisung des Zinsanspruchs für die Zeit vor dem in Rechtskraft erwachsen. Dies gilt ebenso für den vom Arbeitsgericht abgewiesenen weitergehenden Zinsanspruch.
43IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2015:131015.U.1AZR764.14.0
Fundstelle(n):
MAAAF-67566