Insolvenzanfechtung: Beweislast des Anfechtungsgegners und Wirkungen eines zeitlich begrenzten Verjährungsverzichts
Leitsatz
1. Hat der Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit und den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners erkannt, obliegt ihm der Beweis, dass seine Kenntnis aufgrund nachträglich eingetretener Umstände entfallen ist.
2. Durch einen zeitlich begrenzten Verjährungsverzicht wird die Befugnis des Anfechtungsgegners, die Einrede der Verjährung zu erheben, für den vereinbarten Zeitraum ausgeschlossen.
Gesetze: § 133 Abs 1 InsO, § 140 InsO, § 146 Abs 1 InsO, § 195 BGB
Instanzenzug: OLG Celle Az: 16 U 168/13vorgehend LG Lüneburg Az: 6 O 92/12
Tatbestand
1Der Kläger ist Verwalter in dem auf einen Eigenantrag über das Vermögen der M. KG (nachfolgend: Schuldnerin) am eröffneten Insolvenzverfahren.
2Im Rahmen eines zwischen der Schuldnerin und ihrer Bank am 23. Juli/ zur Ablösung notleidender Kredite geschlossenen Vertrages übernahm der Beklagte, ein der Schuldnerin verbundener Rechtsanwalt und Notar, die Aufgabe des Treuhänders. Ferner gewährte der Beklagte im Jahr 2003 ein Darlehen in Höhe von 200.000 € an die Schuldnerin. Durch Vertrag vom stellte er der Schuldnerin einen weiteren Darlehensbetrag über 216.500 € zur Verfügung. Zur Sicherung des Gesamtdarlehensbetrages einschließlich Zinsen in Höhe von 453.245 € verpfändete die Schuldnerin ein Festgeldkonto über 178.000 € an den Beklagten.
3Außerdem vermietete der Beklagte ein in Hamburg gelegenes Betriebsgrundstück nebst Betriebsräumen für eine monatliche Nettomiete in Höhe von 6.077,15 € an die Schuldnerin. Im Zeitraum von Anfang 2006 bis Februar 2008 entrichtete die Schuldnerin nach dem Vortrag des Klägers Miete in Höhe von insgesamt 231.803,87 € an den Beklagten. Mietrückstände aus den Jahren 2005 und 2006 beliefen sich nach Darstellung des Klägers bei Verfahrenseröffnung auf 48.777,84 €.
4Die Schuldnerin konnte spätestens ab Anfang des Jahres 2005 ihre Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen. Durch Rundschreiben vom bot sie ihren Gläubigern gegen Erteilung eines weitergehenden Forderungsverzichts die Zahlung einer Quote zwischen 30 und 40 v.H. an.
5Der Kläger begehrt mit vorliegender Klage im Wege der Anfechtung die Freigabe des verpfändeten Festgeldkontos sowie Erstattung der an den Beklagten erbrachten Mietzahlungen. Das Landgericht hat der Klage in der Hauptsache uneingeschränkt stattgegeben. Die dagegen eingelegte Berufung des Beklagten hat insoweit Erfolg gehabt, als der Zahlungsbetrag durch das Berufungsgericht von 231.803,37 € auf 82.930,67 € verringert wurde. Die Berufung des Klägers hatte hinsichtlich der Zinshöhe Erfolg. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag in vollem Umfang weiter.
Gründe
6Die Revision hat überwiegend Erfolg und führt im Übrigen zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
7Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt:
8Hinsichtlich der Mietzahlungen sei der Anfechtungsanspruch des Klägers aus § 133 Abs. 1, § 143 InsO nur teilweise in Höhe von 82.930,67 € begründet. Mangels näherer Substantiierung könne der Kläger allenfalls die von dem Beklagten nach einer Korrektur zuletzt zugestandenen Zahlungen über 219.234,60 € zurückverlangen. Der entsprechende Vortrag sei entgegen der Würdigung des Landgerichts nicht verspätet im Sinne von § 296 Abs. 1 ZPO. Die Rechtshandlungen seien infolge der Verkürzung der Masse objektiv gläubigerbenachteiligend. Der Bargeschäftseinwand (§ 142 InsO) komme im Falle der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO nicht zum Tragen. Allerdings liege bei einer für ein Bargeschäft erforderlichen kongruenten Leistung der Vorsatz in der Regel fern. Die Schuldnerin habe mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt, weil ihr infolge ihrer Zahlungsunfähigkeit bewusst gewesen sei, nicht sämtliche Gläubiger befriedigen zu können. Insbesondere habe sie erkannt, dass ihre Liquiditätskrise nicht überwunden worden sei.
9Eine Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin sei dem Beklagten jedoch nur für das Jahr 2006 nachzuweisen. Die wenigen von dem Kläger vorgetragenen Indizien seien nicht geeignet, auch für die darauf folgenden Jahre diesen zwingenden Rückschluss zu ziehen. Die Mietzahlungen für das Jahr 2006 über 82.930,67 € seien in voller Höhe anfechtbar. Der Beklagte habe im Jahr 2006 um die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gewusst und nicht allein aufgrund der Erklärungen des Zeugen P. auf die Überwindung der Krise vertrauen dürfen. Der Beklagte habe erkennen müssen, dass die Erfüllung seiner Forderung im Gegensatz zur Erfüllung der Forderungen anderer Gläubiger (diese nur zu 30 v.H.) gläubigerbenachteiligend gewesen sei. Infolge der für das Jahr 2005 verbliebenen Mietrückstände und der Stundung der Miete für die Monate Juli und August 2006 habe sich dem Beklagten aufdrängen müssen, dass die Krise nicht überwunden sei, zumal der Schuldnerin nach Gewährung des Darlehens durch ihn die Mietzahlung nicht möglich gewesen sei. Aus der Kenntnis der fortbestehenden Zahlungsunfähigkeit habe sich ihm aufdrängen müssen, dass die weiteren Gläubiger durch die bevorzugte Zahlung benachteiligt würden.
10Erst ab dem Jahr 2007 habe sich die Situation aus Sicht des Beklagten geändert, weil er zwar von der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit, aber auch von den Sanierungsbemühungen gewusst habe. Die Gewährung seines Darlehens habe die Liquidität teilweise erhöht, so dass erhebliche Rückstände abgetragen worden seien. Die Mietzahlungen seien ab September 2006 regelmäßig erfolgt. Zudem sei zu berücksichtigen, dass es sich bei den Zahlungen um kongruente Leistungen gehandelt habe, der die monatliche Gebrauchsüberlassung gegenübergestanden habe. Ein Schuldner handele nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung erbringe, welche zur Fortführung seines eigenen Unternehmens nötig sei und damit den Gläubigern im Allgemeinen nütze.
11In der Gesamtschau sei deshalb nachvollziehbar und plausibel, dass der Beklagte aufgrund der geänderten Umstände darauf vertraut habe, dass die Schuldnerin ihre Krise überwunden habe. Die vorgetragenen Indizien seien nicht geeignet, dieses Vertrauen in Zweifel zu ziehen und den zweifelsfreien Rückschluss auf die positive Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes und der fortbestehenden Zahlungsunfähigkeit zu begründen. Auch die seit Juli 2007 fälligen Darlehensansprüche ließen mangels Tatsachenvortrag des Klägers zum Tilgungsplan, zu etwaigen Mahnungen oder Gesprächen der Parteien nicht den Rückschluss zu, dass der Beklagte erneut Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erlangt habe. Mangels näherer Anhaltspunkte könne auch für das Jahr 2008 nicht von einer Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit oder vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz ausgegangen werden. Der Vortrag des Klägers sei in jeder Hinsicht unsubstantiiert.
II.
12Diese Ausführungen halten im entscheidenden Punkt rechtlicher Prüfung nicht stand. Dem Kläger steht gemäß § 133 Abs. 1, § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO gegen den Beklagten über die für das Jahr 2006 zuerkannte Forderung von 82.930,67 € im Blick auf die von der Schuldnerin im Zeitraum der Jahre 2007 bis 2008 erbrachten Mietzahlungen jedenfalls eine weitere Forderung in Höhe von 136.303,93 € zu.
131. Die geleisteten Mietzahlungen stellen Rechtshandlungen der Schuldnerin dar. Infolge des Vermögensabflusses haben die Zahlungen eine objektive Gläubigerbenachteiligung im Sinne von § 129 Abs. 1 InsO bewirkt (, WM 2015, 1202 Rn. 8 mwN).
142. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass sämtlichen von der Schuldnerin im Zeitraum der Jahre 2006 bis 2008 an den Beklagten erbrachten Mietzahlungen ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz zugrunde liegt.
15a) Der Benachteiligungsvorsatz folgt daraus, dass die Schuldnerin die Zahlungen im ihr bekannten Stadium der Zahlungsunfähigkeit erbracht hat.
16Der Benachteiligungsvorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 InsO) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge - sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils - erkannt und gebilligt hat. Ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz, weil er weiß, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen (, WM 2012, 85 Rn. 14 mwN; vom - IX ZR 3/12, WM 2013, 174 Rn. 15; vom - IX ZR 13/12, WM 2013, 180 Rn. 14; vom , aaO Rn. 11). In diesen Fällen handelt der Schuldner ausnahmsweise nicht mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er aufgrund konkreter Umstände - etwa der sicheren Aussicht, demnächst Kredit zu erhalten oder Forderungen realisieren zu können - mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen kann (, WM 2013, 88 Rn. 7; vom , aaO; vom - IX ZR 93/11, WM 2014, 170 Rn. 9; vom , aaO). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn - wie hier - eine kongruente Leistung angefochten wird ( aaO Rn. 15; vom - IX ZR 180/12, WM 2015, 591 Rn. 22; vom , aaO).
17b) Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet ( aaO Rn. 18; vom , aaO Rn. 12). So verhält es sich im Streitfall.
18aa) Eine Zahlungseinstellung kann aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden. Sind derartige Indizien vorhanden, bedarf es einer darüber hinaus gehenden Darlegung und Feststellung der genauen Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten oder einer Unterdeckung von mindestens zehn v.H. nicht (, WM 2013, 1993 Rn. 10 mwN; vom - IX ZR 203/12, WM 2015, 381 Rn. 16; vom , aaO Rn. 13).
19bb) Bei der Schuldnerin haben sich mehrere eine Zahlungseinstellung begründende Beweisanzeichen verwirklicht.
20(1) Die Schuldnerin hat ihren Gläubigern durch Rundschreiben vom mitgeteilt, in eine wirtschaftliche Situation geraten zu sein, die ihr den Ausgleich der Verbindlichkeiten "so gut wie unmöglich" mache und ihre kapitalstrukturelle Lage "existenzgefährdend verschlechtert" habe. Vor diesem Hintergrund sei es ihr nur möglich, im Rahmen eines außergerichtlichen Vergleichs bestehende Forderungen quotiell in Höhe von 30 bis maximal 40 v.H. zu begleichen. Diese Erklärung der Schuldnerin, ihre Verbindlichkeiten nicht bedienen zu können, deutet ungeachtet der Bitte um Stundung und Forderungserlass nachdrücklich auf eine Zahlungseinstellung hin (, WM 2010, 1756 Rn. 10; vom - IX ZR 239/09, WM 2012, 711 Rn. 27; vom - IX ZR 3/12, WM 2013, 174 Rn. 21; vom - IX ZR 201/13, WM 2014, 1009 Rn. 34; vom - IX ZR 280/13, WM 2014, 1868 Rn. 28; vom - IX ZR 149/14, WM 2015, 1339 Rn. 9).
21(2) Daneben hat sich das Indiz einer verspäteten Abführung der Sozialversicherungsbeiträge verwirklicht, dem für den Nachweis einer Zahlungseinstellung besonderes Gewicht zukommt, weil diese Forderungen in der Regel wegen der drohenden Strafbarkeit (§ 266a StGB) bis zuletzt entrichtet werden (, WM 2015, 1202 Rn. 20). Überdies wurden seit dem Jahre 2004 fällige Verbindlichkeiten, die denen des Beklagten zeitlich vorgingen, bis zur Verfahrenseröffnung nicht beglichen, was ein weiteres Indiz einer Zahlungseinstellung darstellt (vgl. BGH, aaO Rn. 15 mwN). Damit hat die Schuldnerin infolge der ständigen verspäteten Begleichung auch ihrer sonstigen Verbindlichkeiten einen Forderungsrückstand vor sich hergeschoben und ersichtlich am Rande des finanzwirtschaftlichen Abgrunds operiert (BGH, aaO mwN). Bei dieser Sachlage ist von einer der Schuldnerin bekannten Zahlungsunfähigkeit und einem Benachteiligungsvorsatz auszugehen.
223. Dieser Benachteiligungsvorsatz wurde entgegen der Würdigung des Berufungsgerichts von dem Beklagten während des gesamten Zahlungszeitraums erkannt.
23a) Die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes wird gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Kennt der Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, so weiß er auch, dass Leistungen aus dessen Vermögen die Befriedigungsmöglichkeit anderer Gläubiger vereiteln oder zumindest erschweren und verzögern. Mithin ist der Anfechtungsgegner regelmäßig über den Benachteiligungsvorsatz im Bilde (, WM 2012, 85 Rn. 15; vom - IX ZR 235/12, WM 2013, 1044 Rn. 28 mwN; vom , aaO Rn. 17). Der Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (, WM 2013, 180 Rn. 24 f; vom , aaO).
24b) Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erkannt, weil ihm verschiedene auf eine Zahlungseinstellung hindeutende Beweisanzeichen offenbar wurden.
25Als anwaltlicher Vertreter war der Beklagte über das von der Schuldnerin an ihre Gläubiger gerichtete Rundschreiben vom unterrichtet, in dem sie unter eingehender Erläuterung ihrer mehr als bedrohlichen finanziellen Lage die Bitte um Stundung und teilweisen Forderungserlass geäußert hatte. Die Schuldnerin räumte zudem gegenüber dem Beklagten ein, zu seinen Gunsten bestehende Verbindlichkeiten nicht begleichen zu können. In dem Vertrag vom über die Gewährung eines Zusatzdarlehens von 216.500 € hat der Beklagte bestätigt, dass die Rückzahlung des von ihm gegebenen Altdarlehens über 200.000 € einschließlich der Zinsen nicht erfolgt sei. Überdies bestanden gegenüber dem Beklagten seit dem Jahr 2005 erhebliche Mietrückstände, die besonders ins Gewicht fallen, weil sie das Betriebsgrundstück als Grundlage der Fortsetzung des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin betrafen. Schließlich war dem Beklagten bewusst, es mit einem unternehmerisch tätigen Schuldner zu tun zu haben, bei dem das Entstehen von Verbindlichkeiten, die er nicht im selben Maße bedienen kann, auch gegenüber anderen Gläubigern unvermeidlich ist (, WM 2009, 1943 Rn. 14). Diese Gegebenheiten trugen auch aus der Sicht des Beklagten zu dem Gesamtbild eines am Rande des finanzwirtschaftlichen Abgrunds operierenden Schuldners bei, dem es auf Dauer nicht gelingt, bestehende Liquiditätslücken zu schließen, sondern der nur noch darum bemüht ist, trotz fehlender Mittel den Anschein eines funktionstüchtigen Geschäftsbetriebs aufrecht zu erhalten (, WM 2015, 381 Rn. 23; vom - IX ZR 95/14, WM 2015, 1202 Rn. 21). Bereits diese Umstände begründen eine Kenntnis des Beklagten von dem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin, die dem Beklagten im Stadium der Zahlungsunfähigkeit ersichtlich bevorzugt Zahlungen zukommen ließ.
26c) Unter Verkennung der zum Nachteil des Beklagten ausschlagenden Beweislastverteilung hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Kenntnis des Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin in den Jahren 2007 und 2008 nicht mehr bestand.
27aa) Die hier verwirklichte Zahlungseinstellung konnte nur beseitigt werden, indem die Schuldnerin alle Zahlungen wieder aufnahm. Dies hat derjenige zu beweisen, der sich darauf beruft. Hat der anfechtende Verwalter für einen bestimmten Zeitpunkt den ihm obliegenden Beweis der Zahlungseinstellung des Schuldners geführt, muss der Anfechtungsgegner grundsätzlich beweisen, dass diese Voraussetzung zwischenzeitlich wieder entfallen ist. Für den nachträglichen Wegfall der subjektiven Anfechtungsvoraussetzung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit gilt Entsprechendes. Ein Gläubiger, der von der einmal eingetretenen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners wusste, hat darzulegen und zu beweisen, warum er später davon ausging, der Schuldner habe seine Zahlungen möglicherweise allgemein wieder aufgenommen (, WM 2008, 840 Rn. 23; vom - IX ZR 3/12, WM 2013, 174 Rn. 33). Die Schlussfolgerung des Anfechtungsgegners, wonach die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zwischenzeitlich behoben ist, muss von einer ihm nachträglich bekannt gewordenen Veränderung der Tatsachengrundlage und nicht von einem bloßen "Gesinnungswandel" getragen sein. Als erstes dürfen die Umstände, welche die Kenntnis des Anfechtungsgegners begründen, nicht mehr gegeben sein. Der Fortfall der Umstände allein bewirkt nicht zwingend den Verlust der Kenntnis. Vielmehr ist auf der Grundlage aller von den Parteien vorgetragenen Umstände des Einzelfalls zu würdigen, ob eine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bei Vornahme der Rechtshandlung nicht mehr bestand ( aaO Rn. 10 ff, 16; vom - IX ZR 9/10, WM 2011, 1085 Rn. 15; vom , aaO Rn. 39).
28bb) Nach diesen Maßstäben kann ein Wegfall der Kenntnis des Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts für die Jahre 2007 und 2008 nicht festgestellt werden.
29(1) Da das Berufungsgericht eine Kenntnis des Beklagten vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin für das Jahr 2006 zutreffend als bewiesen erachtet, hat es mit seiner Würdigung die Beweislast verkannt, der zweifelsfreie Rückschluss auf eine Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz oder von der fortbestehenden Zahlungsunfähigkeit sei nicht begründet, weil der Beklagte ab dem Jahr 2007 auf eine Überwindung der Krise der Schuldnerin habe vertrauen dürfen. War im Jahre 2006 eine Kenntnis des Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit und dem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gegeben, obliegt ihm der Beweis, dass diese Kenntnis für die Folgejahre 2007 und 2008 entfallen ist. Diesen Beweis hat der Beklagte bereits nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, das den zweifelsfreien Rückschluss auf eine fortbestehende Kenntnis nicht zu ziehen vermochte, gerade nicht geführt. Mit Rücksicht auf die Beweislastverteilung war es entgegen der Würdigung des Berufungsgerichts nicht Sache des Klägers, substantiiert zu einer fortbestehenden Kenntnis des Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin für den Zeitraum der Jahre 2007 und 2008 vorzutragen.
30(2) Davon abgesehen scheidet ein Beweis, dass die Kenntnis des Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nachträglich entfallen ist, aus, weil ersichtlich eine Veränderung der Tatsachengrundlage nicht eingetreten ist. Weder hatten sich die von der Schuldnerin in den Schreiben an ihre Gläubiger mitgeteilten Umstände geändert, noch hatte die Schuldnerin ihre Zahlungen gegenüber allen Gläubigern uneingeschränkt wieder aufgenommen. Die von dem Berufungsgericht angeführten "Sanierungsbemühungen" bewirkten aus der Sicht des Beklagten keine Änderung der Tatsachengrundlage, weil sie nicht in ein tragfähiges Sanierungskonzept eingemündet waren. Die von dem Berufungsgericht hervorgehobenen regelmäßigen Zahlungen der Miete ab September 2006 beruhten nicht auf einer allgemeinen Zahlungsaufnahme seitens der Schuldnerin. Schon mit Rücksicht darauf, dass seine Darlehensforderungen weiter offen blieben, konnte der Beklagte nicht von einer allgemeinen Zahlungsaufnahme der Schuldnerin ausgehen. Vielmehr war der Schuldnerin ersichtlich daran gelegen, die Mietforderungen des Beklagten bevorzugt zu bedienen, um die Fortsetzung ihres Geschäftsbetriebs zu sichern. Vor diesem Hintergrund verbietet sich ein Schluss des Gläubigers dahin, dass - nur weil er selbst Zahlungen erhalten hat - der Schuldner seine Zahlungen auch im Allgemeinen wieder aufgenommen habe (, BGHZ 149, 178, 190; vom , aaO Rn. 42).
314. Einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin und seiner Kenntnis durch den Beklagten stehen nicht die Gesichtspunkte eines Sanierungsversuchs und einer Bardeckung entgegen.
32a) Im Streitfall fehlt es an einem ernsthaften, aber gescheiterten Sanierungsversuch.
33aa) Sowohl der Gesichtspunkt der Zahlungsunfähigkeit als auch derjenige der Inkongruenz können ihre Bedeutung als Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners verlieren, wenn die angefochtene Rechtshandlung Bestandteil eines ernsthaften, letztlich aber fehlgeschlagenen Sanierungsversuchs ist. Denn in diesem Fall ist die Rechtshandlung von einem anderen, anfechtungsrechtlich unbedenklichen Willen geleitet, und das Bewusstsein der Benachteiligung anderer Gläubiger tritt infolgedessen in den Hintergrund. Voraussetzung ist, dass zu der Zeit der angefochtenen Handlung ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorliegt, das mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt worden ist und beim Schuldner die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt (, WM 2013, 763 Rn. 11). Den über die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners unterrichteten Anfechtungsgegner trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, spätere Zahlungen des Schuldners auf der Grundlage eines schlüssigen Sanierungskonzepts erlangt zu haben (, WM 2014, 1009 Rn. 40).
34bb) Ein schlüssiges Sanierungskonzept ist im Streitfall nicht gefertigt worden. Das an die Gläubiger gerichtete Rundschreiben der Schuldnerin vom diente dazu, die Grundlagen für die Entwicklung eines Sanierungskonzepts zu schaffen, so dass allenfalls das Planungsstadium einer Sanierung erreicht war. Ein schlüssiges Sanierungskonzept konnte erst auf der Grundlage der Stellungnahmen der Gläubiger ausgearbeitet werden (vgl. BGH, aaO Rn. 41). Anhaltspunkte zum wesentlichen Inhalt eines im Anschluss erstellten Sanierungskonzepts lassen sich dem Beklagtenvortrag nicht entnehmen. Es ist nicht ersichtlich, dass ein in sich geschlossenes Konzept zur Bereinigung sämtlicher Verbindlichkeiten der Schuldnerin entwickelt wurde. Auch auf der Grundlage der eingeholten Zeugenaussagen ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass es an jeder näheren Konkretisierung zu den Inhalten des vermeintlichen Sanierungskonzepts fehlt. Vor diesem Hintergrund kann nicht von einem Benachteiligungsvorsatz und Kenntnis verdrängenden ernsthaften, aber gescheiterten Sanierungsversuch ausgegangen werden.
35b) Ebenso stehen die Grundsätze des Baraustauschs der Anwendung des § 133 Abs. 1 InsO im Streitfall nicht entgegen.
36aa) In Fällen kongruenter Leistungen ist anerkannt, dass der Schuldner trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit ausnahmsweise ohne Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelt, wenn er seine Leistung Zug um Zug gegen eine zur Fortführung seines Unternehmens unentbehrliche Gegenleistung erbracht hat, die den Gläubigern im Allgemeinen nutzt. Der subjektive Tatbestand kann hiernach entfallen, wenn in unmittelbarem Zusammenhang mit der potentiell anfechtbaren Rechtshandlung eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelangt, also ein Leistungsaustausch ähnlich einem Bargeschäft stattfindet. Dem liegt zugrunde, dass dem Schuldner in diesem Fall infolge des gleichwertigen Leistungsaustauschs die dadurch eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden sein kann (, WM 2015, 591 Rn. 22 mwN).
37bb) Der Schuldnerin und dem Beklagten sind die subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO nicht unter dem Gesichtspunkt eines Bargeschäfts unbekannt geblieben.
38(1) Die Schuldnerin hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Jahre 2006 durch die Begleichung der Miete anfechtbare Leistungen an den Beklagten bewirkt, dem der Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin im Wissen um deren Zahlungsunfähigkeit bekannt war. Bei dieser Sachlage obliegt dem Beklagten - wie unter 3. c) ausgeführt - der Nachweis, dass seine Kenntnis von dem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin für die während der Jahre 2007 und 2008 erhaltenen Zahlungen nachträglich entfallen ist. Den insoweit erforderlichen Beweis einer allgemeinen Wiederaufnahme der Zahlungen durch die Schuldnerin hat der Beklagte indessen nicht geführt.
39(2) Die Voraussetzungen eines Bargeschäfts, nämlich eines wechselseitigen Leistungsaustauschs innerhalb eines Zeitraums von längstens 30 Tagen (vgl. , BGHZ 202, 59 Rn. 33), sind im Blick auf die in den Jahren 2007 und 2008 bewirkten Zahlungen nicht festgestellt. Dabei ist zu beachten, dass die Darlegungs- und Beweislast für den Bargeschäftseinwand den Beklagten trifft (, WM 2012, 1200 Rn. 41). Dieser Nachweis ist nicht geführt, weil es an jeder Darlegung fehlt, wann welche Zahlungen für welche Zeitabschnitte stattfanden und ob eine von § 366 Abs. 2 BGB im Sinne eines Baraustauschs abweichende Leistungsbestimmung getroffen worden ist (vgl. aaO Rn. 24).
405. Vergeblich beruft sich der Beklagte auf die Einrede der Verjährung (§ 146 Abs. 1 InsO).
41a) Die Verjährung eines Anfechtungsanspruchs richtet sich gemäß § 146 Abs. 1 InsO nach den Regelungen über die regelmäßige Verjährung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Gemäß § 195 Abs. 1 BGB verjährt der Anfechtungsanspruch grundsätzlich nach drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Ende des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person der Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Da das Insolvenzverfahren am eröffnet und zugleich der Rückgewähranspruch fällig wurde, kann die Verjährungsfrist frühestens zum abgelaufen sein (vgl. , WM 2015, 1202 Rn. 26).
42b) Im Streitfall wurde die Klage zwar erst nach Ende der Verjährungsfrist am und am erhoben. Infolge eines Verjährungsverzichts kann sich der Beklagte jedoch nicht mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung stützen.
43aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird durch einen vom Schuldner erklärten befristeten Verjährungsverzicht der Ablauf der Verjährung zwar nicht beeinflusst. Folge des Verzichts ist jedoch, dass die Befugnis des Schuldners, die Einrede der Verjährung zu erheben, für den genannten Zeitraum ausgeschlossen ist (vgl. , NJW 2009, 1598 Rn. 22 mwN; Beschluss vom - XII ZB 141/13, WM 2014, 2130 Rn. 18). Der Beklagte hat mit Schreiben vom , "auf die Einrede der Verjährung auf alle denkbaren Ansprüche gemäß §§ 129 ff InsO" bis zum verzichtet. Durch gleichlautende Schreiben vom und vom hat er die Frist bis zum und schließlich zum ausgedehnt. Infolge der inhaltlich gleichlautenden jeweils vor Verstreichen der eingeräumten Frist verlängerten, bis zum laufenden Verzichtserklärungen kann der Beklagte beiden Klageansprüchen nicht mit der Einrede der Verjährung begegnen.
44bb) Der Verjährungsverzicht erfasst nicht nur den Anspruch auf Freigabe des verpfändeten Festgeldkontos, der mit der am zugestellten Klage rechtshängig wurde. Gleiches gilt für den allein noch den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildenden Zahlungsanspruch, der mit der am zugestellten Klageerweiterung in den Rechtsstreit eingeführt wurde.
45(1) Dem Verjährungsverzicht vom wie auch den Folgeerklärungen ist, weil sie sich ausdrücklich auf "alle denkbaren Ansprüche" erstrecken, eine Beschränkung auf bestimmte Anfechtungsansprüche oder Streitgegenstände nicht zu entnehmen. Jede einschränkende Auslegung ginge am eindeutigen Wortlaut der wiederholt inhaltsgleich geäußerten einschränkungslosen Erklärungen vorbei. Darum gilt der Verjährungsverzicht für jegliche Ansprüche anfechtungsrechtlicher Natur und damit auch die im Wege der Klageerweiterung geltend gemachte Forderung.
46(2) Zudem hat der Beklagte, nachdem ihm am die auf Freigabe des verpfändeten Festgeldkontos gerichtete Klage zugestellt worden war, in Einklang mit der Erklärung vom erneut am und am unbegrenzte Verzichtserklärungen abgegeben. Die in Kenntnis der erhobenen Klage erteilten uneingeschränkten Verzichtserklärungen, die sich nur auf zusätzliche Ansprüche beziehen konnten, verdeutlichen, dass der Verzicht von Anfang an nicht auf bestimmte Klagegegenstände verengt war. Das nachträgliche Verhalten der Parteien im Prozess kann zwar den objektiven Vertragsinhalt nicht mehr beeinflussen, hat aber Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlichen Willens und das tatsächliche Verständnis der an dem Rechtsgeschäft Beteiligten (, WM 2005, 1895, 1897 mwN). Aufgrund des am in Einklang mit den früheren Erklärungen bis zum erteilten umfassenden Verzichts konnte mithin der Zahlungsanspruch durch den am zugestellten Schriftsatz ohne Gefahr der Verjährung eingeklagt werden.
476. Die Klageforderung beläuft sich nach Zuerkennung von 82.930,67 € durch das Berufungsgericht zumindest auf den weiteren Betrag von 136.303,93 €, mithin insgesamt 219.234,60 €.
48a) Der Beklagte hat eingeräumt, während der Jahre 2006 bis 2008 Mietzahlungen über 219.234,60 € von der Schuldnerin erhalten zu haben. Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte darauf, in diesen Zahlungen seien von anderen Mietern an die Schuldnerin überwiesene, zur Weiterleitung an ihn bestimmte Beträge enthalten. Zum einen ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass dieser Vortrag mangels einer näheren Substantiierung unbeachtlich ist. Im Übrigen wäre auch auf der Grundlage dieses Vorbringens eine Gläubigerbenachteiligung gegeben. Die Drittzahlungen wurden über das allgemeine Konto der Schuldnerin geleistet, so dass sie zunächst in ihr eigenes Vermögen gelangt waren. Hatte die Schuldnerin die Mittel auch nur vorübergehend ihrem Vermögen einverleibt, liegt in der späteren Auskehr an den Beklagten eine ihre Gläubiger benachteiligende Rechtshandlung (, WM 2010, 1986 Rn. 21).
49b) Im Blick auf den von dem Kläger verfolgten weiteren Betrag in Höhe 12.569,27 € ist die Sache nicht entscheidungsreif und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
50aa) Anfechtbare Zahlungen der Schuldnerin in dieser Höhe stehen nicht aufgrund eines von dem Beklagten erteilten Geständnisses (§ 288 Abs. 1 ZPO) fest. Zwar hat der Beklagte zunächst bekundet, Zahlungen der Schuldnerin über 231.803,87 € empfangen zu haben. Ein gerichtliches Geständnis kann sich jedoch nur auf Behauptungen beziehen, welche die Gegenpartei vorgetragen hat (vgl. , NJW 1990, 392, 393; vom - III ZR 70/03, NJW 2004, 513, 515 f). Der Kläger hatte lediglich die Mietrückstände der Schuldnerin beziffert, aber keine geständnisfähigen Angaben zu den von ihr geleisteten Zahlungen gemacht. Deshalb verband sich mit der wechselseitigen Antragstellung der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom keine Geständniswirkung. Infolgedessen war der Beklagte prozessual nicht gehindert, nachfolgend den von ihm zunächst genannten Betrag der erhalten Zahlungen auf 219.234,60 € zu ermäßigen.
51bb) Jedoch rügt der Kläger zu Recht eine unzulässige Überraschungsentscheidung, soweit das Berufungsgericht ihm den Nachweis abgeschnitten hat, dass die Schuldnerin weitere Zahlungen über 12.569,27 € erbracht hat.
52(1) Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Verfahrensbeteiligten, dass sie Gelegenheit erhalten, sich vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu dem zugrunde liegenden Sachverhalt zu äußern. Ein Gericht verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG und das Gebot eines fairen Verfahrens, wenn es ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte. Die grundrechtliche Gewährleistung des rechtlichen Gehörs vor Gericht schützt das Vertrauen der in erster Instanz siegreichen Partei darauf, vom Berufungsgericht rechtzeitig einen Hinweis zu erhalten, wenn dieses in einem entscheidungserheblichen Punkt der Vorinstanz nicht folgen will und aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Sachvortrags erforderlich sein kann (, Rn. 7).
53(2) Im Streitfall hatte der Kläger erstinstanzlich uneingeschränkt obsiegt, weil das Erstgericht den nachträglichen Vortrag des Beklagten, tatsächlich geringere Mietzahlungen als zuvor angegeben empfangen zu haben, als verspätet (§ 296 Abs. 1 ZPO) unberücksichtigt gelassen hatte. Das Berufungsgericht hätte den Kläger darauf hinweisen müssen (§ 139 Abs. 1 ZPO), dass es diesen Schriftsatz abweichend von dem Erstgericht als beachtlich und den Kläger für den geltend gemachten höheren Betrag als darlegungs- und beweisbelastet ansah. Wäre ein solcher Hinweis erfolgt, hätte der Kläger Gelegenheit gehabt, entsprechend seiner Verfahrensrüge die behaupteten höheren Zahlungen unter Berufung auf die Zeugen P. und R. unter Beweis zu stellen. Diesem Beweis hätte das Berufungsgericht nachgehen müssen.
III.
54Das angefochtene Urteil kann damit nicht bestehen bleiben. Es ist teilweise aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache hinsichtlich der Klageforderung über 219.234,60 € entscheidungsreif ist, hat der Senat insoweit eine ersetzende Sachentscheidung getroffen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die zuerkannte Forderung ist abweichend vom Urteil des Landgerichts bereits ab Verfahrenseröffnung zu verzinsen (§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 291, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dies ist auf die Berufung des Klägers auszusprechen. Im Übrigen ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das zu der weiteren Klageforderung über 12.569,27 € die von den Parteien angetretenen Beweise zu erheben haben wird.
Vill Gehrlein Grupp
Möhring Schoppmeyer
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2015:171215UIXZR61.14.0
Fundstelle(n):
DB 2016 S. 345 Nr. 6
DB 2016 S. 6 Nr. 4
NJW 2016 S. 1171 Nr. 16
NWB-Eilnachricht Nr. 9/2016 S. 614
StuB-Bilanzreport Nr. 11/2016 S. 443
WM 2016 S. 172 Nr. 4
ZIP 2016 S. 173 Nr. 4
ZAAAF-48401