Berufungsbeschwer in Wohnungseigentumssachen: Angriff gegen eine Einzelposition in der beschlossenen Jahresabrechnung
Leitsatz
Wendet sich ein Wohnungseigentümer mit der Beschlussanfechtungsklage erfolglos gegen den Ansatz einer Kostenposition in der Jahresabrechnung, bestimmt sich seine Beschwer nach dem Nennwert, mit dem diese Position in seiner Einzelabrechnung angesetzt ist. Etwas anderes gilt nur, wenn der Berufungskläger seine Beanstandung von vornherein inhaltlich beschränkt.
Gesetze: § 511 Abs 2 Nr 1 ZPO, § 46 Abs 1 WoEigG
Instanzenzug: Az: 11 S 28/14vorgehend AG Pforzheim Az: 12 C 56/12
Gründe
I.
1Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Auf der Versammlung vom beschlossen die Wohnungseigentümer die Jahresabrechnung für das Geschäftsjahr 2011. Diesen Beschluss hat die Klägerin mit der Begründung angefochten, in ihrer Einzelabrechnung sei zu Unrecht ein Betrag von 1.404,12 € für „Heizungskosten“ angesetzt; die Wohnung habe im gesamten Wirtschaftsjahr leer gestanden. Unter dieser Postenbezeichnung übernimmt die Jahresabrechnung die Ergebnisse der Heizkostenabrechnung, die außer den Heizkosten noch Kaltwasserkosten, Kosten für gesonderte Verteilung und Kosten der Nach-/Zwischenablesung umfasst.
2Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens den Parteien vorgeschlagen, sich darauf zu einigen, „hinsichtlich der Heizkosten für die Wohnung der Klägerin als Abrechnungskosten 750,00 EUR einzustellen“ und den Rechtsstreit für erledigt zu erklären. Beide Parteien haben ihr Einverständnis mit dem Vorschlag erklärt, die Beklagten allerdings mit dem Zusatz, dass neben dem Betrag von 750 € noch die übrigen Positionen aus der Heizkostenabrechnung anzusetzen seien, insgesamt 1.094,63 €. Das Amtsgericht hat das Zustandekommen eines Vergleichs mit dem von ihm vorgeschlagenen Inhalt durch Beschluss festgestellt.
3Die Klägerin hat sinngemäß beantragt, durch Zwischenurteil festzustellen, dass der Rechtsstreit (durch den Vergleich) nicht beendet sei, hilfsweise, dass in der Abrechnung unter der Postenbezeichnung „Heizungskosten“ nur der Betrag von 750 € anzusetzen sei. Das Amtsgericht hat auf einen entsprechenden Hilfsantrag der Beklagten festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich beendet ist. Die Berufung der Klägerin hat das Landgericht als unzulässig verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde möchte die Klägerin die Durchführung des Berufungsverfahrens erreichen. Die Beklagten beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
II.
4Nach Ansicht des Berufungsgerichts übersteigt die Beschwer der Klägerin durch das angefochtene Zwischenurteil 600 € nicht. Werde die Genehmigung einer Jahresabrechnung angefochten, so bestimme sich bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Beschwer nicht nach dem Nennbetrag der beanstandeten Kostenposition, sondern nach der Differenz, die der Rechtsmittelführer im Erfolgsfall weniger zahlen müsse. Die Klägerin sehe sich einer Forderung für die im Streit stehende Position „Heizungskosten“ ihrer Einzelabrechnung in Höhe von 1.094,63 € ausgesetzt. Sie habe weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass als Heizungskosten in der Jahresrechnung weniger als 500 € anzusetzen seien. Nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachten sei dieser Betrag zwischen 700 € und 800 € zu schätzen. Der Streit der Parteien betreffe im Ergebnis nur die Frage, ob neben dem von dem Amtsgericht vorgeschlagenen Betrag von 750 € noch die übrigen Positionen aus der Heizkostenabrechnung anzusetzen seien.
III.
5Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
61. Sie ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Dieser Zulässigkeitsgrund ist unter anderem dann gegeben, wenn dem Berufungskläger der Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschwert wird. Eine solche Erschwerung liegt vor, wenn das Berufungsgericht bei der Bemessung der Beschwer die Grenzen seines - weiten - Ermessens überschreitet (Senat, Beschluss vom - V ZB 78/14, ZWE 2015, 337 Rn. 6 f.). Das ist hier geschehen. Das Berufungsgericht hat die Grenzen seines Ermessens dadurch überschritten, dass es die Bemessung der Beschwer der Klägerin an Erwägungen ausgerichtet hat, deren Prüfung der Entscheidung in der Sache vorbehalten sind (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom - V ZB 182/12, NJW-RR 2013, 1034 Rn. 5, 7).
72. Das Rechtsmittel ist begründet. Die Berufung durfte nicht als unzulässig verworfen werden, weil die Beschwer der Klägerin den Betrag von 600 € übersteigt.
8a) Maßgeblich für den Wert des Beschwerdegegenstandes (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) ist das Interesse des Berufungsklägers an der Abänderung des angefochtenen Urteils; dieses ist unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten. Dabei ist auch in wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren allein auf die Position des Rechtsmittelführers, seine Beschwer und sein Änderungsinteresse abzustellen (Senat, Beschlüsse vom - V ZB 182/12, NJW-RR 2013, 1034 Rn. 7 und vom - V ZB 78/14, ZWE 2015, 337 Rn. 7). Entscheidend ist der rechtskraftfähige Inhalt der angefochtenen Entscheidung. Ohne Bedeutung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels (Senat, Beschluss vom - V ZB 182/12, NJW-RR 2013, 1034 Rn. 7 aE) oder eines nach dem Scheitern eines Prozessvergleichs fortzusetzenden Rechtsstreits.
9b) Letzteres hat das Berufungsgericht verkannt.
10aa) (1) Noch zutreffend stellt es für die Bemessung des Interesses der Klägerin an der Abänderung des Zwischenurteils auf deren mit der Beschlussanfechtungsklage verfolgtes wirtschaftliches Einzelinteresse ab. Gegenstand des Zwischenurteils ist zwar nicht die ursprüngliche Beschlussanfechtungsklage, sondern die Frage, ob der Rechtsstreit darüber durch den von dem Amtsgericht festgestellten Prozessvergleich beendet worden ist. Die Beschwer bestimmt sich in einer solchen Fallgestaltung nicht nach dem Wert des Feststellungsantrags (vgl. dazu Senat, Beschluss vom - V ZB 56/12, NJW 2013, 470 Rn. 5), sondern nach dem Interesse des Berufungsklägers an der Unwirksamkeit des Vergleichs (vgl. , NJOZ 2007, 5338 Rn. 11). Dieses entspricht hier aber inhaltlich dem mit der Anfechtungsklage ursprünglich verfolgten wirtschaftlichen Eigeninteresse der Klägerin, nach dem sich auch die Beschwer des Anfechtungsklägers durch die Abweisung der Anfechtungsklage gegen einen Beschluss der Wohnungseigentümer richtete (Senat, Beschluss vom - V ZB 282/11, NJW-RR 2012, 1103 Rn. 7).
11(2) Das wirtschaftliche Eigeninteresse des Berufungsklägers entspricht zwar nicht dem Streitwert des Anfechtungsklageverfahrens, der sich nach dem Gesamtinteresse des Berufungsklägers selbst und der verklagten übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft bestimmt. Maßgeblich ist vielmehr der Anteil des Berufungsklägers an dem Gesamtergebnis (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 282/11, NJW-RR 2012, 1103 Rn. 7). Der richtet sich aber entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nach dem Nennbetrag, mit dem die angefochtene Kostenposition in der Einzelabrechnung des Berufungsklägers angesetzt ist. Etwas anderes gilt nur, wenn der Berufungskläger seine Beanstandung von vornherein inhaltlich beschränkt, etwa nur auf den angesetzten Kostenverteilungsmaßstab (so im Fall LG Dessau-Roßlau, Urteil vom - 1 S 218/10, juris Rn. 12). Wendet er sich aber ohne Einschränkungen gegen den Ansatz einer Kostenposition in seiner Einzelabrechnung, bestimmt deren Nennbetrag seine Beschwer. Ob er damit in der Sache durchdringt, ist für die Bemessung seiner Beschwer unerheblich (Senat, Beschluss vom - V ZB 182/12, NJW-RR 2013, 1034 Rn. 7 aE).
12bb) So liegt es hier.
13(1) Die Klägerin hat sich mit der Beschlussanfechtungsklage gegen den Ansatz der Position „Heizungskosten“ mit einem Betrag von 1.404,12 € in ihrer Einzelabrechnung gewandt. Mit der Berufung möchte sie die Feststellung erreichen, dass der Prozessvergleich das Anfechtungsklageverfahren nicht beendet hat, um das ursprüngliche Klageziel weiterzuverfolgen. Die Klägerin strebt nämlich an, dass die in der Einzelabrechnung für ihre Wohnung angesetzten Ausgaben um den genannten Betrag gekürzt werden. An der hinreichenden Substantiierung der Berufungsbeschwer in Höhe von 1.404,12 € ändern die von dem Berufungsgericht angeführten Erwägungen nichts.
14(2) Sie betreffen die Begründetheit des Rechtsmittels, nicht die Beschwer. Es mag sein, dass in der Einzelabrechnung für die Wohnung der Klägerin trotz des Leerstands „Heizungskosten“ im Umfang von zwischen 700 € und 800 € anzusetzen sind. Das änderte aber nichts daran, dass die Klägerin mit der Fortsetzung des Verfahrens erster Instanz eine weitergehende Entlastung erreichen will. Allein darauf kommt es für die Beschwer an. Ohne Bedeutung für deren Bemessung ist auch das weitere Argument des Berufungsgerichts, die Parteien stritten sich letztlich nur darüber, ob neben den von dem Amtsgericht vorgeschlagenen 750 € noch die weiteren Positionen aus der Abrechnung des mit der Verbrauchsermittlung beauftragten Unternehmens anzusetzen sind. Das trifft zwar für den Hilfsantrag zu, mit dem die Klägerin sinngemäß die Feststellung anstrebt, nach dem Vergleich sei unter der Postenbezeichnung insgesamt nur ein Betrag von 750 € anzusetzen. Die Klägerin verfolgt aber auch mit der Berufung den Hauptantrag festzustellen, dass der Prozessvergleich das Verfahren erster Instanz nicht beendet hat. Es geht ihr deshalb auch im Berufungsverfahren um den Bestand des Vergleichs an sich und damit inhaltlich nach wie vor um die ursprünglich streitige Kostenposition. Auf deren Nennwert in der Einzelabrechnung der Klägerin kommt es für die Bemessung ihrer Beschwer an.
15(3) Eine 600 € übersteigende Beschwer hätte die Klägerin auch dargelegt, wenn man, wie es den Beklagten vorschwebt, darauf abstellte, dass nach dem angegriffenen Vergleich „hinsichtlich der Heizkosten“ ein Betrag von 750 € in die Einzeljahresabrechnung für die Wohnung der Klägerin eingestellt werden soll. Je nach Auslegung des Vergleichs müsste die Klägerin dann 750 € oder 1.093,63 € an Heizkosten tragen. Mit ihrem Hauptantrag möchte sie aber nicht nur die Verpflichtung zur Zahlung des höheren Betrags, sondern auch die des niedrigeren vermeiden. An der Darlegung einer 600 € übersteigenden Beschwer änderte sich deshalb auch bei einem Abstellen auf den Inhalt des angegriffenen Vergleichs nichts.
IV.
16Die Sache ist nach § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen.
17Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 49a Abs. 1 GKG. Das Interesse der Klägerin entspricht der streitigen Position in ihrer Einzelabrechnung und bildet die Untergrenze für den Gegenstandswert (§ 49a Abs. 1 Satz 2 GKG).
Stresemann Schmidt-Räntsch Roth
Brückner Göbel
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2015 S. 6 Nr. 42
NJW-RR 2015 S. 1492 Nr. 24
SAAAF-05744