Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Az: OVG 80 D 8.09 Urteilvorgehend Az: 80 Dn 64.08 Urteil
Tatbestand
1Der Rechtsstreit betrifft die disziplinarrechtliche Behandlung des außerdienstlichen Besitzes und der Besitzverschaffung von kinderpornographischen Bilddateien durch einen Polizeibeamten.
2Der 1958 geborene Beklagte steht seit 1975 im Dienst des Klägers, seit 2001 als Polizeihauptkommissar (Besoldungsgruppe A 11 LBesO). Zuletzt war er als Sachbearbeiter im Wesentlichen mit Verwaltungsaufgaben in Grundsatzangelegenheiten (täglicher Dienst) eingesetzt, zugleich nahm er die Aufgaben eines Alarmhundertschafts-Truppführers wahr. Im Juni 2005 wurde er vorläufig des Dienstes enthoben.
3Gegenstand des Disziplinarverfahrens ist der Vorwurf, der Beklagte habe kinderpornographische Bilddateien besessen und diese einem Dritten zugänglich gemacht. Durch rechtskräftig gewordenen Strafbefehl vom verurteilte ihn das Amtsgericht Tiergarten wegen der Besitzverschaffung und des Besitzes kinderpornographischer Schriften nach § 184b Abs. 2 und Abs. 4 StGB zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen. Nach den tatsächlichen Feststellungen im Strafbefehl hatte der Beklagte im Zeitraum von August 2004 bis April 2005 vier Dateien mit kinderpornographischem Inhalt auf der Festplatte eines von ihm privat genutzten Mobiltelefons gespeichert und an einen Dritten per Multimedia Messaging Service (MMS) verschickt. Darüber hinaus hatte er auf privaten Speichermedien acht weitere Dateien mit kinderpornographischen Darstellungen besessen, die Kinder deutlich unter 14 Jahren zeigen, die u.a. Oralverkehr an männlichen Personen durchführen.
4Im sachgleichen Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt, die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, die Pflichtverletzung des Beklagten gehe zwar auf eine außerdienstlich begangene Straftat zurück. Die in dem Fehlverhalten zum Ausdruck kommende defizitäre Einstellung zu der ihm als Polizeibeamten obliegenden Kernpflicht, die Rechtsordnung zu wahren und zu schützen, erlaube aber negative Rückschlüsse auf die Ausübung seines Amtes. Ein Bezug der außerdienstlichen Pflichtverletzung zu den Dienstpflichten des Beklagten sei mithin gegeben, ohne dass es darauf ankomme, ob der Beamte gerade mit der Bearbeitung derjenigen Delikte betraut gewesen sei, die Gegenstand der von ihm begangenen Straftaten waren.
5Mit der vom Senat zugelassenen Revision wendet sich der Beklagte gegen den vom Oberverwaltungsgericht angenommenen Dienstbezug. Er beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom und des Verwaltungsgerichts Berlin vom aufzuheben und auf eine mildere Disziplinarmaßnahme als die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erkennen.
6Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Gründe
7Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt weder Bundes- (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) noch revisibles Landesbeamtenrecht (§ 191 Abs. 2 VwGO, § 41 DiszG Berlin, § 70 BDG i.V.m. § 127 Nr. 2 BRRG, § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG). Die Annahme, der Beklagte habe mit der außerdienstlichen Besitzverschaffung und dem Besitz kinderpornographischer Dateien ein Dienstvergehen begangen (1.), das die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigt (2.), ist nicht zu beanstanden. Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 41 DiszG Berlin, § 70 Abs. 2 BDG i.V.m. § 144 Abs. 2 VwGO).
81. Mit dem Besitz und der Besitzverschaffung von kinderpornographischen Bilddateien an einen Dritten hat der Beklagte eine außerdienstliche Pflichtverletzung begangen, die in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für sein Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen, und daher als Dienstvergehen zu bewerten ist.
9a) Der Beklagte hat den ihm im Strafbefehlsverfahren vorgehaltenen Besitz kinderpornographischer Bilddateien und deren Versendung an einen Dritten eingeräumt. Diese Tatsachen hat das Oberverwaltungsgericht deshalb gemäß § 41 DiszG Berlin i.V.m. § 57 Abs. 2 BDG als in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren getroffene tatsächliche Feststellungen der disziplinaren Entscheidung ohne erneute Prüfung zugrunde legen dürfen ( 2 A 11.10 - Schütz BeamtR ES/B II 1.1 Nr. 26 Rn. 39). Damit steht, da der Beklagte insoweit keine Verfahrensrügen erhoben hat, für das Revisionsgericht mit bindender Wirkung fest (§ 41 DiszG Berlin, § 69 Abs. 1 BDG und § 137 Abs. 2 VwGO), dass der Beklagte kinderpornographische Schriften weitergeleitet und besessen hat und sich damit eines Vergehens nach § 184b Abs. 2 und Abs. 4 Satz 2 StGB in der zum Tatzeitpunkt gültigen Fassung vom (BGBl. I S. 3007 <3009>) schuldig gemacht hat.
10Dieses Fehlverhalten war außerdienstlich, weil es weder formell in das Amt des Beklagten noch materiell in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war ( 1 D 55.99 - BVerwGE 114, 37 <48> und vom - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 9).
11b) Außerhalb seines Dienstes ist der Beamte grundsätzlich nur verpflichtet, der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert (§ 34 Satz 3 BeamtStG sowie § 40 Abs. 1 Satz 1 LBG Berlin a.F.; vgl. hierzu 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 21). Außerdienstliches Verhalten kann den Pflichtenkreis des Beamten nur berühren, wenn es die Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit betrifft und dadurch mittelbar dienstrechtliche Relevanz erlangt. Das Vertrauen der Bürger, dass der Beamte dem Auftrag gerecht wird, als Repräsentant des demokratischen Rechtsstaates eine unabhängige, unparteiliche und gesetzestreue Verwaltung zu sichern, darf der Beamte auch durch sein außerdienstliches Verhalten nicht beeinträchtigen ( 1 D 37.99 - BVerwGE 112, 19 <26>).
12Als Dienstvergehen ist das außerdienstliche Verhalten von Beamten gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG dabei nur zu qualifizieren, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Unbeschadet des teilweise veränderten Wortlauts ist mit dieser Vorschrift eine inhaltliche Änderung - auch gegenüber § 40 Abs. 1 Satz 2 LBG Berlin a.F. - nicht verbunden ( 1 D 1.08 - Buchholz 232.0 § 77 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 50 ff. und vom - 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 16 f.).
13Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts vom (BGBl. I S. 725) reicht bei außerdienstlichen Verfehlungen nicht bereits die Pflichtverletzung selbst zur Annahme eines Dienstvergehens aus, und zwar auch dann nicht, wenn hierdurch eine Straftat begangen worden ist ( 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 14). Hinzutreten müssen weitere, auf die Eignung zur Vertrauensbeeinträchtigung bezogene Umstände. Nur soweit es um die Wahrung des Vertrauens der Bürger in die Integrität der Amtsführung und damit die künftige Aufgabenwahrnehmung geht, vermag das durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Interesse an der Funktionsfähigkeit des Berufsbeamtentums die im privaten Bereich des Beamten wirkenden Grundrechte einzuschränken ( - BVerfGK 4, 243 <254>).
14Unterhalb dieser Schwelle erwartet der Gesetzgeber von Beamten kein wesentlich anderes Sozialverhalten mehr, als von jedem anderen Bürger (BT-Drs. 16/7076 S. 117 zum BBG sowie BT-Drs. 16/4027 S. 34 zum BeamtStG; hierzu auch 1 D 37.99 - BVerwGE 112, 19 <26 f.> und vom - 2 A 2.12 - BVerwGE 147, 127 Rn. 24). Private Straßenverkehrsdelikte etwa begründen daher in der Regel kein disziplinarrechtliches Sanktionsbedürfnis (vgl. 1 D 37.99 - BVerwGE 112, 19 <23> zur einmaligen Trunkenheitsfahrt).
15Ob und in welchem Umfang durch das außerdienstliche Verhalten eines Beamten das für sein Amt erforderliche Vertrauen beeinträchtigt wird, hängt in maßgeblicher Weise von Art und Intensität der jeweiligen Verfehlung ab (vgl. - NVwZ 2003, 1504 Rn. 30). Dabei kommt vorsätzlichen (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) Straftaten eine besondere Bedeutung zu ( 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 24). Maßgeblich ist auch, ob der Pflichtenverstoß des Beamten einen Bezug zu seinem Amt aufweist.
16c) Bezugspunkt hierfür ist das dem Beamten verliehene Amt im statusrechtlichen Sinne; soweit in der bisherigen Rechtsprechung auf das Amt im konkret-funktionellen Sinne (den Dienstposten) abgestellt worden ist, hält der Senat hieran nicht mehr fest (siehe näher: 2 C 9.14 - Rn. 16 ff.).
17d) Der außerdienstliche Besitz kinderpornographischer Bilder und die Zugänglichmachung solcher Bilder an Dritte weisen einen hinreichenden Bezug zum Amt eines Polizeibeamten auf.
18Anders als Erziehern oder Lehrern (vgl. hierzu 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 15 ff.; Beschlüsse vom - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 17 und vom - 2 B 17.12 - juris Rn. 7) ist Polizeibeamten zwar keine spezifische Dienstpflicht zu Schutz und Obhut gerade von Kindern auferlegt. Polizeibeamte haben indes Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen. Sie genießen daher in der Öffentlichkeit - insbesondere auch für schutzbedürftige Personen - eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung (vgl. 1 D 20.00 - BVerwGE 114, 212 <219> und vom - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 20 sowie - BVerfGK 13, 205 <209> für Staatsanwälte).
19Dieses berufserforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte selbst erhebliche Vorsatzstraftaten - gerade zu Lasten Schutzbedürftiger - begehen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Polizeibeamte auf seinem konkreten Dienstposten gerade mit der Verfolgung solcher Delikte betraut war oder Kontakt mit Kindern oder Jugendlichen hatte.
202. Die vom Oberverwaltungsgericht hierfür als Disziplinarmaßnahme ausgesprochene Entfernung aus dem Beamtenverhältnis verstößt nicht gegen § 13 DiszG Berlin.
21a) Nach § 13 DiszG Berlin ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ( 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 39 f.). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden ( - BVerfGK 4, 243 <257>). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen ( 2 C 12.02 - BVerwGE 124, 252 <258 f.>).
22Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchst-maßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (§ 40 Abs. 1 Satz 2 LDG Berlin a.F.). Das Beamtenverhältnis wird auf Lebenszeit begründet und kann vom Dienstherrn einseitig nicht aufgelöst werden. Pflichtverletzungen des Beamten machen daher Reaktions- und Einwirkungsmöglichkeiten des Dienstherrn erforderlich. Das Disziplinarrecht stellt hierfür Maßnahmen zur Verfügung, um den Beamten im Falle des Dienstvergehens zur Pflichterfüllung anzuhalten oder ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn das notwendige Vertrauen endgültig verloren ist. Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden ( 1 D 25.72 - BVerwGE 46, 64 <66 f.>, vom - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 21 und vom - 2 C 1.13 - BVerwGE 149, 117 Rn. 16 f.).
23b) Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt.
24Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG hat die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zwingend den Verlust der Beamtenrechte zur Folge. Aus der Intensität der verhängten Strafe hat der Gesetzgeber unwiderleglich auf das Ausmaß der Vertrauensbeeinträchtigung geschlossen (vgl. zur Berücksichtigung der Höhe der gegen den Beamten verhängten Strafe auch 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 10). Umgekehrt vermag ein außerdienstliches Verhalten, das keinen Straftatbestand erfüllt, die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht zu rechtfertigen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom - 2 BvR 993/94 - ZBR 2001, 208 Rn. 11 und vom - 2 BvR 52/02 - BVerfGK 4, 243 <257 f.>).
25Schwerwiegende Straftaten können auch deliktsbezogen identifiziert werden (vgl. zur Zuordnung bestimmter Straftaten zu einer der im Katalog des § 5 BDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 40 m.w.N.). Bestimmte Straftaten bewirken bereits aus der Art ihres Unrechtsgehalts einen Vertrauensschaden, der eine weitere Tätigkeit als Beamter untragbar erscheinen lässt. Lässt sich ein Beamter bestechen, ist er als Sachwalter einer gesetzestreuen und unabhängigen Verwaltung nicht mehr denkbar ( - NVwZ 2003, 1504 Rn. 30; 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 29). Unabhängig vom konkret verhängten Strafmaß und vom Amt des Beamten ist in der Rechtsprechung insbesondere der sexuelle Missbrauch von Kindern oder Schutzbefohlenen als außerdienstliche Verfehlung bewertet worden, die eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als Regeleinstufung gebietet ( 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 8; Beschluss vom - 2 B 44.09 - juris Rn. 12).
26c) Entsprechendes kann für den Besitz und die Zugänglichmachung von kinderpornographischen Schriften an Dritte nicht gelten. Zwar trägt die Nachfrage nach derartigen Bildern oder Videodateien zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern und damit zum Verstoß gegen ihre körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde bei (vgl. 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 19). Da es bei Besitzverschaffung und Besitz entsprechender Darstellungen aber an einem unmittelbaren Eingriff des Beamten in die sexuelle Selbstbestimmung der betroffenen Kinder fehlt, erscheint die Variationsbreite möglicher Verfehlungen zu groß, um generell von einer hinreichenden Schwere der außerdienstlichen Pflichtverletzung ausgehen zu können. Die außerdienstlich begangene Straftat kann daher nicht bereits deliktstypisch als derart gravierend erachtet werden, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als Regeleinstufung gerechtfertigt erscheint ( 2 C 13.10 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 12 Rn. 25).
27Das Ausmaß des durch die außerdienstlich begangene Straftat hervorgerufenen Vertrauensschadens muss daher im konkreten Einzelfall bestimmt werden. Hierzu kann auf den Strafrahmen zurückgegriffen werden, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat. Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von außerdienstlich begangenen Straftaten. Mit der Anknüpfung an die (im Tatzeitpunkt geltende) Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Verwaltungsgerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen ( 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 22 und - 2 C 13.10 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 12 Rn. 25). Nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts, sondern die Einschätzung des Parlaments bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind.
28Für die disziplinarrechtliche Ahndung der schwersten vom Beklagten begangenen Straftat, der außerdienstlichen Zugänglichmachung kinderpornographischer Schriften an Dritte, hat der Senat aus dem seit 2004 geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 2 StGB in der Fassung des Gesetzes vom (BGBl. I S. 3007) von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe geschlossen, dass für die Maßnahmebemessung grundsätzlich auf einen Orientierungsrahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzustellen ist. Darauf, dass der Beklagte außerdem kinderpornographische Schriften auch besessen und sich damit auch nach § 184 Abs. 4 StGB a.F. strafbar gemacht hat, kommt es deshalb für die Bestimmung des Orientierungsrahmens der disziplinaren Bemessungsentscheidung nicht mehr entscheidungserheblich an.
29d) Die vom Oberverwaltungsgericht in Ausfüllung dieses Rahmens getroffene Bemessungsentscheidung begegnet keinen Bedenken.
30Gemäß § 13 Abs. 1 DiszG Berlin ergeht die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, des Persönlichkeitsbildes des Beamten und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit. Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass diese Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (stRspr, vgl. 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.> sowie zuletzt etwa vom - 2 A 2.12 - BVerwGE 147, 127 Rn. 32 und vom - 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 39).
31Die Ausschöpfung des maßgeblich in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens kommt deshalb nur in Betracht, wenn dies auch dem Schweregehalt des vom Beamten konkret begangenen Dienstvergehens entspricht (vgl. 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 24). Delikte, die angesichts ihrer möglichen Variations-breite der Vorgabe einer Regeldisziplinarmaßnahme nicht zugänglich sind, bedürfen einer sorgsamen Würdigung der Einzelfallumstände. Die Disziplinargerichte müssen für eine solche Betrachtung und Ausschöpfung des Orientierungsrahmens - nach oben wie nach unten - unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände offen sein ( 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 32, Beschluss vom - 2 B 35.13 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 21 Rn. 21). Ein wie auch immer gearteter Schematismus verbietet sich hier in besonderer Weise ( 2 B 111.13 - juris Rn. 13). Der Ausspruch der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme wegen des Besitzes oder der Besitzverschaffung kinderpornographischer Schriften setzt deshalb voraus, dass das Verhalten aufgrund der Tatumstände, insbesondere also Anzahl, Art und Inhalt der Darstellungen, als besonders verwerflich einzustufen ist (BVerwG, Beschlüsse vom - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 11, vom - 2 B 17.12 - juris Rn. 5 und vom - 2 B 79.11 - juris Rn. 7).
32Zur Bestimmung der Schwere des im Einzelfall begangenen Dienstvergehens kann im Falle einer außerdienstlich begangenen Straftat indiziell auf die von Strafgerichten ausgesprochene Sanktion zurückgegriffen werden (vgl. zur Bezugnahme auf eine verhängte Freiheitsstrafe und den "Gleichklang zum Straf-recht" auch 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 21 und 26). Dies folgt zunächst aus § 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG, der direkt und ausschließlich an den Strafausspruch der Strafgerichte anknüpft. Unterhalb der in dieser Vorschrift genannten Schwelle kommt der strafgerichtlichen Aburteilung zwar keine unmittelbare Verbindlichkeit für die disziplinarrechtliche Beurteilung zu (vgl. zur Bezugnahme der disziplinarrechtlichen Maßnahmebemessung auf die strafrechtliche Sanktion aber § 14 DiszG Berlin). Auch bei weniger gravierenden Verurteilungen kann der Ausspruch der Strafverfolgungsorgane aber als Indiz für die Schwere einer außerdienstlich begangenen Straftat und für Abstufungen innerhalb des Orientierungsrahmens herangezogen werden (BVerwG, Beschlüsse vom - 2 B 146.11 - NVwZ-RR 2012, 658 Rn. 10 und vom - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 10 jeweils a.E.). Unbeschadet der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Disziplinarrecht kommt in dem Strafausspruch die Schwere und Vorwerfbarkeit der begangenen Handlung zum Ausdruck, die auch für die disziplinarrechtliche Beurteilung von maßgeblicher Bedeutung ist.
33Bei der Entscheidung über die angemessene Disziplinarmaßnahme ist auch die besondere Stellung von Polizeibeamten zu berücksichtigen. Außerdienstlich begangene Vorsatzstraftaten führen hier angesichts der mit dem Amt verbundenen Aufgaben- und Vertrauensstellung regelmäßig zu einem mittelbaren Amtsbezug und damit auch zur Disziplinarwürdigkeit entsprechender Verfehlungen. Die mit § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG beabsichtigte Begrenzungswirkung für die disziplinarrechtliche Relevanz außerdienstlicher Pflichtenverstöße kommt bei von Polizeibeamten begangene Straftaten daher nur eingeschränkt zum Tragen. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Bedeutung außerdienstlichen Verhaltens für das Disziplinarrecht einzuschränken, gilt indes auch für die Beamten dieser Ämter. Der außerdienstliche Charakter des Dienstvergehens muss daher auch bei der Maßnahmebemessung Berücksichtigung finden ( 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 33). Jedenfalls statusberührende Disziplinarmaßnahmen kommen deshalb nur bei besonders schwerwiegenden Verfehlungen in Betracht.
34Diesen Vorgaben entspricht die Bemessungsentscheidung des Oberverwaltungsgerichts. Auch in Ansehung des außerdienstlichen Charakters der vom Beklagten begangenen Straftat muss das Dienstvergehen als besonders schwerwiegend erachtet werden. Die im Berufungsurteil im Einzelnen aufgeführten Tatumstände lassen angesichts des gravierenden Inhalts der kinderpornographischen Darstellungen mit zum Teil schwerwiegenden Formen des Missbrauchs auch an jungen Kindern eine andere Beurteilung nicht zu. Die konkreten Tatumstände weisen daher einen Schweregehalt im oberen Bereich der möglichen Begehungsformen des Besitzes kinderpornographischer Schriften und der Besitzverschaffung an einen Dritten auf. Einen Grund, den bis zur Entfernung reichenden Orientierungsrahmen nicht auszuschöpfen, gibt es deshalb nicht. Dass sich der Beklagte geständig gezeigt hat, ist vom Oberverwaltungsgericht zutreffend erkannt und gewürdigt worden. Dieser Tatsache kommt indes kein derartiges Gewicht zu, dass bei der Gesamtwürdigung auf eine andere als die Höchstmaßnahme erkannt werden könnte. Sämtliche anderen Umstände des Einzelfalls sind im Berufungsurteil erörtert und berücksichtigt worden. Darüber hinausgehende Entlastungsumstände von relevantem Charakter sind weder vom Oberverwaltungsgericht festgestellt noch mit der Revision geltend gemacht worden.
353. Die Kostenentscheidung folgt aus § 41 DiszG Berlin, § 77 Abs. 1 BDG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2015:180615U2C19.14.0
Fundstelle(n):
UAAAF-05068