BAG Urteil v. - 6 AZR 142/14

(Übergang gemäß § 6c SGB II - Stufenzuordnung)

Leitsatz

Geht das Arbeitsverhältnis eines Beschäftigten gemäß § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II (juris: SGB 2) von der Bundesagentur für Arbeit (BA) auf einen zugelassenen kommunalen Träger über, ist er im TVöD-V der Stufe zuzuordnen, die seiner Berufserfahrung entspricht. Das gilt jedenfalls dann, wenn der übernommene Beschäftigte weiterhin Tätigkeiten im Bereich der Grundsicherung verrichtet. Dabei sind die Stufen und -laufzeiten zugrunde zu legen, die sich aus der analogen Anwendung des § 16 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, Abs. 4 sowie § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-V ergeben.

Gesetze: Art 1 Abs 1 Buchst c EGRL 23/2001, § 6c Abs 1 S 1 SGB 2, § 6c Abs 3 S 3 SGB 2, § 16 Abs 2 TVöD-V, § 16 Abs 3 TVöD-V, § 17 Abs 3 S 2 TVöD-V, § 16 Abs 1 S 1 TVöD-V, § 16 Abs 4 TVöD-V

Instanzenzug: ArbG Stralsund Az: 1 Ca 270/12 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Az: 5 Sa 81/13 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Stufenzuordnung der Klägerin nach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses von der Bundesagentur für Arbeit (BA) auf den Beklagten als zugelassenen kommunalen Träger gemäß § 6c SGB II.

2Die Klägerin war nach Beendigung ihrer Ausbildung seit Juli 2005 für die BA tätig. Auf dieses Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) vom in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Die Klägerin erhielt seit Beendigung ihrer Ausbildung stets ein Entgelt der Tätigkeitsebene V und war in dieser Ebene zuletzt der Entwicklungsstufe 4 zugeordnet. Seit 2007 bis zum war sie im Jobcenter des Landkreises N in der Leistungsabteilung als Fachassistentin Beratungsservice eingesetzt, ohne dass sich ihre Tätigkeit dadurch inhaltlich änderte. In den Jahren 2008/2009 befand sie sich zwölf Monate in Elternzeit.

3Zum ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin - wie das von rund 200 weiteren Beschäftigten der BA - gemäß § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II auf den beklagten Landkreis über, der zum Kreis der zugelassenen kommunalen Träger zählt und ua. das Gebiet des ehemaligen Landkreises N umfasst. Dies führte zu keiner inhaltlichen Änderung der Tätigkeit der Klägerin.

4Im SGB II ist die Grundsicherung für Arbeitsuchende geregelt. Zur Trägerschaft der Leistungen des SGB II und der Kostentragung für diese Leistungen heißt es darin:

5Der Beklagte gruppierte die Klägerin zum in die Entgeltgruppe 8 der für ihn geltenden Durchgeschriebenen Fassung des TVöD für den Bereich Verwaltung im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-V) ein. Diese Eingruppierung steht zwischen den Parteien ebenso wenig im Streit wie die Höhe der Ausgleichszulage gemäß § 6c Abs. 5 SGB II, die die Klägerin erhält. Streitbefangen ist allein die Zuordnung der Klägerin zur Stufe 3 der Entgeltgruppe 8 TVöD-V, die der Beklagte vornahm. Mit ihrer im Juli 2012 erhobenen Klage begehrt die Klägerin - soweit für die Revision noch von Relevanz - ihre Zuordnung zur Stufe 4 ihrer Entgeltgruppe seit dem .

6Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie sei nicht neu eingestellt worden. Vielmehr habe der Beklagte ihr Arbeitsverhältnis zur BA gemäß § 6c Abs. 3 Satz 2 SGB II in seinem Bestand übernommen. Darum sei sie so zu behandeln, als sei sie schon seit Juli 2005 bei dem beklagten Landkreis beschäftigt gewesen und dort entsprechend dem TVöD-V eingruppiert gewesen.

7Die Klägerin hat zuletzt beantragt

8Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vorgetragen, gemäß § 6c Abs. 3 Satz 3 SGB II entfalteten die Tarifverträge des neuen Trägers erst ab dem Übergang des Arbeitsverhältnisses Wirkung. Das schließe eine in die Vergangenheit gehende Wirkung, wie sie die Klägerin begehre, aus. Durch § 6c Abs. 5 SGB II sei lediglich die im Zeitpunkt des Übergangs des Arbeitsverhältnisses bestehende Entgelthöhe als Besitzstand gewährleistet. Die Ansicht der Klägerin widerspreche dem Grundgedanken des § 16 Abs. 2 TVöD-V (= § 16 TVöD-AT (VKA)), mit dem sich die Tarifvertragsparteien von der Einheit des öffentlichen Dienstes verabschiedet hätten, und führe zu einem übermäßigen Eingriff in die Tarifautonomie.

9Das Arbeitsgericht hat der Klage für die Zeit ab dem stattgegeben. Soweit die Klägerin die Zuordnung zur Stufe 4 ursprünglich bereits ab dem begehrt hat, hat es die Klage abgewiesen, weil die Elternzeit für die Stufenlaufzeit nicht zu berücksichtigen sei. Gegen dieses Urteil hat nur der Beklagte Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Der Beklagte verfolgt mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision sein Ziel der vollständigen Abweisung der Klage weiter.

Gründe

10Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben mit Recht erkannt, dass die Klägerin seit dem der Stufe 4 der Entgeltgruppe 8 TVöD-V zuzuordnen war. Die Stufenlaufzeit in der Stufe 3 dieser Entgeltgruppe begann nicht erst am , sondern schon im Arbeitsverhältnis mit der BA zu laufen. Dies folgt unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben in § 6c SGB II aus einer analogen Anwendung des § 16 Abs. 3 iVm. § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-V. Die Klage ist deshalb im zuletzt noch rechtshängigen Umfang begründet.

11I. Die Ermächtigungsgrundlage des Art. 91e GG, auf der § 6c SGB II beruht, ist verfassungskonform ( -). Mit §§ 6 ff. SGB II ist der Bundesgesetzgeber dem umfassend und weit zu verstehenden Gesetzgebungsauftrag des Art. 91e Abs. 3 GG nachgekommen.

12II. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist gemäß § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II zum auf den Beklagten übergegangen. Die Klägerin ist damit kraft Gesetzes aus dem Arbeitsverhältnis mit der BA ausgeschieden und dem Beklagten als neuem Arbeitgeber zugewiesen worden (vgl. zu dieser Rechtsfolge  (A) - Rn. 22).

13Der Beklagte ist zum als weiterer kommunaler Träger iSv. § 6a Abs. 2 SGB II zugelassen worden. Die Klägerin hat auch, wie von § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II verlangt, vor dem mindestens 24 Monate Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende in dem Gebiet des beklagten Landkreises wahrgenommen. Sie hat derartige Aufgaben unstreitig seit Juli 2005 ausgeübt, unterbrochen lediglich von einer zwölfmonatigen Elternzeit in den Jahren 2008/2009. Selbst wenn die Elternzeit bis zum Jahresende 2009 angedauert haben sollte, wäre die erforderliche Einsatzzeit von 24 Monaten am erfüllt gewesen. Daher kann dahinstehen, ob die Stichtagsregelung des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II zwingend voraussetzt, dass die Tätigkeit ununterbrochen ausgeübt worden ist (zweifelnd: Rixen/Weißenberger in Eicher/Spellbrink SGB II 3. Aufl. § 6c Rn. 2; Münder in Münder SGB II 5. Aufl. § 6c Rn. 2 sieht nur Unterbrechungen als schädlich an, die so erheblich sind, dass von einem Vorhandensein von Fachkenntnissen nicht mehr gesprochen werden könne). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts umfasst das Gebiet des Beklagten auch das des früheren Landkreises N, für den die Klägerin bis zur Kreisgebietsreform durch Art. 1 des Gesetzes zur Schaffung zukunftsfähiger Strukturen der Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Kreisstrukturgesetz) vom (GVOBl. M-V S. 366) tätig war.

14III. Der Senat hat davon abgesehen, den Rechtsstreit im Hinblick auf das beim Bundesverfassungsgericht zur Frage der Verfassungskonformität des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II anhängige abstrakte Normenkontrollverfahren nach Art. 100 GG - 1 BvL 1/14 - (Vorlage  (A) -) in analoger Anwendung des § 148 ZPO auszusetzen (vgl. zu einer solchen Möglichkeit  -; - VIII ZR 337/97 -). Die Entscheidung über die Aussetzung hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen ( - Rn. 15). Die Aussetzung des Rechtsstreits bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist nicht sachgerecht, weil das Interesse der Klägerin an einer Sachentscheidung überwiegt.

15Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Achten Senats des Bundesarbeitsgerichts beruhen allein darauf, dass dem Arbeitnehmer ein neuer Arbeitgeber aufgezwungen werde, ohne dass er einen Fortbestand des alten Arbeitsverhältnisses, sei es durch ein Rückkehrrecht, sei es durch ein Widerspruchsrecht, erreichen könne. Die Klägerin reklamiert solche Rechte jedoch nicht, obwohl ihr, wie die Revisionserwiderung zeigt, die Vorlage bekannt ist. Sie stellt lediglich die Rechtsansicht des Beklagten, zwischen den Parteien sei rechtsgeschäftlich ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen, in Abrede. Im Übrigen will sie, solange sie bei dem Beklagten beschäftigt ist, ausdrücklich so gestellt werden, wie sie bei einer Wirksamkeit des gesetzlich angeordneten Betriebsübergangs zu stellen wäre. Damit hat sie zumindest für die Zeit bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ihr durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes Recht, privatautonom zu entscheiden, welches Arbeitsverhältnis ihr mehr Vorteile bietet, und ihren Vertragspartner zu wählen (vgl.  - Rn. 98, 69, BVerfGE 128, 157), ausgeübt und sich für den Beklagten als Arbeitgeber entschieden.

16IV. Der TVöD-V findet seit dem uneingeschränkt auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

171. § 6c Abs. 3 Satz 3 SGB II ordnet die „ausschließliche“ Anwendung der für die weiteren zugelassenen kommunalen Träger jeweils geltenden Tarifverträge an. Damit gilt ab Übergang des Arbeitsverhältnisses ua. der TVöD-V dynamisch (ohne Problematisierung:  (A) - Rn. 41; für den TV Sonderzahlung 2011  - Rn. 10).

182. Der gesetzlichen Anordnung der (sofortigen) Geltung des TVöD-V steht die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. EG L 82 vom S. 16 - künftig RL 2001/23/EG) nicht entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob § 6c SGB II ein eigenständiges, § 613a BGB vorgehendes Umsetzungsgesetz ist. Selbst wenn es an einer innerstaatlichen Umsetzung fehlte, könnte die Richtlinie unmittelbar Anwendung finden, weil der Regelungsbereich des § 6c SGB II ausschließlich öffentliche Arbeitgeber betrifft (vgl. zur unmittelbaren Anwendung von Richtlinien gegenüber dem Staat  - [Dominguez] Rn. 33; zur Eigenschaft öffentlicher Arbeitgeber als Staat im Sinne des Unionsrechts Sagan in Preis/Sagan Europäisches Arbeitsrecht § 1 Rn. 133). Der Anwendungsbereich der RL 2001/23/EG ist jedoch nicht eröffnet. Darum kommt es nicht darauf an, dass das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt hat, auf welcher Rechtsgrundlage der TV-BA bis zum auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der BA Anwendung gefunden hat. Dahinstehen kann auch, welche Rechtsfolgen sich aus Art. 3 Abs. 1 bzw. Abs. 3 RL 2001/23/EG für die Weitergeltung kollektiv vereinbarter Normen im Hinblick auf die Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union vom (- C-108/10 - [Scattolon] Slg. 2011, I-7491) und vom (- C-426/11 - [Alemo-Herron]) ergeben (vgl. dazu die Problemübersicht bei Grau/Hartmann in Preis/Sagan Europäisches Arbeitsrecht § 11 Rn. 108 ff.).

19a) Der Anwendung der Richtlinie steht allerdings nicht entgegen, dass der Übergang des Arbeitsverhältnisses unmittelbar durch Gesetz erfolgte (vgl.  - [Scattolon] Rn. 63 f., Slg. 2011, I-7491).

20b) Als Teil der Übertragung hoheitlicher Befugnisse von einer Behörde auf eine andere ist der von § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II angeordnete Übergang der Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer von der BA auf den zugelassenen kommunalen Träger jedoch gemäß Art. 1 Abs. 1 Buchst. c RL 2001/23/EG von der Betriebsübergangsrichtlinie nicht erfasst.

21aa) Die RL 2001/23/EG ist nach ihrem Art. 1 Abs. 1 nur auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben sowie Unternehmens- und Betriebsteilen anzuwenden. „Unternehmen“ in diesem Sinne sind nur solche wirtschaftlichen Einheiten, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Darunter ist jede Tätigkeit zu verstehen, die darin besteht, Waren oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten. Dazu zählen auch Dienste, die in allgemeinem Interesse und ohne Erwerbszweck im Wettbewerb mit den Diensten von Wirtschaftsteilnehmern erbracht werden, die einen Erwerbszweck verfolgen. Dagegen sind Tätigkeiten in Ausübung hoheitlicher Befugnisse grundsätzlich nicht als wirtschaftliche Tätigkeit einzustufen ( - [Scattolon] Rn. 42 bis 44, Slg. 2011, I-7491).

22bb) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat bisher nicht im Einzelnen ausgeführt, was unter hoheitlichen Tätigkeiten im Sinne der Betriebsübergangsrichtlinie zu verstehen ist. Er hat jedoch im Zusammenhang mit dem Vergaberecht klargestellt, dass Tätigkeiten, die unmittelbar und spezifisch mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind, als „Ausübung öffentlicher Gewalt“ iSv. Art. 45 Abs. 1 iVm. Art. 55 EG anzusehen sind. Erforderlich dafür ist eine hinreichend qualifizierte Ausübung von Sonderrechten, Hoheitsprivilegien oder Zwangsbefugnissen ( - [Kommission/Deutschland] Rn. 78 f., Slg. 2010, I-3713). Solche Tätigkeiten fallen nicht in den Schutzbereich von Bestimmungen des Unionsrechts, die der Durchführung der Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr dienen. Diese Definition kann zweifellos für das Verständnis, welche Tätigkeiten in Ausübung hoheitlicher Befugnisse erfolgen und auf die deshalb die RL 2001/23/EG keine Anwendung findet, herangezogen werden. Dies folgt bereits daraus, dass die vom Gerichtshof der Europäischen Union in Rn. 44 seiner Entscheidung vom (- C-108/10 - [Scattolon] Slg. 2011, I-7491) in Bezug genommene Entscheidung vom (- C-49/07 - [MOTOE] Slg. 2008, I-4863) nicht die RL 2001/23/EG, sondern das Wettbewerbsrecht betrifft (zur Heranziehung von Auslegungsergebnissen aus Urteilen zum Wettbewerbsrecht für die Auslegung von Begriffen der RL 2001/23/EG vgl. auch  - [Collino und Chiappero] Rn. 33, Slg. 2000, I-6659;  - Rn. 34 bis 36).

23cc) Die Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende, die zum auf den Beklagten übergegangen ist, ist nach diesem Begriffsverständnis eine hoheitliche Tätigkeit iSd. Art. 1 Abs. 1 Buchst. c RL 2001/23/EG. Die Jobcenter sind darum keine Unternehmen im Sinne der Betriebsübergangsrichtlinie.

24(1) Die Grundsicherung für Arbeitsuchende ist eine Verwaltungsaufgabe im Sinne des Grundgesetzes. Art. 91e Abs. 2 GG räumt den Gemeinden die Chance ein, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende als kommunale Träger alleinverantwortlich wahrzunehmen und konkretisiert so die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG ( - Rn. 77, 101).

25(2) Mit der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden Arbeitslosen- und Sozialhilfe für den vom SGB II erfassten Personenkreis zusammengeführt ( - Rn. 2). Zentrales Ziel des SGB II ist es, durch Fördermaßnahmen die Leistungsberechtigten zu einer Lebensführung unabhängig von der Grundsicherung zu befähigen (Voelzke in Hauck/Noftz SGB II Stand Oktober 2014 K § 1 Rn. 16). Hinter diesem Gedanken steht das Konzept des aktivierenden Sozialstaats. Der Leistungsberechtigte soll aktiv dabei unterstützt werden, vom passiven Objekt staatlicher Hilfe zum aktiven Subjekt und Gesellschaftsmitglied zu werden (Stölting in Eicher/Spellbrink SGB II 3. Aufl. § 1 Rn. 3).

26(a) Die Grundsicherung für Arbeitsuchende ist eine Basisabsicherung für die Personen, die objektiv noch einer Erwerbstätigkeit nachgehen können, weil sie nicht voll erwerbsgemindert sind (vgl.  ua. - Rn. 2, BVerfGE 125, 175; Sauer in Sauer SGB II Vorbemerkungen zum Ersten Kapitel Rn. 2; Voelzke in Hauck/Noftz SGB II Stand September 2013 E 010 Rn. 225). Sie stellt die materielle Versorgung und Eingliederung erwerbsfähiger Leistungsberechtigter und der mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen sicher (Voelzke aaO Rn. 234).

27(b) Zugleich hat der Gesetzgeber mit den Leistungen nach dem SGB II den von Art. 1 Abs. 1 GG dem Grunde nach vorgegebenen Leistungsanspruch zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums gesetzlich gesichert und als subsidiäres System ausgestaltet, das nach seiner Zielrichtung sämtlichen Bedarfslagen, die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins gedeckt werden müssen, Rechnung tragen soll ( ua. - Rn. 136, 138, 147, BVerfGE 125, 175). Dieses überragende Ziel des Leistungsrechts des SGB II macht § 1 Abs. 1 SGB II deutlich (vgl. Meyerhoff in Schlegel/Voelzke jurisPK-SGB II 4. Aufl. § 1 Rn. 8, 29; Voelzke in Hauck/Noftz SGB II Stand Oktober 2014 K § 1 Rn. 8).

28(c) Im Gegensatz zu dem im SGB III geregelten Recht der Arbeitsförderung verfolgt das SGB II keine arbeitsmarktpolitische Zielsetzung. Vielmehr steht rein programmatisch der erwerbsfähige Leistungsberechtigte im Mittelpunkt des Gesetzes. Er soll von den Transferleistungen des SGB II vollständig oder mindestens teilweise unabhängig werden (vgl. Voelzke in Hauck/Noftz SGB II Stand Oktober 2014 K § 1 Rn. 18; Meyerhoff in Schlegel/Voelzke jurisPK-SGB II 4. Aufl. § 1 Rn. 14). Gelingt dies nicht, werden (ausschließlich) staatliche Transferleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts des Leistungsberechtigten gewährt (Meyerhoff aaO Rn. 20). Damit gehört das SGB II wie die im SGB XII geregelte Sozialhilfe zum Recht der Fürsorge. Die Leistungen des SGB II werden unabhängig von einer Vorleistung des Leistungsberechtigten aus Steuermitteln gezahlt. Dies gilt gemäß § 6b Abs. 2 iVm. § 46 SGB II auch für die von den zugelassenen kommunalen Trägern betriebenen Jobcenter. Die Höhe der Leistungen richtet sich nicht nach dem zuvor erzielten Arbeitsentgelt im Sinne einer Lebensstandardsicherung, sondern maßgebend nach dem individuellen Bedarf (Voelzke aaO Stand September 2013 E 010 Rn. 234, 278; Sauer in Sauer SGB II Vorbemerkungen zum Ersten Kapitel Rn. 3). Als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhalten Alleinstehende und Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft, soweit sie das 15. Lebensjahr vollendet haben und iSv. § 8 Abs. 1 SGB II erwerbsfähig sind, Arbeitslosengeld II iSv. § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Liegen die Voraussetzungen für die Gewährung des Arbeitslosengeldes II nicht vor, erhalten Leistungsberechtigte Sozialgeld iSv. § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II, sofern kein Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gemäß §§ 41 ff. SGB XII besteht. Dieser Zielsetzung und Ausgestaltung entspricht es, dass die Grundsicherung im Anhang X der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. EU L 166 vom S. 1) als „beitragsunabhängige Geldleistung“ iSv. Art. 70 Abs. 2 dieser Verordnung aufgeführt ist.

29(d) Verletzen die nach dem SGB II Leistungsberechtigten die ihnen nach diesem Gesetz obliegenden Verhaltenspflichten, führt dies zu den in §§ 31 ff. SGB II geregelten Sanktionen, soweit dadurch nicht das Existenzminimum unterschritten wird (vgl.  - Rn. 28 f., BVerfGK 5, 237). In diesem Rahmen ziehen die in § 31 SGB II aufgeführten Pflichtverletzungen, wie zB die Nichterfüllung der in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten oder die Weigerung, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen, stufenweise Sanktionen nach sich. Das Arbeitslosengeld II wird nach den Maßgaben des § 31a SGB II und für den Hinderungszeitraum des § 31b SGB II, der grundsätzlich drei Monate beträgt, gekürzt. Meldeversäumnisse iSd. § 32 SGB II führen gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II grundsätzlich zu einer Minderung des Arbeitslosengeldes II oder des Sozialgeldes von 10 % des maßgebenden Regelbedarfs.

30(3) Mit dieser Ausgestaltung ist die Grundsicherung für Arbeitsuchende - anders als die in Form von Beratung und Vermittlung erbrachte Arbeitsvermittlung (zu deren Einstufung als wirtschaftliche Tätigkeit s.  - [Höfner und Elser] Rn. 20 ff., Slg. 1991, I-1979;  - Rn. 37 ff.) - keine wirtschaftliche Tätigkeit. Es handelt sich vielmehr um eine originäre, unmittelbar aus dem Grundgesetz erwachsende Aufgabe des Staats, die nicht im Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsteilnehmern, die einen Erwerbszweck verfolgen, erbracht wird und auch nicht erbracht werden kann. Zur Wahrnehmung und Durchsetzung dieser staatlichen Aufgabe stehen den Trägern der Grundsicherung iSd. § 6 Abs. 1 SGB II, zu denen gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 iVm. § 6a Abs. 2 und § 6b Abs. 1 Satz 1 SGB II auch die zugelassenen weiteren kommunalen Träger und die von diesen betriebenen Jobcenter gehören, die in §§ 31 ff. SGB II geregelten Sanktionen zur Verfügung. Diese Befugnisse weichen vom allgemeinen Recht ab und haben eine solche Intensität, dass sie als „hinreichend qualifiziert“ im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eingestuft werden können (vgl. zu diesem Kriterium Schlussanträge vom in der Sache - C-160/08 - Rn. 57 f., Slg. 2010, I-3713).

31(4) In der Gesamtschau erfolgt die Tätigkeit der Jobcenter bei der ihnen obliegenden Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach Wesen, Gegenstand und den dabei geltenden Regeln in Ausübung hoheitlicher Befugnisse und weist keinen wirtschaftlichen Charakter auf (vgl.  - [SAT Fluggesellschaft] Rn. 30, Slg. 1994, I-43).

32V. Der TVöD-V regelt den Übergang des Arbeitsverhältnisses im Wege des (gesetzlichen) Übergangs nicht und enthält darum auch keine ausdrückliche Bestimmung zur Stufenzuordnung von Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis gemäß § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II auf einen zugelassenen kommunalen Träger übergeht. Insoweit liegt eine unbewusste Regelungslücke vor.

331. Die Klägerin ist nicht (fiktiv) nach Maßgabe des § 6 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Überleitungsrechts (TVÜ-VKA) in den TVöD-V übergeleitet worden. Der Anwendungsbereich des Überleitungsrechts ist für gesetzlich angeordnete Übergänge grundsätzlich nicht eröffnet (vgl.  - Rn. 32 ff. für einen Übergang nach § 613a BGB). § 6 TVÜ-VKA sieht keine Ausnahme von diesem Grundsatz für den Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II vor.

342. Ein gesetzlicher Übergang des Arbeitsverhältnisses auf einen dem TVöD-V unterfallenden Arbeitgeber führt nicht zu einer Einstellung iSd. § 16 Abs. 2 TVöD-V (noch offengelassen von  - Rn. 34 ff.).

35a) Der Begriff „Einstellung“ bringt zum Ausdruck, dass ein Arbeitnehmer angestellt bzw. in ein Arbeitsverhältnis genommen wird. Maßgeblich ist, welche Bedeutung die Tarifvertragsparteien diesem Begriff im jeweiligen Regelungszusammenhang geben wollen ( - Rn. 9, BAGE 144, 263). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats liegt eine Einstellung, die eine Stufenzuordnung iSd. § 16 Abs. 2 TVöD-AT (VKA) oder TV-L oder § 16 Abs. 2 bzw. Abs. 3 TVöD-AT (Bund) erforderlich macht, bei jeder, auch wiederholten Begründung eines Arbeitsverhältnisses vor ( - Rn. 11, aaO; - 6 AZR 382/09 - Rn. 17 ff.). Eine solche Einstellung setzt also voraus, dass durch Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags rechtlich ein neues Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber begründet wird (vgl.  - Rn. 19).

36b) An dieser Voraussetzung fehlt es im Falle eines gesetzlichen Übergangs des Arbeitsverhältnisses. Dieser führt lediglich zu einem gesetzlich angeordneten Schuldnerwechsel (Schaub/Koch ArbR-HdB 15. Aufl. § 118 Rn. 1). Das zwischen dem Arbeitnehmer und dem früheren Arbeitgeber bestehende Arbeitsverhältnis bleibt im Ausgangspunkt unverändert (vgl. allgemein zum Arbeitgeberwechsel bei einem gesetzlichen Übergang: ErfK/Preis 15. Aufl. § 613a BGB Rn. 66; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 613a Rn. 77; zum Arbeitgeberwechsel nach § 6c SGB II  (A) - Rn. 22).

373. Im Sonderfall des gesetzlichen Übergangs nach § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II ist die Regelungslücke in § 16 TVöD-V unbewusst (offengelassen für den Betriebsübergang nach § 613a BGB hinsichtlich der mit § 16 TVöD-V inhaltsgleichen Bestimmung in Nr. 3 Abs. 2 der Anlage D.12 zum TVöD-V von  - Rn. 60). § 6c SGB II hat erst durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom (BGBl. I S. 1112) seine aktuelle Bedeutung erhalten. Bis dahin eröffnete der durch das Gesetz zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Kommunales Optionsgesetz) vom (BGBl. I S. 2014) eingefügte § 6c SGB II als sogenannte „Experimentierklausel“ lediglich die Möglichkeit, die Wahrnehmung der Aufgaben durch zugelassene kommunale Träger im Vergleich zur Aufgabenwahrnehmung durch die Bundesagentur zu untersuchen. Die Tarifvertragsparteien konnten bei Abschluss des TVöD im September 2005 und der im Februar 2006 erfolgten Erstellung des TVöD-V diese gesetzliche Entwicklung und damit den Übergang der Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten der Jobcenter auf die kommunalen Träger nicht voraussehen und damit für diesen Fall keine Regelung treffen. Der regelungsbedürftige Fall ist erst nach Vereinbarung der Tarifbestimmung entstanden.

38VI. Die unbewusste Regelungslücke in § 16 TVöD-V ist dahin zu schließen, dass die Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis aufgrund der Regelung des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II von der BA auf einen zugelassenen kommunalen Träger übergeht, jedenfalls dann bei der Stufenzuordnung so zu stellen sind, als hätte das Arbeitsverhältnis von seinem Beginn an mit dem kommunalen Träger bestanden, wenn sie weiterhin Tätigkeiten im Bereich der Grundsicherung verrichten. § 16 Abs. 3 und § 17 Abs. 3 TVöD-V sind darum jedenfalls für diesen Personenkreis analog anzuwenden (zur Analogie als Mittel der Lückenschließung vgl.  - Rn. 16). Die bei der BA erworbene Berufserfahrung ist dann bei der Stufenzuordnung nach der Überleitung uneingeschränkt zu berücksichtigen. Das gilt auch für angebrochene Stufenlaufzeiten (im Ergebnis ebenso  - Rn. 44 ff.) und unabhängig davon, ob der TV-BA einzelvertraglich vereinbart war oder normativ galt. Nur ein solches Verständnis entspricht § 6c SGB II als höherrangigem Recht und deckt sich mit der Rechtsauffassung des BMAS, wie sie in A V Ziff. 7 des Frage-Antwort-Katalogs des BMAS zum gesetzlichen Personalübergang nach § 6c SGB II (Stand ) wiedergegeben ist, wonach bei der Stufenzuordnung nach dem TVöD-V die Erfahrungszeiten bei der BA zu berücksichtigen sind.

391. Zwar verbleibt den Tarifpartnern zur Schließung der bei § 16 TVöD-V für den Fall des gesetzlichen Übergangs des Arbeitsverhältnisses nach § 613a BGB bestehenden Tariflücke grundsätzlich ein Entscheidungsspielraum, der es den Arbeitsgerichten verbietet, die bestehende Lücke zu schließen (vgl.  - Rn. 58 ff.). Es ist den Tarifvertragsparteien, insbesondere auch bei einem gesetzlichen Übergang des Arbeitsverhältnisses, grundsätzlich nicht verwehrt, der (einschlägigen) Berufserfahrung, die die Beschäftigten unmittelbar bei ihrem Arbeitgeber erworben haben, größere Bedeutung beizumessen als der Erfahrung, die sie bei anderen Arbeitgebern, insbesondere solchen außerhalb des öffentlichen Dienstes, erworben haben (vgl. für § 613a BGB  - Rn. 61, BAGE 124, 240; vgl. zur Differenzierungsmöglichkeit der Tarifvertragsparteien hinsichtlich der innerhalb und außerhalb des öffentlichen Dienstes erworbenen Berufserfahrung  - Rn. 22; zu Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit einer solchen Differenzierung mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 45 Abs. 2 AEUV und dessen besonderer Ausprägung in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union [ABl. EU L 141 vom S. 1] allerdings  - unter Bezug auf  - [Zentralbetriebsrat der gemeinnützigen Salzburger Landeskliniken Betriebs GmbH]).

402. Im Sonderfall des gesetzlichen Übergangs der Arbeitsverhältnisse der im Jobcenter beschäftigten Arbeitnehmer nach § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II von der BA auf den zugelassenen kommunalen Träger trägt jedoch allein die uneingeschränkte Anrechnung der bei der BA erworbenen Berufserfahrung der gesetzlichen Regelung hinreichend Rechnung. Das gilt jedenfalls dann, wenn der übernommene Beschäftigte weiterhin Tätigkeiten der Grundsicherung verrichtet. Ein Regelungsspielraum verbleibt den Tarifvertragsparteien insoweit nicht, so dass der Senat die Regelungslücke des § 16 TVöD-V selbst schließen kann.

41a) Die zugelassenen kommunalen Träger sind in den von ihnen geführten Jobcentern gemäß § 6b Abs. 1 SGB II anstelle der BA Träger der Grundsicherung und haben insoweit die Rechte und Pflichten der BA. Die hoheitliche Aufgabe der Grundsicherung wird von ihnen (weiter-)geführt.

42b) § 6c Abs. 1 SGB II trägt dem Prinzip „Personal folgt der Aufgabe“ Rechnung. Die Regelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers sicherstellen, dass die Funktionsfähigkeit der Grundsicherung auch in den nunmehr von den zugelassenen kommunalen Trägern allein betriebenen Jobcentern gewährleistet bleibt. Er hat erkannt, dass die kommunalen Träger dafür auf personelle Kontinuität sowie die Erfahrung und Fachkompetenz der Beschäftigten der BA angewiesen sind. Vor diesem Hintergrund soll die Stichtagsregelung, wonach die Arbeitnehmer der BA mindestens 24 Monate vor dem Zeitpunkt der Zulassung Aufgaben der Grundsicherung wahrgenommen haben müssen, gewährleisten, dass die übertretenden Beschäftigten eine hinreichende Berufserfahrung aufweisen (BT-Drs. 17/1555 S. 19 f.; vgl. auch  (A) - Rn. 27). Es soll nur objektiv qualifiziertes Personal übergehen, das gründlich eingearbeitet ist (Sauer in Sauer SGB II § 6c Rn. 6). Zugleich macht § 6c SGB II deutlich, dass der tarifvertragliche Status der übergegangenen Beschäftigten abgesichert werden soll (Rixen/Weißenberger in Eicher/Spellbrink SGB II 3. Aufl. § 6c Rn. 1; Luthe in Hauck/Noftz SGB II Stand Januar 2013 K § 6c Rn. 4). Durch den Übergang sollen den Beschäftigten grundsätzlich keine Nachteile entstehen (Sauer aaO Rn. 3).

43c) Zu dem durch § 6c SGB II nach dem Willen des Gesetzgebers geschützten Besitzstand gehört damit auch und gerade die bei der BA erworbene Berufserfahrung, die es den zugelassenen kommunalen Trägern überhaupt erst ermöglicht, die von ihnen übernommene hoheitliche Aufgabe zu erfüllen, und damit auch das an diese Erfahrung im abgelösten Entgeltsystem anknüpfende höhere Entgelt. Zwar begründet Berufserfahrung als solche kein Recht, das der übernommene Beschäftigte gegenüber seinem neuen Arbeitgeber geltend machen könnte. Ein Besitzstandsschutz kommt insoweit nur in Betracht, wenn die Erfahrung bereits gegenüber dem früheren Arbeitgeber Rechte begründete und diese Erfahrung dem neuen Arbeitgeber weiterhin zugutekommt (vgl. für § 613a BGB:  - Rn. 62, BAGE 124, 240; - 6 AZR 792/94 - zu II 3 der Gründe). Das war gemäß §§ 18, 19 TV-BA der Fall. § 6c Abs. 3 Satz 2 SGB II soll die Beschäftigten auch vor dem Verlust der finanziellen Honorierung erworbener Berufserfahrung schützen. Dem widerspräche es, wenn die vorhandene Berufserfahrung der auf die zugelassenen kommunalen Träger übergegangenen Beschäftigten, die dem Träger unmittelbar zugutekam, bei der Bemessung ihres Entgelts nicht uneingeschränkt berücksichtigt würde, obwohl die Höhe dieses Entgelts sowohl im alten als auch im neuen Entgeltsystem wesentlich von der Berufserfahrung abhing bzw. abhängt und diese Erfahrung dem neuen Arbeitgeber weiterhin zugutekommt (vgl. für die Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen  - [Delahaye] Rn. 34, Slg. 2004, I-10823).

44d) Die nach § 6c Abs. 5 SGB II zu gewährende Ausgleichszulage allein schützt diesen Besitzstand nicht hinreichend.

45aa) Die Ausgleichszulage ist zwar bei Entgelteinbußen der übernommenen Beschäftigten auch zu gewähren, wenn diesen eine tariflich gleichwertige Tätigkeit übertragen wird (Rixen/Weißenberger in Eicher/Spellbrink SGB II 3. Aufl. § 6c Rn. 12; Münder in Münder SGB II 5. Aufl. § 6c Rn. 8; aA Meyerhoff in Schlegel/Voelzke jurisPK-SGB II 4. Aufl. § 6c Rn. 33; Sauer in Sauer SGB II § 6c Rn. 45 f.; ablehnend wohl auch - jedoch nicht tragend -  - Rn. 19). Das folgt aus dem eindeutigen Wortlaut des § 6c Abs. 5 Satz 3 SGB II, der ausdrücklich auch auf § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB II verweist. Satz 1 erfasst wiederum den Regelfall, in dem dem Arbeitnehmer eine tariflich gleichwertige Tätigkeit übertragen wird.

46bb) Ungeachtet dessen wird die Zahlung der Zulage nach § 6c Abs. 5 SGB II weder isoliert betrachtet noch in Kombination mit der von der VKA empfohlenen (vgl. Ziff. 4.2 der Anlage zum Rundschreiben R 248/2011 vom ) und von dem Beklagten letztlich vorgenommenen analogen Anwendung des § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD-V dem gesetzlichen Regelungsanliegen gerecht. Die Ausgleichszulage sichert das vor dem gesetzlichen Übergang gezahlte Arbeitsentgelt nur statisch. Spätere Erhöhungen des Grundgehalts beim aufnehmenden kommunalen Träger sind anzurechnen ( - Rn. 19). Die Ausgleichszulage kann den Verlust, der durch eine Stufenzuordnung eintritt, die die erworbene Berufserfahrung nicht vollständig abbildet, darum nicht dauerhaft ausgleichen. Demgegenüber kommt diese Erfahrung dem kommunalen Träger weiterhin uneingeschränkt zugute. Die Folgen der Aufzehrung der Zulage macht folgendes Beispiel deutlich: Wird auf die Stufenzuordnung eines Arbeitnehmers, dessen Arbeitsverhältnis auf einen kommunalen Träger übergeht und der acht Jahre einschlägiger Berufserfahrung aufweist, § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD-V analog angewendet, so wird dieser Arbeitnehmer der Stufe 3 zugeordnet. Damit werden im Ergebnis lediglich drei der acht Jahre Berufserfahrung berücksichtigt. Zudem beginnt die Stufenlaufzeit am Tag des gesetzlichen Übergangs neu zu laufen. Der Arbeitnehmer steigt darum nach drei Jahren in die Stufe 4 seiner Entgeltgruppe auf, die eine Berufserfahrung von lediglich sechs Jahren abbildet, während dieser Arbeitnehmer mittlerweile eine (einschlägige) Berufserfahrung von elf Jahren aufweist. Gleichwohl wird seine Ausgleichszulage, sofern sie nicht bereits durch tarifliche Entgelterhöhungen aufgezehrt ist, durch den Stufenaufstieg (weiter) abgeschmolzen. Die Zulage trägt damit dem gesetzlichen Regelungsziel, den Besitzstand auch hinsichtlich der Berufserfahrung zu sichern, nicht hinreichend Rechnung.

47e) Das Entgeltsystem des TVöD-V weist in §§ 16 f. TVöD-V Einstufungskriterien auf, die mit der Entgeltstruktur des TV-BA hinreichend vergleichbar sind und es aufnehmenden kommunalen Trägern ermöglichen, die in einer Tätigkeit in der Grundsicherung bei der BA erworbene Berufserfahrung auch im Arbeitsverhältnis mit dem zugelassenen kommunalen Träger uneingeschränkt abzubilden. In beiden Tarifsystemen wird Berufserfahrung finanziell honoriert. Darum sind die von einem zugelassenen kommunalen Träger nach § 6c Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 SGB II übernommenen Arbeitnehmer im TVöD-V der Stufe zuzuordnen, die ihrer Berufserfahrung entspricht. Dabei sind die Stufen und -laufzeiten zugrunde zu legen, die sich bei analoger Anwendung des § 16 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 4 sowie § 17 Abs. 3 TVöD-V ergeben. Eine „Deckelung“ auf die Stufe 3, wie sie § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöD-V bei der Einstellung vorsieht (vgl.  - Rn. 18), erfolgt nicht. Wie ausgeführt, liegt keine Einstellung vor. Vielmehr wird die erworbene Berufserfahrung in dem nach wie vor, wenn auch mit einem anderen Arbeitgeber, bestehenden Arbeitsverhältnis uneingeschränkt honoriert und fortgeschrieben. Im Ergebnis sind die übergegangenen Arbeitnehmer bei der Stufenzuordnung jedenfalls dann so zu stellen, als habe ihr Arbeitsverhältnis von Beginn an mit dem aufnehmenden kommunalen Träger bestanden und als hätten sie seit Beginn des Arbeitsverhältnisses Tätigkeiten dieser Entgeltgruppe ununterbrochen verrichtet, wenn sie nach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses weiterhin Tätigkeiten der Grundsicherung verrichten. Das entspricht der Regelung, die die Tarifvertragsparteien des TV-BA in der Protokollerklärung Nr. 3 zu § 18 Abs. 3 TV-BA für den umgekehrten Fall der Wiederbegründung des Arbeitsverhältnisses mit der BA gemäß § 6c Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB II getroffen haben. Danach sind die Beschäftigten, die spätestens innerhalb von drei Monaten nach dem Zeitpunkt der Neuzulassung wieder von der BA eingestellt werden müssen, weil die Kommune nur 90 % der übergeleiteten Beschäftigten endgültig übernimmt, bei der Entwicklungsstufenzuordnung und -laufzeit so zu stellen, als hätte das Arbeitsverhältnis mit der BA ununterbrochen bestanden.

48VII. Nach vorstehenden Maßstäben war die Klägerin im Zeitpunkt des Übergangs ihres Arbeitsverhältnisses auf den Beklagten am in analoger Anwendung des § 16 Abs. 3 Satz 1 iVm. § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-V der Stufe 3 ihrer Entgeltgruppe zuzuordnen. Am stieg sie in die Stufe 4 dieser Entgeltgruppe auf. Das haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt.

491. Die Klägerin war bereits seit Abschluss ihrer Ausbildung stets der Tätigkeitsebene V zugeordnet und hat eine inhaltsgleiche Tätigkeit ausgeübt. Maßgeblich für die Stufenzuordnung ist darum die Zeit seit Juli 2005. Das hat das Landesarbeitsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt, ohne dass die Revision dagegen Rügen erhebt.

502. Die zwölfmonatige Elternzeit der Klägerin führte gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-V - ebenso wie gemäß § 19 Abs. 6 Satz 2 TV-BA - zur Hemmung der Stufenlaufzeit. Rechtliche Bedenken gegen diese Hemmung bestehen nicht ( - BAGE 137, 80).

513. Am wies die Klägerin damit eine maßgebliche Berufserfahrung von 66 Monaten auf (78 Monate vom Juli 2005 bis zum abzüglich zwölf Monate Elternzeit). Darum war sie bei Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den Beklagten zunächst der Stufe 3 ihrer Entgeltgruppe zuzuordnen, wobei eine angebrochene Stufenlaufzeit von 30 Monaten zu berücksichtigen war. Nach weiteren sechs Monaten und damit nach dem Erwerb von insgesamt weiteren drei Jahren Berufserfahrung stieg die Klägerin am gemäß § 16 Abs. 3, § 17 Abs. 1 TVöD-V in die Stufe 4 ihrer Entgeltgruppe auf. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass nach dem weitere Tatbestände, die zur Hemmung, Unterbrechung oder Verlängerung der Stufenlaufzeit geführt hätten, eingetreten sind. Auch insoweit erhebt die Revision keine Rügen.

52VIII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2015:160415.U.6AZR142.14.0

Fundstelle(n):
BB 2015 S. 1780 Nr. 30
DB 2015 S. 6 Nr. 29
FAAAE-94446