Anfragebeschluss: Ausdehnung der deutschen Strafgewalt auf Auslandstaten ausländischer Täter im Falle des unbefugten Vertriebs von Betäubungsmitteln
Gesetze: § 6 Nr 5 StGB, § 132 Abs 3 S 1 GVG
Instanzenzug: Az: 21 KLs 4/12nachgehend Az: 1 ARs 10/15 Beschlussnachgehend Az: 2 StR 96/14 Urteil
Gründe
I.
11. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
2Nach den Feststellungen des Landgerichts übergab der Angeklagte, ein niederländischer Staatsangehöriger, im Auftrag eines niederländischen Rauschgiftlieferanten bei zwei Gelegenheiten im Juni und im August 2011 an Treffpunkten in den Niederlanden 40.000 bzw. 250.000 Ecstasy-Pillen gegen Entgelt an den früheren Mitangeklagten J. . Dieser war nach dem Kenntnisstand des Angeklagten ein (deutscher) Kontaktmann des eigentlichen, wiederum niederländischen Abnehmers. In Wirklichkeit handelte es sich bei den Übergaben um polizeilich angeschobene Scheingeschäfte. Bei dem angeblichen Abnehmer handelte es sich um einen verdeckten Ermittler der niederländischen Polizei. Der Angeklagte wurde unmittelbar nach der zweiten Übergabe auf Grund eines Europäischen Haftbefehls festgenommen und am an Deutschland ausgeliefert.
3Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Angeklagten, der geltend macht, deutsches Strafrecht sei nicht anwendbar, sowie die Sachbeschwerde erhebt.
42. Der Senat hält die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nicht für gegeben und erachtet die Revision insoweit für erfolgversprechend. Er ist in Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt der Auffassung, dass sich nach den Feststellungen die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nur aus § 6 Nr. 5 StGB begründen ließe (nachfolgend II.). Insoweit teilt der Senat aber die Bedenken der Revision gegen die Annahme des Generalbundesanwalts, die Auslieferung des Angeklagten nach Deutschland könne einen die Anwendung des § 6 Nr. 5 StGB legitimierenden Anknüpfungspunkt darstellen (nachfolgend III.).
II.
5Die Anwendung deutschen Strafrechts lässt sich nach den Feststellungen nur nach § 6 Nr. 5 StGB begründen.
6Inländische täterschaftliche Tatbeiträge des früheren Mitangeklagten B. könnten zwar, wie das Landgericht in seinem im Urteil in Bezug genommenen und von der Revision mitgeteilten Beschluss vom richtig gesehen hatte, nach §§ 3, 9 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 StGB zur Anwendung deutschen Strafrechts führen. Solche Tatbeiträge hat das Landgericht aber im Urteil nicht festgestellt; im Rahmen der rechtlichen Würdigung wird lediglich ausgeführt, dass sich der Angeklagte den in Bonn erfolgten Tatbeitrag des früheren Mitangeklagten B. über § 9 Abs. 2 Satz 1 StGB zurechnen lassen müsse, ohne dass näher dargelegt wird, worin dieser bestehen soll. In der mitgeteilten Prozessgeschichte finden sich zwar Hinweise auf "vorherige Verhandlungen in Bo. "; diese Ausführungen erfolgten aber lediglich im Rahmen der Wiedergabe des Anklagevorwurfs und können daher ebenso wenig wie die ersichtlich vorläufigen Einschätzungen des konkrete tatbestandsmäßige und täterschaftliche Handlungen des Mitangeklagten B. belegen. Da der Angeklagte niederländischer Staatsangehöriger ist und nach Deutschland ausgeliefert wurde, sind auch die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 StGB nicht erfüllt.
III.
7Der Senat ist mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Auffassung, dass § 6 Nr. 5 StGB Ausdruck des Weltrechtsprinzips ist (nachfolgend 1.), es aber insoweit zur Ausdehnung der deutschen Strafgewalt auf Auslandstaten ausländischer Täter eines legitimierenden Anknüpfungspunktes bedarf (nachfolgend 2.); die Auslieferung des Beschuldigten nach Deutschland und seine daran anschließende Festnahme im Inland vermögen indes keinen solchen hinreichenden Inlandsbezug zu begründen (nachfolgend 3.).
81. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist § 6 Nr. 5 StGB Ausdruck des Weltrechtsprinzips (vgl. Senat, Beschluss vom - 2 StR 201/11, NStZ 2012, 335 mit Anmerkung von Patzak; , NStZ 2010, 521; Beschluss vom - 5 StR 493/99, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 37; Urteile vom - 1 StR 328/91, BGHR StGB § 6 Nr. 5 Vertrieb 2; vom - 3 StR 11/87, BGHSt 34, 334, 336; vom - 3 StR 472/85, BGHSt 34, 1, 2, und vom - 3 StR 298/76, BGHSt 27, 30, 32).
9Daran hält der Senat fest. Die Entscheidung des Gesetzgebers, den unbefugten Vertrieb von Betäubungsmitteln grundsätzlich dem Weltrechtsprinzip zu unterwerfen, findet seine völkerrechtliche Rechtfertigung u. a. (zum Einheits-Übereinkommen vom über Suchtstoffe vgl. , BGHSt 27, 30, 33) im Wiener Übereinkommen vom gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen (BGBl. 1993 II, S. 1136 ff.). Dieses betont die Erkenntnis, "dass die Ausmerzung des unerlaubten Verkehrs [mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen] in die kollektive Verantwortung aller Staaten fällt". Dementsprechend wird in Art. 4 Abs. 3 des Übereinkommens die Ausübung einer über die dort einzeln aufgezählten - im deutschen Recht im Wesentlichen schon durch die §§ 3, 4 und 7 StGB umgesetzten - Jurisdiktionstitel hinausgehenden, nach innerstaatlichem Recht begründeten Strafbarkeit ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Dies lässt den Schluss auf die Geltung des Weltrechtsprinzips zu, dessen Funktion gerade darin besteht, eine Verfolgung von Straftaten gegen wichtige Rechtsgüter der internationalen Staatengemeinschaft zu ermöglichen (vgl. BVerfG, NJW 2001, 1848, 1852; so im Ergebnis auch Böse in NK-StGB, 4. Aufl., Vor § 3 Rn. 26, § 6 Rn. 13; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 6 Rn. 5; Eser in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., Vorbem. §§ 3-9 Rn. 19; Weber, BtMG, Vor §§ 29 ff. Rn. 121; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., § 29 Teil 4 Rn. 149; differenzierend MüKo-StGB/Ambos, 2. Aufl., Vor §§ 3-7 Rn. 43, 49). Der im Schrifttum dagegen erhobenen Kritik (vgl. etwa Wer-le/Jeßberger in LK, 12. Aufl., § 6 Rn. 79; Roegele, Deutscher Strafrechtsimperialismus, 2014, S. 195 f.) ist zuzugeben, dass die in § 6 Nr. 5 StGB getroffene gesetzgeberische Entscheidung nicht zwingend war; sie ist aber angesichts des den Staaten insoweit eingeräumten weiten Ermessens (vgl. StIGH, PCIJ Series A Nr. 10 - The Case of the S. S. "Lotus", S. 18 ff.) nicht völkerrechtswidrig (, BGHSt 34, 334, 336 ff., und vom - 3 StR 298/76, BGHSt 27, 30, 32 f.).
102. Um im Fall des § 6 Nr. 5 StGB die Ausdehnung deutscher Strafgewalt auf Auslandstaten ausländischer Täter zu rechtfertigen, müssen diese Taten über den Wortlaut der Vorschrift hinaus allerdings einen hinreichenden Inlandsbezug aufweisen.
11a) Der Bundesgerichtshof hat bisher die Notwendigkeit eines Inlandsbezuges im Rahmen des § 6 Nr. 5 StGB zumeist mit der Erwägung offengelassen, dass der zu Grunde liegende Sachverhalt einen solchen aufweise, wobei alle Strafsenate, die sich mit dieser Problematik zu befassen hatten, eine Neigung zu diesem Erfordernis zu erkennen gegeben haben (vgl. , BGHR StGB § 6 Nr. 5 Vertrieb 2, vom - 3 StR 11/87, BGHSt 34, 334, 336, und vom - 3 StR 298/76, BGHSt 27, 30, 33; vgl. auch BVerfG, NJW 2001, 1848, 1853; OLG Celle, Beschluss vom - 31 HEs 10/10, OLGSt StGB § 6 Nr. 3, insoweit in NStZ-RR 2011, 54 nicht abgedruckt). Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, die die Notwendigkeit eines Inlandsbezugs in Frage stellen, sind demgegenüber nicht ersichtlich.
12b) Nach Auffassung des Senats bedarf es - in Übereinstimmung mit weiten Teilen der Literatur (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 6 Rn. 5b; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 6 Rn. 1; MüKo-StGB/Ambos aaO § 6 Rn. 4; ders., Internationales Strafrecht, 4. Aufl., § 3 Rn. 100; Weber aaO Rn. 11; KK-StPO/Diemer, 7. Aufl., § 153c Rn. 2; vgl. auch Werle/Jeßberger in LK, 12. Aufl., § 6 Rn. 35) eines solchen Inlandsbezuges, aus dem sich ein inländisches Interesse an der Verfolgung im Ausland begangener Straftaten ergeben muss. Die dagegen im Schrifttum teilweise erhobene Kritik (vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 6 Rn. 1; SSW-StGB/Satzger, 2. Aufl., § 6 Rn. 3) greift nicht durch.
13aa) Insoweit ist die Sachlage anders als bei völkerrechtlichen Kernverbrechen, bei denen der Gesetzgeber im Hinblick auf die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. , BGHSt 45, 64, 66) die Notwendigkeit eines Inlandsbezugs ausdrücklich verneint hat (§ 1 VStGB, vgl. BT-Drucks. 14/8524 S. 14). Für völkerrechtliche Kernverbrechen ist charakteristisch, dass das völkerrechtliche Vertrags- oder Gewohnheitsrecht eine weltrechtliche Verfolgung explizit und unbedingt vorschreibt (vgl. MüKo-StGB/Ambos aaO, Vor §§ 3-7 Rn. 43, § 6 Rn. 15; ders., Internationales Strafrecht, 4. Aufl., § 3 Rn. 94), was bei diesen Straftaten dem Erfordernis eines zusätzlichen Inlandsbezuges entgegensteht (vgl. , BGHSt 46, 292, 307 zu § 6 Nr. 9 StGB). Eine solche völkerrechtlich begründete, umfassende Verfolgungspflicht gilt für den unbefugten Vertrieb von Betäubungsmittel aber gerade nicht: vielmehr räumt Art. 4 Abs. 3 des Wiener Suchtstoffübereinkommens 1988 den Vertragsparteien nur eine weitergehende Verfolgungsmöglichkeit in dem Sinne ein, dass diese nach innerstaatlichem Recht ihre Strafgerichtsbarkeit über die im Übereinkommen explizit geregelten Jurisdiktionstitel hinaus ausdehnen können. Insoweit ist daher Raum für eine Begrenzung der inländischen Strafgewalt.
14bb) Dass eine grundsätzliche Verfolgungspflicht sämtlicher im Ausland begangener Straftaten, die dem Anwendungsbereich des § 6 Nr. 5 StGB unterfallen, nicht in Betracht kommt, liegt schon mit Blick auf die begrenzten Ressourcen der deutschen Strafrechtspflege auf der Hand. Zudem wird regelmäßig eine Aufklärung und Verfolgung von Straftaten am Ort der Tatbegehung schneller und effektiver möglich sein. Dem hat der Gesetzgeber durch die Möglichkeit, gemäß § 153c Abs. 1 StPO von der Strafverfolgung abzusehen, Rechnung getragen. Die Staatsanwaltschaft hat insoweit aber einen weiten Ermessensspielraum (vgl. KK-StPO/Diemer, 7. Aufl., § 153c Rn. 19), innerhalb dessen sie das öffentliche Interesse gegen widerstreitende Interessen abwägt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 153c Rn. 1), ohne dass klare, die Ermessensausübung ausreichend vorhersehbar machende Kriterien erkennbar wären; solche lassen sich auch Nr. 94 Abs. 1 RiStBV nicht entnehmen.
15Das Erfordernis eines materiell-rechtlich verstandenen Inlandsbezuges vermag demgegenüber eine gleichförmige, der revisionsrechtlichen Kontrolle zugängliche Rechtsausübung zu gewährleisten, was der Rechtssicherheit deutlich besser gerecht wird, als eine gerichtlich nicht überprüfbare Ermessensentscheidung; dies gilt umso mehr angesichts der Bedeutung, die dieser Entscheidung für den Betroffenen im Hinblick auf die Weite des § 6 Nr. 5 StGB zukäme, wollte man auf eine materiell-rechtliche Einschränkung des Tatbestandes verzichten. Insoweit findet die Notwendigkeit eines Inlandsbezuges seine Grundlage letztlich im Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes, zu dessen wesentlichen Elementen die Rechtssicherheit gehört (vgl. BVerfG, NJW 2012, 669, 672 mwN sowie BVerfGE 7, 89, 92; 13, 261, 271). Damit läuft die Vorschrift des § 153c Abs. 1 StPO auch nicht leer: vielmehr kann die Staatsanwaltschaft im Rahmen der dortigen Ermessenentscheidung von der Verfolgung absehen, obwohl ein Inlandsbezug vorliegt und deutsches Strafrecht anwendbar ist, und hierbei insbesondere außenpolitische Zweckmäßigkeitserwägungen berücksichtigen (siehe § 153c Abs. 3 StPO i.V.m. Nr. 94 Abs.1 Satz 2 RiStBV).
16cc) Dieses Ergebnis entspricht zudem einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung des § 6 Nr. 5 StGB. Eine solche ist wegen des auch in Art. 2 Abs. 2 und 3 des Wiener Suchtstoffübereinkommens 1988 betonten völkerrechtlichen Nichteinmischungsgrundsatzes geboten. Das Erfordernis eines Inlandsbezuges führt insoweit zu einer sinnvollen Begrenzung des den Staaten in Art. 4 Abs. 3 dieses Übereinkommens eingeräumten Spielraums und kann daher schon auf Ebene des Tatbestandes Verstöße gegen den Nichteinmischungsgrundsatz vermeiden (vgl. MüKo-StGB/Ambos aaO Vor §§ 3-7 Rn. 13 ff., § 6 Rn. 4).
17c) Als legitimierende Anknüpfungspunkte im Sinne eines Inlandsbezuges kommen nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Betracht: die spätere Einfuhr der im Ausland an einen Ausländer veräußerten Betäubungsmittel in das Bundesgebiet (, BGHSt 34, 334, 339), ein inländischer Sitz der die Betäubungsmittel produzierenden oder die dafür nötigen Rohstoffe liefernden Firma (, BGHR StGB § 6 Nr. 5 Vertrieb 2), die Festnahme des sich freiwillig im Bundesgebiet aufhaltenden Beschuldigten (BGH aaO), die Begehung einer mit der Auslandstat eng verknüpften Inlandstat (BGH aaO) sowie ein früherer Wohnsitz oder jedenfalls ein regelmäßiger oder längerer Aufenthalt des Beschuldigten im Inland (, BGHSt 46, 292, 307; Urteil vom - 3 StR 215/98, BGHSt 45, 64, 68; Senat, Beschluss vom - 2 ARs 499/98, NStZ 1999, 236; , BGHR StGB § 6 Nr. 1 Völkermord 1; Beschluss - Ermittlungsrichter - vom - 1 BGs 100/94, NStZ 1994, 232, 233).
18Kein ausreichender Inlandsbezug wurde dagegen im inländischen Aufenthalt des Tatopfers oder Anzeigeerstatters gesehen (vgl. Senat, Beschlüsse vom - 2 ARs 51/99 und vom - 2 ARs 499/98, NStZ 1999, 236).
19Die Frage, ob die Festnahme des ausländischen Beschuldigten im Inland nach Auslieferung einen legitimierenden Anknüpfungspunkt zu begründen vermag, ist vom 3. Strafsenat offengelassen worden (, BGHSt 34, 334, 338). Der 1. Strafsenat hat in seiner Entscheidung vom - 1 StR 328/91 (BGHR StGB § 6 Nr. 5 Vertrieb 2) offengelassen, ob es eines legitimierenden Anknüpfungspunktes bedarf, in der rechtmäßigen Auslieferung eines ausländischen Beschuldigten durch seinen Heimatstaat aber einen solchen Anknüpfungspunkt erblickt. Mit Urteil vom - 1 StR 299/14 hat der 1. Strafsenat entschieden, dass sich eine Inlandsberührung der Tat im Rahmen des § 6 Nr. 5 StGB ungeachtet der Bestimmungsorte der dort verfahrensgegenständlichen Rauschgiftlieferungen jedenfalls aus der Auslieferung des - in diesem Fall offenkundig deutschen -Angeklagten an Deutschland ergeben kann. Die anderen Strafsenate haben sich - soweit ersichtlich - bislang nicht zu dieser Frage geäußert.
203. Nach Ansicht des Senats vermag die Festnahme des Beschuldigten nach seiner Auslieferung allein keinen hinreichenden Inlandsbezug zu begründen.
21Zwar wird man dem Einverständnis des ausliefernden Staates mit der Auslieferung entnehmen können, dass jedenfalls dieser in der Strafverfolgung des Beschuldigten keinen Verstoß gegen den Nichteinmischungsgrundsatz erblickt (so wohl auch der 1. Strafsenat in seinem Urteil vom - 1 StR 328/91, BGHR StGB § 6 Nr. 5 Vertrieb 2); die Frage, ob dies als Inlandsbezug ausreicht, könnte aber schon anders zu beurteilen sein, wenn der ausliefernde Staat nicht mit dem Staat identisch ist, in dessen Staatsgebiet die Tat begangen wurde oder aus dem der Beschuldigte stammt. Ungeachtet dessen erschöpft sich die Funktion des Inlandsbezugs, wie dargelegt, nicht in der Vermeidung von Verstößen gegen den Nichteinmischungsgrundsatz; vielmehr soll dadurch zugleich eine gleichförmige, vorhersehbare Rechtsanwendung gewährleistet werden, was insoweit zu einer materiell-rechtlichen Einschränkung des § 6 Nr. 5 StGB führt. Aus diesem Grund ist deutsches Strafrecht von vornherein nicht anwendbar, wenn ein Bezug zum Inland fehlt. Unter diesem Gesichtspunkt rügt die Revision zu Recht, dass ein Auslieferungsersuchen, auch auf Grund eines Europäischen Haftbefehls, die Strafbarkeit der Tat nach deutschem Recht und damit die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts gerade voraussetzt und sie daher nicht erst begründen kann (vgl. BGH - Ermittlungsrichter -, Beschluss vom - 2 BGs 152/12, StV 2013, 304, 306 zum Erlass eines Haftbefehls in einer vergleichbaren Konstellation). Die der Auslieferung nachfolgende Festnahme im Inland ist nur deren unmittelbare Folge und kann daher für sich ebenfalls keinen hinreichenden Inlandsbezug begründen. Anders läge der Fall dann, wenn vor dem Auslieferungsersuchen ein diesem zu Grunde liegender tragfähiger Inlandsbezug vorgelegen hätte, der auch nach Durchführung des Strafverfahrens noch anzunehmen wäre. Dies ist nach den insoweit unergiebigen Feststellungen im landgerichtlichen Urteil hier nicht der Fall.
IV.
221. Der Senat beabsichtigt, das Urteil aufzuheben und die Sache zur Klärung der Frage, ob deutsches Strafrecht möglicherweise aus anderen Gründen anwendbar ist, an das Landgericht zurückzuverweisen.
23Nach den Urteilsgründen erscheint es nicht als ausgeschlossen, dass sich mittäterschaftliche Tathandlungen des früheren Mitangeklagten B. feststellen lassen, die nach §§ 3, 9 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 StGB zur Anwendung deutschen Strafrechts führen könnten. Selbst wenn diese Handlungen nur als Beihilfe zu werten wären und für den Angeklagten daher keinen inländischen Tatort begründen könnten (vgl. Werle/Jeßberger in LK, 12. Aufl., § 9 Rn. 16 mwN), würden sie jedenfalls einen die Anwendung des § 6 Nr. 5 StGB rechtfertigenden Inlandsbezug darstellen. In der bisherigen Rechtsprechung ist anerkannt, dass bereits die Begehung einer mit der Auslandstat eng verknüpften Inlandstat die deutschen Strafverfolgungsbehörden zum Einschreiten berechtigt (s. o. III.2.c). Für inländische Tatbeiträge eines Gehilfen zu der im Ausland begangenen Haupttat kann nichts anderes gelten. Die Feststellung derartiger Tatbeiträge und ihres Umfangs ist aber mit den Mitteln des dem Revisionsgericht allein zur Verfügung stehenden Freibeweisverfahrens nicht zuverlässig möglich, sondern erfordert eine Beweisaufnahme nach strengbeweislichen Grundsätzen. In dieser Konstellation ist es angezeigt, das Urteil aufzuheben und die Sache an das Tatgericht zurückzuverweisen (vgl. Senat, Urteil vom - 2 StR 458/00, BGHSt 46, 307, 309 f. mwN).
242. Dieser beabsichtigten Entscheidung steht zwar nicht die Rechtsprechung des 3. Strafsenats entgegen, da dieser die Frage, ob die Festnahme des ausländischen Beschuldigten im Inland nach Auslieferung einen legitimierenden Anknüpfungspunkt zu begründen vermag, ausdrücklich offengelassen hat (, BGHSt 34, 334, 338). Auch das Urteil des 1. Strafsenats vom - 1 StR 299/14 dürfte nicht entgegenstehen, da es die Auslieferung eines Deutschen und damit eine andere Fallkonstellation betraf, wie schon die Wertung des § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB zeigt.
25Entgegenstehen könnte aber die Entscheidung vom - 1 StR 328/91 (BGHR StGB § 6 Nr. 5 Vertrieb 2), in der der 1. Strafsenat die Auslieferung eines ausländischen Beschuldigten durch seinen Heimatstaat als ausreichenden Inlandsbezug angesehen hat. Der Senat hat erwogen, ob diese Rechtsansicht - die im vorliegenden Fall die Verwerfung der Revision zur Folge hätte - nicht tragend gewesen sein könnte, da in der Entscheidung weitere, auch vorgreifliche, Anknüpfungspunkte für die Anwendung deutschen Strafrechts (insbesondere der inländische Sitz der die Betäubungsmittel produzierenden oder die dafür nötigen Rohstoffe liefernden Firma) genannt werden (vgl. Franke in LR, 26. Aufl., § 132 GVG Rn. 6). Um sicherzustellen, dass eine mögliche Divergenz nicht übersehen wird, fragt der Senat gleichwohl gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG beim 1. Strafsenat an, ob an etwa entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird (vgl. auch Franke aaO Rn. 8).
Fischer Ott Krehl
Eschelbach Zeng
Fundstelle(n):
CAAAE-91385