BFH Urteil v. - X R 45/11

Eine im sog. Ferrari-Fax-Verfahren übermittelte Einspruchsentscheidung kein elektronisches Dokument i.S. des § 87a AO

Leitsatz

Bei der Übersendung eines Verwaltungsaktes (hier: Einspruchsentscheidung) im Wege des sog. Ferrari-Fax-Verfahrens handelt es sich nicht um die Übersendung eines elektronischen Dokuments, sondern um eine Übersendung per Telefax, das die gesetzliche Schriftform für behördliche und gerichtliche Entscheidungen wahrt. Einer elektronischen Signatur i.S. des § 87a Abs. 4 AO bedarf es deshalb nicht.

Gesetze: AO § 87a Abs. 4, AO § 122 Abs. 2, AO § 366, AO § 119 Abs. 3

Instanzenzug: ,

Gründe

1 I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im Anschluss an eine Steuerfahndungs- sowie eine Umsatzsteuersonderprüfung rechnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) dem Kläger für das Streitjahr (2003) Gewinne aus einem Garten- und Landschaftsbaubetrieb zu, die dieser über einen Strohmann erzielt habe. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurück. Die Bekanntgabe erfolgte an die Rechtsanwaltskanzlei F als steuerliche Vertreterin des Klägers, die Übermittlung der Einspruchsentscheidung erfolgte per Computerfax im sog. Ferrari-Fax-Verfahren.

2 Unter Beifügung eines vom datierenden Anschreibens, in dem darauf hingewiesen wurde, dass eine Klage bis zum erhoben werden müsse, leitete Rechtsanwalt F die Einspruchsentscheidung an den Kläger weiter.

3 Die mit Telefax vom erhobene Klage ging am selben Tag beim Finanzgericht (FG) ein. Zusammen mit der Klage beantragte der Kläger wegen Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete dies im Wesentlichen damit, den —zwar schon am abgestempelten— Umschlag erst am in seinem Briefkasten vorgefunden zu haben. Zur Glaubhaftmachung legte er zunächst das Anschreiben des F, eine Kopie eines Briefumschlags mit Poststempel vom , eine Gesprächsnotiz vom über einen Anruf im Büro des F sowie eine schriftliche Bestätigung seiner Lebensgefährtin (L) vom „” vor. Darin erklärte L, das Schriftstück mit dem Az.…habe sich erst am Freitag, den „”, im Briefkasten des Klägers befunden. Mit eidesstattlicher Versicherung vom bestätigte sie, dass „die Angaben in meinem Schreiben vom richtig” seien. Im weiteren Verfahrensverlauf legte der Kläger eine ergänzende, nach den Feststellungen des FG von F vorgefertigte und im Anschluss am von L unterschriebene eidesstattliche Versicherung vor.

4 Das FG wies die Klage nach Vernehmung der L als Zeugin wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig ab. Hierbei ging es von einer wirksamen Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung aus. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht, da nicht festgestellt werden könne, dass der Kläger an der Einhaltung der Klagefrist schuldlos gehindert gewesen sei. Dem stehe bereits entgegen, dass sich ein Verschulden des F, welches sich der Kläger wie ein eigenes Verschulden zurechnen lassen müsse, an dem Versäumen der Klagefrist nicht ausschließen lasse. Im Übrigen habe auch der Kläger nicht glaubhaft machen können, das auf den datierte Schriftstück erst am Freitag, dem , erhalten zu haben.

5 Mit der Revision macht der Kläger geltend, das FG gehe zu Unrecht davon aus, die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung sei wirksam per Computerfax erfolgt. Als Bekanntgabetag habe das FG gemäß § 122 Abs. 2a der Abgabenordnung (AO) den angenommen, so dass es die erst am erhobene Klage als verfristet angesehen habe. Dabei habe das Gericht übersehen, dass es im Streitfall an der nach § 366 AO erforderlichen schriftlichen Erteilung der Einspruchsentscheidung fehle, da diese lediglich per Computerfax ohne qualifizierte elektronische Signatur (§ 119 Abs. 3 Satz 3 AO) übermittelt worden sei. Damit sei die Einspruchsentscheidung nur elektronisch, nicht aber schriftlich übermittelt, so dass es insgesamt an einer wirksamen, die Klagefrist in Gang setzenden Bekanntgabe fehle.

6 Der Kläger beantragt,

das FG-Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

7 Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8 II. Die Revision ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

9 1. Das FG ist —ohne die Frage zu problematisieren— im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, die Übersendung der Einspruchsentscheidung im Wege des in Nordrhein-Westfalen üblichen sog. Ferrari-Fax-Verfahrens habe auch ohne qualifizierte elektronische Signatur zu einer wirksamen Bekanntgabe und damit zur Ingangsetzung der Klagefrist geführt.

10 a) Bei der Übersendung eines Verwaltungsaktes, wie vorliegend der streitigen Einspruchsentscheidung, im Wege des sog. Ferrari-Fax-Verfahrens handelt es sich nicht um die Übersendung eines elektronischen Dokuments, sondern um eine Übersendung per Telefax, das die gesetzlich gebotene Schriftform für behördliche und gerichtliche Entscheidungen wahrt. Einer elektronischen Signatur i.S. des § 87a Abs. 4 AO bedurfte es deshalb nicht.

11 Zur Begründung verweist der erkennende Senat auf die Ausführungen des VIII. Senats des Bundesfinanzhofs in seinem Urteil vom VIII R 9/10 (BFHE 245, 484, BStBl II 2014, 748, unter II.1.), denen er folgt.

12 b) Anders als in dem in BFHE 245, 484, BStBl II 2014, 748 zu beurteilenden Fall stellt sich die Problematik, ob die wirksame Bekanntgabe einer Verkörperung durch einen entsprechenden Ausdruck bedarf, nicht. Es ist unstreitig, dass F die über sein Telefaxgerät empfangene Einspruchsentscheidung ausgedruckt und dem Kläger mit Schreiben vom zugeleitet hat. Streitig war allein die Frage, wann die Weiterleitung durch F und der Zugang beim Kläger erfolgten. Die erst am erhobene Klage war damit verfristet.

13 2. Gründe dafür, dass das FG die Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist nach § 56 FGO zu Unrecht nicht gewährt habe, macht der Kläger nicht geltend. Solche sind auch nicht erkennbar. Dies hätte insbesondere vorausgesetzt, dass der Kläger ohne Verschulden verhindert war, diese gesetzliche Frist einzuhalten (vgl. § 56 Abs. 1 FGO), und dass er die Tatsachen zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags bei Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht hat (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO).

14 Das FG hat dies aufgrund seiner tatsächlichen Feststellungen, die der Kläger nicht mit Revisionsrügen angegriffen hat und die den Senat deswegen nach § 118 Abs. 2 FGO binden, rechtsfehlerfrei verneint.

15 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2015 S. 657 Nr. 5
GAAAE-86632