Voraussetzung einer finanzgerichtlichen Entscheidung über eine Aufrechnung mit rechtswegfremden Forderungen bei nicht rechtskraftfähigem
Titel (Kindesunterhaltsforderung des Jugendamts gegen Steuererstattungsanspruch)
Leitsatz
1. Hat das FG bei der Entscheidung über die Aufrechnung mit einer rechtswegfremden titulierten Kindesunterhaltsforderung des
Jugendamtes gegen einen Steuererstattungsanspruch zu entscheiden, ob die Unterhaltsforderung besteht, ist nicht auf die Rechtskraft
des Titels abzustellen. Die gebotene Gleichbehandlung rechtskräftiger und nicht der Rechtskraft fähiger (Jugendamts-)Titel
hat dadurch zu erfolgen, dass das FG unabhängig von der Rechtskraft des bestehenden Titels daran gehindert ist, ohne Weiteres
vom Bestand der titulierten Unterhaltsforderung auszugehen, wenn der Schuldner solche Einwendungen erhebt, welche auch bestehenden
rechtskräftigen Titeln entgegengehalten werden können (hier: Einrede der Verjährung oder Verwirkung). Das FG muss durch Fristsetzung
den Kläger oder den Beklagten zur Einleitung eines Verfahrens beim für die rechtswegfremde Forderung zuständigen (Familien-)Gericht
auffordern. Damit wird die dem Zivilprozessrecht gegebene Entscheidungskompetenz der ordentlichen Gerichte über die Einwendungen
nicht unterlaufen und das FG entscheidet nicht unter Überschreitung seiner Sachkompetenz über den Bestand der rechtswegfremden
Forderungen.
2. Hat das FG danach dem beklagten aufrechnenden FA eine Frist zum Nachweis einer Antragstellung beim Familiengericht gesetzt,
die der Beklagte ungenutzt verstreichen lässt, ist der einredefreie Bestand der Unterhaltsforderung als nicht erwiesen zu
behandeln und der Klage gegen die Aufrechnung des Steuererstattungsanspruchs mit der Unterhaltsforderung stattzugeben.
3. Ausführungen zur Zulässigkeit eines Antrags des Landes Berlin oder des Landes Brandenburg beim zuständigen Familiengericht
auf Verpflichtung des Klägers zur Zahlung oder auf Feststellung der durch das Land Berlin an das Land Brandenburg abgetretenen
Unterhaltsansprüche sowie zur Vorrangigkeit der Verpflichtung des Klägers, den Bestand der Forderung durch einen Antrag beim
Familiengericht klären zu lassen.
Fundstelle(n): DStR 2015 S. 11 Nr. 26 YAAAE-86250
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