Akupunkturbehandlungen an Menschen durch einen Tierarzt bei fehlendem beruflichen Befähigungsnachweis nicht umsatzsteuerfrei
Gesetze: UStG § 4 Nr. 14, RL 2006/112/EG Art. 135 Abs. 1 Buchstabe c
Instanzenzug:
Gründe
1 I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), ein Tierarzt, führt seit ca. 2005 —neben der Behandlung von Tieren— auch sog. „Akupunkturbehandlungen” an Menschen durch.
2 In mehreren Schreiben an den Beklagten und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) sowie in seinen Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2007 und 2008 (Streitjahre) vertrat der Kläger die Auffassung, seine Behandlungen von Menschen seien nach § 4 Nr. 14 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) oder Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem umsatzsteuerfrei. Das FA hingegen sah die Leistungen in den Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre, zuletzt vom , als umsatzsteuerpflichtig an, weil der Kläger als Tierarzt nicht über den erforderlichen Befähigungsnachweis für die Behandlung von Menschen verfüge.
3 Einspruch und Klage, mit denen der Kläger u.a. mehrere positive Berichte von Patienten einreichte, hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, es fehle der berufliche Befähigungsnachweis. Eine berufsrechtliche Regelung für die vom Kläger angewandte Behandlungsform liege nicht vor. Er habe die Akupunkturprüfung nicht für den Bereich der Human-, sondern der Tiermedizin abgelegt. Eine regelmäßige Kostentragung durch Sozialversicherungsträger erfolge nicht. Den Leistungen liege auch kein Versorgungsvertrag zugrunde. Zwar könne sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenkassen ausnahmsweise ergeben, wenn die fehlende Anerkennung einer bestimmten Heilmethode auf einem Mangel des gesetzlichen Leistungssystems beruhe (sog. „Systemversagen”). Die danach erforderlichen Voraussetzungen seien aber vom Kläger nicht vorgetragen worden und lägen auch nicht vor, weil Akupunkturbehandlungen durch Humanmediziner anerkannt seien.
4 Mit seiner Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung.
5 II. Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen. Der Kläger hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt.
6 1. Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) muss der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formulieren und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingehen, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom VII B 118/07, BFH/NV 2008, 1440; vom III B 59/12, BFH/NV 2013, 1447). Hat der BFH die Rechtsfrage noch nicht entschieden, muss der Beschwerdeführer darlegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom III B 82/10, BFH/NV 2011, 38; in BFH/NV 2013, 1447). Dazu gehört auch, dass sich der Beschwerdeführer mit der zur von ihm für klärungsbedürftig gehaltenen Rechtsfrage bereits vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinandersetzt und substantiiert darlegt, weshalb diese Rechtsprechung noch nicht zu einer hinreichenden Klärung geführt habe oder aufgrund welcher neuen Entwicklungen sie nunmehr erneut in Frage gestellt werden müsse (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom XI B 15/13, BFH/NV 2014, 839; vom III B 143/13, BFH/NV 2014, 1083). Das Vorbringen, der BFH habe über einen vergleichbaren Fall noch nicht entschieden, genügt insoweit nicht (vgl. , BFH/NV 2011, 2098).
7 2. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
8 a) Der Kläger bringt vor, eine Ausbildung zum Heilpraktiker würde sich aufgrund seines Alters nicht mehr „rentieren”. Das FG habe die Klage abgewiesen, ohne auf die Besonderheiten des Einzelfalls einzugehen und diese zu würdigen. Der Begriff der „ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit” sei ein unbestimmter Rechtsbegriff, der sich einer festen Abgrenzung entziehe und bei dem sich das, was rechtens sei, immer nach den Umständen des Einzelfalls richte. Demzufolge sei eine Würdigung der Besonderheiten des Einzelfalls vorzunehmen. Es reiche deshalb nicht aus, dass das FG allein die von der Rechtsprechung und Verwaltung aufgestellten Kriterien abgeprüft habe, aber den vom Kläger vorgetragenen Sachverhalt (Einzelfall) nicht gewürdigt habe. Ein solches Vorgehen widerspreche überdies dem Zweck unbestimmter Rechtsbegriffe, auch „untypische Sachverhalte” systemkonform zu lösen. Dass die Definition der Rechtsprechung nicht abschließend sei, zeige sich z.B. an der Neuentwicklung von Behandlungsmethoden.
9 b) Soweit der Kläger damit vornehmlich auf die besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls hinweist, liegt darin keine Darlegung einer —von den Umständen des Einzelfalls unabhängigen— abstrakten Rechtsfrage (vgl. dazu z.B. BFH-Beschlüsse vom X B 88/08, BFH/NV 2008, 1984; vom III B 118/13, BFH/NV 2014, 897; vom IX B 107/13, BFH/NV 2014, 886; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 116 FGO Rz 171).
10 c) Selbst wenn man jedoch den Ausführungen abstrakte Rechtsfragen entnehmen könnte, hat sich der Kläger außerdem weder mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. allgemein Urteil vom C-444/04 —Solleveld—, Slg. 2006, I-3617, BFH/NV Beilage 2006, 299, Rz 37 f., 40 f.) noch mit der ständigen Rechtsprechung des BFH (z.B. Urteile vom V R 18/02, BFHE 207, 381, BStBl II 2005, 227; vom V R 34/02, BFHE 208, 65, BStBl II 2005, 316; vom V R 6/07, BFHE 225, 248, BStBl II 2009, 679; vom V R 30/09, BFHE 237, 263, BStBl II 2012, 623) zur Notwendigkeit eines beruflichen Befähigungsnachweises befasst. Weitergehender Klärungsbedarf allgemeiner Art ist insoweit nicht ersichtlich (vgl. BFH-Be-schluss vom V B 152/09, BFH/NV 2011, 326, Rz 4) und vom Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen.
11 d) Der Hinweis des Klägers darauf, dass die Rechtsprechung insbesondere bei neuen Behandlungsmethoden der Ergänzung bedürfe, stellt sich im Streitfall schon deshalb nicht, weil das FG auf Seite 7 f. seines Urteils —was in der Beschwerdebegründung nicht bestritten worden ist— angenommen hat, die vom Kläger angewandte Behandlungsmethode sei bei Personen, die über eine Akupunkturausbildung im Bereich der Humanmedizin —und nicht nur, wie der Kläger, im Bereich der Tiermedizin— verfügen, erstattungsfähig. Die Gewährung der Steuerbefreiung scheiterte —nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des FG— mithin an einer nicht ausreichenden Ausbildung des Klägers im Bereich der Humanmedizin und nicht daran, dass die von ihm angewandte Behandlungsmethode (als solche) nicht anerkannt werden könne.
12 Fragen, die sich nur stellen können, wenn man von einem anderen als dem vom FG festgestellten Sachverhalt ausgeht, können in einem Revisionsverfahren indes nicht geklärt werden (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom XI B 23/10, BFH/NV 2011, 614; vom XI B 99/12, BFH/NV 2014, 366).
13 e) Weil sich der Streitfall auf eine nationale Gesetzeslage bezieht, in der —anders als heute— in § 4 Nr. 14 Satz 4 Buchst. a UStG der Tierarzt noch ausdrücklich als potentieller Leistungserbringer genannt war (vgl. zum Umfang der Steuerbefreiung bei Leistungen von Tierärzten z.B. , BFH/NV 1994, 509, m.w.N.) hätte der Kläger überdies darlegen müssen, inwieweit sich die von ihm für klärungsbedürftig gehaltenen Rechtsfragen entweder auch mit Blick auf die —gänzlich anders formulierte— Nachfolgeregelung oder in einer nicht ganz unerheblichen Zahl noch anhängiger Verfahren stellen (vgl. BFH-Beschlüsse vom I B 40/10, BFH/NV 2011, 637; vom V B 67/12, BFH/NV 2014, 578).
14 f) Mit den Angriffen des Klägers gegen die materielle Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung wird keiner der in § 115 Abs. 2 FGO abschließend aufgeführten Zulassungsgründe dargetan, sondern nur, dass das FG nach Auffassung des Klägers falsch entschieden habe. Die Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung vermag indes die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO grundsätzlich nicht zu begründen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom XI B 75/12, BFH/NV 2014, 164, m.w.N.; vom IX B 79/13, BFH/NV 2014, 371, Rz 11).
15 3. Der Beschluss ergeht nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne weitere Begründung.
16 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2015 S. 66 Nr. 1
FAAAE-78502